100 Jahre / 100 BilderStefan Arczynski

Stefan Arczyński / Herder-Institut © mit freundlicher Genehmigung
100 Jahre / 100 Bilder<br class="clear" />Stefan Arczynski

Stefan Arczyński / Herder-Institut © mit freundlicher Genehmigung

Am 31. Juli 2016 beging der Breslauer Fotograf Stefan Arczyński seinen 100. Geburtstag. Dessen insbesondere für die Kunst- und Kulturgeschichte Polens wichtigen, umfangreichen fotografischen Nachlass bewahren wir seit einigen Jahren im Bildarchiv des Herder-Instituts. Anlässlich des Jubiläums haben wir eine Online-Ausstellung erstellt, die auf unserer Homepage zu besichtigen ist. Außerdem stellen wir den besonderen Bildbestand, der Polen und insbesondere Schlesien zwischen den Jahren 1952 und etwa 2000 dokumentiert, sukzessive für Recherchen in unserem Online-Bildkatalog zur Verfügung.

 

Am 31.

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Quelle: https://www.visual-history.de/2016/08/29/100-jahre-100-bilder-stefan-arczynski/

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Rezension: Ré Soupault, Das Auge der Avantgarde

Cover: Claudia Emmert (Hrsg.), Ré Soupault: Das Auge der Avantgarde, [… anlässlich der Ausstellung vom 24. Juli-4. Oktober 2015, Zeppelinmuseum Friedrichshafen] Heidelberg: Verlag Das Wunderhorn 2015 © mit freundlicher Genehmigung
Rezension: Ré Soupault, Das Auge der Avantgarde

Cover: Claudia Emmert (Hrsg.), Ré Soupault: Das Auge der Avantgarde, [… anlässlich der Ausstellung vom 24. Juli-4. Oktober 2015, Zeppelinmuseum Friedrichshafen] Heidelberg: Verlag Das Wunderhorn 2015 © mit freundlicher Genehmigung

Die Deutsche Nationalbibliothek resp. die Gemeinsame Normdatei (GND) kategorisiert Ré Soupault (1901-1996) an erster Stelle als Fotografin[1] und folgt damit den Veröffentlichungen der letzten Jahre, aber nicht der übergroßen Mehrzahl der Titelnachweise in ihrem Katalog, die Ré Soupault vor allem als Herausgeberin, Redakteurin und Übersetzerin (aus dem Französischen ins Deutsche und vice versa) z.B. der Werke von Lautréamont, Karl Jaspers, Romain Rolland, André Breton und ihres Ehemanns Philippe Soupault und in vielen Auflagen auch zweier Sammlungen französischer und bretonischer Märchen ausweisen. Ré Soupault war noch weit darüber hinaus eine der vielfältigsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts: frühe Bauhausschülerin, Experimentalfilmerin, Mode-Journalistin und Redakteurin, Modezeichnerin, -stilistin und -geschäftsfrau, danach Reportagefotografin und schließlich Redakteurin, Hörfunkautorin und Übersetzerin.

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Quelle: https://www.visual-history.de/2016/07/12/rezension-re-soupault-das-auge-der-avantgarde/

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Lee Miller – Fotografien

Ausstellung: Lee Miller – Fotografien, Eine Ausstellung der Albertina Wien in Zusammenarbeit mit dem Martin-Gropius-Bau und der Lee Miller Foundation, Foto: Anne Chahine ©
Lee Miller – Fotografien

Ausstellung: Lee Miller – Fotografien, Eine Ausstellung der Albertina Wien in Zusammenarbeit mit dem Martin-Gropius-Bau und der Lee Miller Foundation, Foto: Anne Chahine ©

 

Lee Miller (Foto): Brandschutzmasken, London, England, 1941, Quelle: © Lee Miller Archives, England 2016. All rights reserved. www.leemiller.co.uk

Die beiden Frauen sitzen am Eingang eines Kellerzugangs, dessen hölzerne Türverschläge weit geöffnet sind. Kopf und Oberkörper sind dem Betrachter zugewandt, ihre Augen hinter schwarzen Brandschutzmasken verborgen.

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Quelle: https://www.visual-history.de/2016/05/02/lee-miller-fotografien/

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Ich will einfach fotografieren und die Dinge nicht verstellen

SEPTEMBER. Kühlungsborn 1989 http://ulrichwuest.de/gallery.php?a=11 © Ulrich Wüst mit freundlicher Genehmigung
Ich will einfach fotografieren und die Dinge nicht verstellen

… aus Anlass seiner aktuellen Ausstellungen „Die Pracht der Macht“ im Kunsthaus Dahlem und „Stadtbilder / Spätsommer / Randlagen“ in der Galerie C/O Berlin[1]

SEPTEMBER. Kühlungsborn 1989 © Ulrich Wüst mit freundlicher Genehmigung

Westdeutschland I

Annette Schuhmann: Du hast mir kürzlich erzählt, dass Du die immer gleiche Frage nach dem „Wie war es im Osten?“ nicht mehr hören kannst. Weniger, weil die Frage keinen Sinn macht, sondern es stört Dich vielmehr, dass Du Deine Antworten darauf nicht mehr hören kannst, diese ewigen Wiederholungen … Deshalb habe ich gedacht, fangen wir das Gespräch doch von der anderen Seite an.

 

Ulrich Wüst: … aber hinterher tat es mir leid, dass ich das gesagt habe, ich wollte dich ja nicht beeinflussen.



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Quelle: https://www.visual-history.de/2016/04/25/ich-will-einfach-fotografieren-und-die-dinge-nicht-verstellen/

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Auf den Spuren einer Avantgardefotografin

Ausstellung: Germaine Krull – Fotografien. Eine Ausstellung des Jeu de Paume in Zusammenarbeit mit Berliner Festspiele / 
Martin-Gropius-Bau
Foto: Sven Hilbrandt © mit freundlicher Genehmigung
Ausstellung: Germaine Krull – Fotografien. Eine Ausstellung des Jeu de Paume in Zusammenarbeit mit Berliner Festspiele / Martin-Gropius-Bau Foto: Sven Hilbrandt © mit freundlicher Genehmigung

Ausstellung: Germaine Krull – Fotografien. Eine Ausstellung des Jeu de Paume in Zusammenarbeit mit Berliner Festspiele /
Martin-Gropius-Bau. Foto: Sven Hilbrandt

Germaine Krull (1897-1985) zählt zu den bedeutenden Fotografinnen der 1920er- und 1930er-Jahre. Ihre mitunter experimentellen Aufnahmen und Fotoreportagen für Magazine wie „VU“, „Variété“ und „Jazz“ prägten die Geschichte der Fotografie. Im Oktober 2015 eröffnete die Ausstellung „Germaine Krull – Fotografie” im Martin-Gropius-Bau in Berlin, die in Zusammenarbeit mit der Galerie nationale du Jeu de Paume, einem Pariser Museum, entstand.

Germaine Krull: Selbstportrait, Paris, 1927 Stiftung Ann und Jürgen Wilde, Pinakothek der Moderne, München © Estate Germaine Krull, Museum Folkwang, Essen, mit freundlicher Genehmigung

Germaine Krull: Selbstportrait, Paris, 1927
Stiftung Ann und Jürgen Wilde, Pinakothek der Moderne, München © Estate Germaine Krull, Museum Folkwang, Essen, mit freundlicher Genehmigung

Die mit 130 Bildern eher kleine Ausstellung beginnt mit einführenden Worten sowie einem chronologischen Überblick über das Leben der Avantgardekünstlerin. Der zweite Raum schließt sogleich an und widmet sich zunächst den Anfangsjahren 1917 bis 1920.

