Was sind Digital Humanities? Definitionsfragen und Praxisbeispiele aus der Geschichtswissenschaft

14578927449_aa0a93e58f_k„Why can a computer do so little?“, so lautete 1976 die auf den ersten Blick überraschende Frage von Roberto Busa, den man gemeinhin als den Vater der Digital Humanities bezeichnet[1]. Tatsächlich steckt in diesem Satz eine der grundsätzlichen und bis heute gültigen Fragestellungen bezüglich des Einsatzes von Computern und digitalen Methoden in den Geisteswissenschaften: Geht es darum, effizienter zu sein, menschliche Arbeit zu vereinfachen und Arbeitskraft zu sparen? Oder können Computer uns dabei helfen, neue wissenschaftliche Fragestellungen zu generieren und alte Fragestellungen systematischer, tiefer und besser zu beantworten? Ist auch letzteres der Fall – und davon soll hier ausgegangen werden – dann muss man, mit Willard McCarty, die Frage weitertreiben und nicht nur fragen, warum Computer so wenig können, sondern überlegen, warum Geisteswissenschaftlerinnen und Geisteswissenschaftler so wenig mit Computern machen[2]. Und: woher wissen wir eigentlich, dass es tatsächlich so wenig ist? Und weiter: Wenn es nicht so wenig ist oder mehr sein könnte, warum machen wir es dann so?[3]

Die Debatten um die Digital Humanities oder Humanities Computing wie sie bis ca. zum Jahr 2000 hießen, sind zahlreich und gehen mehrere Jahrzehnte zurück.

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Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/2642

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Frühes Dokument zur Reformationsgeschichte entdeckt

Die Forschungsbibliothek Gotha der Uni Erfurt hat bei Erschließungsarbeiten zum Nachlass des lutherischen Theologen, Kirchenhistorikers und ehemaligen Bibliotheksdirektors auf Schloss Friedenstein, Ernst Salomon Cyprian (1673–1745), im Thüringischen Staatsarchiv Gotha die sehr frühe Beschreibung einer Geschichte der Reformation entdeckt. Unter dem Titel „Von der Zwispaltung so sich des Glaubens und Religion halben im 1517. Jar in Teutscher Nacion hat angefangen“ schrieb der unbekannte Verfasser bereits 1535 einen umfassenden handschriftlichen Bericht über die Ereignisse seiner Zeit aus katholischer Sicht.

„Dieses Dokument“, sagt Dr. Daniel Gehrt, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsbibliothek Gotha und Entdecker der Handschrift, „ist historisch betrachtet von großer Bedeutung.“ Es ist um einige Jahre älter als die beiden bisher bekannten Beschreibungen der Reformationsgeschichte, die nach 1541 von den beiden lutherischen Superintendenten Friedrich Myconius (1490–1546) in Gotha bzw. Georg Spalatin (1484–1545) in Altenburg verfasst worden sind. Zugleich sind die Reflexionen des Verfassers im Vergleich mit Flugschriften aus der Reformationszeit, die häufig einen polemischen Gehalt haben, ungewöhnlich sachlich. Die Handschrift gewährt auf diese Weise einen neuen Einblick in die unmittelbare Wahrnehmung der Reformation aus altgläubiger Sicht.

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Quelle: https://studpro.hypotheses.org/821

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Inszenierte Idylle – Bild des Monats Februar

Da es nun schon länger keine Bildbesprechung mehr gab, möchte ich diesmal in zwei aufeinanderfolgenden Beiträgen zwei Bilder vorstellen und diese miteinander vergleichen. Es handelt sich dabei zum einen um Windsor Castle in Modern Times von Edwin Landseer aus den Jahren 1840-43, welches Victoria von England, ihren Ehemann Albert sowie die erste Tochter Victoria zeigt, und Ernst II. und Alexandrine von Sachsen-Coburg und Gotha nach der Jagd auf der Terrasse von Schloss Rosenau von Raden Saleh aus dem Jahr 1844. Zwischen diesen beiden Bildern gibt es interessante Parallelen, die nicht weiter verwundern, wenn man sich näher mit ihrer Geschichte beschäftigt. Während das erste Bild relativ bekannt ist und in den zahlreichen Publikationen über Victoria mehrmals abgedruckt wurde, fristet das zweite Bild eher ein unbekanntes Schattendasein und fällt höchstens einmal einem Besucher des Coburger Residenzschlosses auf, wo es heute hängt. Sicherlich hängt dies auch mit der unterschiedlichen Bedeutung der Dargestellten zusammen. Auf der einen Seite die englische Königin und ihre noch kleine Familie, auf der anderen Seite ein eher unbekannter deutscher Herzog mit seiner Frau. Allerdings waren die verwandtschaftlichen Beziehungen der Porträtierten besonders eng. Albert und Ernst waren Brüder, die sich trotz ihrer unterschiedlichen Charaktere nahe standen und auch nach Alberts Hochzeit mit Victoria 1840 weiterhin engen Kontakt miteinander hielten.



