Das Opfergelände der Erde (Ditan 地壇)

Das in Reiseführern und populären Darstellungen meist in verkürzter Form als “Erdaltar” bezeichnete Opfergelände der Erde (Ditan 地壇) in Beijing wurde 1530 – im neunten Jahr der Ära Jiajing 嘉靖 – angelegt.[1] Dieses Opfergelände lag knapp außerhalb des nördlichen Teils der um die Innere Stadt (neicheng  内城) errichteten Stadtmauer (in der Nähe des Anding-Tores (Andingmen 安定門).

Die gesamte Anlage ist als “Gegenstück” des in der Südlichen bzw. “Äußeren Stadt” (waicheng 外城) gelegenen Opfergeländes des Himmels zu sehen. Im Unterschied zu letzterem basiert die Gestaltung des Opfergeländes der Erde auf geraden Zahlen und rechteckigen Formen. Es dominiert die Zahl sechs. So befinden sich an der Nordseite des eigentlichen “Altars” sechs Marmortore (dagegen nur je eines im Osten, Süden und Westen). Die quadratische Altarterrasse (fangze tan 方澤壇) ist von einer quadratischen Einfassung umgeben. Die Terrasse selbst ist in zwei Ebenen gegliedert und ist über vier – je achtstufige – Treppen zu erreichen.[2]

Altar of Earth, Beijing

Hinweistafel bei der Altarterrasse am Opfergelände der Erde. – Foto: Georg Lehner, 2011 

Im konfuzianischen Staatskult war der Ditan 地壇 fixer Bestandteil der “Großen Opfer”. Alljährlich zur Sommersonnenwende (xiazhi 夏至) vollzog der Kaiser hier die Opferzeremonien.[3]

Etwas mehr als ein Jahrzehnt nach dem Ende des Kaiserreichs wurde das ehemals für den nun obsolet gewordenen konfuzianischen “Staatskult” in einen Park umgewandelt und der Öffentlichkeit erstmals zugänglich gemacht.[4] 1933/34 gab es Bemühungen, die Opfergelände wieder “rückzubauen”, 1938 wurde der Park geschlossen und erst einige Jahre nach Gründung der Volksrepublik China erneut der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.[5]

Lesen Sie auch:
- Das Opfergelände des Himmels und der konfuzianische Staatskult
- Das Opfergelände für die Götter des Bodens und der Feldfrüchte (Shejitan 社稷壇)

  1. Zur 1530 vom Kaiser vorgenommenen Veränderung und Vermehrung der Opfergelände vgl. Vgl. Lei Gao, Jan Woudstra: “From landscape of gods to landscape of man: Imperial altars in Beijing.” Studies in the History of Gardens & Designed Landscapes vol. 31, no. 4 (2011) 233. – doi: 10.1080/14601176.2011.587279.
  2. Vgl. Patricia Bjaaland Welch: Chinese Art. A Guide to Motifs and Visual Imagery (Singapore 2008) 227 (“Six”).
  3. Vgl. H.S. Brunnert / V. V. Hagelstrom: Present Day Political Organisation of China (Shanghai: Kelly and Walsh, 1912) 203 sowie J. J. M. de Groot: Universismus. Die Grundlage der Religion und Ethik, des Staatswesens und der Wissenschaften Chinas (Berlin 1918) 187-196, zum Termin für diese Opferzeremonie vgl. ebd., 192.
  4. Gao/Woudstra: “From landscape of gods to landscape of man”, 248.
  5. Gao/Woudstra: “From landscape of gods to landscape of man”, 252.

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/1470

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Die chinesische Schrift … und was angehende Historiker/innen darüber wissen sollten

Die Möglichkeit, im Rahmen der in der Studieneingangs- und Orientierungsphase (BA Geschichte) vorgesehenen Vorlesung “Theorien und Geschichte schriftlicher Quellen und Medien” in 60-70  Minuten die Geschichte der chinesischen Schrift zu präsentieren (Universität Wien, 29. 10. 2014), stellt zumindest in zweifacher Hinsicht eine Herausforderung dar: einerseits soll ein einführender Längsschnitt durch die Geschichte der chinesischen Schriftkultur geboten werden, andererseits muss auch der politisch-kulturelle Hintergrund (Orakelwesen in der chinesischen Antike, Vereinheitlichungen und “Reformen” der chinesischen Schrift, Einflüsse von Konfuzianismus und Buddhismus auf die Entwicklung von Schriftkultur, Anfänge von Papier und Buchdruck, etc.) berücksichtigt werden.

Nachdem unter anderem “epochen- und  raumübergreifendes Grund- und Orientierungswissen über Schriftkultur” sowie “Grund- und Orientierungswissen über Geschichte, Funktion, Bedeutung und Analyse schriftlicher [...] Quellen”[1] vermittelt werden soll, hat sich die folgende Vorgangsweise geradezu angeboten:

Einleitend wurden die zentralen Faktoren bei der Entwicklung der Schrift (Wandel der Schreibmaterialien, ästhetische Vorstellungen (Kalligraphie!), neue Möglichkeiten und Techniken der Vervielfältigung, gesellschaftliche Umbrüche) benannt. Es folgten Beispiele für die zur Rektonstruktion der Geschichte der chinesischen Schrift wichtigen Schriftträger (Knochen, Bronze, Stein, Bambus, Holz, Papier – die auf Seide geschriebenen Bücher wurden der Vollständigkeit halber am Rande erwähnt).[2]

Die Ausführungen zu jüngeren Debatten um die schrifttypologische Einordnung/Beschreibung des Chinesischen wurden bewusst kurz gehalten – ebenso der Hinweis auf die sechs Strukturtypen (liushu 六書) chinesischer Schriftzeichen.