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Quelle: https://www.visual-history.de/2015/12/15/auf-den-spuren-einer-avantgardefotografin/

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Julius Groß – Ein „Tagebuch in Bildern“

Julius Groß (Fotograf), Kreistanz auf dem Bundestag des Jungdeutschen Bundes in Ludwigslust im August 1920,  Quelle: Archiv der deutschen Jugendbewegung © (AdJb) F1/60/33
Julius Groß (Fotograf), Kreistanz auf dem Bundestag des Jungdeutschen Bundes in Ludwigslust im August 1920, Quelle: Archiv der deutschen Jugendbewegung © (AdJb) F1/60/33

Julius Groß (Fotograf), Kreistanz auf dem Bundestag des Jungdeutschen Bundes in Ludwigslust im August 1920, Quelle: Archiv der deutschen Jugendbewegung © (AdJb) F1/60/33

Die Nachfrage nach visuellen Quellen in Archiven ist in den vergangenen Jahr(zehnt)en deutlich angestiegen – nicht nur von Seiten der Massenmedien, sondern auch und zunehmend von ForscherInnen verschiedenster Disziplinen. Annäherungen an kulturelle oder politische Entwicklungen des 20. und 21. Jahrhunderts verbleiben ohne ihre bildlichen Repräsentationen unvollständig, prägen sie doch ganz wesentlich den Blick auf gesellschaftliche Gegenwarten und Vergangenheiten mit. Bilder vermögen es, Emotionen auszulösen, sie speichern, stimulieren und formieren Erinnerungen, Wertvorstellungen oder Denkmuster und sind somit keineswegs bloße Abbildungen gesellschaftlicher Prozesse, sondern kreieren diese wesentlich mit.

Julius Groß (Fotograf), Selbstporträt mit Leica im Riesengebirge, um 1930, Quelle: Archiv der deutschen Jugendbewegung © (AdJb) F1/Privat/077

Julius Groß (Fotograf), Selbstporträt mit Leica im Riesengebirge, um 1930, Quelle: Archiv der deutschen Jugendbewegung © (AdJb) F1/Privat/077

Ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördertes Projekt widmete sich der Aufgabe, den ersten Teil des quantitativ wie qualitativ einmaligen Fotografennachlasses von Julius Groß (*14. April 1892, +23.

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Quelle: https://www.visual-history.de/2015/10/30/julius-gross-ein-tagebuch-in-bildern/

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Benno Wundshammer: Photo-Journalism and German History, 1933-1987

Wundshammer, Flugzeug Messerschmitt, Mai 1940

Wundshammer, Warschau, Sptember 1939
Benno Wundshammer, Warschau, Sptember 1939, Luftaufnahme eines Außenforts – Original-Bildunterschrift: “An der Ostfront. Eines der Außenforts der Festung Warschau nach der Bombardierung durch deutsche Kampfflugzeuge. 12051-39L
PK-Wundshammer – Scherl Bilderdienst”. Bundesarchiv Bild 183-S53297, Bild 183-S53297/Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

The current book project focuses upon the life, work and influence of Benno Wundshammer. Like thousands of other official German war photographers who took some 3.5 million photographs during World War Two. Wundshammer helped to shape the way the war was seen between 1939 and 1945 and thus also to affect the visual memory of World War Two up to the present day. After 1945, Wundshammer played an influential role in the development of West German illustrated newspapers and magazines. Before television became widespread in the 1960s, illustrated magazines were the most important medium shaping the visual universe in which West Germans lived. I want to see how Wundshammer and other members of this influential group of German photographers who took pictures for the Nazis but then subsequently worked for the most important post-war West German illustrated magazines dealt with the important propaganda work they had done for the Nazis and, more generally, with the moral and political implications of the practice of photography under dictatorship and, then, post-war democracy.

Wundshammer, Polen, September 1939
Benno Wundshammer, Polen, September 1939: Flüchtlinge (Propagandakompanien der Wehrmacht – Heer und Luftwaffe, Bild 101 I). Bundesarchiv Bild 101I-317-0015-34A/Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

This book is based on Benno Wundshammer’s unusual personal archive, now housed in the Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin. Unlike famous photographers who produced iconic images, photographers like Wundshammer usually disappear behind their cameras. We have their pictures, but we usually know very little about them. If photographers even bother to compile what could be described as an archive, this seldom includes much more than the photographs they have taken. Wundshammer’s archive is unusual. Wundshammer saved – one might even say obsessively hoarded – huge amounts of a wide range of different types of materials that are not normally found in a photographer’s private archive – not just contact sheets and prints of thousands of the photographs he had taken during the course of his long career but also personal correspondence, diaries, manuscripts of articles and books he had written, as well as copies of articles he had published.

In the summers of 2011, 2012, 2013, and 2014 I did extensive research in Wundshammer’s archive. I have now written rough drafts of five chapters of the projected book. I also presented a paper, “Learning War Photography: Benno Wundshammer’s relationship to his wartime photographs before and after 1945,” at a conference on “The Ethics of Seeing: German Documentary Photography Reconsidered” at the German Historical Institute-London from May 23-25, 2013. Wundshammer’s personal archive provides an unusual opportunity to reconstruct the everyday practices of a working photo-journalist in the Third Reich and the early Federal Republic and to see how this one “media worker” functioned within the larger landscape of wartime and post-war German illustrated magazines.

Wundshammer, Adenauer in Japan, März 1960
Benno Wundshammer, Japan, Besuch des Bundeskanzlers Konrad Adenauer, März 1960 (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung – Bildbestand B 145 Bild). Bundesarchiv B 145 Bild-F008258-0021/Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Quelle: https://www.visual-history.de/2015/04/07/benno-wundshammer-photo-journalism-and-german-history-1933-1987/

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„… dann muss etwas an der Sache dran sein“

Harald Schmitt

 

 

Harald Schmitt

Harald Schmitt

Harald Schmitt ist einer der bekanntesten deutschen Fotografen des späten 20. Jahrhunderts. Nachdem er sich in den 1970er-Jahren vor allem für die Fotoagentur Sven Simon betätigte,[1] war er seit 1977 festangestellter Fotoreporter des Magazins „stern“, für das er bis 1983 in der DDR arbeitete. Danach fotografierte er weltweit für „stern“-Fotoreportagen. Während seiner Laufbahn erhielt er sechs „World Press Photo Awards“.[2]

In einem Interview mit zwei Studierenden des Public History-Masters der Freien Universität Berlin am 27. Mai 2014 sprach Harald Schmitt über seine Zeit in Ost-Berlin, seine prägendsten Erlebnisse und den Wandel der Fotografie. Das Interview führten Philipp Holt und Anna Schmidt.

 

 

Philipp Holt: Wir haben das Interview in mehrere Kategorien unterteilt. Uns als Geschichtsstudenten interessiert natürlich vor allem Ihre Zeit in der DDR. Wir haben aber auch ein paar Fragen zur Fotografie allgemein und ebenso zu Ihrer Karriere. Wir dachten, wir steigen am besten in der Zeit von 1977 bis 1983 ein, in der Sie für den „stern“ in Ost-Berlin waren. Uns ist aufgefallen, dass die meisten Bilder, die Sie gemacht haben, in Schwarz-Weiß waren. War das eine Entscheidung, die Sie getroffen haben, oder kam die Vorgabe vom „stern“?

 

Harald Schmitt: Eine Farbgeschichte musste vorher von der Chefredaktion angesagt werden. Farbe wurde extra produziert und brauchte auch Wochen Vorlauf. Man konnte nicht so schnell eine Farbgeschichte ins Blatt heben. Es wurde dann vorher gesagt: Wir wollen das aber in Farbe haben.

 

Anna Schmidt: Kann man sagen, welche Geschichten das waren? Was das Besondere an diesen Geschichten war?

