Was braucht gute Lehre?

Gute Lehre braucht Innovationen, Zeit, Geld und Anerkennung – unter diesem Motto hat der Stifterverband die Ergebnisse der Arbeit mit Fellows der Baden-Württemberg Stiftung, der Joachim Herz Stiftung und des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft vorgestellt (http://www.stifterverband.info/wissenschaft_und_hochschule/lehre/fellowships/was_gute_lehre_braucht/index.html). Welche (Rahmen-) Bedingungen braucht gute Lehre? Welche Unterstützung wünschen sich engagierte Lehrende? Die Antworten sind überraschend – überraschend ermutigend.

Unter dem Stichwort “Innovation” werden die Hochschullehrenden selbst als Ressource angeführt. Es braucht Lehrende, “die sich neueren Lern- und Lehrprozessen öffnen und diese ausprobieren” – das ist noch ziemlich vage und daher sicher weithin konsensfähig. Aber: Sie “konzipieren eine fachbezogene Hochschuldidaktik für ihr Fachgebiet und entwickeln und implementieren Wechselwirkungen zwischen Hochschullehre, Forschung und Fachkompetenz bewusst” – das klingt spannend und geht weit über die in der Hochschuldidaktik seit Jahren munter betriebene fachunspezifische Aktivierungsrhetorik hinaus. Ja, es reicht nicht zu wissen, wie Studierende ihre intrinsische Motivation entwickeln (zumal wenn es unter dem Motto der Selbstkompetenz auch darum geht, sich dort aufzuraffen, wo die Motivation eben gerade fehlt). Es braucht auch eine fachspezifische und zugleich hochschulspezifische, d.h. wissenschaftsorientierte Didaktik. Die gibt es in den Fächern, die ich halbwegs überschaue (und das ist vor allem mein eigenes Fach) allenfalls in Ansätzen. Die Forderungen nach Lehrenden, die sich in einen didaktischen Diskurs begeben, ist daher ein guter Schritt in diese Richtung.

Unter dem Stichwort “Zeit” fordern die Fellows flexiblere Deputatsverordnungen, Wertschätzung für Lehrleistungen, Entscheidungsspielräume für mehr Lehre oder mehr Forschung, mehr personelle Unterstützung (z.B. Geld für Tutor/innen) und Ähnliches. Auch hier lassen Sie anklingen, dass es eine fachspezifische Hochschuldidaktik braucht. Clever.

Auch unter dem Stichwort “Geld” gehen sie auf den Bedarf an fachspezifischer Didaktik ein; sie werden aber noch viel konkreter. Sie fordern die “Kompetenz und Expertise einer fachbezogenen Hochschuldidaktik, die in den Studiengängen verankert ist (und nicht darüber)”, ein. Genau das ist die LÜcke im hochschuldidaktischen Diskurs, die die hochschuldidaktischen Zentren in aller Regel nicht antippen. Kein Wunder, das würde deutlich weniger “ressourceneffizient” zu realisieren sein. Mit fachunspezifischen Programmen lassen sich rasch Dutzende von Lehrenden bedienen (und was das dann mit ihrem Fach zu tun hat, müssen sie selbst herausfinden). Mit fachspezifischen Angeboten müssten die Didaktikzentren sich weit in die Fächerund Fachkulturen, in Wissenschaftsverständnisse usw. hineinbegeben. Das ist mühsam. Sie müssten wohl vor allem Lehrende anheuern, die in den Fächern selbst lehrend aktiv sind. “Bereichsdidaktiken” wie etwa”Aktivierende Seminare in den Geisteswissenschaften” treffen das Problem jedenfalls nicht (es sei denn, man geht davon aus, dass Historiker und Germanisten wirklich das Gleiche studieren – was Nonsens ist).

Soweit bin ich mit allem einverstanden. Ich denke aber, das Ganze fordert von den Fächern noch viel mehr als von den hochschuldidaktischen Zentren. Nur aus dem Fach heraus kann ein Verständnis für die Lernziele, die Kompetenzorientierung im Fach, die Studierendengruppen, eine fachangemessene Diagnostik und Ähnliches anspruchsvoll entwickelt werden. Gut wäre, wenn es hierfür “Zeit, Geld und Anerkennung” an den Hochschulen gäbe. Das entwickelt sich erst langsam. Hierfür braucht es auch einen innerfachlichen Konsens über das Wissenschaftsverständnis im Fach oder einen Basiskanon an anerkannten Methoden. In einer Geisteswissenschaft ist das nicht unbedingt selbstverständlich.

