Fotoausstellung Fred Stein

Little Italy, New York 1943 © Estate of Fred Stein

Fred Stein, fotografiert von Lilo Stein, Paris 1935 © Estate of Fred Stein

Fred Stein, fotografiert von Lilo Stein, Paris 1935 © Estate of Fred Stein


„Dresden vertrieb mich; so wurde ich Fotograf“

Mit diesen knappen Worten beschrieb Fred Stein die radikalste Wende seines bisherigen Lebens und den damit verbundenen Aufbruch in eine unbekannte Zukunft. Wie für viele jüdische Bürger in Deutschland bedeutete auch für Fred Stein der 30. Januar 1933 eine persönliche Zäsur. Dem jungen Rechtsreferendar aus Dresden wurden zunächst die angestrebte Promotion und schließlich die berufliche Zukunft gänzlich verwehrt. 1909 als Sohn eines Rabbiners geboren und zudem ein überzeugter Sozialist, stellte Stein das Feindbild der neuen Machthaber schlechthin dar. Um den Diffamierungen und Übergriffen durch die Nationalsozialisten zu entgehen, fingierte er zusammen mit seiner Frau Lilo eine angebliche Hochzeitsreise nach Paris, und im Oktober 1933 verließen beide Deutschland.

Im Gepäck von Fred Stein befand sich eine Kleinbildkamera der Marke Leica, die noch eine bedeutende Rolle spielen sollte. Stein war klar, dass ihm seine juristische Ausbildung im Pariser Exil nicht von Nutzen sein würde, und bereits nach kurzer Zeit entdeckte er das anfängliche Hobby, die Fotografie, als neue Profession für sich. Es stellte sich schnell heraus, dass Fred Stein außerordentliches Talent besaß, und dementsprechend stieß seine Arbeit auch auf Resonanz. Schon bald konnte er sich ein eigenes, kleines Fotostudio in Paris einrichten und war ab 1935 an mehreren Fotoausstellungen beteiligt, teilweise mit namhaften Künstlern wie Man Ray und André Kertész.

Fred Steins Fotografie lebt von ihrer Authentizität und dem Minimalismus des Fotografen. Stein fotografierte ausschließlich in schwarz-weiß und benutzte lediglich zwei verschiedene Kameras. Weder aufwendige Inszenierungen noch nachträgliche Retuschen interessierten ihn. Das Erzeugen einer künstlichen Umgebung, so benutzte er nur äußerst selten ein Blitzlicht, lag ihm genauso fern wie eventuelle Arrangements. Steins Bildsprache ist einfach und klar. Im Fokus stand allein die Person oder die Szene. Dabei sollte das Motiv möglichst natürlich erscheinen und seine gesamte Aura entfalten.
„Du hast nur diesen einen Moment. Wie ein Jäger, der sein Ziel anvisiert, wartest du auf den Augenblick, der aussagekräftiger ist als alle anderen.“
Fred Steins besonderer Sinn für den richtigen Moment machen seine Fotografien so einzigartig.
Sein Gesamtwerk lässt sich in drei große Themenfelder gliedern: Über die gesamte Zeit seines fotografischen Schaffens hat er Porträts angefertigt, die von bemerkenswerter und klarer Schönheit sind. Die Vielfalt der über 1200 Porträts sucht ihresgleichen und liest sich wie das Who´s Who prominenter Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Albert Einstein, Salvatore Dali, Willy Brandt, Alfred Döblin, Walter Benjamin, Ludwig Marcuse, Bertold Brecht, Hannah Arendt, Konrad Adenauer, John F. Kennedy und Marlene Dietrich sind nur einige der Porträtierten.

