Der Geschmack des Archivs. Heute: Salz

Arlette Farges Der Geschmack des Archivs (frz. 1989, dt. 2011) ist ein Klassiker des kulturwissenschaftlich erweiterten Archivdiskurses. In vielen Aspekten der Archivpraxis ist er zwar nicht aktuell (Kröger 2011) und der Diskurs hat, weil er sich ja am Leben halten muss, auch theoretische Defizite entdeckt (Lepper/Raulff 2016, S. 5). Farges Verdienst bleibt aber, lange vor dem material turn , die subjektive Erkenntnis, wie die sinnlichen Überraschungen beim Umgang mit archivierten Akten, seien sie fragil, schmutzig oder schwer lesbar, die historische Arbeit beeinflussen: von den Sinneseindrücken verlangsamt, fühlt sich das Vorstellungsvermögen in das hinein, was es für die Lebenswelt der Verfasser und Betroffenen der Aktenstücke hält (Farge 2011: 19).

Vom „Geschmack“ redet Farge also metaphorisch. Wir wollen ihn aber wörtlich werden. Stellen wir uns vor, wir wären ein Papierfischchen, neue Nemesis des Papier-Archivs, und bissen herzhaft in ein ganz bestimmtes Schriftstück…



[...]

Quelle: https://aktenkunde.hypotheses.org/768

Weiterlesen

Retrospektive zu #IOeG2016

Zurück aus Wien, schaue ich derart zufrieden auf die Jahrestagung des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung zurück wie bisher auf kaum keine Konferenz. Das begann bei dem ausgezeichneten Rahmen, den die überaus zuvorkommenden Gastgeber gezimmert hatten. Umso besser konnte man sich vom kurzatmigen Diskurs der Archivpraxis zurücklehnen und Grundsätzliches einmal grundsätzlich betrachten. Ich beschränke mich hier auf Aktenkundliches im engeren Sinne, obwohl der Ertrag der Tagung weit darüber hinausging.

Ich habe viel zu Macht, Schriftlichkeit und Akten gelernt. Von Patrick Joyce und seiner Darstellung der britischen Herrschaft in Indien als Herrschaft des Papiers, das die „Archive des Liberalismus“ speiste. Vor allem aber von Elizabeth Kata, die klassische aktenkundliche Fragen von der Überlieferung staatlicher Institutionen auf diejenige dezidiert antihierarchischer Gruppen (aus der Wiener Frauenbewegung) übertragen hat. Daraus hat sie ganz neue Kategorien gewonnen.

[...]

Quelle: http://aktenkunde.hypotheses.org/599

Weiterlesen

“Quellenkritik im digitalen Zeitalter”: Zum Positionspapier des Historikerverbands

Der Historikerverband hat ein wichtiges Positionspapier zu den Historischen Grundwissenschaften (auch Hilfswissenschaften genannt) veröffentlicht: “Quellenkritik im digitalen Zeitalter”.  Hier einige Gedanken dazu.
Die Mediävistin Eva Schlotheuber (Düsseldorf) und der Zeithistoriker Frank Bösch (Potsdam) zeichnen für das bei HSozuKult und im Blog des Historikerverbands veröffentlichte Papier verantwortlich. Ich gehe hier nur auf das eigentliche Papier ein, nicht auf die bei HSozuKult publizierten Diskussionsbeiträge.

Jetzt schon tl;dr? – Ganz am Ende wird aufgelöst, was im Bild über diesem Beitrag steht.

Ein gutes Papier

Dies ist ein taktisches Papier. Es begründet gegenüber Politik und Bürokratie, warum grundwissenschaftliche Lehre notwendig ist und bedient geschickt die Erwartungshaltungen dieses Publikums: die Sorge um die Konkurrenzfähigkeit gegenüber der “angelsächsische[n] Forschung” oder die Beschwörung von Synergien, gewürzt mit zeitgeistigen Neologismen wie “basal[e] Kompetenzen”.

[...]