 

H.S.: Ja. Das waren dann natürlich keine aktuellen Geschichten. Das war z.B. der Spreewald oder so, also elegische Geschichten, vor allem über die Landschaft.

 

P.H.: Wir haben im Deutschen Historischen Museum die Ausstellung „Farbe für die Republik“ besucht. Dort waren Farbfotos aus der DDR von den zwei Fotografen Martin Schmidt und Kurt Schwarzer ausgestellt. In dem Zusammenhang haben wir diskutiert, welchen anderen Effekt Farbfotografie hat.

 

H.S.: Farbe ist versöhnlicher, nicht? Farbe ist eigentlich angenehmer.

 

P.H.: Wir haben auch mit der Kuratorin Carola Jüllig gesprochen.[3] Sie meinte, dass unser Bild von der DDR schwarz-weiß sei.

 

H.S.: Ja, da hat sie recht.

 

A.S.: Aber würden Sie sagen, dass nicht spezifisch das Bild der DDR, sondern generell das Bild dieser Zeit schwarz-weiß war?

 

H.S.: Es war eigentlich alles Schwarz-Weiß. Es sei denn, man machte eine − es hieß dann immer −„große Farbe“. Dann hatte man auch mehr Zeit, um daran zu arbeiten. Man muss ja mehr auf das Licht achten.

 

P.H.: Wann hat sich das geändert? Ab wann war Farbfotografie die Norm?

 

H.S.: So ab 1983/84. Da gibt es ein gutes Beispiel. Ich habe den Zusammenbruch der Tschechoslowakei fotografiert. Die Bilder sind im „stern“ auch nicht erschienen, weil wir das in Schwarz-Weiß gemacht haben. Da hieß es in der Chefredaktion, es sehe dort ja aus wie in der DDR, weil das von der Anmutung genauso war. Also ist es einfach nicht erschienen, und die Redaktion hat Bilder in Farbe besorgt, die wir gar nicht hatten, weil Farbe nicht angesagt war. Eine Zeit lang haben wir beides gemacht: Wir hatten immer zwei Kameras umgehängt: eine für Farbe, eine für Schwarz-Weiß. Das hat sich aber nicht bewährt, weil man das Foto letztlich immer in der falschen Farbe macht. Also wenn man gerade Farbe fotografiert, denkt man, verdammt, das wäre in Schwarz-Weiß besser gewesen und umgekehrt. Irgendwann hieß es dann: entweder Farbe oder Schwarz-Weiß.

 

A.S.: Sie haben im Seminar[4] erwähnt, dass Sie nicht gerne mit Blitz fotografieren.

 

H.S.: Weil es die Stimmung kaputt macht. Es ist ja eine bestimmte Stimmung im Raum, eine Lichtstimmung. Und mit Blitz fährt man da rein, und dann sieht alles gleich aus. Ich finde es schöner, wenn man die Atmosphäre, die in einem Raum herrscht, noch mit rüberbringt. Das sagt ja auch viel aus. Mit Blitz ist es immer gleich.

 

A.S.: Hatten Sie denn Kontakt zu anderen Fotografen aus der DDR?

 

H.S.: Ja, viel. Zu eigentlich allen, die besser waren. Also zu den bekannteren Fotografen, die z.B. für die „Sibylle“[5] gearbeitet haben.

 

P.H.: Haben Sie große Unterschiede feststellen können, wie deren Arbeitsalltag aussah im Vergleich zu Ihrem?

 

H.S.: Die haben davon profitiert, dass wir uns kannten. Zum Beispiel wäre der Kalender für Interflug nie erschienen, wenn der Fotograf nicht mit mir befreundet gewesen wäre. Denn ich habe die Dias mit nach West-Berlin genommen. Sie wurden dort entwickelt und vergrößert. Anschließend habe ich sie wieder zurück gebracht, und es wurde ein schöner Interflugkalender daraus. Ich habe aber auch von den Fotografen profitiert, weil sie ein unglaubliches Fachwissen hatten, sehr viel wussten vom Background und der Technik aus Frankreich oder Amerika. Sie kannten sich aus, was so passiert in der Welt in ihrem Bereich.

 

A.S.: Gab es viele Journalisten aus dem Westen, die eine ständige Akkreditierung oder ein Visum wie Sie für die DDR hatten?

 

H.S.: Es gab zur gleichen Zeit vielleicht zehn. Und als Fotograf war ich der Einzige. Später kam noch einer dazu, Rudi Meisel.[6] Aber in den ersten Jahren war ich der Einzige, der als Fotograf akkreditiert war.

 

A.S.: Hatten Sie damals auch Anfragen von anderen Zeitschriften?

 

H.S.: Nein, das ging nicht, weil ich beim „stern“ angestellt war. Ich habe auch mal für das Kunstmagazin „art“ fotografiert, das gehörte ja zum gleichen Verlag. Das wurde aber irgendwann untersagt. Für „Geo“ habe ich auch mal etwas gemacht, das wurde mit der Begründung unterbunden, wenn der „stern“ schon das Gehalt bezahlt, kann man nicht für „Geo“ arbeiten, obwohl es im gleichen Haus erscheint.

 

P.H.: Woher haben andere Zeitschriften die Bilder aus der DDR bekommen?

 

H.S.: Wenn eine „stern“-Geschichte erschienen ist, dann wurde sie weltweit angeboten. „Time“, „Newsweek“, „Epoca“ und so weiter. Die haben dann oft die ganze Reportage gekauft. So gingen die Bilder weiter.

 

A.S.: Wie kamen die Fotos von Ost-Berlin nach Hamburg?

 

H.S.: Mit dem Flugzeug. Das war ja noch in der Zeit, als wir nicht digital fotografierten. Ich habe die Filme ins West-Berliner Büro gebracht. Dort hat sie ein Bote abgeholt und nach Hamburg geliefert, wo sie entwickelt wurden. Ich bekam immer einen Abzug zugeschickt. So konnte ich sagen, dass z.B. 79 2 37 Negativ 12 gut zu dem Thema wäre, dann wurde das vergrößert. Das hat auch den Vorteil, dass die Bilder, die ich gemacht habe, alle sehr gut beschriftet sind. Ich glaube, das ist das A und O, das macht kaum ein Fotograf. Manchmal habe ich über mich selbst lachen müssen.

Bei meiner ersten Geschichte war ich in Kreuzberg, das war meine erste Farbgeschichte. Ich habe einen alten Mann fotografiert, der in der Moschee betete. In Hamburg fragte mich Gill,[7] was der da mache. Ich sagte, das sei ein alter Mann, der in der Moschee betet. Er sagte: „Das sehe ich auch. Aber wer kommt denn eigentlich für seinen Unterhalt auf? Zahlt das die Bundesregierung, zahlt das Berlin, schleppen seine Kinder ihn durch? Wovon lebt er? Der wird doch nicht nur beten.“ „Das weiß ich nicht.“ Und er meinte: „Das verstehe ich nicht, dass Sie da nicht nachgefragt haben.“ Seitdem war mir klar, dass es nicht um Blende XY geht, sondern, dass man wissen muss, was man da macht, und nicht nur draufdrückt. Das ist der Unterschied zwischen Fotograf und Fotoreporter, wie wir uns nannten, dass wir Journalisten sind und mehr wissen müssen.