Albert Einstein (1879-1955), Princeton 1946 © Estate of Fred Stein

Albert Einstein (1879-1955), Princeton 1946
© Estate of Fred Stein


Die zwei weiteren großen Themen der Fotografie Steins sind schicksalhaft mit den erzwungenen Ortwechseln verbunden und betreffen die Zeit des Exils in Paris während der 1930er-Jahre und, nachdem er und seine Familie erneut flüchten mussten, die 1940er-Jahre in New York. Neben klassischen Motiven der beiden Metropolen entstanden zahlreiche Milieustudien und Charakterbilder. Sie stehen in einem soziologischen Kontext von Armut und einfachem Leben in der Stadt und zeigen Straßenarbeiter, Verkäufer, Obdachlose und Familienszenen. Fred Steins Blick verbindet das Alltägliche mit einem Sinn für den außergewöhnlichen Moment.
Little Italy, New York 1943 © Estate of Fred Stein

Little Italy, New York 1943 © Estate of Fred Stein


1958 kam Fred Stein erstmals wieder nach Deutschland und versuchte, seine Arbeiten publik zu machen. Bis auf ein Buchprojekt, „Deutsche Portraits“, blieb dies allerdings erfolglos. Trotz der Bandbreite und Kraft seiner Arbeiten erhielt Fred Steins Werk zu seinen Lebzeiten nicht die gebührende Aufmerksamkeit und Anerkennung. Nach seinem Tod 1967 in New York geriet sein Name in Vergessenheit. Der Nachlass von Fred Stein befindet sich heute im Besitz seines Sohnes und umfasst unzählige Fotografien und Dokumente, die die Lebensgeschichte und Arbeit eines Fotografen dokumentieren, der als jüdischer Jurist und Sozialist gezwungen war, Deutschland zu verlassen und beruflich neu anzufangen.

Das Jüdische Museum Berlin zeigt nun erstmalig in Deutschland eine umfassende Retrospektive des Fotografen Fred Stein und möchte damit das vielschichtige und umfangreiche Werk einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen. Die von den Kuratorinnen Theresia Ziehe und Jihan Radjai betreute Fotoausstellung, die insgesamt 133 Fotografien beinhaltet, ist noch bis zum 23. März 2014 in der Eric F. Ross Galerie des Jüdischen Museums zu sehen.
Jüdisches Museum Berlin/Ausstellung Fred Stein

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/01/24/fotoausstellung-fred-stein/

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Helden im Nationalmuseum

Bethlen, Petőfi und Capa: die aktuellen Ausstellungen des Ungarischen Nationalmuseums im Dezember 2013.

Auf den ersten Blick ist die Kombination der Werbebanner am imposanten Eingang des Ungarischen Nationalmuseums recht überraschend. Die Plakate machen auf die drei aktuellen Ausstellungen des Museums, die jeweils einen “Helden“ in den Mittelpunkt stellen, aufmerksam: Siebenbürgen-Fürst Gábor Bethlen, Nationaldichter Sándor Petőfi sowie Kriegsfotograf Robert Capa.

 

Bethlen, Petőfi und Capa: die aktuellen Ausstellungen des Ungarischen Nationalmuseums im Dezember 2013.

Die Verbindung zwischen Capa und Budapest, seinem Lebenswerk und seiner Geburtsstadt scheint hergestellt. Aber Capa als der ungarische Nationalheld, als Teil des nationalen Erbes? Glücklicherweise gibt die Ausstellung keine oberflächliche und simple Antwort auf diese Frage. Im Gegenteil: Die Schau, konzipiert durch Èva Fisli, konzentriert sich vielmehr auf einzelne Kategorien, die die Figur “Robert Capa“ und sein Lebenswerk ausmachen.

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Quelle: https://www.visual-history.de/2013/12/19/helden-im-nationalmuseum/

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„Ein großes Fest und eine Belastungsprobe“

Das Logo des Robert Capa Zentrums für zeitgenössische Fotografie in Budapest.

Eröffnungsfeiern sind zum Netzwerken da. Die in der Ausstellung präsentierten Bilder kann man einige Tage später, im Rahmen eines zweiten Besuchs, in Ruhe anschauen.

Der Ansturm der Besucherinnen und Besucher auf das Capa-Zentrum am 2. Dezember 2013.

Dass diese ewige Wahrheit der Vernissagen für die Auftaktveranstaltung des neuen Robert Capa Zentrums für zeitgenössische Fotografie ebenfalls zutraf, konnten die Interessierten am 2. Dezember 2013 feststellen. In den frisch renovierten Räumen des vormaligen Ernst-Museums in Budapest mischte sich der Geruch der frisch gemalerten Wände mit den lebhaften Gesprächen der Anwesenden und der musikalischen Untermalung durch die Band Budapest Bár. In ihren Eröffnungsreden betonten der zuständige Minister für Humanressourcen, Zoltán Balog, die Leiterin des Instituts, Orsolya Kőrösi, und Tamás Féner, Jurymitglied des ersten Wettbewerbs des Capa-Zentrums, wie nötig die ungarische Fotografie diesen Ort brauche.

