Zwickau wird kaiserlich

Am 18. August 1632 fiel die sächsische Stadt Zwickau in kaiserliche Hände. Wenn eine Stadt für eine Armee ihre Tore öffnen mußte, war dies immer ein banger Moment. Für Zwickau sollte es nicht so schlimm kommen, denn die Stadt wurde nicht im Sturm genommen, sondern ergab sich nach kurzer Belagerung den Kaiserlichen. Damit alles in geordneten Bahnen verlief, wurde am Tag zuvor (also am 17. August) eine sog. Kapitulation aufgesetzt, die das Miteinander von besiegter Stadt und siegreichem Militär regeln sollte. Es handelte sich also um einen Vertrag, der das Ergebnis eines Verhandlungsprozesses war. Sicher war das Militär in einer stärkeren Position, doch eine Stadt, die anbot, ihre Tore gutwillig zu öffnen, ersparte den Angreifern beträchtlichen Aufwand und nicht zuletzt auch einen deutlich höheren Blutzoll. Der „Zwickauische Accord“ ließ genau erkennen, an welchen Punkten die Stadt ihre eigenen Interessen verteidigt hatte.

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Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/1063

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Desertionen im Sommer 1632

Einen Schwerpunkt der Kämpfe im Sommer 1632 bildete die Reichsstadt Nürnberg. Diese hatte sich auf die Seite Gustav Adolfs geschlagen und war ein wichtiger Rückhalt für die schwedische Position in dieser Region. Im Juli rückte Nürnberg in den Mittelpunkt der Operationen. Der schwedische König hatte sich mit seinen Truppen zwischen der Reichsstadt und Fürth in einem stark befestigten Lager verschanzt. Doch Wallenstein ließ sich nicht zu einem Angriff auf die schwedischen Stellen verleiten, sondern bezog seinerseits ein mit Schanzen und Bastionen gesichertes Gegenlager: Es begann ein wochenlanger Stellungskrieg. Das Problematische dieser Kriegführung lag vor allem in der Versorgungssituation. Beide Seiten hatten viele Einheiten zusammengezogen, deren Versorgung schnell an Grenzen stieß. Mangelerscheinungen waren die Folge, und entsprechend sank die Moral der Truppen.

Die Vorgänge um die Kämpfe bei Zirndorf sind in der Forschungsliteratur gut bekannt, ein Schlaglicht auf die dortigen Ereignisse wirft ein Bericht eines dort auf kaiserlicher Seite kämpfenden Feldwebels.

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Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/1001

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Zahlenspiele – das Regiment Winterscheid, I

Bekanntermaßen ist das Hantieren mit Zahlangaben in der Geschichte eine tückische Sache. Zahlen suggerieren auf den ersten Blick konkrete Anschaulichkeit. Doch wer will schon alle überlieferten Zahlen glauben? Stets haben historische Akteure und ihre Chronisten versucht, Zahlen zu manipulieren. Gerade im militärischen Bereich ist dies der Fall, so daß mittlerweile Quellen, die Zahlangaben präsentieren, schnell unter den Generalverdacht der Verfälschung geraten. Dies gilt beispielsweise für astronomische Angaben über gegnerische Verluste und komplementär dazu lächerlich geringe Zahlen für die eigenen. Zahlen waren und sind oft genug einfach Propaganda pur.

Im Folgenden soll es nun nicht um derartige Manipulationen gehen, sondern ganz allgemein um Angaben über Truppenstärken. Wie stark war eigentlich eine Armee, die gerade den Winter überstanden hatte?

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Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/794

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Niederländische Kriegsartikel, III

Noch einmal zu den Kriegsartikeln der Generalstaaten: Natürlich richtete sich das Hauptaugenmerk der Kriegsartikel nicht auf die Einhaltung religiöser Normen. Das Funktionieren der militärischen Organisation stand erwartungsgemäß im Mittelpunkt der Verordnungen. Nicht ganz klar wird aber die inhaltliche Systematik der Regulierungen. Im Folgenden greife ich daher einige Beobachtungen heraus, die mir besonders aufgefallen sind.

Viele Artikel kreisten um die militärische Obrigkeit, die auf unbedingten Gehorsam drängte und entsprechende Freiheiten der Söldner zurückdrängen und einhegen wollte. Nicht nur die Verhöhnung Gottes oder der Kirchendiener wurde unter Strafe gestellt, ebenso auch die Verspottung der Obrigkeit – wer so etwas tat, sollte „ohn einige Gnad am Leben gestraffet werden“ (Nr. 9). Andernorts wurde noch einmal Befehlsverweigerung thematisiert, dabei auch gleich Übergriffe gegen Offiziere (Nr. 38, auch 58).