Die Frage nach der Anzahl der chinesischen Schriftzeichen wurde aus drei Blickwinkeln beleuchtet: 1.) Anzahl der allgemein gebräuchlichen Schriftzeichen, 2) Anzahl der Schriftzeichen in zweisprachigen Chinesisch-Wörterbüchern und 3) Anzahl der Schriftzeichen in einsprachigen Wörterbüchern und Zeicheninventaren (Beispiel: Unicode).

Eine Graphik verdeutlichte dann Entwicklung, Abfolge und Zusammenhänge der wichtigsten Schriftstile (Große und Kleine Siegelschrift, Kurialschrift, Modellschrift, Schreibschrift und Konzeptschrift). Als Beispiel für die so genannte “wilde Konzeptschrift” wurde ein Ausschnitt aus der Autobiographie des buddhistischen Mönchs Huaisu (8. Jh.n.Chr.) gezeigt.[3]. Ebensowenig durfte ein Blick auf das älteste erhaltene gedruckte datierte Buch – das Diamantsutra aus dem Jahr 868 n. Chr. – fehlen.[4]

Um den vorgegebenen Zeitrahmen einhalten zu können, folgte dann ein “Sprung” ins 18. Jahrhundert – zu einer Seite aus der wohl umfassendsten jemals gedruckten (chinesischen) Enzyklopädie (Gujin tushu jicheng 古今圖書集成 , d.i. “Sammlung von Texten und Illustrationen aus alter und neuer Zeit”, 1720er Jahre).

Auf Beispiele zur Ordnung und Anordnung der chinesischen Schriftzeichen (unter anderem eine Seite aus einem frühen (1872) chinesischen Telegraphencode) folgten dann zusammenfassende Bemerkungen zu der nach der Gründung der Volksrepublik China (1949) in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts durchgeführten Schriftreform (Vereinfachung der Schriftzeichen, Verbreitung des Hochchinesischen, Entwicklung einer Lautumschrift). Erläuterungen zu nicht nur schriftgeschichtlich bemerkenswerten Einzelheiten der Seite 1 der Renmin Ribao 人民日報 (“Volkszeitung”) vom 20.12.1977 standen am Ende des Vortrags.

  1. Vgl. dazu Universität Wien, Studienpläne Geschichte, Studienplan-Wiki
  2. Dabei wurde auch auf einige der im Rahmen der Serie Kulturgeschichte Chinas im Netz vorgestellten Sammlungen zurückgegriffen.
  3. Vgl. http://www.npm.gov.tw/masterpiece/fPreview.aspx?sNo=04001004
  4. Vgl. British Library, Turning the Pages.

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/1458

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Biyong 辟雍 – die kaiserliche “Lehrhalle”

In unmittelbarer Nachbarschaft zum Pekinger Konfuziustempel (Kongmiao 孔廟) befinden sich die Gebäude der wechselweise als “Akademie” oder “Universität betitelten kaiserlichen Lehranstalt (Guozijian 國子監)[1]

Eine aus dem frühen 19. Jahrhundert stammende russische Beschreibung Pekings wies auch darauf hin, dass sich in dieser Einrichtung unter anderem eine Halle befand, die der Kaiser einmal jährlich aufsuchte:

135. Ko-tseu-kian, die Universität. Unter den Gebäuden, aus denen dieses Institut besteht, ist der im Jahre 1785 erbaute Palast zu bemerken, der an vier Seiten mit einem breiten Graben umgeben ist, über welchen vier Brücken gespannt sind. [...] Am ersten Tage des zweiten Mondes besucht der Kaiser die sogenannte kaiserliche Schule (134), um dem Philosophen Khung-tseu seine Huldigungen darzubringen, und demnächst begibt er sich in den Universitätspalast, um die heiligen Bücher zu erklären. Die alten Cypressen, welche diesen Ort beschatten, wurden von einem Rektor gepflanzt, der unter der mongolischen Dynastie (1295-1341) lebte.[2]

Biyong

Biyong – die kaiserliche “Lehrhalle” – Foto: Georg Lehner

Das hier als “Universitätspalast” bezeichnete Gebäude trägt den Namen Biyong 辟雍[3]. In de Groots Beschreibung des konfuzianischen “Staatskults” wird dieser “Predigtsaal” wie folgt beschrieben:

[...] auf einer quadratischen Insel erbaut, die genau in der Mitte eines kreisrunden Teiches liegt. [...] Er ist gänzlich mit Marmorquadern gemauert und hat genau im Norden, Osten, Süden und Westen eine Steinbrücke [...] die ebenso wie der Teich beiderseits mit schweren Marmorgeländern versehen sind. Insel und Brücken sind auch mit Marmorsteinen gepflastert, gleichwie der umliegende Hof. Der Saal trägt ein doppeltes Dach mit gelbglasierten Ziegeln und hat gegenüber jeder Brücke einen Eingang; der südlichste ist der vornehmste und über ihm hängt eine Holztafel mit der Inschrift 辟雍 Pi’ Jung, dem Namen des Saales.”[4]

Im Inneren ist die Halle ganz im Sinne der ältesten kosmologischen Vorstellungen gestaltet. So wird er durch die 16 Pfeiler, die die Dachkonstruktion tragen, “in neun viereckige Fächer, welche die neun Hauptgegenden der Erde versinnbildlichen”[5] geteilt. Für den Kaiser ist der Platz in der Mitte der Halle vorgesehen. Für den kaiserlichen Lehrvortrag wird ein besonders günstiger Tag bestimmt und der Kaiser hält eine kurze Lesung von je einem Text aus den “vier heiligen Büchern” (sishu 四書) und aus den “fünf kanonischen Schriften” (wujing 五經), den wichtigsten Textgruppen des Konfuzianismus. [6]