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Quelle: http://monarchie.hypotheses.org/58

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Sprichwörtliches: Buck dich, Jägglin

Am 31. August 1822 erschien im Stuttgarter “Armen-Freund”, einer vergessenen Publikation, in der übrigens das erste gedruckte Gedicht von Mörike publiziert wurde, im Rahmen einer ohne Verfasserangabe veröffentlichten Artikelserie “Beschreibung aller ehemaligen Klöster, Kirchen und Kapellen in Ulm” als Nr. 40 ein kurzer Abschnitt zur Antoniuskapelle vor dem Donautor1

Als die Kapelle im J. 1533 abgebrochen wurde, theilte man die daselbst befindlichen hölzernen Bilder und das Gestühl unter den Armen als Brennholz aus; aus dieser oder einer anderen Kapelle, die damals abgebrochen wurde, erhielt ein armer Weber, Namens Hans Fischer, ein hölzernes St. Jakobsbild, als er es in den Ofen zum Einbrennen schieben wollte, stieß er an etwas an, darauf sprach er: tuckte Jäkle, du must in Ofen; diese Redensart tuckte Jäkle wurde ein Sprichwort in Ulm, zu denen gesagt, welche sich bücken mußten, um irgendwohin zu kommen.

Vermutlich aus dieser Vorlage kannte Gustav Veesenmeyer die Geschichte, der 1869 bei seinem Auszug aus Felix Fabris “Sionpilgerin” ebenfalls die Historie der Ulmer vorreformatorischen Kapellen aufarbeitete.2 Der Ausspruch des Webers ist mit einer Spur Dialekt angereichert worden: “Duck de Jäkele, du mußt ‘nein”. Veesenmeyer sah darin einen Beleg, wie sehr um 1530 der Heiligenglaube bereits zerstört gewesen sei.

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Quelle: http://archivalia.hypotheses.org/54368

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Aktenkunde extrem — zur Diskussion um den Erkenntniswert von Originaldokumenten

Ein Gastbeitrag von Harald Rösler

Ähnlich der feinsten Feinheit des „Kniffs“, an dem man erkennen kann, ob ein Telegramm dem Kaiser vorgelegen hat oder nicht (vgl. Meyer 1920), kann ein Umlaufzettelchen Informationen enthalten, die sich nur einem intimen Kenner der Organisationseinheit erschließen. Es sei dahingestellt, ob diese Informationen später einmal bedeutend sein werden — allein, sie zu kennen, macht einen Teil des Reizes historischer Forschungsarbeit aus.

Hier hängt so ein Umlaufzettelchen an einer Ausgabe der Neuen Juristischen Wochenschrift. Das ist anhand der Umschlagfarbe nur auf einem Farbbild erkennbar, aber nehmen wir einmal an, wir hätten das Original vor uns (und es wäre keine Publikation, sondern etwa ein wichtiges Rundschreiben).

Umlaufzettel mit ausgestrichenen Bearbeiterkennzeichen
Umlaufzettel mit ausgestrichenen Bearbeiterkennzeichen

Kontextwissen unbedingt nötig

In der Diskussion Nochmals zum Erkenntniswert von Original-Dokumenten vom 23.

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Quelle: http://aktenkunde.hypotheses.org/483

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Die Rüstungsthese. Eine Erklärung für die Entstehung der Heraldik?