Quelle: http://aktenkunde.hypotheses.org/438

Weiterlesen

Nochmals zum Erkenntniswert von Original-Dokumenten

Die Diskussion im Mittelalter-Blog zu Jan Keupps Beitrag über den “Mehrwert des Materiellen” ist ebenso spannend wie erhellend. Hier wird eine Grundfrage der historischen Erkenntnis berührt. Aus der Perspektive des praktischen Archivars möchte ich nach meinem letzten Blogpost noch ein Beispiel bringen: Man nehme ein Blatt Papier und falte es der Breite nach.
Auf diese Art wurden die telegrafischen Berichte deutscher Botschafter gefaltet, wenn sie Kaiser Wilhelm II. vorgelegt werden sollten. Der Text stand nämlich auf einem Folio-Bogen, für die Übermittlung an den Hof wurden aber Umschläge im Quart-Format (also halb so groß) benutzt. Der so entstandene Kniff im Papier ist unter Umständen der einzige Hinweis, dass ein Bericht dem Kaiser vorgelegt wurde (Meyer 1920: 68 f.). Eine Erkenntnis, die sehr relevant sein kann, wenn es etwa um die Rekonstruktion der Julikrise von 1914 geht.



[...]

Quelle: http://aktenkunde.hypotheses.org/392

Weiterlesen

Was nur Originale können: Zu einem Blogpost von Jan Keupp

Professor Keupp (Münster) hat im Mittelalter-Blog einen gedankenreichen Beitrag zum “Mehrwert des Materiellen”, d. h. “zur Epistemologie des archivalischen Originals” veröffentlicht. Er diskutiert verschiedene Ansätze zur Begründung, warum Scans oder andere Wiedergabeformat das Original eines Archivdokuments niemals ersetzen können. Sein Befund ist uneindeutig: Einen wirklichen Beweis, dass es ohne die Originale nicht geht, würden diese Ansätze schuldig bleiben. Was einen bei der Akteurstheorie (das Schaf schreibt mit) auch nicht wundert.

Allerdings streift Keupp den Aspekt nur, den Archivare vielleicht als erstes nennen würden: den der Bearbeitungsspuren. Womit wir bei der Aktenkunde sind.



[...]

Quelle: http://aktenkunde.hypotheses.org/387

Weiterlesen

Orchideenfach im Nebenamt: Hilft Bloggen der Aktenkunde aus ihrer Nische?

Hier dokumentiere ich mein Referat auf dem Workshop „Bloggen in Geschichtswissenschaft und Archivwesen“, der am 10. November 2014 in Wien stattfand. Der Workshop hat gezeigt, dass geisteswissenschaftliches Bloggen erwachsen geworden ist. Den Organisatoren, Maria Rottler und Thomas Stockinger samt ihrem Team, gilt der Dank der Community!

Mein Blog Aktenkunde ist seit Mai 2013 online. Seitdem habe ich es auf 30 Beiträge gebracht. Das ist nicht viel. Ursprünglich hatte ich einen Zwei-Wochen-Rhythmus für neue Beiträge angepeilt. Das war nicht zu halten. Zu den Gründen komme ich noch.

Aktenkunde is of Blog now!

Die Aktenkunde ist die Historische Hilfswissenschaft von den formalen Merkmalen neuzeitlicher Verwaltungsunterlagen. Sie bietet das Rüstzeug zur Quellenkritik des größten Teils der Überlieferung in den Archiven. Sie sollte ein Grundlagenfach sein. De facto ist sie aber ein Orchideenfach. Die Gründe dafür können hier nicht diskutiert werden.

Ein Grund scheint mir jedenfalls zu sein, dass es kaum einen Fachdiskurs gibt. Aktenkunde wird in der Regel von Archivaren betrieben, die in ihrer Berufspraxis große Sachkenntnis erwerben, aber nicht dazu kommen, ihr Wissen neben dem Beruf zu systematisieren und in den konventionellen Formaten des Aufsatzes oder gar der Monographie und in gedruckten Organen zu veröffentlichen. Das Problem der Forschung im “Nebenamt” wurde von meinen Vorrednern schon angesprochen.

Einer dieser Archivare bin ich. Ich habe das Glück, in einem Archiv zu arbeiten, zu dessen Aufgaben auch noch die intensive inhaltliche Beschäftigung mit den Akten zählt (anstatt dieses anhand von Kennzahlen nur noch zu verwalten). So entsteht Erfahrungswissen.