 

  1. Bei J.J.M. de Groot: Universismus. Die Grundlage der Religion und Ethik, des Staatswesens und der Wissenschaften Chinas (Berlin 1918) 263 übersetzt mit “Institut für die Söhne der Dynastie.”
  2. “Beschreibung der Stadt Peking.” In: Allgemeine Bauzeitung, Jg. 1859, S. 335 f.
  3. Zum Begriff vgl. Charles O. Hucker: Dictionary of Official Titles in Imperial China (Stanford 1985) 378 (Nr. 4604) „lit. to withdraw and be at peace [..] (2) Throughout imperial history an archaic reference to the National University [...] where men were prepared to become officials.“
  4. De Groot: Universismus, 264.
  5. Ebd.
  6. Zum Ablauf dieser kaiserlichen Lesung vgl. ebd., 264-267.

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/1137

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Acht Kostbarkeiten 八寶

Von den “Acht Kostbarkeiten” ist nicht nur im Zusammenhang mit Buddhismus und Konfuzianismus die Rede, sondern auch im Zusammenhang mit Gerichten der chinesischen Küche: neben dem “Acht Kostbarkeiten”-Gemüse (babao cai 八寶菜), einem in Sojasauce eingelegten Mischgemüse, ist etwa auch der “Acht Kostbarkeiten”-Reis (babo fan 八寶飯) – eine süße Reisspeise mit kandierten Früchten und anderen Zutaten – zu nennen. Die “Acht Kostbarkeiten” stecken auch in Babaoshan 八寶山 (“Berg der Acht Kostbarkeiten”) – dem “Prominentenfriedhof” der Volksrepublik China.

Bleibt nun also die Frage, was sich hinter den “Acht Kostbarkeiten” verbirgt:

„chu [zhu ], die wunscherfüllende, magische Perle, ch’ein [qian], die Münze, ein Symbol der Wohlhabenheit, fang-shêng, die offene Raute, Emblem von Sieg und Erfolg, shu [書], zwei Bücher, ein Zeichen guter Vorbedeutung von von Gelehrtheit, hua [畫], das Bild sinnbildlich für kulturelle Tätigkeit, ch’ing [qing 磬], der Jade-Klangstein, Sinnbild für Glück, chüeh [jiao ], ein Paar Rhinozeroshornbecher, Symbol für Überfluß und Glück, und ai-yeh [aiye 艾葉], ein Artemisiablatt, wiederum ein Emblem für gute Vorbedeutung.“[1]

Neben diesen acht Symbolen des Konfuzianismus sind hier auch die acht Sinnbilder (ba ji xiang 八吉祥) zu nennen, die die “verschiedenen Aspekte des Buddhismus” symbolisieren: “Meeresschnecke, Schirm, Baldachin, Lotos, Vase, Fisch, endloser Knoten, Rad der Lehre.”[2]

  1. Liste nach dem Glossar bei Herbert Fux (Hg.): 4000 Jahre ostasiatische Kunst (Krems 1978), 292 (‚pa pao‘). Vgl. auch Patricia Bjaaland Welch: Chinese Art. A Guide to Motifs and Visual Imagery (Singapore 2008) 228 f. (‚Eight Precious Things‘), die elf (!) verschiedene Gegenstände erwähnt. In den “Erläuterungen häufig wiederkehrender Begriffe” bei Uwe Frankenhauser (Übers.): Sun Yaoting: Der letzte Eunuch des Kaisers Puyi. Das Leben Sun Yaotings, letzter Eunuch des Kaisers Puyi, erzählt von ihm selbst (München [s.a.] [zuerst Leipzig 1993) 673 spricht von den “acht Kostbarkeiten des Konfuzianismus” bzw. von den “acht Symbolen des Gelehrten”.
  2. Wolfram Eberhard: Lexikon chinesischer Symbole. Die Bildsprache der Chinesen (München, 5. Aufl., 1996) 16 (“Acht”).

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/993

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Vom Essen und vom Trinken in China (II): Essstäbchen

Bisweilen als das zweifellos typischste Zubehör der chinesischen Küche bezeichnet[1], reicht die Verwendung  von Stäbchen  bis in vorgeschichtliche Zeit zurück. Seit rund zweitausend Jahren werden sie auch beim Essen verwendet – chinesische Gerichte werden traditionell klein geschnitten aufgetragen. Für die Stäbchen gab es im Laufe der Zeit unterschiedliche Begriffe – darunter auch den Begriff kuaizi 快子.  Erst im 20. Jahrhundert wurde dabei dem Zeichen kuai 快 (“schnell”) auch der Bestandteil für “Bambus” (zhu 竹) hinzugefügt, sodass daraus kuaizi 筷子 wurde.[2].  Diese Essstäbchen sind

„ein vielseitiges, in ihren Konsequenzen als technische Weichenstellung für die materielle Kultur Chinas erst wenig erforschtes Instrument. Mit Stäbchen zelebrieren Menschen aus China bewußt oder unbewußt ihr Chinesisch-Sein.“[3]