„Il est aujourd’hui définitivement admis que cette apparition n’est en rien due aux croisades, ni àl’Orient, ni à l’Antiquité gréco-romaine, ni même aux envahisseurs Germains, mais qu’elle est simplement liée à l’évolution de l’équipement militaire entre la fin du XIe siècle et le milieu du XIIe.“1 Mit diesen klaren Worten erklärt Michel Pastoureau in seinem Standardwerk Traité d´héraldique (1979, 5. Auflage 2008) mit Verweis auf die sich verändernden Rüstungen…

Quelle: http://heraldica.hypotheses.org/4252

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Autotypie: Fotos in der Massenvervielfältigung und fotografisches Bildgedächtnis

Neulich wurde an dieser Stelle über frühe Fotografien von historischen Ereignissen (1848, Krimkrieg) berichtet. Obwohl solche Fotos bereits seit den 1840er Jahren bekannt und überliefert sind, ist das kollektive historische Bildgedächtnis zum 19. Jahrhundert vornehmlich kein fotografisches. Der Grund ist einfach: Fotos konnten bis ins späte 19. Jahrhundert zwar aufgenommen, aber noch nicht massenvervielfältigt werden. Das historische Bildgedächtnis zur Reichsgründung beispielsweise hält Anton von Werner mit seinen Proklamations-Gemälden besetzt. Oder die Pariser Kommune: Das Ereignis findet sich zwar in eindrucksvollen Fotos überliefert (s. Kategorie “Pariser Kommune” bei Wikimedia), visuell kommuniziert wurde der Aufstand in den Illustrierten aber nur in zeitgenössischen Stichen, die bis heute noch oft zur Illustration herangezogen werden. Dass in Illustrierten oder (später) Tageszeitungen zu aktuellen Ereignissen zahlreich Fotos abgedruckt und sich auch stärker mittels solcher Fotos an sie erinnert wurden, ist eine mediengeschichtliche Entwicklung erst des 20. Jahrhunderts.

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Quelle: http://historischdenken.hypotheses.org/3428

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Der Markt als „Moralzehrer“ (2): Regulierung als Moral-Ersatz

Am Ende des ersten Teils dieses Beitrags stand die Frage: Wie soll der Staat der ihm gestellten Aufgabe gerecht werden, für „sittliche Reserven“ des Wirtschaftens zu sorgen? Er kann regulieren, die Funktionalität des Marktes sichern und die Folgen von Ungleichgewichten, möglicherweise auch die Ungleichheit selbst abfedern. Aber Regulierung ist noch keine Moral. Und was ist „Moral“ in diesem Zusammenhang eigentlich: eine kollektive Werteordnung oder nicht doch eher (und dazu neige ich im Moment) ein Anspruch, eine Erwartung an das Individuum, die sich situativ und … Der Markt als „Moralzehrer“ (2): Regulierung als Moral-Ersatz weiterlesen

Quelle: http://moraleconomy.hypotheses.org/456

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Sinologie in Deutschland: „Transregionale Fragestellungen bleiben auf die Qualität regionaler Forschung angewiesen“

von Daniel Leese (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg)

Mein Forschungsfeld ist die neuere und neueste chinesische Geschichte. Als ich Ende der 1990er Jahre mein Studium begann, existierte das Studienfach als solches in Deutschland nicht. In der deutschen Historikerzunft spielte die chinesische Geschichte eine marginale Rolle (und dies ist noch sehr wohlwollend ausgedrückt). Die Sinologie hingegen glich einem großen Gemischtwarenladen. Mit Ausnahme der Sprachausbildung ließen sich die Studieninhalte nicht voraussehen und hingen primär von den persönlichen Forschungsinteressen der jeweiligen Lehrstuhlinhaber ab, die damals in der Mehrzahl im Bereich des Klassischen China angesiedelt waren.

Heute ist die Situation in der Sinologie beinahe umgekehrt. Fast alle Institute haben einen modernen Schwenk vollzogen und es erscheint dringend notwendig, an einer Reihe von Standorten die Kompetenz gerade auch im klassisch-philologischen Bereich zu erhalten. Zu meinem heutigen Forschungsfeld habe ich in Deutschland nie einen Kurs belegt.

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Quelle: http://trafo.hypotheses.org/3566

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„Die deutschen Schiffe werden kommen und uns holen…“. Die „Flüchtlingskrise“ und das Ende des kommunikativen Handelns

Ein Beitrag von Frank Beyer zur Blogreihe #2: Flüchtlinge, Migration, Asyl – 2013 erschütterte der Berliner Philosoph Byung-Chul Han den intellektuellen Diskurs mit einem Essay, in dem er die These vertrat, dass kommunikatives Handeln im Sinne einer öffentlichen Deliberation am Ende sei. Ein Paukenschlag! Der Vormarsch der neuen Medien…

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/9172

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