 

P.H.: 1983 wurde Ihr Visum in der DDR nicht mehr verlängert. Wissen Sie genau, warum?[8]

 

H.S.: Das ist eine lange Geschichte. Hauptsächlich ging es um die Hitler-Tagebücher, die im „stern“ erschienen sind. Die sollten aus der DDR kommen. Ich wurde nach Hamburg beordert. Dort hieß es, ich hätte bis nachmittags Zeit, um festzustellen, ob das, was er [Gerd Heidemann] sagt, der Wahrheit entspräche, und wie er an diese Tagebücher gekommen sei. Er hatte behauptet, dass der Leiter des kleinen Heimatmuseums in Börnersdorf[9] diese Tagebücher habe. Sein Bruder sei bei der Staatssicherheit, und wenn herauskäme, von wem er die Bücher bekommen habe, dann würde die Staatssicherheit seine Kinder umbringen. Ich bin von Hamburg mit dem Auto nach Börnersdorf gefahren. Es gab aber nur ein Arbeitermuseum dort, das am ersten Mittwoch des Monats von 16-17 Uhr geöffnet hatte. Irgendwie stimmte das alles nicht. Ich habe dann die Schwester von Konrad Kujau gefunden, der sich damals Fischer nannte, das war die Frau des Heizers aus diesem Museum. Ich habe beide unter Druck gesetzt und ihnen gesagt, dass der Fernseher, der dort stehe, doch vom „stern“ bezahlt worden sei und sie nicht ihren Bruder decken könne. Doch sie hat alles abgestritten und damit gedroht, die Polizei zu rufen. Ich habe ihr gesagt, dass sie es doch sei, die etwas verberge. Hinterher hat sie das der Staatssicherheit gemeldet, ebenso ihr Bruder, bei dem lief das ähnlich ab. Die haben natürlich in ihrer Aussage so getan, als ob sie von nichts wüssten. Aber sie wussten genau Bescheid, was ihr Bruder, also Kujau, gemacht hatte. Das war schließlich der Grund für meine Abberufung.

Dann hatten wir noch ein sogenanntes Attentat auf Erich Honecker.

 

P.H.: Durch Paul Eßling.[10]

 

H.S.: Genau. Und so etwas durfte es im Sozialismus nicht geben, dass man auf das Staatsoberhaupt schießt. Der schreibende Kollege Dieter Bub musste daraufhin das Land verlassen, innerhalb von 48 Stunden. Dies hätte die Schließung des Büros bedeutet, obwohl so etwas nach KSZE-Richtlinien eigentlich nicht möglich gewesen wäre. Dann gab es die Vereinbarung, dass, wenn ich abgezogen werde, zwei neue Leute in die DDR einreisen können. Also wurde ich von Hamburg abberufen. Dementsprechend stimmt es nicht, dass mein Visum nicht verlängert wurde, vielmehr wurde ich auf Druck abgezogen.

 

P.H.: Zu dem sogenannten Attentat selbst: Waren Sie dabei? Haben Sie es gesehen?

 

H.S.: Der schreibende Kollege hatte einen Hinweis bekommen, dass in Klosterfelde angeblich jemand auf Honecker geschossen habe. Die Staatssicherheit hätte denjenigen dann gleich erschossen, hieß es, einen Ofensetzer aus Berlin. Wir haben uns gedacht: Wenn man schon Ofensetzer angibt, dann muss etwas an der Sache dran sein, wenn schon eine Berufsbezeichnung fällt und auch ein genaues Datum. Ich glaube, es war der 31. Dezember. Also haben wir uns einen Mietwagen genommen. Unsere Autos hatten nämlich blaue Nummernschilder anstatt weiße. Jeder Polizist hätte sofort gesehen: Journalist, Westdeutschland − an der Nummernkonstellation QA für die Bundesrepublik und an der Zahl 57 für Journalist. Wir sind nach Klosterfelde gefahren und zum Friedhof gegangen, um zu gucken, wer da am 31. Dezember gestorben ist. Eine alte Frau sagte uns, dass hier einiges los gewesen sei. Der Mann wäre sofort verbrannt worden. Da war uns klar, dass an der Geschichte etwas dran ist. Wir sind in eine Kneipe. Dort haben auch alle erzählt, wie er tot auf der Straße gelegen habe, bis jemand sagte, man solle den Toten endlich abdecken, da die Kinder zeitnah aus der Schule kommen würden. Wir haben auch erfahren, wo die Familie lebte, und sie besucht, um dann die Geschichte zu schreiben. Der Sicherheitschef von Honecker hat 2014 ein Buch geschrieben, das habe ich vor zwei Wochen gelesen. Darin schreibt er, dass Paul Eßling sich selbst gerichtet habe. Wir haben geschrieben, dass die Staatssicherheit ihn erschossen hätte.[11]

 

A.S.: Nun zur Fotografie zurück. Als wir im DHM die Ausstellung „Farbe für die Republik“ besucht haben, kam eine Diskussion auf. Die Kuratorin behauptete, dass die Fotos, die da gezeigt werden, keine Kunst seien.

P.H.: Es gab die Aussage, dass die Fotografen ihre Bilder nicht als Kunstobjekte, sondern einfach als Handwerk verstanden hätten. Uns interessiert jetzt, wie Sie zu Ihrer Arbeit stehen.

 

H.S.: Ich habe das immer auch als Handwerk verstanden. Aber wenn ich sehe, was so alles unter dem Mantel Kunst ausgestellt wird, frage ich mich oft, was denn daran Kunst sein soll. Ich sage es mal so: Ein gutes Reportagefoto zu machen ist schon eine Kunst. Wenn man versucht, in drei Fotos oder fünf − je nachdem, wie viele Bilder veröffentlicht werden − ein komplexes Thema zusammenzufassen und in einem Bild möglichst viel zu erzählen, dann ist das schon sehr, sehr schwer. Und das ist, glaube ich, nicht nur Handwerk. Die meisten Reporter sagen: Das, was wir machen, ist Handwerk, das ist keine Kunst. Aber ich glaube und unterstelle mal, dass man das bewusst sagt, aber etwas anderes denkt.

Es gibt natürlich auch Kunstfotos, die große Klasse sind. Das ist schon eine andere Dimension. Es werden Bilder mit einem Wert von über einer Million Euro gehandelt. Aber die sind wirklich exzeptionell, das hat auch seine Berechtigung.

 

A.S.: Ich habe gelesen, dass Sie nur beim „World Press Photo Award“ teilgenommen haben und bei keinem anderen Fotowettbewerb. Was ist Ihrer Meinung nach das Besondere daran?

 

H.S.: Das ist das Schwierigste. Man hat Konkurrenz aus mindestens 100 Ländern, es gibt ungefähr 100.000 eingeschickte Bilder. Und wenn man sich da durchsetzt und einen Preis bekommt, dann heißt das schon was. Man kann mit Glück vielleicht einmal gewinnen, man kann mit Glück zweimal gewinnen. Aber so viel Glück kann man dann nicht mehr haben. Es gibt, glaube ich, eine Fotografin, die sieben Preise hat. Mit sechs Preisen gibt es dann schon ein paar, ich weiß nicht, wie viele. Das ist schon sehr schwer. Früher gab es, wenn die Bilder in der Endauswahl gescheitert sind, wenn man sozusagen den vierten, fünften Platz erreicht hat, noch eine Urkunde. Das gibt es seit Jahren nicht mehr. Das freute einen natürlich auch. Dann wusste man, dass man nur knapp gescheitert war. Andere Wettbewerbe haben mich nie interessiert. „World Press“ ist so etwas wie der Oscar für Fotografen.

 

P.H.: Wir haben jetzt viel über die Vergangenheit geredet. Wie hat sich, Ihrer Einschätzung nach, die professionelle Fotografie durch die weite Verbreitung der privaten, technisch sehr versierten Fotografie verändert? Mittlerweile sind gute Kameras für jeden erschwinglich.