A Pair of Chopsticks

Ein Paar Essstäbchen – Foto: Georg Lehner 

Heute meist aus Bambus, Holz und – in den letzten Jahrzehnten – zunehmend aus Kunststoff hergestellt, wurden im Laufe der Geschichte auch Luxusausführungen aus Jade, Elfenbein, Achat, Gold oder Silber gefertigt, wobei neben edlen Materialien auch auf die Verzierung großer Wert gelegt wurde. Vor allem Stäbchen aus Silber waren im kaiserlichen China bei Angehörigen der Oberschicht beliebt, ließen sich dadurch angeblich mit Arsen vergiftete Speisen erkennen. Heute weiß man jedoch, dass Silber auf Arsen und Zyanid nicht reagiert.[4] Eine der Theorien über die Erfindung der Stäbchen betont deren Gefahrlosigkeit, da sich ein Gast damit keinerlei Verletzungen zuziehen kann. Schon Konfuzius hatte sich gegen den Gebrauch von Messern während des Essens ausgesprochen.[5]

Die beim Essen verwendeten Stäbchen sind etwa 25 cm lang. Beim Kochen werden deutlich längere Stäbchen verwendet. Abgesehen von den Suppen, für die Löffel aus Porzellan verwendet werden, lassen sich damit alle Gerichte der chinesischen Küche problemlos essen. Während eines der Stäbchen in der Beuge zwischen Daumen und Zeigefinger liegt und am unteren Ende mit dem Ringfinger abgestützt wird ist das zweite – das zwischen Daumen, Zeige- und Mittelfinger gehalten wird – frei beweglich.

Für die Handhabung der Essstäbchen gibt es auch zahlreiche kulturgeschichtlich interessante Anweisungen. Ganz wichtig ist es, die Stäbchen nach dem Essen “nie in die Eßschale [zu] legen, weil man das so beim Kult der Ahnen tut. Es würde Unglück bringen.”[6]

Die allgemeine Verbreitung der Essstäbchen führte dazu, dass 1986 und 2006 Abgaben auf Einwegstäbchen aus Holz eingeführt beziehungsweise erhöht wurden, um die Abholzung von Birken- und Pappelbeständen einzudämmen. Pro Jahr werden in China 45 Milliarden Paar Stäbchen verbraucht, wofür 25 Millionen Bäume benötigt werden. In jüngster Zeit wurde zwar damit begonnen, “umweltfreundliche” Stäbchen aus Maisstärke herzustellen, deren Herstellung ist jedoch nach wie vor wesentlich teurer als die der Holzstäbchen.[7]

  1. Vgl. etwa Ronald G. Knapp: Things Chinese. Antiques – Crafts – Collectibles (North Clarendon VT, 2011) 88.
  2. Vgl. den historischen Abriss bei Endymion Wilkinson: Chinese History. A Manual. Revised and Enlarged (Cambridge MA, 2000) 646 f.
  3. Mareile Flitsch: “Westküche mit Eßstäbchen”. Überlegungen zur sozial-technischen Wahrnehmung der Welt im modernen chinesischen Alltag. In: Raimund Th. Kolb, Martina Siebert (Hg.), Über Himmel und Erde. Festschrift für Erling von Mende (Abhandlungen für die Kunde des Morgenlandes LVII,3, Wiesbaden: Harrassowitz, 2006) 127-151, hier 127 (mit weiteren Literaturhinweisen).
  4. Vgl. dazu u.a. den Menüpunkt “Chopsticks” unter: Califormia Academy of Sciences, Institute for Biodiversity Science and Sustainability, History of Eating Utensils sowie unter smithsonianmag.com im “Food and Think”-Blog den Beitrag The History of Chopsticks (5 August 2009).
  5. Vgl. Asian Art Mall: “Chopsticks. History and Legend”.
  6. Wolfram Eberhard: Lexikon chinesischer Symbole. Die Bildsprache der Chinesen (München, 5. Aufl. 1996), 78 (“Eßstäbchen”).
  7. Knapp: Things Chinese, 89.

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/913

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Zur chinesischen Bezeichnung der “Verbotenen Stadt”

Der Kaiserpalast in Beijing – in diesem Blog bislang lediglich im Zusammenhang mit der Einführung moderner Kommunikation etwas näher erwähnt[1], mit den “goldenen” Dächern aber im Header prominent vertreten – wird nach wie vor gerne “Verbotene Stadt” genannt[2].

Wumen 午門 ("Meridian Gate"), seen from the north

Blick vom Taihemen 太和門 (“Tor der Höchsten Harmonie”) nach Süden auf das Wumen 午門 (“Mittagstor”) – Foto: Georg Lehner

Im Chinesischen wurde die Palastanlage mit dem Begriff zijincheng 紫禁城 (“Purpurne Verbotene Stadt”) bezeichnet (heute Gugong 故宮, d.i. “Alter Palast”). Man könnte meinen, dass diese Bezeichnung “Purpurne Verbotene Stadt” mit den roten Mauern des Palastes (im Bild rechts das imposante “Mittagstor”) zu tun hat. Tatsächlich bezieht sie sich auf den so genannten “verborgenen purpurnen Bereich” (ziweiyuan 紫微垣). Darunter versteht man jenen Ring aus fünfzehn Sternen, der den Polarstern (ziweixing 紫微星) umgibt. Der Polarstern stand nach althergebrachter Auffassung für das Zentrum des Himmels[3] und galt als Sitz des “Obersten Herrschers” (shangdi 上帝).[4]

In Sinne einer irdischen “Spiegelung” der im Universum herrschenden Ordnung symbolisiert der Kaiser den Polarstern und sein Palast den “verborgenen purpurnen Bereich.” Diese Deutung basiert auf der konfuzianischen Vorstellung, dass “der, der die Regierung durch seine Tugend führt, wie der Polarstern ist, der seinen Platz behält, während alle anderen Sterne sich ehrfurchtsvoll vor ihm neigen.”[5]