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Quelle: https://dkblog.hypotheses.org/787

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Wein für den neuen Gouverneur

Neue Nachbarn sollte man willkommen heißen, besonders wenn sie potentiell gefährlich waren. So oder so ähnlich wird der Rat der Stadt Wesel gedacht haben, als er davon hörte, daß die spanische Garnison im knapp 30 km entfernten Geldern „widder“, wie es hieß, einen neuen Kommandeur bekommen hatte. Am Montag, den 25. November 1647, wurde daraufhin in der Ratssitzung beschlossen, Arnhold Bongardt nach Geldern zu schicken. Dort sollte er dem neuen „Gubernator“, wie er im Ratsprotokoll genannt wurde, seine Aufwartung machen und ihm Wein verehren.

Am Dienstag, 3. Dezember 1647, erfolgte dann der Bericht des Weseler Abgesandten vor dem Rat der Stadt Wesel: Er habe dem Gouverneur „salutirt“ und ihm den Wein übergeben. Damit hatte er aber die Bitte verbunden, der Gouverneur möge die spanischen Streifparteien anhalten, „daß sie hiesige burger mit abpressungh einigh bier oder tuback [!] gelt nicht molestieren sollen.“ Tatsächlich versprach der Gouverneur darauf hin zu wirken, „daß die partheien keine vberlast den burgern zufuegen sollen.“

Was sich hier abspielte, war ohne Zweifel eine in langen Jahrzehnten eingeübte Praxis. Schon seit den frühen Jahren des niederländischen Aufstands, spätestens aber seit dem Niederrheinischen Erbfolgefall, in dessen Zug spanische und generalstaatische Truppen feste Positionen am Niederrhein besetzt hielten, waren die Streifparteien beider Armeen eine ständige Belastung für die Bevölkerung. Letztlich reagierte auch der Rat von Wesel relativ routiniert auf den Personalwechsel in Geldern, auch wenn man sich in der Stadt wenig Illusionen über den Effekt dieser Initiative gemacht haben wird. Doch war ein solcher Antrittsbesuch, wie Bongardt ihn namens Wesel unternahm, sicherlich wichtig; face-to-face-Kommunikation war durch verschickte Briefe nicht zu ersetzen.

Auffällig ist der Hinweis auf das Verfahren der spanischen Söldner: Daß sie einfach nur Geld für Bier und Tabak haben wollten, hört sich wie eine fast schon gutmütig-sympathische Form der Wegelagerei an. Sicher mag schon ein solches zwangserhobenes Trinkgeld dem einen oder anderen Betroffenen eine schmerzhafte Lücke in die Börse gerissen haben. Doch im Vergleich zu den Praktiken der 1620er Jahre, als man beim sog. „Fangen und Spannen“ die Reisenden gefangen setzte, verschleppte und für viel Lösegeld freikaufen ließ, erscheint das Biergeld tatsächlich recht harmlos. Ob sich die Kriegsparteien und die Bevölkerung im Laufe der Jahre und Jahrzehnte tatsächlich etwas aneinander gewöhnt und gleichsam humanere Formen des Straßenüberfalls entwickelt hatten? Oder war diese Formulierung nur ein Euphemismus für immer noch sehr gewalttätige Übergriffe?

Die Hinweise hier sind entnommen dem Ratsprotokoll der Stadt Wesel (Stadtarchiv Wesel, A 3: Ratsprotokolle Nr. 97 [1647-1648], hier fol. 103‘ und 106‘), übrigens eine wunderbare Fundgrube für ganz unterschiedliche thematische Aspekte (und gut lesbar zudem!). An der Stelle auch einen herzlichen Dank an meine Kollegin Irena Kozmanová, die derzeit mit diesem Material arbeitet und mir hier Einblick gewährte.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/572

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Söldner im stand-by-Modus?

Viele Reichsfürsten wurden Anfang 1631 unruhig; Krieg lag in der Luft. Auch der Kurfürst von Brandenburg, eigentlich notorisch zahlungsunfähig, dachte an Werbungen. So berichteten die „Ordentlichen wochentlichen Post-Zeitungen“ darüber, daß Kurbrandenburg Kriegsknechte sucht, „vnnd wirdt jedem zwen Thaler auff die Hand / vnd ein Thaler Wartgeld gegeben“ – so hieße es aus Meißen vom 30. Februar 1631. Ins Auge springt hier der Begriff des Wartegelds. Gemeint war damit eine Gage, mit der sich ein Kriegsherr der Dienste eines Söldners versicherte, ohne daß im Moment schon ein konkreter Einsatz oder eine bestimmte Verwendung ins Auge gefaßt wurde (vgl. die nach wie vor mustergültige Studie von Fritz Redlich, hier Bd. 1, S. 56 f. u. 315 ff. „salary paid for preparedness“). Es wurde nur kurzfristig bezahlt, da es als eine Art Überbrückung bis zur festen Anstellung oder bis zum tatsächlichen Einsatz galt. Aber paßt dies auf den vorliegenden Fall?