Ein abschließendes Wort zu den zwei Kommentaren, die sich schon auf der Homepage des Stifterverbandes finden:

Prof. Dr. Johannes Herrmann (Kaiserslautern) wendet ein, man müsse vor allem die Grundausstattung der Universitäten sichern, um gute Lehre zu generieren; Förderung auf Basis von Anträgen seien im Bereich der Forschung sinnvoll, nicht im Bereich der Lehre. Dass eine gute Grundausstattung wichtig ist, ist richtig (siehe auch http://geschichtsadmin.hypotheses.org/101). Aber das alles ergibt noch keine “gute” Lehre. Ich denke, man darf es ambitionierter denken.

Prof. Kai Beiderwellen (Mannheim) kritisiert den Wechsel von der Vermittlung von Bildung hin zur Vermittlung von Wissen. Das verstehe ich nun gar nicht, oder besser gesagt: Ich verstehe es als Variante des bologna-kritischen Habitus, den ich nicht teilen möchte. Es ist vor allem nicht ganz korrekt: Was genau wir in Studiengängen tun, wie wir lehren, wie wir Lernprozesse diagnostizieren, wie wir curricular und in Lehrformaten planen und moderieren, das ist immer noch unsere eigene Aufgabe. Ich bin da weniger pessimistisch. Die Reflexion, was die Orientierung an Bildung im Fach bedeutet, kann nur dort und muss dort stattfinden. Die “Zurichtung der Studierenden für die Bedarfe der Wirtschaft und zu einer Angleichung dr Lehre an ökonomische Prozesse” ist nicht vorgeschrieben, sie wird nur gerne laut gefordert oder kritisiert.

Und mit den Problemen und Chancen einer stärker fachspezifischen Hochschuldidaktik haben beide Kommentare in meinen Augen nicht viel gemeinsam.

Quelle: http://geschichtsadmin.hypotheses.org/199

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Motivation im Studium – Frankfurter Grüne Soße?

Überrascht war ich, als ich per RSS-Feed über gleich zwei Beiträge der FAZ informiert wurde, die offenkundig gutheißen, was Universitäten derzeit anstellen, um Studierende zu motivieren.

Unter dem Titel “Motivationstrainer auf dem Campus” (http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/campus/gegen-durststrecken-im-studium-motivationstrainer-auf-dem-campus-12719533.html) wird dort ein Coaching-Angebot der Universität Frankfurt vergleichsweise unkritisch vorgestellt, das im Rahmen des Qualitätspakt-Lehre-geförderten Projektes “Starker Start ins Studium” betrieben wird. Die Trierer Professorin für Bildungswissenschaften Michaela Brohm durfte dort knapp 500 Studierende in Sachen Motivation schulen. Das erinnert beim Lesen zunächst an Tschakka!-Abende mit euphorischem Entertainer, aber diese Assoziation trägt nicht. Immerhin werden einige wichtige Motivationsprobleme angesprochen: die Bedeutung des eigenen Einflusses auf die Studienplanung für die Motivation (andernorts schon länger als “demand-control-Modell” bekannt; ich selbst habe es vor längerem etwas flapsig in den Blog des Historischen Seminars der JGU aufgenommen, um Studierenden zum Besuch außercurricularer Veranstaltungen zu ermuntern), die teilweise schädliche Wirkung der Konzentration auf extrinische Motivationsfaktoren (“Jagd nach Leistungspunkten”), die mangelnde Erfahrung mit der Wahrnehmung von Selbstwirksamkeit, die Schwierigkeiten mit der universitären Feedback-Kultur (die im Artikel allerdings – meiner Meinung nach zu Unrecht – als fehlend beschrieben wird; ich denke, sie ist vor allem anders als an der Schule, und sie muss von Studierenden entsprechend gelernt werden).

