In einer Zeit, wo „Austerität“ die Rede ist und Regierungen versuchen, ihre Ausgaben zusammenzustreichen, entgehen Ausgaben für amtliche Statistik nicht der Aufmerksamkeit. Es lässt sich auch glauben, dass je weniger der Staat eine aktive und umfangreiche Sozialpolitik betreibt, umso weniger muss er über soziale Tatbestände wissen – oder, wenn man es zynisch ansähe, umso weniger will er darüber wissen (lassen).
Sicherlich war dies der Fall am Anfang der 80er in Großbritannien. Als Thatcher zum ersten Mal zur Macht kam, gab sie eine Untersuchung des Umfanges und der Struktur der amtlichen Statistik bekannt. Diese Untersuchung wurde von dem ehemaligen Unternehmer Derek Rayner geleitet und der Vollzug seiner Empfehlungen wurde die „Rayner Reforms“ benannt1. Diese führten zu erheblichen Verringerungen des statistischen Personals (zu etwa 30%) und der Ausgaben sowohl der Streichung einiger Erhebungen, z.B. die zur Vermögensverteilung. Zu derselben Zeit in Deutschland, wo die amtliche Sozialstatistik noch schwach im Vergleich mit der Wirtschaftsstatistik blieb, war es gefürchtet, dass der bestehende Fortschritt in diesem Bereich durch Kürzungen gefährdet würde.
In den ersten Jahren der Regierung Camerons (2010-) in Großbritannien gab es Anlass zu denken, dass die amtliche Statistik einen solchen Abbau erleidet. Es wurden zwei große Erhebungen (The Citizenship Survey und The Places Survey) beendet, der Stichprobenumfang der Family Resources Survey, die die wichtigste Quelle für Einkommensstatistiken darstellt, wurde unter anderen gekürzt, und eine Reihe von Konsultationen drohten weitere Sparmaßnahmen.
Infolgedessen kündigte die UK Statistics Authority (UKSA), die seit 2008 dem „Statistics and Registration Act 2007“ gemäß den Vollzug der amtlichen Statistik unabhängig kontrolliert, eine laufende Beobachtung der Kürzungen an. Die Folgen der Streichung statistischer Datenreihen und Berichte lassen sich sehr schwierig kürzfristig bewerten. Die von UKSA erstellten Daten über statistisches Personal sind aber selbst schon interessant. Die Grafik2 zeigt, wie schnell dessen Anzahl in den 2000ern stieg und wie sie immer noch zu steigen scheint.
Wie kann man es deuten, dass mit dem derzeitigen Abbau des britischen Sozialstaates keine Verringerung des statistischen Personals einhergeht? Ein Grund ist vielleicht, dass die verstärkte Kontrolle der amtlichen Statistik durch die UKSA und die Formalisierung des Konsultationsverfahrens Kürzungen einschränkten. Es liegt aber auch daran, dass die zunehmende Privatisierung der sozialen Dienstleistungen (Arbeitsvermittlung, Gesundheitswesen, Bildung u.s.w.) wesentlich eine statistische Infrastruktur erfordert. Koordination und verträgliche Beziehungen zwischen Staat und Unternehmern gehen nicht ohne Statistik. Die Schaffung eines Marktes setzt Marktinformationen voraus. So Hayek über Statistik und änliche Aktiväten: „[a]ll these activities of government are part of its efforts to provide a favourable framework for individual decisions; they supply means which individuals can use for their own purposes“3.
Ein längeres Blog zu diesem Thema ist auf StatsLife / LSE Policy & Politics blog zu finden. Ein Working Paper ist auch auf Anfrage verfügbar.
- Die Geschichte der „Rayner Reforms“ und seine Wirkungen auf die Sozialstatistik wird ausführlich von Ruth Levitas dargestellt: Levitas, R., 1996. The Legacy of Rayner. In R. Levitas & W. Guy, eds. Interpreting Official Statistics. London: Routledge.
- Data are collated from the minutes of the Committee for Official Statistics, 2011 to 2013. Note that the move from a headcount to full-time equivalent basis means the figures from 2012 are not directly comparable with those from 2000 to 2011
- Hayek (2006) The Constitution of Liberty. Routledge. Ich danke Rikki Dean für das Zitat.
Quelle: http://etatsocial.hypotheses.org/300