Der WDR-Tatort “Die chinesische Prinzession” (Erstausstrahlung: Das Erste, 20.10.2013, 20:15) trug ziemlich dick auf. Im Drehbuch von Orkun Ertener werden viele Handlungsstränge miteinander verquickt. Der Münster-Tatort stellt die Protagonisten, Hauptkommisar Thiel (Axel Prahl) und Gerichtsmediziner Börne (Jan Josef Liefers) vor ganz neue Herausforderungen, die mit dem sonst für das Münsteraner Duo üblichen Slapstick-Akzenten, die sich aus der Gegensätzlichkeit des Duos ergeben, wenig zu tun haben; Die chinesische Künstlerin Songma stellt ihre Werke im Westfälischen Landesmuseum aus – und Börne ist begeistert. Am Morgen nach der Vernissage ist die Künstlerin tot – und Börne steht unter dringedem Tatverdacht …
In die ca. 80 Minuten von der Auffindung der Leiche bis zur Lösung des Falles sind viele Themen gepfercht:
- eine ‘chinesische Prinzession’ – und “Nessun dorma” aus Puccinis Turandot
- China und Chinesisches als ‘das Andere’ und ‘das Fremde’ schlechthin
- chinesische Kunst – hier Installationen von Bergen roter Lampions und Kissen und Wäldern aus grünen Bambusstangen[1] – als dissidente Stimme
- Kunsttransporte als Möglichkeit, Dokumente über Landesgrenzen zu bringen
- Triaden, die ihre dunklen Geschäfte unter dem Deckmantel des Export/Import-Unternehmens “Long” betreiben
- undurchsichtige chinesische Diplomaten und die Aktivitäten des chinesischen Geheimdiensts
- Amerikas Krieg gegen Terror (ein nach jahrelanger Inhaftierung in Guantanamo freigelassener Uigure mit einem Pass der Palau taucht in Münster auf, wo er ermordet wird)[2]
- Uiguren und ihre bedrohte kulturelle Identität
Trotz (oder wegen) des an sich ambitionierten Stoffes bleiben die ‘chinesischen’ Akteure stereotyp/schablonenhaft:
Die ‘chinesische Prinzessin’, die Künstlerin Songma (dargestellt von der in Taiwan geborenen, in Kaohsiung 高雄市 und Madrid ausgebildeten Huichi Chiu 邱惠祺) ist laut Drehbuch eine Nachfahrin des chinesischen Kaisers und der “Kaiserinnenwitwe”[3] und damit genau genommen eine mandschurische Prinzessin.[4] Ihre Aufmachung entspricht dem Abziehbild einer asiatischen Schönheit: tiefroten Lippen, sanft geschwungene tiefschwarze Brauen, das weiße Gesicht von tiefschwarzem Haar gerahmt.
Die Schläger des Triaden-Bosses sind großflächig tätowiert und besonders grausam gegen ‘Verräter’.
Die Diplomaten sind undurchsichtung und missbrauchen die diplomatische Immunität, um Regimegegner auszuschalten.
Die Verfolgten, wie z.B. die Assistentin der Künstlerin und ein Uigure, der ermordet wird, sind besonders bemitleidenswert.
Die Lösung hat – soviel sei angedeutet[5] – mit den ‘großen’ Themen wenig zu tun …
Last, but not least: Auch in diesem Setting bleiben die Gegensätze zwischen dem kultivierten Gerichtsmediziner Prof. Börne und dem eher hemdsärmeligen Kommissar Thiel bestehen: Börne zeigt – vor allem in den ersten Minuten des Films – seine Begeisterung für die chinesische Kunst, er spricht die Künstlerin in chinesischer Sprache an. Thiel hingegen hat Probleme, sich die Namen der Chinesinnen und Chinesen zu merken, zunehmend genervt nennt er sie dann nicht mehr beim Namen, sondern spricht von “Miau” oder “Tsching-Tschang-Tschung”.
China-Bilder im Herbst 2013 …
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- Die grünen Stangen erinnern an Szenen aus Shí miàn mái fú 十面埋伏 (“House of Flying Daggers”) von Zhang Yimou aus dem Jahr 2004.
- “Palau to take Guantanamo Uighurs”. BBC News. 2009-06-10 <abgerufen am 23.10.2013>.
- “Die chinesische Prinzession” <abgerufen am 23.10.2013>.
- Dazu auch Holger Gertz: Münster-Tatort “Die chinesische Prinzessin” Großzügig aufgetragen (sueddeutsche.de 20. Oktober 2013 12:28).
- Die Folge ist noch bis Ende der Woche in der ARD-Mediathek abrufbar.
Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/1078