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Quelle: https://www.visual-history.de/2013/12/19/ein-grosses-fest-und-eine-belastungsprobe/

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Capa, Hajas und/oder Lorant?

Fotograf, Bildredakteur, Ausbilder, Dozent, Jurymitglied, Leiter des ungarischen Fotografenverbandes ... – Tamás Féner war und ist seit Ende der 1950er-Jahre in den verschiedensten Funktionen in der ungarischen Fotografie zugegen.

Tamás Féner, der 75-jährige Fotograf und Träger des Kossuth-Preises, der höchsten ungarischen Auszeichnung in den Bereichen Kunst und Kultur, ist eine wirkliche Herausforderung. Wenn er erzählt, kommt man auch als Muttersprachler kaum hinterher. Féner verschluckt meist die letzten Silben der Wörter, die Geschwindigkeit seiner Sprache zwingt die Zuhörenden zur Konzentration. Er beginnt einen Satz, und noch bevor er diesen beendet, nuanciert er sogleich seine Aussage mit einem neu begonnenen Gedanken. Die Leidenschaft gegenüber der Fotografie, ihrer Entstehung, Präsentation, Geschichte und Theorie ist in seinen Antworten deutlich zu spüren. Die jiddischen Begriffe, die er in seine Erzählung mit einflechtet, der aufscheinende jüdische schwarze Humor, die Witze aus der Zeit des Sozialismus und die Zitate aus der Weltliteratur – gelegentlich in deutscher, mal in ungarischer Sprache – machen die Gespräche mit ihm zu einem dichten Geflecht. Das folgende Gespräch mit Féner über das neue Robert Capa Zentrum für zeitgenössische Fotografie, den ersten Fotowettbewerb des Zentrums und die großen ungarischen Fotografen ist ein Versuch, dieses dichte Geflecht zu entwirren.

 

Eszter Kiss: Herr Féner, inwiefern war es für Sie eine besondere Situation, in der Jury des Wettbewerbs „Zeitgenössische Bildprojektionen“ („Kortárs vetített képek“), der ersten Ausschreibung des Robert Capa Zentrums für zeitgenössische Fotografie, zu sitzen?

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Quelle: https://www.visual-history.de/2013/12/19/capa-hajas-undoder-lorant/

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Die Armierung des Blicks

Die Armierung des Blicks

Margaret Bourke-White in der Fernsehsendung „Person to Person“, August 1955. Quelle: Bureau of Industrial Service, USA / Wikimedia Commons, public domain

Neben Robert Capa und Lee Miller zählt die Amerikanerin Margaret Bourke-White (1904–1971) zu den bekanntesten BildberichterstatterInnen des Zweiten Weltkriegs. Im Auftrag des legendären Bildmagazins LIFE fotografierte sie ab 1942 an Kriegsschauplätzen in Großbritannien, Nordafrika, Italien und Deutschland. Bis heute werden ihre Fotografien als Zeugen dieser historischen Ereignisse verstanden. Das gerade im Fotojournalismus immer noch wirksame dokumentarische Paradigma verstellt dabei den Blick auf die von unterschiedlichen Interessen geleiteten Entstehungskontexte, Bezugsrahmen und Rezeptionsräume, innerhalb derer ihre Fotografien entstanden und ihre Wirkung entfalteten.

Ziel des Dissertationsprojekts ist es, diesen engen Blick auf Bourke-Whites Fotografien aus dem Zweiten Weltkrieg zu erweitern und einer grundlegenden kulturhistorischen Analyse zu unterziehen. Zugleich sollen durch das Aufgreifen aktueller Forschungen zur Bildpolitik von Kriegen und gewalttätigen Konflikten neue Zugänge zur Analyse und Interpretation historischer Kriegsfotografien aufgezeigt werden.



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Quelle: https://www.visual-history.de/2013/12/18/die-armierung-des-blicks/

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