 

H.S.: Vor allen Dingen kann es heute jeder, es ist ja kein Beruf mehr. Früher war das ein Beruf, und heute ist es so leicht: Jeder macht seine Fotos mit einem Handy. Die Kameras sind so gut, selbst die billigen Kompaktkameras für 300 Euro machen tolle Bilder. Man drückt drauf und fertig. Aber ein Foto hat keinen Wert mehr. Ganz schrecklich sind diese Selfies, die jetzt jeder von sich selbst macht. Aber das ist halt Mode, dagegen kann man nichts machen. Mir tut das so weh, denn ein Foto zu machen, ist Arbeit. Da steckt richtig viel Arbeit drin, was man, wenn man sich nicht damit beschäftigt, gar nicht weiß. Dann denkt man, der fährt da irgendwo hin, knipst ein bisschen herum und hat dann halt Bildchen gemacht. Aber das ist schon viel mehr. Man ist froh, wenn man jeden Tag ein druckbares Bild macht, und man ist froh, wenn man am Jahresende zwei Bilder hat, die über den Tag hinaus Bestand haben. Alles andere fällt durch den Rost.

 

A.S.: Haben Sie denn ein besonderes Lieblingsbild? Oder mehrere?

 

Kokoschka küsst Zuckmayer (1976)

Alte Freunde: Oskar Kokoschka küsst Carl Zuckmayer – Abzug mit Kokoschkas Widmung (1976)
© Harald Schmitt, veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung. Abdruck in: Harald Schmitt: Auf den Punkt – 33 Jahre als Fotoreporter für den „stern“, Addison-Wesley Verlag München 2011, S. 81

H.S.: Das von Kokoschka und Zuckmayer, das ist, glaube ich, mein Lieblingsbild. Weil das so eine Nähe hat: diese Begegnung der beiden alten Männer. Ich habe auch Carl Zuckmayer kurz vor seinem Tod noch einmal getroffen und ein Porträt von ihm gemacht. Als er es erhielt, schrieb er, dass dies das großartigste Altersporträt von ihm sei, das es gäbe. Ich habe ihn vor seinem Tod noch einmal besucht, und es war einfach bewegend.

 

P.H.: Gab es noch eine andere Persönlichkeit, die Sie besonders beeindruckt hat?

 

A.S.: …oder ein Thema?

 

H.S.: Am stärksten berührt haben mich die dioxinverseuchten Kinder in Vietnam.[12] Wir sind mit einer Gruppe aus Düsseldorf hingeflogen. Der Leiter der Organisation hat dort die Kinder ausgesucht, die mit nach Deutschland kommen durften. Und das war das Emotionale: das Aussuchen. Ich selbst habe keine Kinder. Er durfte nur zwölf mitnehmen, und da waren ungefähr hundert. Die Eltern wollten, dass ihre Kinder mitkamen, damit sie wieder gesund werden könnten. Und dann musste man sagen: „Nein, bei dem hat es gar keinen Sinn mehr, weil der sowieso bald stirbt!“ Das hat der Leiter entschieden, wir natürlich nicht. Aber wir standen daneben und redeten abends mit ihm. Manche Eltern nahmen ihn zur Seite und wollten ihm Geld geben. Obwohl der Leiter das Kind erst nicht mitnehmen wollte, nahm er es schließlich doch noch mit, weil es so schwer krank, aber noch zu retten war. Das Geld hat er nicht genommen.

 

Vietnamesisches Kind mit verkrüppelten Armen (1989)

Vietnamesisches Kind mit verkrüppelten Armen (1989)
© Harald Schmitt, veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung. Abdruck in: Harald Schmitt: Auf den Punkt – 33 Jahre als Fotoreporter für den „stern“, Addison-Wesley Verlag München 2011, S. 203

Dann hat man plötzlich zehn Kinder und ist mit denen im Flugzeug unterwegs. Sie sitzen in Rollstühlen und können nicht laufen, man trägt sie hinein und heraus aus dem Flugzeug. Wir übernachteten in Bangkok, und die Kinder fuhren nachts Rennen auf dem Flur im Hotel. Das war wirklich sehr schön. Ich glaube, das war die Geschichte, die mich am meisten berührt hat.

 

A.S.: Wenn Sie die Menschen fotografieren, fragen Sie dann vorher um Erlaubnis?

 

H.S.: Nein. Ich fotografiere erst, und dann frage ich. Erst einmal das Foto haben! Früher habe ich das anders gemacht – und bereut: Einmal ging es um Sexualität in Indien. Das ist ein Thema, was nur sehr, sehr schwer zu bebildern ist. Ich habe dort junge Männer fotografiert. Die waren besonders schrecklich, weil sie die jungen Mädchen unter Druck setzten und sagten: „Wenn du nicht mit mir schläfst, dann trenne ich mich von dir!“ Und sobald sie das Mädchen haben, lassen sie es liegen. Für die ist das ein Spiel! Ich hatte diese Männer schon für ein Foto szenisch aufgebaut, da kam der schreibende Kollege. Wir waren am Strand. Er rief: „Da hinten küsst sich ein Paar im Wasser.“ Ich wollte es nicht glauben, das hatte noch keiner in Indien gesehen, dass man sich in der Öffentlichkeit küsst. Es war ein junges Paar, vielleicht so um die dreißig Jahre alt. Sie standen im Wasser, umarmten und küssten sich. Und ich Idiot bin da hin und habe gefragt. Der Mann hätte mich fast umgebracht. Ich vermute mal, er war nicht der Ehemann. Da habe ich mich wirklich geärgert, dass ich nicht erst drauf gedrückt und dann gefragt habe.

 

P.H.: Haben Sie die Rechte an Ihren Bildern?

 

H.S.: Ja, die liegen bei mir. Der „stern“ hat ein Druckrecht, die haben ja alles bezahlt. Aber die Negative liegen bei mir. Das ist ein altes, verbrieftes Recht.

 

A.S.: Herr Schmitt, wir danken Ihnen für das Gespräch.

 

 

[1] Sven Simon war das Synonym von Axel Springer junior.

[2] Der „World Press Photo“-Wettbewerb wird von der 1955 gegründeten „World Press Photo Foundation“ durchgeführt. Einmal im Jahr werden die besten Fotos in zehn Kategorien ausgezeichnet. Er gilt als der renommierteste Fotowettbewerb der Welt. http://www.archive.worldpressphoto.org (10.02.2015)

Ausgezeichnete Beiträge von Harald Schmitt:

1974: http://www.archive.worldpressphoto.org/search/layout/result/indeling/detailwpp/form/wpp/start/5/q/ishoofdafbeelding/true/trefwoord/photographer_formal/Schmitt%2C%20Harald

1976: http://www.archive.worldpressphoto.org/search/layout/result/indeling/detailwpp/form/wpp/start/4/q/ishoofdafbeelding/true/trefwoord/photographer_formal/Schmitt%2C%20Harald

1987: http://www.archive.worldpressphoto.org/search/layout/result/indeling/detailwpp/form/wpp/start/3/q/ishoofdafbeelding/true/trefwoord/photographer_formal/Schmitt%2C%20Harald

1997: http://www.archive.worldpressphoto.org/search/layout/result/indeling/detailwpp/form/wpp/start/2/q/ishoofdafbeelding/true/trefwoord/photographer_formal/Schmitt%2C%20Harald

1999: http://www.archive.worldpressphoto.org/search/layout/result/indeling/detailwpp/form/wpp/start/1/q/ishoofdafbeelding/true/trefwoord/photographer_formal/Schmitt%2C%20Harald

2001: http://www.archive.worldpressphoto.org/search/layout/result/indeling/detailwpp/form/wpp/q/ishoofdafbeelding/true/trefwoord/photographer_formal/Schmitt%2C%20Harald

[3]    Die Kunsthistorikerin Carola Jüllig kuratierte die Ausstellung „Farbe für die Republik. Auftragsfotografie vom Leben in der DDR“ für das Deutsche Historische Museum 2014, http://www.dhm.de/ausstellungen/farbe-fuer-die-republik.html (10.2.2015).