  1. Vgl.: “Ein Telefon im Kaiserpalast”.
  2. Zum ehemaligen Kaiserpalast und zum Palastmuseum Peking vgl. http://www.dpm.org.cn/index1024768.html.
  3. Zur Bedeutung vgl. etwa Grand Dictionnaire Ricci, Bd. 6, S. 409 (Nr. 11830). – Zur Bedeutung der Farbe Purpur vgl. Wolfram Eberhard: Lexikon chinesischer Symbole. Die Chinesen und ihre Schrift (München, 5. Aufl. 1996) 177 (“Lila”).
  4. Vgl. dazu J. J. M. de Groot: Universismus. Die Grundlage der Religion und Ehtik, des Staatswesens und der Wissenschaften Chinas (Berlin 1918), 129 f. und Patricia Bjaaland Welch: Chinese Art. A Guide to Motifs and Visual Imagery (Singapore 2008) 223 (“Purple”).
  5. Otto Franke: Geschichte des chinesischen Reiches, Bd. 1 (Berlin 1930) 79.

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/874

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Die zehn moralischen Verpflichtungen

Im allgemeinen wird die Ausformulierung der im kaiserzeitlichen China geltenden grundlegenden Normen für zwischenmenschliche Beziehungen dem Konfuzius zugeschrieben. Die fünf gesellschaftlichen Beziehungen (wulun 五論) basieren auf strengen Hierarchien, beruhen aber auf Gegenseitigkeit, wodurch sich insgesamt “zehn moralische Verpflichtungen” (shiyi 十義) ergeben.

In seiner Übersetzung des Liji 禮記 (“Buch der Sitte”) formulierte es Richard Wilhelm:

“Fünf Wege gibt es auf Erden, die immer gangbar sind, und die darauf wandeln sind von dreierlei Art. Sie heißen Fürst und Diener, Vater und Sohn, Gatte und Gattin, älterer und jüngerer Bruder und der Verkehr der Freunde: diese fünf sind die immer gangbaren Wege auf Erden.”[1]

Zur Wechselseitigkeit dieser Beziehungen heißt es dort:

“Was verlangt das sittliche Verhalten des Menschen? Daß der Vater gütig sei und der Sohn ehrerbietig, der ältere Bruder nachsichtig und der jüngere sich unterordne, der Gatte treu sei und die Gattin gehorsam, das Alter freundlich und die Jugend fügsam, der Fürst milde und der Diener ergeben: diese zehn Verhaltensweisen sind die Menschenpflichten.”[2]

 Diese zehn moralischen Verpflichtungen in diesen fünf Beziehungen werden wie folgt zusammengefasst:

  • Wohlwollen des Herrschers und Loyalität des Staatsdieners zum Fürsten (junren chenzhong 君仁臣忠)
  • Väterliche Sanftmut und kindliche Pietät (fuci zixiao 父慈子孝)
  • Freundlichkeit und Respekt zwischen älterem und jüngerem Bruder (xiongyou digong 兄友弟恭)
  • Harmonische Beziehungen zwischen den Eheleuten (fuchang fusui 夫唱婦隨)
  • Großzügigkeit der Älteren und Unterordnung der Jüngeren (changhui youshun 長惠幼順)

Unter diesen “zehn moralischen Verpflichtungen” werden – abgesehen vom Verhältnis zwischen Fürst und Staatsdiener – in Darstellungen zur Kulturgeschichte Chinas wohl vor allem zwei Aspekte betont: Neben der kindlichen Pietät – die schließlich in den von Guo Jujing 郭居敬 zur Zeit der Yuan-Dynastie (1260-1368) verfassten “24 Beispielen der Kindespietät” (ershisi xiao 二十四孝) ihren literarischen Ausdruck fand [3] – ist es vor allem die untergeordnete Stellung der Frau im kaiserzeitlichen China, durch die die oben erwähnte “Harmonie” zwischen den Eheleuten “sichergestellt” werden sollte.

 

  1. Li Gi. Das Buch der Sitte des älteren und jüngeren Dai. Aufzeichnungen über Kultur und Religion des Alten China. Aus dem Chinesischen verdeutscht und erläutert von Richard Wilhelm (Jena 1930) 11.
  2. Zitiert nach Walter Böttger: Kultur im Alten China (Leipzig: Urania, 1977) 160.
  3. Vgl. Weimin Mo, Wenju Shen: “The Twenty-Four Paragons of Filial Piety: Their Didactic Role and Impact on Children’s Lives” Children’s Literature Association Quarterly 24,1 (1999) 15-23 und auch http://www.ruf.rice.edu/~asia/24ParagonsFilialPiety.html

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/439

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Das Opfergelände des Himmels und der konfuzianische Staatskult

Das Opfergelände des Himmels (Tiantan 天壇), in westlichen Darstellungen in der Regel vereinfachend und irreführend als “Altar des Himmels”/”Himmelsaltar” beziehungsweise “Himmelstempel” bezeichnet, war der Ort, an dem zwei der wichtigsten Rituale des Staatskultes des kaiserlichen China vollzogen wurden. Dieser Staatskult läßt sich auf vorkonfuzianische Traditionen zurückführen und wurde – durch die Integration vielfältiger Elemente – “Ausdruck jener konfuzianischen Staatsdoktrin, die den Staat zugleich ethisch und kosmologisch legitimierte.”[1].

