Genschers Marginalien – ein Rätsel (1)

Randbemerkungen – vornehmer: Marginalien – sind eine Quellengruppe für sich. Sie sind Vermerke oder Verfügungen, die an den Rand eines Schriftstücks oder zwischen die Zeilen, neuerdings auch auf Klebezettel oder sonst wohin gekritzelt werden.

Entscheidungsträger bewerten damit die Informationen und Empfehlungen, die ihnen der nachgeordnete Apparat vorlegt, und steuern das weitere Vorgehen. Für die Geschichtswissenschaft sind die Randbemerkungen oft wichtiger als das Schriftstück auf dem sie stehen. Paradebeispiele, die uns hier schon beschäftigt haben, sind die Marginalien Wilhelms II. betr. den Baron Fredericks bzw. das Aufräumen mit den Serben aus der Julikrise 1914.



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Quelle: http://aktenkunde.hypotheses.org/787

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Schreiben und abschreiben – Gedanken über einen besonderen Lutherbrief

Ein Gastbeitrag von Karsten Uhde (Marburg)

Im Lutherjahr haben Lutherbriefe Konjunktur. Das Erfurter Augustinerkloster bietet die Faksimiles zweier „Trostbriefe“ Luthers samt Transkription für erschwingliche zwei Euro zum Kauf und im Februar 2017 wurde ein Lutherbrief bei einer Auktion für 100 000 Euro angeboten.

Allerorten werden Ausstellungen mit Originalschreiben des Reformators gezeigt und kaum eine Archivzeitschrift kommt ohne einen Artikel über Archivalien mit Lutherbezug aus1.

Warum also eine weitere Abhandlung über Luther, noch dazu über eine Abschrift eines Lutherbriefes und nicht über dessen Original, das im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden liegt?

Der Grund liegt einerseits in dem ungewöhnlichen Stil des Stückes, der sich deutlich vom damals Üblichen abhebt, andererseits aber auch in der vergleichsweise umfangreichen Editionsgeschichte, die ein eigenes Kapitel zum Thema „Abschreiben“ beitragen kann.

 



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Quelle: https://aktenkunde.hypotheses.org/726

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Akten sind bunt: Farbstifte und ihr Wert für die Archivarbeit

Die Archivarbeit mit Akten ist ein trockenes Brot. Man freut sich über historische Erkenntnis und stöhnt über das triste Bild auf dem Arbeitstisch, sei es braune Eisen-Gallus-Tinte auf blassblauem Konzeptpapier, sei es ein bläulicher Matrizenabzug auf gebräuntem Holzschliffpapier. Davon 30 Aktenbände, und nicht nur der Anfänger wünscht sich ein bisschen Farbe. Die kam im 20. Jahrhundert und glücklicherweise in einer Funktion, die großen quellenkritischen Nutzen stiftete: Farbstifte, deren Gebrauch den Entscheidungsträgern vorbehalten war.

Ein typisch deutsches System?

Bei der aktenkundlichen Analyse geht es ja vor allem darum, Entscheidungsprozesse und Verantwortlichkeiten nachzuvollziehen. Da ist es gut zu wissen, dass jede Randbemerkung, jede Paraphe, sogar jeder Haken in den Akten vom Chef der Behörde stammt, wenn er grüne Farbe hat.

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Quelle: http://aktenkunde.hypotheses.org/552

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Der Kurfürst lässt stempeln: Innovative Beglaubigung in Sachsen (16. Jh.)

Die Vertretung der eigenhändigen Unterschrift des Herrschers durch eine gestempelte Nachahmung ist seit dem späten Mittelalter bekannt. Das Sächsische Staatsarchiv hat ein besonders interessantes Beispiel ins Netz gestellt.

Meisner (1969, S. 242 f.) und Hochedlinger (2009, S. 160 f.) kennen unter Bezeichnungen wie „Lugkerl“ Namensstempel der römisch-deutschen Kaiser seit Friedrich III. oder zumindest seit Maximilian I.

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Quelle: https://aktenkunde.hypotheses.org/539

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Aktenkunde extrem — zur Diskussion um den Erkenntniswert von Originaldokumenten

Ein Gastbeitrag von Harald Rösler

Ähnlich der feinsten Feinheit des „Kniffs“, an dem man erkennen kann, ob ein Telegramm dem Kaiser vorgelegen hat oder nicht (vgl. Meyer 1920), kann ein Umlaufzettelchen Informationen enthalten, die sich nur einem intimen Kenner der Organisationseinheit erschließen. Es sei dahingestellt, ob diese Informationen später einmal bedeutend sein werden — allein, sie zu kennen, macht einen Teil des Reizes historischer Forschungsarbeit aus.

Hier hängt so ein Umlaufzettelchen an einer Ausgabe der Neuen Juristischen Wochenschrift. Das ist anhand der Umschlagfarbe nur auf einem Farbbild erkennbar, aber nehmen wir einmal an, wir hätten das Original vor uns (und es wäre keine Publikation, sondern etwa ein wichtiges Rundschreiben).

Umlaufzettel mit ausgestrichenen Bearbeiterkennzeichen
Umlaufzettel mit ausgestrichenen Bearbeiterkennzeichen

Kontextwissen unbedingt nötig

In der Diskussion Nochmals zum Erkenntniswert von Original-Dokumenten vom 23.