[4]    Harald Schmitt war vor dem Interview Gast in der Übung „Fotografie und Geschichte“ des 6. Jahrgangs des Masterstudiengangs Public History der Freien Universität Berlin.

[5]    „Sibylle“ war eine Modezeitschrift in der DDR, die von 1956 bis 1995 erschien. Besonders beliebt waren ihre Fotostrecken, die von namhaften Fotografen abgelichtet wurden.

[6]    Rudi Meisel arbeitete als Fotograf für viele Zeitungen und Zeitschriften, so etwa für den „Spiegel“ und „The Economist“. Zur Zeit der deutschen Teilung lag der Schwerpunkt seiner Fotografie auf dem Alltag in der Bundesrepublik und DDR. Heute ist er als Architektur-, Porträt- und Reportagefotograf tätig.

[7]    Rolf Gillhausen war Fotograf und Journalist. Er gründete das Magazin „Geo“ und war von 1980 bis 1984 Chefrdakteur des „stern“; siehe http://www.visual-history.de/2014/11/24/der-blattmacher-rolf-gillhausen (10.02.2015).

[8]    In der Seminarsitzung hatte Harald Schmitt bereits ausführlich von seiner Überwachung durch die Staatssicherheit berichtet. In der seit November 2013 eröffneten Ausstellung „Alltag in der DDR“ in der Kulturbrauerei Berlin sind Teile dieser Akte ausgestellt.

[9]    Börnersdorf ist ein Ortsteil der Stadt Bad Gottleuba-Berggießhübel im Bundesland Sachsen.

[10]  Paul Eßling geriet am 31. Dezember 1982 in Klosterfelde bei Wandlitz in eine Schießerei mit Polizisten aus Honeckers Wagenkolonne und kam selbst ums Leben, vermutlich durch Selbstmord. Die Geschichte wurde knapp zwei Wochen später im „stern“ veröffentlicht und als Anschlagsversuch auf Honecker gewertet (Magazin Nr. 3, 13.1.1983).

[11]  Bernd Brückner: An Honeckers Seite. Der Leibwächter des ersten Mannes, Berlin 2014. Bernd Brückner arbeitete ab 1976 als Leibwächter von Erich Honecker.

[12]  Die Geschichte erschien 1979 im „stern“.

 

Harald Schmitt (*1948)

1969 – 1972 Sportfotograf bei der Agentur Frinke in München

1972 – 1974 Politischer Fotograf bei der Agentur Sven Simon in Bonn

1974 – 1975 Star Agency in Paris und Nizza

1975 – 1977 Fotoagentur Sven Simon in Bonn

1977 – 2011 Festangestellter Fotoreporter des Magazins stern in  Hamburg

seit 2011 freischaffender Fotoreporter in Hamburg

Quelle: http://www.visual-history.de/2015/03/30/dann-muss-etwas-an-der-sache-dran-sein/

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Eine komponierte Sichtweise

Magdeburg 1998-2000

Passend zum 25. Jubiläum des Mauerfalls präsentiert die LOOCK Galerie vom 18. Oktober bis zum 31. Januar 2015 eine Ausstellung mit Bildern des Fotografen Ulrich Wüst. Die Sammlung mit dem Titel „Übergänge“ beschäftigt sich zwar nicht direkt mit den Ereignissen vom 9. November 1989, aber eben auch mit den Jahren danach.

Berlin 1995-1997

Berlin 1995-1997, Pressefoto zur ausschließlichen Verwendung für die die Besprechung der Ausstellung „Übergänge” in der Loock Galerie (© Ulrich Wüst, veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung)

Es werden drei verschiedene Werkgruppen des Künstlers gezeigt. Eine davon bildet die Veränderungen in Berlin-Mitte (Berlin 1995 – 1997) nach dem Abbau der innerdeutschen Grenze ab. Anhand der zweiten Gruppe Morgenstraße (Magdeburg 1998 – 2000) wird die Geschichte Magdeburgs, Wüsts Geburtsstadt, erzählt. Der Verfall der einstigen Industriestadt steht im Mittelpunkt dieser Arbeiten. Als dritte Sammlung kann man die Bildergruppe Fremdes Pflaster (Köln 2004 – 2005) sehen, welche einerseits das traditionelle Stadtbild zeigt, jedoch auch auf die Entwicklung dieser eingeht.

Die kleine Galerie besteht aus zwei aneinander-grenzenden Räumen, beide sind weiß gestrichen und lassen die Lokalität eher unscheinbar wirken. Wendet man sich jedoch den Bildern zu, bemerkt man, welche starke Aussagekraft diese in Schwarz-Weiß entwickelten Fotografien haben.

Magdeburg 1998-2000

Magdeburg 1998-2000, Pressefoto zur ausschließlichen Verwendung für die die Besprechung der Ausstellung „Übergänge” in der Loock Galerie (© Ulrich Wüst, veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung)

Die erste Wand zeigt Bilder aus Magdeburg. Darunter eine Straße mit einem Haus, welches einen Sexshop mit dazugehörigem Kino beheimatet. Die Fassade des Gebäudes ist aus Beton und bröckelig. Dieser Vordergrund ist durch eine Mauer zum Hintergrund der Fotografie abgegrenzt. Hinter dieser Mauer steht eine Häusergruppe, die aus Neubauten in älterem Stil zu bestehen scheint. Obwohl die Bildkomposition stimmig ist, passen die gezeigten Gebäude nicht zueinander. Es scheint, als sei die Stadt in der Entwicklung zur Moderne hängen geblieben. Die in der Vergangenheit berühmte Industriestadt Magdeburg muss der kommerziellen Dienstleistung in Gestalt der immer beliebter werdenden Pornoindustrie weichen, schafft dabei aber den „Absprung“ zu der modernen Infrastruktur nicht.

Geht man weiter in den nächsten Raum, kann man auf den Fotografien die Straßen von Berlin erkennen. Die Aufnahmen zeigen verfallene Häuser mit eingeschlagenen Fenstern und abgebröckelter Fassade. Oft haben diese Gebäude nur eine Front, oder die Fenster auf der anderen Seite wurden zugemauert. Sie wirken wie Kulissen aus einem Film, als gäbe es keinen Raum hinter den Fenstern. Die Spuren des Postsozialismus oder besser gesagt dessen Reste sind deutlich zu erkennen. Heute erscheint es in Berlin-Mitte kaum noch vorstellbar, dass Straßen oder gar Häuser von der Mauer geteilt wurden, doch damals war das Realität und trennte Familien und Freunde voneinander, die zuvor in demselben Gebäude gewohnt hatten.

Köln 2004-2005

Köln 2004-2005, Pressefoto zur ausschließlichen Verwendung für die die Besprechung der Ausstellung „Übergänge” in der Loock Galerie (© Ulrich Wüst, veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung)

Dreht man sich zur Seite, landet man thematisch in der nordrhein-westfälischen Stadt Köln. Die Darstellungen sind von einem Paradoxon geprägt. Auf der einen Seite wird das Stadtbild von traditionellen gotischen und antiken Bauwerken dominiert, auf der anderen Seite geht es um die Entwicklung zur modernen Industriestadt. Dies zeigt sich zum Beispiel an einem Foto, das im Hintergrund den Dom in seiner vollen Pracht der gotischen Bauweise zeigt. Der Betrachter schaut von einer Treppe, die ans Ufer des Rheins führt, auf die Szenerie. Links im Bild auf einer Brücke ist von hinten eine Reiterstatue zu erkennen, die in Richtung Dom „schaut“. Den Gegensatz zu diesem edel anmutenden Ausblick bildet der Vordergrund des Fotos. Der Kölner Hauptbahnhof verdeckt mit seiner großen kuppelförmigen Halle und den vielen Oberleitungen den freien Blick auf das früh-neuzeitliche Bauwerk. Die Brücke, auf dem die Statue steht, scheint durch die Eisenbahnbauten verlängert worden zu sein. Dieser Fakt ist ein aussagekräftiges Sinnbild, wie aus dem Alten das Neue, das Moderne entsteht und im neuen Stadtbild integriert wird.