Die Rituale am Opfergelände des Himmels zählten zu den “großen Opfern”, die in der Regel vom Kaiser persönlich vollzogen wurden. Neben “großen Opfern” (da si 大祀), gab es “mittlere Opfer” (zhong si 中祀) und “Sammelopfer” (qun si 羣祀 ) beziehungsweise “kleine Opfer” (xiao si 小祀).[2]

Plan du Tien-tang ou temple dedié à Chang-ti ou souverain seigneur du ciel / [tirée du P. Duhalde]

Plan du Tien-tang ou temple dedié à Chang-ti ou souverain seigneur du ciel / [tirée du P. Duhalde] | Quelle: gallica

Das Opfergelände des Himmels – durch eine Mauer in zwei gleich große Teile geteilt – wurde zur Zeit der Ming-Dynastie im 9. Jahr der Ära Jiajing 嘉靖 (i.e. 1530) angelegt. Die wohl ausführlichste Beschreibung aus “westlicher” Sicht lieferte der aus den Niederlanden stammende Sinologe J.J.M. de Groot (1854-1921), der im späten 19. Jahrhundert die Opfergelände in Beijing besuchte [3].

Drei Punkte auf dem Opfergelände sollen hier  erwähnt werden:

Runder Hügel auf dem Opfergelände des Himmels, Beijing - Foto: Georg Lehner

Runder Hügel auf dem Opfergelände des Himmels, Beijing – Foto: Georg Lehner

Auf dem im südlichen Bereich gelegenen Runden Hügel (Huanqiu 圜丘) opferte der Kaiser nicht nur zur Wintersonnenwende (dongzhi 冬至) sondern brachte auch im vierten Mondmonat das Gebet um Regen (yu si 雩祀) dar.

In der im nördlichen Bereich gelegenen “Halle des Erntegebets” (Qiniandian 祈年殿) bat er im ersten Mondmonat um eine gute Jahresernte.[4]

Huangqiongyu ("Erhabenes Gewölbe"), Opfergelände des Himmels, Beijing - Foto: Georg Lehner

Huangqiongyu (“Erhabenes Gewölbe”), Opfergelände des Himmels, Beijing – Foto: Georg Lehner

Zwischen den den Nord- und den Südteil dominierenden Punkten lag das Huangqiongyu 皇穹宇, in Übersetzungen meist “Erhabenes Gewölbe” oder “Kaiserliches Himmelsgewölbe” genannt. Darin wurde

“der allerheiligste Fetisch des ganzen Kultes aufbewahrt [...] der ‘Seelensitz’ (shenwei) des Himmelsgottes. Es handelte sich um eine hölzerne Tafel auf einem viereckigen Sockel, in welche die Schriftzeichen huangtian shangdi, ‘erhabener Himmel, oberster Kaiser’, eingeschnitzt waren. Sie stand im nördlichen Teil des Tempelraumes in einem mit Drachenschnitzerei geschmückten Schrein genau in der Nord-Süd-Achse des Tempels mit der Front nach Süden, links und rechts flankiert von den Seelentafeln der verstorbenen Kaiser des herrschenden Hauses.”[5]

 

Mit dem Ende des Kaiserreiches war auch der Staatskult obsolet geworden. Ein letzter Versuch zur neuerlichen Etablierung der Riten am Opfergelände des Himmels wurde schließlich knapp drei Jahre nach dem Ende des Kaiserreiches unternommen. unternommen. Yuan Shikai (1859-1916), Präsident der Republik China, plante, sich zum Kaiser einer neuen Dynastie zu machen und vollzog am 23. Dezember 1914 die zur Wintersonnenwende üblichen Riten am “Opfergelände des Himmels”[6]. Ab 1918 wurde das Gelände als Park öffentlich zugänglich gemacht und 1998 wurde es auf die Weltkulturerbeliste der UNESCO gesetzt[7].

 

  1. Brunhild Staiger, Stefan Friedrich, Hans-Wilm Schütte (Hg.): Das große China-Lexikon. Geschichte – Geographie – Gesellschaft – Politik – Wirtschaft – Bildung – Wissenschaft – Kultur (Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2003) Sp. 714 (“Staatskult”, Martin Kern)
  2. Staatliche Kunstsammlungen Dresden: Goldener Drache – Weißer Adler. Kunst im Dienste der Macht am Kaiserhof von China und am sächsisch-polnischen Hof 1644-1795 (München: Hirmer, 2008) 570 (“Zeremonien”, Liang Ke).  Vgl. auch die detaillierte Auflistung der am Ende der Kaiserzeit üblichen Opfer bei H.S. Brunnert, V. V. Hagelstrom: Present Day Political Organization of China (Shanghai: Kelly & Walsh, 1911) 202-207 (no. 572)
  3. J. J. M. de Groot: Universismus. Die Grundlage der Religion und Ethik, des Staatswesens und der Wissenschaften Chinas (Berlin: Reimer 1918) 141-155, zum Kult ebd., 155-186. Daran orientiert sich auch die Darstellung bei Frank Fiedeler: Yin und Yang. Das kosmische Grundmuster in den Kulturformen Chinas (Köln: DuMont, 1993) 68-75 (“Die Opferstätte des Himmels”)
  4. Vgl. Brunnert/Hagelstrom: Present Day Political Organization, 203
  5. Fiedeler: Yin und Yang, 70
  6. Dieter Kuhn: Die Republik China. Entwurf für eine politische Ereignisgeschichte. 3., überarb. u. erw. Aufl., Heidelberg: edition forum 2007), 143 und 148.
  7. Vgl. http://whc.unesco.org/en/list/881

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/399

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Die Einheit der “drei Lehren”