Meine persönliche Lage ist gegenüber vielen Kollegen durch dem Umstand, dass ich Fernpendler bin, aber wohl noch verschärft. Die Zeit, die ich auf meine wissenschaftlichen Interessen verwenden kann, konzentriert sich auf werktäglich gute zwei Stunden im Zug – das bedeutet nicht nur zeitlich, sondern auch physisch eine erhebliche Einschränkung. Diese Zeit muss sich die Wissenschaft auch noch mit Verpflichtungen zu anderem Schreibwerk teilen. Meine eigentliche Freizeit gehört der Familie.

Da begab es sich, dass mir vor fast zwei Jahren durch einen renommierten Wissenschaftsverlag das Projekt eines aktenkundlichen Lehrbuchs angetragen wurde. – Auch über das Buch als Anstoß zum Blog haben wir heute schon einiges gehört. Bereits rein zeitlich war dieses Projekt eine Herausforderung. Besonders schwierig fand ich die Aufgabe aber wegen des Fehlens eines wissenschaftlichen Diskurses. Der Arbeitskreis Aktenkunde des 20. und 21. Jahrhunderts des VdA, in dem ich mitarbeitete, und die engagierte Berliner “Fachgruppe Historische Hilfswissenschaften” können dieses Manko allein nicht heilen.

So reifte der Gedanke, ein Blog als persönliches SETI-Projekt aufzusetzen. Wie die “Search for Extra-Terrestrial Intelligence” – wer will, kann bei SETI@home mitmachen – wollte ich eine Frage “Ist da draußen noch jemand”, bezogen auf mein Interesse an der Aktenkunde. Luft wollte ich mir verschaffen beim Brüten über einer ständig wachsenden Materialsammlungen, Befunde und Hypothesen zur Diskussion stellen, aber auch einen Attraktor für einen aktenkundlichen Diskurs aufbauen.

Technische Berührungsängste hatte ich nicht. Ich bin mit Computern aufgewachsen. In meiner Sicht ist der Computer und sind elektronische Medien allerdings kein Selbstzweck und keine kulturelle Strömung, sondern potentielle Werkzeuge zur Lösung gegebener Sachprobleme. Mit der Kultur des Ausprobierens, die zur Erschließung des “Web 2.0″ propagiert wird, kann ich mich weniger anfreunden. “Act now, think later – nobody will die”, diesen Satz von der Speyerer Tagung 2012 halte ich für problematisch, denn etwas kann sterben: das eigene Anliegen, wenn nämlich ein schlecht konzipiertes Blog wegen mangelnder Resonanz verstaubt oder weil dem Betreiber der Stoff ausgeht. Für Einzelblogger wiegt diese Gefahr schwerer als für Institutionen, und besonders bei der Verteidigung eines Orchideenfachs, dessen akademischer Belanglosigkeit dann auch noch ein virtuelles Denkmal gesetzt wird.

Für das eben skizzierte Ziel erschien mir ein Blog aber als geeignetes Werkzeug, insbesondere seitdem mit hypotheses.org eine nachhaltige Plattform und eine “managed community” zur Verfügung stand. – Mein herzlicher Dank geht an dieser Stelle an Frau König und ihr Pariser Team. Natürlich ist ein Blog wegen der Eigendynamik des Netzes nicht stringent planbar. Eine grobe Marschrichtung ist aber unverzichtbar, getreu dem Eisenhower zugeschriebenen Aphorismus: “Fertige Pläne sind unnütz, aber der Prozess des Planens ist unverzichtbar.”

Ich habe seit Mai 2013 viele Erfahrungen mit dem Blog gesammelt. Menschlich berührt hat mich die Resonanz auf meine persönlichen Erinnerungen an den verstorbenen Lorenz Beck, die ein kleines virtuelles Kondolenzbuch hervorgebracht hat. Mein Text wurde in der Vierteljahrsschrift des “Herold” nachgedruckt.

Insgesamt können meine Beiträge drei Richtungen zugeordnet werden. Ich wollte

  1. Fragmente aus der Arbeit am Buch publizieren,
  2. mit Fundstücken aus den Medien die Aktualität der Aktenkunde belegen und
  3. zur didaktischen Verbreitung aktenkundlicher Methoden beitragen.

Fragmente: Zunächst ging es dabei um Wissenschaftsgeschichte, um die – regelmäßig vergessenen – Klassiker des Fachs wie Gerhard Schmid, aber auch um Einzelprobleme wie das Vorlagewesen in der modernen Ministerialverwaltung. Im Blog angerissen, wurde daraus ein Vortrag, dem Sie morgen lauschen können, und 2015 hoffentlich ein konventionell veröffentlichter Aufsatz von etwa 20 Manuskriptseiten.