Ulrich Wüst hat mit seinen Werken eine Zeitspanne dokumentiert, die wichtige Etappen der Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland umrahmt. Dabei hat er sich nicht auf Schnappschüsse verlassen, sondern seine Aufnahmen streng komponiert. Alles passt zusammen und ist so gewollt. Er fotografiert nicht nur die Eindrücke, sondern verfolgt immer einen Zweck, möchte dem Betrachter eine Botschaft hinterlassen. Das ist Wüst in der Ausstellung definitiv gelungen.

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/12/15/eine-komponierte-sichtweise/

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Scheinwelten und Publikationsverbot

Portraitfoto Ludwig Rauch
Porträtfoto Ludwig Rauch

Porträtfoto Ludwig Rauch

Schwitzende Werkarbeiter in der DDR, Menschen im Porträt, Bilder als kombinierte Triaden, die ihnen einen neuen Sinn geben – die aktuelle Werkschau des Berliner Fotografen Ludwig Rauch erzählt im Cottbusser Dieselkraftwerk Geschichte und Geschichten. Es geht um die DDR, um Menschen und ihre Biografien: sichtbar gemacht in Porträts und Serien. Das Altern, der Tod und vor allem das Leben sind Motive in Rauchs Werkschau, die er unter dem Titel Noch ein Leben zusammenfasst. Auf drei Etagen begegnen die Ausstellungsbesucher unterschiedlichsten Arbeiten, die auf teilweise überraschende Weise zusammengehören.

Vom 19. Juni bis zum 2. November 2014 ist die Ausstellung in der Lyonel-Feininger-Galerie in Quedlinburg zu sehen.

 

In einem Interview mit zwei Berliner Studentinnen spricht Ludwig Rauch über seine Arbeit in der DDR, über Flüchtlinge im Libanon und seine beruflichen Visionen.

Meike Dreckmann und Maja Schubert: Herr Rauch, als Studierende des Masterstudiengangs Public History beschäftigen wir uns an der Freien Universität Berlin u.a. mit Theorien und Methoden der Visual History. Bilder können demnach in der Geschichtswissenschaft sowohl als Quellen als auch als eigenständige Objekte der historischen Forschung betrachtet werden. Wie können Ihre Bilder zur Geschichtsvermittlung genutzt werden?

Ludwig Rauch: Sehr vielfältig. Es gibt natürlich aus historischer Sicht eine ganze Reihe von Aufnahmen, die unwiederbringlich sind. Diese Fotografien zeigen Ausschnitte aus der Wirklichkeit, die man sowohl zur Forschung heranziehen als auch ästhetisch betrachten könnte. Und das kann durchaus auch tiefer ausgelotet werden. Es gibt eine ganze Reihe von Bildern, an denen man sehen kann, wie die Verhältnisse an diesem Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt waren. Anhand dieser Bilder lässt sich eine ganze Reihe von Fragen stellen.

Berlin, Checkpoint Charlie, 9. November 1989

Berlin, Checkpoint Charlie, 9. November 1989

M.D. und M.S.: Die Bilder stellen Fragen, aber können sie auch erklären?

L.R.: Das ist schwierig. Vielleicht ist es eine Mischung aus Herz und Verstand. Ein gutes Bild spricht mehrere Sinne an, sowohl über das Sehen als auch über das Nachdenken. Die Fotografie birgt in sich die Möglichkeit einer hohen Authentizität, es ist dabei jedoch immer entscheidend, wer hinter der Kamera steht. Wie authentisch Bilder beispielsweise aus der Kriegsberichterstattung sind, aus Krisengebieten, da muss man sich zum Teil auf den Fotografen verlassen, der diese Bilder gemacht hat.

M.D. und M.S.: Wo beginnt für Sie die Manipulation von Bildern? Wenn man als Fotograf auswählt, welche Menschen oder Momente man zeigen möchte, die Anordnung der Menschen eventuell verändert – ist das Manipulation?

L.R.: Auf eine gewisse Weise ist es Inszenierung. Natürlich wird in dem Moment eingegriffen, in dem ich als Fotograf festlege, von wo aus ich das Bild mache und was ich darauf haben möchte. Insofern ist es mein Bild und meine Verantwortung, daraus ein gutes Foto zu machen, und fernab davon, manipulativ zu sein. Für mich wäre es aber eine Manipulation, zu sagen: „Du nicht“, oder jemand anderen dazu zu nehmen, beispielsweise drei hübsche Mädchen aus der Kantine, um das Bild der dreckigen Brigadearbeiter etwas anderes aussagen zu lassen. Das hat es ja in der DDR durchaus gegeben.

Es gab heftige Diskussionen über das World Press Photo des Jahres 2012.[1] Der Fotograf hat die Lichtverhältnisse verändert und damit die Szene dramatisiert. Er hat aber nichts an der Grundaussage des Bilds verändert. Lichtsituationen wurden in der Fotografie schon immer verstärkt. Früher wurden beispielsweise Gelbfilter vor die Linse geschraubt, um den Himmel schwarz und die Wolken weiß erscheinen zu lassen.

M.D. und M.S.: Die Veränderung der Lichtverhältnisse kann ja auch zu einer Emotionalisierung der Bilder führen, die vorher so nicht gegeben war.

L.R.: Genau. Es existiert keine Definition, ab welchem Moment das Bild eine neue Aussage bekommt. Aber Sie können davon ausgehen, dass mehr oder weniger jedes Bild, das Ihnen in gedruckter Form begegnet, bearbeitet ist.

M.D. und M.S.: Auf Ihre Fotografien der Brigade Karl Marx reagierten die Verantwortlichen in der DDR mit einem generellen Publikationsverbot für Sie. Haben Sie damit gerechnet? Wie haben Sie darauf reagiert?

Ost-Berlin, Brigade Karl Marx, 1986

Ost-Berlin, Brigade Karl Marx, 1986

L.R.: Ich konnte es mir nicht vorstellen, ich war völlig verwirrt. Ich hatte mir aus meiner Sicht die allergrößte Mühe gegeben, die Arbeiter der Brigade Karl Marx so darzustellen, wie sie sind – mit ihrer Würde, der schweren Arbeit, die sie haben. All das habe ich versucht, in den Bildern auszudrücken, und ich hatte auch das Gefühl, eine gute Arbeit geleistet zu haben. Dementsprechend war ich entsetzt, als mir gesagt wurde, dass die Bilder nicht veröffentlicht werden. Auf der anderen Seite hatte ich ja schon genügend Erfahrungen mit diesem Staat gemacht, die mich hatten aufhorchen lassen. Aber das hat dem Fass den Boden ausgeschlagen. Natürlich war das für mich auch deshalb eine sehr schwierige Situation, weil mir als Fotograf von einer Minute zur anderen die Möglichkeit entzogen wurde, Geld zu verdienen.

M.D. und M.S.: Wie haben Sie dann bis 1989 Ihr Geld verdient?

L.R.: Ich habe für viele Künstler Reproduktionen gemacht. Und dann hatte ich Kontakt zu einer Agentur in Westdeutschland, für die ich heimlich gearbeitet habe. Das kann man alles in meiner Stasi-Akte nachlesen, die sehr umfangreich ist. Die Jungs haben das leider alles gewusst, was mir nicht klar war. Aber ich habe mehrere Jahre die DDR fotografiert. Die Filme wurden dann bei mir abgeholt und in Westdeutschland entwickelt. Erst später habe ich gemerkt, dass damit ganze Bildbände herausgegeben wurden. Meine erste Doppelseite im „Stern“ hatte ich 1986, ohne dass ich davon wusste.