Die auch für die Kulturgeschichte Chinas bestimmenden Systeme der Welt- und Wirklichkeitsdeutung – Daoismus (daojiao 道教) , Konfuzianismus (rujiao 儒教) und Buddhismus (fojiao 佛教) – werden im Chinesischen als die “drei Lehren” (sanjiao 三教) [1] bezeichnet. Die wechselseitigen Beeinflussungen und die damit in jeder dieser Lehren einhergehenden Transformationsprozesse führten schließlich zur Ansicht, dass alle drei Lehren auf eine einzige Quelle (sanjiao yiyuan 三教一源) zurückzuführen wären. [2] Diesem geflügelten Wort begegnet man auch in der Form sanjiao yijia 三教一家, das – je nach Interpretation des Schriftzeichens jia 家 – sowohl im Sinne von “Drei Lehren – eine Familie” als auch im Sinne von “Drei Lehren – ein Haus(halt)” zu verstehen ist. [3]

Die “Einheit” der drei Lehren wurde auch in Kunst und Literatur wiederholt dargestellt, so zum Beispiel in der Geschichte “Die drei Lachenden vom Tigerfluss” (Huxi sanxiao 虎溪三笑). Die drei Protagonisten der seit der Tang-Zeit (618-906) tradierten und vor allem während der Song-Zeit populär gewordenen Geschichte sind der Dichter Tao Yuanming 陶淵明 (365-427), der daoistische Philosoph und Magier Lu Xiujing 陸修靜 (406-477) und der buddhistische Mönch Huiyuan 慧遠 (334-416) – schon die Lebensdaten zeigen, dass es sich dabei um eine fiktive Begebenheit handelt – die allerdings wiederholt von der bildenden Kunst wiederholt aufgegriffen wurde [4]. in ihrem Kern stellt die Geschichte ein chinesisches Pendant zur Lessing’schen Ringparabel dar:

“Huiyuan hatte sich in ein Kloster zurückgezogen und gelobt dieses nie zu verlassen, um die Welt der Begierden zu meiden. Eines Tages besuchten ihn Lu Xiujing und Tao Yuanming. Als er die beiden hinausbegleitete, überschritt er, ohne es zu merken, die Brücke über den Tigerfluss. Plötzlich brüllte ein Tiger und Huiyuan wurde sich schlagartig bewusst, dass er sein Gelübde gebrochen hatte. Die drei Freunde brachen jedoch in heftiges Gelächter aus, weil sie sich einig waren, dass künstlich auferlegte Schranken und feierliche Gelübde angesichts der Macht geistiger Freiheit und Reinheit nichtig sind.” [5]

Die Interpretation der Theorie von der Einheit der drei Lehren hing natürlich vom Standpunkt des jeweiligen Betrachters ab und hier vor allem die Frage, “ob die Vereinigung der drei Lehren unter dem Primat des Konfuzianismus, des Daoismus oder des Buddhismus stattfand” [6]

 

[1] Vgl. dazu “Sanjiao: The Three Teachings”. Living in the Chinese Cosmos. Understanding Religion in Late-Imperial China (1644-1911). Asia for Educators, Columbia University (Faculty Consultants: Myron L. Cohen, Stephen F. Teiser). [nach oben]

[2] Vgl. Lionel Jensen: Manufacturing Confucianism. Chinese Traditions and Universal Civilization (Durham/London 1997) 296. [nach oben]

[3] Elmar Holenstein: Vergleichende Kulturphilosophie. Chinesische Bilder, japanische Beispiele, schweizerische Verhältnisse (Wiedergabe nach dem Preprint in Forschungstexte der Professur für Philosophie an der ETH Zürich 4 – 1993. [PDF (2007), S. 5] [nach oben]

[4] Vgl. etwa ein auf das Jahr 1616 datiertes Fächerblatt im Museum für Ostasiatische Kunst (Köln), Inv.Nr. A 55/51 (Bildindex der Kunst und Architektur, http://www.bildindex.de/obj05720257.html#|home) [nach oben]

[5] Staatliche Kunstsammlungen Dresden (Hg.): Goldener Drache – Weißer Adler. Kunst im Dienste der Macht am Kaiserhof von China und am sächsisch-polnischen Hof (1644-1795) (München 2008) 451 (“Religion”, Eva Ströber). [nach oben]

[6] Volker Olles: Der Berg des Lao Zi in der Provinz Sichuan und die 24 Diözesen der daoistischen Religion (Asien- und Afrikastudien der Humboldt-Universität zu Berlin 24; Wiesbaden 2005) 148. [nach oben]

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/329

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2500 Jahre in 90 Minuten? “Kulturgeschichte Chinas” in einer Ringvorlesung

Im Rahmen der am Institut für Geschichte der Universität Wien in jedem Sommersemester anzubietenden Kulturgeschichte-Ringvorlesung  werden sich diesmal – und über das Semester verteilt – mehrere Vorträge mit den Kulturen Asiens beschäftigen. In der Vorlesungseinheit am 19.3. stand die Kulturgeschichte Chinas auf dem Programm.

Dass man sich bei einem weiten Feld wie der Kulturgeschichte und bei der räumlichen Ausdehnung Chinas auf einen beziehungsweise auf einige wenige Aspekte beschränken muss, liegt auf der Hand. Bei der Durchsicht meiner bisher für die in Arbeit befindliche “Einführung in die Kulturgeschichte Chinas” gesammelten Notizen und Textfragmente fiel meine Wahl auf die Bedeutung der “drei Lehren” (san jiao 三教) – Konfuzianismus, Daoismus und Buddhismus – für die kulturellen Entwicklungen in China.