Insgesamt musste ich aber feststellen, dass sich die Rhythmen der Arbeit am Buch und am Blog schwer synchronisieren lassen.

Fundstücke: Die Resonanz in den Kommentaren lässt sich auf den Nenner “Staunen” bringen. So penibel kann man in Medienberichte zur Euro-Hawk-Beschaffung eindringen? Es ist mir damit gelungen, Interesse für mein Anliegen zu wecken – aber auch Verständnis? Der Höhepunkt war in dieser Richtung die “Kanzlerakte“, eine bizarre Aktenfälschung, die ich mit eindeutigem Ergebnis seziert habe. Sie markiert aber auch in einen Endpunkt. Das Unternehmen darf nicht zu einer Popcorn-Aktenkunde werden, die primär durch Kuriosität auffällt.

Didaktik und Verbreitung: Besser ist es, anhand historisch aussagekräftiger Dokumente, die im Gegensatz zu gängigen Lehrbeispielen auch inhaltlich interessant sind, einen vertieften Einstieg in die Methodologie zu suchen.
Mit der Emser Depesche habe ich unter diesem Gesichtspunkt zum ersten Mal eine Serie versucht. Der Aufwand entsprach dabei dem für eine konventionelle Miszelle. Gegenüber dem “Popcorn” blieb die Resonanz gleich und damit über meinen Erwartungen. Es gibt also auch ein Publikum für “Nuts and bolts”-Aktenkunde. Ich weiß auch, dass Material aus dem Blog schon für eine Seminarübung benutzt wurde – nur zu, dafür ist es da und unter CC-BY-SA lizenziert. Über Rückmeldungen zum Nutzwert würde ich mich freuen.

Das Feedback hat meine Erwartungen übertroffen. Es äußert sich in einer ordentlichen Zahl von Likes und Pingbacks von anderen Blogs. Hinweise in viel gelesenen Blogs wie Archivalia und die Aufnahme in Planet History haben zur Reichweite beigetragen – Danke dafür. Der “Outreach” über die kleine archivarische und hilfswissenschaftliche Community hinaus macht für mich den eigentlichen Wert des Blogs aus.

Für mich zählt vor allem das qualitative Feedback in den Kommentaren. Es ist interessant, wo überall aktenkundliche Interessierte sitzen. Damit verknüpft ist “Serendipity“: der unwahrscheinliche, glückliche Zufall, dessen Wahrscheinlichkeit durch weltweite Abrufbarkeit wesentlich erhöht wird. Mit anderen Medien wäre ich nie in Kontakt zu einem Registrator gekommen, der sich mit der Sammlung und methodischen Reflexion seiner Arbeitserfahrungen beschäftigt, meinem eigenen Vorhaben ähnlich – ein sehr interessanter Kontakt.

Schließlich hat es die  “Aktenkunde” als Beispiel des Werts von Blogs für die Vermittlung von Spezialthemen auch schon zur Ehre einer Erwähnung im “Archivar” 3/2014 (S. 301, Anm. 6), dem Zentralorgan des deutschen Archivwesens, gebracht.
Darf man sich als Blogger nun als kleiner, dicker, wichtiger Relefant fühlen? Gerade Blogger müssen sich vor Selbstermächtigungsphantasien hüten.
Alle Interessenten sind mir willkommen. Ich beantworte jeden ernsthaften Kommentar, und es kommen erfreulicherweise nur ernsthafte. Das bin ich meinem Fach und meinen Lesern schuldig. Aber der angestrebte Diskurs kam bis jetzt nicht wirklich zustande.

Der Unterschied zwischen dem Internet und konventionellen Medien wird gern in das Paradigma “Kathedrale und Basar” (citation needed :-) ) gefasst: In der Kathedrale zelebriert – in diesem Modell – der Priester sein Arkanwissen vor der staunenden Gemeinde. Auf dem Basar entstehen Ordnung und Wissen durch Aushandeln aus vielen dissonanten Stimmen. Das Blog “Aktenkunde” ist noch zu wenig Basar. So gern ich Dinge vermittele: Mehr Kritik, Ergänzungen, Scholien, eben mehr Fachdiskurs wären schön.