M.D. und M.S.: Das hat die Stasi nicht unterbunden?

L.R. Sie wollten es. Ich wurde sehr intensiv bespitzelt. Aber da sind ganz kuriose Dinge passiert, das ist heute schon etwas lächerlich. Mein Kontakt zu der westdeutschen Agentur lief über eine Telefonzelle, und aufgrund der schlechten Tonqualität konnte die Stasi meine Stimme nicht einwandfrei zuordnen. Aber es war fürchterlich, weil mehrfach versucht wurde, mich zu einer Zusammenarbeit zu zwingen. Das habe ich aber abgelehnt.

M.D. und M.S.: Auf so eine Verweigerung wurde ja auch häufig mit einer Festnahme und U-Haft reagiert.

L.R.: Das war als Maßnahme vorgesehen. Man wollte mir dann die Pistole auf die Brust setzen, so steht es in meiner Akte. Aber ich hatte 1986 mein zweites Studium in Leipzig an der Hochschule für Grafik und Buchkunst begonnen. Also war ich plötzlich dort, und meine Akte war noch in Berlin. Es hat gedauert, bis man das mitbekommen hat. Ich war natürlich auch ein ganz unauffälliger kleiner Fall. Es gab ja die Bürgerrechtsbewegung, Leute, die politisch viel aktiver waren.

M.D. und M.S.: Würden Sie sagen, dass Bilder wie die der Brigade Karl Marx – eines diktatorischen Staats automatisch regimekritisch sind, weil sie die Realität abbilden?

L.R.: Nein, nein. Der Mensch läuft doch nicht durch die Welt und ist jede Sekunde lang gepeinigt vom Regime. Der normale Mensch lebt sein Leben, egal, wo er ist, und er versucht so gut, wie es ihm irgendwie möglich ist, sich und seine Familie zu ernähren und voranzukommen. Und wenn die Bilder das zeigen, sind sie nicht automatisch regimekritisch. Wenn ich aber sage: „Ja, wir leben in einem tollen Land. Uns gehts allen gut, wir haben alle Arbeit, wir sind alle gesund, wir machen alle alles richtig“  das kann nicht stimmen. Das stimmt ja nirgendwo.

Ost-Berlin, Prenzlauer Berg, 1989

Ost-Berlin, Prenzlauer Berg, 1989

M.D. und M.S.: Noch eine Frage zu Ihrem Publikationsverbot: Hätten Sie die Bilder noch einmal gemäß den genauen Vorstellungen der Partei aufgenommen? Auch in Hinblick auf den finanziellen Druck, unter dem Sie standen?

L.R.: Niemals. Nie. Das hätte ich nicht nur, das habe ich auch abgelehnt. Bessere Bilder hätte ich nicht machen können. Und wer die nicht haben will, hat eben Pech gehabt. Finanziell konnte man in der DDR nicht wirklich unter Druck gesetzt werden. Man brauchte zum Überleben nicht allzu viel. Essen zu kaufen und ein Dach über dem Kopf zu haben, war mit so wenig Geld möglich. Insofern war man da eigentlich nicht korrumpierbar. Ein bisschen anders als heute.

M.D. und M.S.: Was würden Sie fotografieren, wenn Sie vollständig unabhängig wären?

L.R.: In den nächsten Jahren würde ich mich gerne mit dem Thema Flüchtlinge beschäftigen; ich könnte mir auch eine größere Arbeit dazu in Zusammenarbeit mit verschiedenen internationalen NGOs vorstellen.

M.D. und M.S.: Was hat Sie dazu bewogen?

L.R.: Es ist für mich unerträglich, wie wir mit diesem Thema umgehen. Nur ein Beispiel: Im Libanon leben vier Millionen Libanesen. Und innerhalb von zweieinhalb Jahren sind eine Million Flüchtlinge in dieses Land gekommen. Das ist die Realität. Das kann man sich nicht vorstellen, an der Straße befinden sich dort rechts und links Flüchtlingscamps. Jeder fünfte Mensch in diesem Land ist inzwischen ein registrierter Flüchtling mit vielen Kindern, die alle keine Schulausbildung erhalten. Ich bin mit einer wirklich großen Anzahl an interessanten Bildern nach Deutschland zurückgekommen. Ich habe die Bilder dem „Stern“ angeboten, der „Zeit“ angeboten, der „Süddeutschen“, der „FAZ“, und alle haben abgelehnt: „Ach, das hatten wir gerade erst schon.“ Als sich unser Außenminister Frank-Walter Steinmeier vor kurzem in diesen Flüchtlingscamps umsah, konnten wir dann „schöne Bilder“ in den Medien sehen. Dabei ist mir klar geworden, worüber wir berichten: immer nur über Ausgewähltes. Wir gehen den Sachen nicht nach, und vielleicht sind die Bilder eine Möglichkeit, ein Stück von dieser Wahrheit zu zeigen. Ob es funktioniert, weiß ich nicht. Aber jedenfalls habe ich mir vorgenommen, mein Augenmerk wieder mehr auf solche Themen zu richten und den schönen blühenden Baum für sich blühen zu lassen. Der muss ja nicht unbedingt noch mal fotografiert werden.

M.D. und M.S.: Gibt es noch jemanden, den Sie gerne einmal fotografieren würden und den Sie bisher nicht vor die Linse bekommen haben?

L.R.: Gerhard Richter. Ich habe ja nun viele große Künstler fotografiert, aber mit Gerhard Richter hat es bisher nicht geklappt. Ich habe aber auch merkwürdigerweise nie richtig versucht, ihn zu fotografieren, ich weiß auch nicht, warum. Es ist vielleicht schwierig, aber es gibt Bilder von ihm. Also ihn würde ich wahnsinnig gerne mal fotografieren.

M.D. und M.S.: Herr Rauch, schön, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben. Vielen Dank dafür!

 

Das Interview fand im Rahmen einer Übung im Sommersemester 2014 an der Freien Universität Berlin statt. Das Thema der Übung lautete Fotografie und Geschichte. Entstehung, Manipulation und Vertrieb von Bildern im 20. und 21. Jahrhundert. Die Übung ist ein Modul des Masterstudiengangs Public History an der FU Berlin und wurde von Dr. Annette Schuhmann geleitet.

 

[1] Gemeint ist das Foto des schwedischen Fotografen Paul Hansen über einen Trauerzug im Gaza-Streifen.

 

 

Ludwig Rauch, Noch ein Leben
Ausstellung vom 20. Juni bis 2. November 2014 in der Lyonel-Feininger-Galerie
Quedlinburg

 

 

Ludwig Rauch (*1960)

Von 1986 bis 1989 Studium der Fotografie bei Arno Fischer an der Hochschule für Grafik und Buchkunst

Ab 1986 Publikationsverbot für alle „journalistischen Medien“ der DDR

1989 Übersiedlung nach Westberlin

1991 gemeinsam mit Matthias Flügge und Michael Freitag Gründung der Kunstzeitschrift Neue Bildende Kunst

Arbeiten für den „Stern“, „Tempo“, „Zeit“ und „Spiegel“

1992 Beginn der gemeinsamen Arbeit mit dem Maler Johannes Ulrich Kubiak (Kubiak & Rauch). Im Jahr 2006 beendeten Kubiak & Rauch die gemeinsame Arbeit.

Ab 2009 Dozent an der Ostkreuzschule Berlin

 

 

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/08/25/scheinwelten-und-publikationsverbot/

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