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Quelle: http://aktenkunde.hypotheses.org/483

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Als der Kaiser musste: Eine Unterstreichung und die Schuld am Ersten Weltkrieg

In der Frankfurter Allgemeinen vom 9. Dezember 2015 interpretiert der Historiker Gerd Krumeich eine sattsam bekannte Quelle zur Julikrise 1914 aktenkundlich auf neue Weise. Die Freude über diese prominente Platzierung der Aktenkunde weicht allerdings methodischer Skepsis und am Ende einem Anflug von Ärger. Ein Lehrstück über Bleistiftstriche als Bedeutungsträger und quellenkritische Sorgfalt.

 

2014 wurden die Feuilletons von einer teilweise absurden “Kriegsschuld 2.0”-Debatte erschüttert: War das Deutsche Reich nun maßgeblich schuld am Ersten Weltkrieg oder nicht? – Eine Historikerschlacht mit verkehrten Fronten, in der der australisch-britische Historiker Christopher Clark Deutschland weitgehend absolvierte, während sein deutscher Kollege Gerd Krumeich vehement auf einer Fast-Allein- oder mindestens Mehr-als-Andere-Schuld beharrte.



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Quelle: https://aktenkunde.hypotheses.org/460

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Als der Kaiser musste: Eine Unterstreichung und die Schuld am Ersten Weltkrieg

In der Frankfurter Allgemeinen vom 9. Dezember 2015 interpretiert der Historiker Gerd Krumeich eine sattsam bekannte Quelle zur Julikrise 1914 aktenkundlich auf neue Weise. Die Freude über diese prominente Platzierung der Aktenkunde weicht allerdings methodischer Skepsis und am Ende einem Anflug von Ärger. Ein Lehrstück über Bleistiftstriche als Bedeutungsträger und quellenkritische Sorgfalt.

 

2014 wurden die Feuilletons von einer teilweise absurden “Kriegsschuld 2.0”-Debatte erschüttert: War das Deutsche Reich nun maßgeblich schuld am Ersten Weltkrieg oder nicht? – Eine Historikerschlacht mit verkehrten Fronten, in der der australisch-britische Historiker Christopher Clark Deutschland weitgehend absolvierte, während sein deutscher Kollege Gerd Krumeich vehement auf einer Fast-Allein- oder mindestens Mehr-als-Andere-Schuld beharrte.



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Quelle: http://aktenkunde.hypotheses.org/460

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Aktenkunde 101

Da sitzt man nun zum ersten Mal im Archiv, vor sich die ersten Akten, und weiß nicht weiter. Man möchte Quellen auswerten, aber angesichts des Formenreichtums des Papiers auf dem Tisch sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Hier einige Praxisregeln, um eine allererste Schneise zu schlagen.

Sie richten sich als “101”-Grundkurs an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die eher punktuell und beiläufig historische Aktenbestände auswerten möchten, z. B. für ein einzelnes Kapitel der Dissertation, das vielleicht der historischen Kontextualisierung eines Themas aus einem anderen Fach dient. Wer quellenkritische Grundlagenforschung betreibt, wird tiefer in die Materie einsteigen müssen.



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Quelle: https://aktenkunde.hypotheses.org/425

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Nochmals zum Erkenntniswert von Original-Dokumenten

Die Diskussion im Mittelalter-Blog zu Jan Keupps Beitrag über den “Mehrwert des Materiellen” ist ebenso spannend wie erhellend. Hier wird eine Grundfrage der historischen Erkenntnis berührt. Aus der Perspektive des praktischen Archivars möchte ich nach meinem letzten Blogpost noch ein Beispiel bringen: Man nehme ein Blatt Papier und falte es der Breite nach.
Auf diese Art wurden die telegrafischen Berichte deutscher Botschafter gefaltet, wenn sie Kaiser Wilhelm II. vorgelegt werden sollten. Der Text stand nämlich auf einem Folio-Bogen, für die Übermittlung an den Hof wurden aber Umschläge im Quart-Format (also halb so groß) benutzt. Der so entstandene Kniff im Papier ist unter Umständen der einzige Hinweis, dass ein Bericht dem Kaiser vorgelegt wurde (Meyer 1920: 68 f.). Eine Erkenntnis, die sehr relevant sein kann, wenn es etwa um die Rekonstruktion der Julikrise von 1914 geht.



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Quelle: http://aktenkunde.hypotheses.org/392

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Was nur Originale können: Zu einem Blogpost von Jan Keupp

Professor Keupp (Münster) hat im Mittelalter-Blog einen gedankenreichen Beitrag zum “Mehrwert des Materiellen”, d. h. “zur Epistemologie des archivalischen Originals” veröffentlicht. Er diskutiert verschiedene Ansätze zur Begründung, warum Scans oder andere Wiedergabeformat das Original eines Archivdokuments niemals ersetzen können. Sein Befund ist uneindeutig: Einen wirklichen Beweis, dass es ohne die Originale nicht geht, würden diese Ansätze schuldig bleiben. Was einen bei der Akteurstheorie (das Schaf schreibt mit) auch nicht wundert.

Allerdings streift Keupp den Aspekt nur, den Archivare vielleicht als erstes nennen würden: den der Bearbeitungsspuren. Womit wir bei der Aktenkunde sind.



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Quelle: http://aktenkunde.hypotheses.org/387

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