Dass der nicht zustande kommt, liegt natürlich auch am speziellen Thema. Ich bemerke jedoch, dass das Feedback aus Archivarskreisen zwar kommt, doch auf anderen Kanälen: per Mail, per Telefon, per Schulterklopfen auf dem Archivtag. Archivare haben eben hervorragende analoge Netzwerke. Bloß sind die im digitalen Medium nicht sichtbar, was der Ent-Marginalisierung archivarischer Anliegen – nicht nur der Aktenkunde! – nicht dient.

Als Attraktor für einen Fachdiskurs ist das Blog nur bedingt ein Erfolg. Aber die Wende ist vielleicht in Sicht: Mit Jürgen Finger von der LMU München hatte ich ein instruktives Kommentar-Gespräch, unter anderem über eine aktenkundlich fundierter Zitierweise neuzeitlicher Archivquellen. Dazu werde ich als Nächstes bloggen.
Und jetzt kommt es: Der Verlag hat die Reihe, in der mein Buch erscheinen sollte, eingestellt. Meine erste Reaktion kann man sich denken, die zweite war: Endlich mehr Zeit für’s Blog, das gegenüber dem Buch immer zurückstehen musste. Diesen Zustand habe ich immer mehr als unbefriedigend empfunden.

Das Blog als Medium ist meinen diskontinuierlichen Arbeitsmöglichkeiten wesentlich besser angepasst als ein Buch. Es wird für mich künftig ein Hauptkanal meiner wissenschaftlichen Tätigkeit sein, in dem ich auch für das Buch gesammeltes Material verwerten kann.

Wie könnte ein Fazit aussehen?

  1. Bloggen bedeutet für nebenberufliche Vertreter von Spezialfächern, aus der Not eine Tugend zu machen. Historiker, die aus dem akademischen Betrieb in die “Produktion” gewechselt sind, scheitern oft am großen Wurf. Das Blog akzeptiert dankbar auch die kleine Münze wissenschaftlicher Arbeit, das Fragmentarische, solange es nur anschlussfähig ist.
  2. Bloggen im Nebenamt kann als absichtsloses Handeln betrieben werden. Ich entlehne hier einen Kernbegriff aus dem Tai Chi: Ohne Anstrengung, im Rahmen des möglichen, kann der Forscher im Nebenamt eine erhebliche wissenschaftliche Kraft entfalten – während er oder sie sich nur schwer zum Kung Fu des Bücherschreibens aufraffen kann.
  3. Bloggen ist deshalb eine Graswurzel-Strategie der Wissensproduktion: Aus Einzelbausteinen kann mit der Zeit, durch Vernetzung exponentiell beschleunigt, eine veritable Forschungslandschaft entstehen. Hypotheses.org macht es vor. Verlinkt euch – ich warte auf mehr hilfswissenschaftliche Spezial-Blogs.
  4. Rein metaphorisch gesagt meine ich schließlich: Bloggen ist außeruniversitäres Fracking. Es löst aus den Köpfen der Praktiker kleinste Wissensbausteine, die im Netz der gesamten wissenschaftlichen Welt zur Verfügung stehen, um darauf aufzubauen. In konventionellen Kanälen wären diese Mikro-Partikel unsichtbar und verloren.

Ich sehe Bloggen unideologisch und betrachte mich nicht als Teil einer Revolution. Ich habe aber auch keine Probleme, Argumente zu finden, um der akademischen Reaktion, die Bloggen für wissenschaftsuntauglich hält, das Gegenteil zu beweisen. Für größere inhaltliche Zusammenhänge sind konventionelle Organe immer noch unverzichtbar. Für vieles Andere ist ein Blog das perfekte Medium.

Wissenschaftliches Bloggen führt das WWW zu seinen Ursprüngen als akademisches Hypertext-System zurück.

Gute Selbstorganisation – die Dropbox-Synchronisation am Wochenende vergisst man einmal und nie wieder – und flexible Software  – bei mir: Emacs, Zotero und Zettelkasten – vorausgesetzt, ist das Blog für mich das Mittel der Wahl, um wissenschaftliche Interessen und knappe Zeit neben dem Beruf miteinander in Einklang zu bringen.

Quelle: http://aktenkunde.hypotheses.org/273

Weiterlesen