Überraschend ist jedoch, wie euphorisch die FAZ dieses Angebot aufnimmt. “An anderen großen Universitäten wie der Leibniz-Universität Hannover sucht man vergeblich nach reinen Motivationsseminaren”, heißt es dort in kritischer Haltung. Ja, auch in Mainz würde man vergeblich suchen. Ist das schlimm? Zu dem großen Herausforderungen der Studieneingangsphase, das kann ich jedenfalls aus meinen Erfahrungen sagen, gehört die häufig sehr geringe Frustrationstoleranz, die für eine spätere employability ein ernsthaftes Problem darstellt. Hierher gehört auch die mangelnde Selbstkompetenz, die ausdrücklich zu den Qualifikationszielen aller Studiengänge gehört und deren Erwerb nur der Studierende selbst leisten kann: die Fähigkeit (salopp gesagt), den inneren Schweinehund zu überwinden und sich selbst zu motivieren. Dazu mag man mancherorts Seminare anbieten; ich haltees nicht unbedingt für sinnvoll, weil es den Blick der Studierenden darauf verstellt, dass Motivation in ihrer eigenen Verantwortung liegt. Erneut ist es ein “Experte” vorne, der ihnen sagt, wie es geht. Erfolgreichen studieren kann aber nur, wer das (nicht sofort, aber ab einem gewissen Zeitpunkt) selbst schafft. Deshalb bin ich (und viele Kolleg/innen) dazu übergegangen, die Verantwortungsdelegation für den Lernprozess (die Verantwortung für das Lernen liegt entgegen landläufiger Überzeugungen nicht beim Superlehrer, sondern beim Lernenden) explizit in den Seminaren anzusprechen und entsprechend einzufordern.

Die von der FAZ konstatierte Tatsache, dass die wachsenden Studierendenzahlen mit mehr Studierenden einhergehen, die eher leistungsschwach sind und Schwierigkeiten haben, sich zu motivieren, und die Einschätzung der FAZ, dass die Lehrenden hierauf nicht pädagogisch vorbereitet sind, verbunden mit der Bewertung, dies sei ein “mismatch”, dem abzuhelfen sei, möchte ich mich daher nur in Punkt 1 anschließen: Ja, wachsende Studierendenzahlen stellen in dieser und in anderen Hinsichten durchaus ein Problem dar. Ich muss aber auch als etwas schwächerer Studierender und mit etwas gedämpfter Motivation lernen (das heißt auch: spüren und erfahren), dass mir dieses Problem nicht abgenommen oder mundgerecht zubereitet wird. Universitt ist nicht mehr Schule, und das universitäre Studium bereitet auf Berufe mit Entscheidungskompetenzen, Handlungsspielräumen und Verantwortlichkeiten vor, kurz gesagt: auf Berufe mit Risiko und Berufe, in denen nicht alle Kollegen hilfreich zur Seite stehen, wenn meine Motivation sinkt. Man mag darüber streiten, ob man in der Schule explizit Motivationstraining betreiben sollte; an der Universität scheint es mir im Interesse der Studierenden fehl am Platz.

Zu meiner Überraschung über die FAZ passt dann übrigens ein ähnlich wohlwollender Beitrag über die Einführung von Online-Spielen als Lehrformat im Modul “Wissensrepräsentationen” des Studiengangs „Informationswissenschaft und Sprachtechnologie“. Unter dem Titel “Fantasy an der Uni. Spielend durchs Studium” (
http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/fantasy-an-der-uni-spielend-durchs-studium-12735331.html) wird dort über den Versuch berichtet, die fehlende Motivation der Studierenden in diesem Modul durch die Einführung eines Computerspiels mit Belohnungssystemen zu heilen. Ich ertappe mich ale Kulturpessimist: Ich halte Spiele durchaus für lehrsam, ich halte es für möglich, dass man in Computerspielen etwas lernt, aber wer nicht bereit und/oder in der Lage ist, sich in einem Studiengang „Informationswissenschaft und Sprachtechnologie“ für das Modul “Wissensrepräsentationen” zu motivieren (oder wenigstens die Zähne zusammenzubeißen), der hat vielleicht einfach das falsche Studienfach erwischt oder sich grundsätzlich für den falschen Bildungsweg entschieden.

 

Quelle: http://geschichtsadmin.hypotheses.org/173

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Das «Digital Native»-Missverständnis, again

Vor ein paar Tagen bin ich über eine Meldung gestolpert, wonach eine australische Dozentin (namens Jacqui Ewart) in einer medienwissenschaftlichen Veranstaltung die Studierenden zum Twittern über ihre Lernfortschritte verpflichtete und erstaunt feststellte, dass rund ein Drittel der Studierenden darüber gar nicht entzückt waren. Viele von ihnen hielten das für Zeitverschwendung. Passend dazu verlinkte der Beitrag [...]

Quelle: http://weblog.histnet.ch/archives/3343

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