Nach einleitenden Hinweisen zum Kulturbegriff im Chinesischen war die erste Hälfte der Vorlesung einer Kurzpräsentation der Geschichte der “drei Lehren” gewidmet. Für jede der drei Lehren wurde der jeweilige chinesische Begriff erläutert und kurz auf die Geschichte der im Westen dafür gebräuchlichen Bezeichnungen hingewiesen.

Im Zusammenhang mit dem Konfuzianismus folgte auf Bemerkungen zu Leben und Wirken des Konfuzius ein Abriss der durchaus wechselvollen Geschichte der auf ihn zurückgeführten Lehren – begleitet von Kartenmaterial und einigen Fotos aus dem Kongmiao 孔廟 (Konfuzius-Tempel) in Beijing. Als exemplarisch für das “konfuzianische” Denken wurden einige sozialethische Anschauungen vorgestellt: neben den “fünf Grundbeziehungen” (wulun 五論) vor allem die “drei Gehorsamspflichten” (sancong 三從; gegenüber Vater, Ehemann beziehungsweise Sohn) und “vier Tugenden” (side 四德; Keuschheit, angemessene Sprache, “richtiges” Betragen und Fleiß)  die die untergeordnete Stellung der Frau im traditionellen China besonders deutlich machen.

Bei der Geschichte des Daoismus wurde der weite Bogen vom “philosophischen” Daoismus (daojia 道家) – wie er mit der historisch nicht belegten Figur des Laozi 老子 und dem Daodejing 道德經 (“Buch vom Weg und von der Wirkkraft”) verbunden wird (im “Westen” gemeinhin unter den Schreibungen Lao-tse beziehungsweise Tao-te-king “bekannter”) – bis zum “religiösen” Daoismus (daojiao 道教) mit seinen daoistischen “Meistern” (daoshi 道士), seiner Bedeutung für die Entwicklung der Alchemie und der Entstehung eines Netzes von Tempeln (guan 觀) – die Geschichte der daoistischen Tempel wurde am Beispiel des Baiyun guan 白雲觀 (“Tempel der Weißen Wolke”) in Beijing skizziert, der auch das Jahrzehnt der “Kulturrevolution” (1966-1976) unbeschadet überstanden hat.

Die Entwicklung des Buddhismus und seiner Verbreitung nach Südost- und Ostasien wurde anhand entsprechender Karten und Graphiken erläutert. Die legendenumwobenen Anfänge des Buddhismus in China im 1. nachchristlichen Jahrhundert – zwei Mönche, die auf weißen Pferden die ersten Sutren aus Indien gebracht hatten – kamen ebenso zur Sprache wie die ausgedehnten Reisen chinesischer buddhistischer Mönche nach Indien. Diese oft als “Pilgerreisen” bezeichneten Unternehmungen dienten primär dem Sammeln weiterer buddhistischer Texte. Der berühmteste dieser Indienreisenden war Xuanzang 玄奘, der im zweiten Viertel des 7. Jahrhunderts auf seinen knapp siebzehn Jahre dauernden Reisen insgesamt 25000 Kilometer zurückgelegt haben soll. Die weitere Entwicklung des Buddhismus – nach der Buddhistenverfolgung der 840er Jahre – wurde dann vor allem anhand der Bedeutung, die dem Lamaismus vor allem in der Qing-Dynastie (1644-1912) beigemessen wurde, dargestellt.

Im zweiten Teil der Vorlesung illustrierte ich die Bedeutung der “Drei Lehren” an den Bereichen “Herrschaft”, “Bildung” und “Kunst” (wie sich bei der Vorbereitung zeigte, musste auf den ursprünglich ebenfalls geplante Bereich “Festkultur” aus Zeitgründen verzichtet werden).

Beginnend mit den streng ritualisierten Abläufen der offiziellen Etikette (Einhaltung detaillierter Vorschriften bei kaiserlichen Audienzen) wurden Rolle und Funktion des Kaisers von China vor allem am Beispiel des so genannten “Staatskultwesens” skizziert (illustriert unter anderem mit dem Rundhügel, der dreistufigen Terrasse am Tiantan 天壇 (Opfergelände des Himmels) in Beijing).

In Anlehnung an den dem Konfuzius zugeschriebenen Ausspruch “Etwas lernen und sich immer wieder darin üben – schafft das nicht auch Befriedigung?” wurde die Bedeutung von Bildung und Literatur am Beispiel des Systems der Beamtenprüfungen gezeigt. In diesem Zusammenhang durfte auch der Hinweis auf die von den Kaisern unternommenen Bemühungen zur Herausgabe umfassender Enzyklopädien und Anthologien – und der damit einhergehenden Zensurmaßnahmen – nicht fehlen.

Um die Bedeutung der “drei Lehren” für die Geschichte der chinesischen Kunst zu veranschaulichen, wurde neben Beispielen für buddhistische Statuen auch kurz auf die Malerei eingegangen: zum einen auf die aufgrund ihres Detailreichtums kulturgeschichtlich überaus wertvolle Bildrolle Qingming shanghe tu 清明上河圖 (“Flussaufwärts beim Qingming-Fest”, von Zhang Zeduan 張擇端, 12. Jh.), die die vielen Facetten des Lebens in einer Metropole im frühen 12. Jahrhunderts zeigt, zum anderen auf ein Werk des Bada Shanren 八大山人 (17. Jh.), der den größten Teil seines Lebens dem Wein, der Kalligraphie und der Malerei gewidmet hatte.

 

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/313

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