"Ordenliche Wochentliche Post-Zeitungen", München: Johann Lucas Straub, 1631 (Logo)

“Ordenliche Wochentliche Post-Zeitungen”, München: Johann Lucas Straub, 1631 (Logo) 

Die Nachricht aus Meißen unterschied zwischen den Talern, die „auf die Hand“ gezahlt wurden, und dem Wartegeld. Das erstgenannte Geld dürfte das Laufgeld sein, das ein Söldner direkt bei der Anwerbung erhielt und das bereits in Zeiten des Dreißigjährigen Kriegs zum Werbegeld wurde (vgl. dazu Peter Burschel, S. 102). Das Laufgeld wurde ursprünglich ausgezahlt, damit der Söldner die Anreise von der Anwerbung hin zum Musterplatz finanzieren konnte. Damit war bereits eine erste Bindung an den auszahlenden Kriegsherrn hergestellt. Warum kam dann noch  ein Wartegeld hinzu? Sollte dies den Kriegsknecht bestärken, tatsächlich den Militärdienst bei diesem Kriegsherrn anzutreten? Dann würde der dazu gezahlte Taler an Wartegeld zusammen mit dem Laufgeld eher schon ein Werbegeld ergeben, eine reine Prämie also für den angeworbenen Söldner.

In der vorliegenden Situation hat der Kurfürst von Brandenburg, so muß man die Angaben verstehen, diese Anwerbungen offenbar in oder um Leipzig getan („diser Orten“); er war dort gerade eingetroffen, um am Leipziger Konvent teilzunehmen, und wollte offenbar neben den anstehenden Verhandlungen gleich andere Notwendigkeiten erledigen – eben hier ein paar Söldner anwerben. Immerhin hieß es noch weiter, daß Kurfürst Georg Wilhelm „dise Soldaten zu Leib Compagnia gebrauchen“ wollte. Es handelte sich also nicht um gewöhnliche Kriegsknechte, sondern um qualitativ hochwertige Söldner, die der Kurfürst tatsächlich zu seinem persönlichen Schutz anwerben wollte. Dies erklärt vielleicht auch den Vorgang, daß zu den ersten zwei Taler Handgeld auch noch ein Wartegeld hinzukam: Angesichts allseits anlaufender Werbebemühungen war der Söldnermarkt leergefegt; wollte Kurbrandenburg einige gute Kriegsknechte in Dienst nehmen, mußte man schon gutes Geld zahlen.

Doch wie muß man dann die Nachricht aus Den Haag vom 9. März 1631 verstehen? Hier wurde von massiven Werbungen der Generalstaaten berichtet; die Truppen sollten „in 12.000 Mann gesterckt werden / zu denen man noch 6.000 Wartgelter annemmen sollen“. Die erstgenannten Kriegsknechte sollten also tatsächlich in Dienst genommen werden, die zuletzt genannten sollten sich offensichtlich nur in Bereitschaft halten: Also 6.000 Söldner sollten im stand-by-Modus verharren, waren noch nicht richtig in Dienst genommen, wobei gewissermaßen ein Vorkaufsrecht für den Kriegsherrn bestand, der das Wartegeld gezahlt hatte?

Dies überrascht insofern, als üblicherweise das Wartegeld vor allem zum Einsatz kam, um sich der Dienste solcher Offiziere zu versichern, die den Nucleus eines Heeres darstellten und die im Ernstfall gleich ganze Kompagnien oder Regimenter würden aufbringen können. Da lohnte es sich schon, derartige Spezialisten zu bezahlen, auch wenn ihre Fähigkeiten erst in naher oder späterer Zukunft vonnöten sein würden. Doch einfache Söldner, zudem in so großer Zahl? Insofern ist mir die Verwendung des Begriffs Wartegeld in diesen Fällen nicht wirklich klar – aber vielleicht kenne ich auch nur zu wenig Beispiele, die auch vom Wartegeld für einfache Söldner berichten oder überhaupt das Bedeutungsspektrum dieses Begriffs erweitern.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/508

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Keine Gnade für die Franzosen?

Die Schlacht bei Alerheim Anfang August 1645 war ein Desaster für die kurbayerische Armee – hohe Verluste, dazu der Tod des Feldherrn Mercy. In den Korrespondenzen mit seinen Gesandten beim Westfälischen Friedenskongreß bewegte Kurfürst Maximilian allerdings ein ganz anderes Thema: Angesichts des Blutzolls, den die französischen Regimenter geleistet hatten, fürchtete er, „es werden sich abermal gehässige leüth finden, welche spargiren dürffen, als ob die unserige auß sonderbarem haß und rach forderist den Franzosen hart zuesetzen und sie nit wie die Teutsche gefangen nemmen, sonder ohne ainige erthaillung der begerten quartier nidermachen thetten“ (Maximilian an seine Gesandten am 9.8.1645, in: Die diplomatische Korrespondenz Kurbayerns zum Westfälischen Friedenskongreß, Bd. 2: Die diplomatische Korrespondenz Kurfürst Maximilians I. von Bayern mit seinen Gesandten in Münster und Osnabrück, Teilband 2: August – November 1645, bearb. v. Gabriele Greindl und Gerhard Immler (Quellen zur Neueren Geschichte Bayerns, 2/2), München 2013, S. 369).

Hatte der Kurfürst in diesem Moment tatsächlich Sorge, daß der Krieg sich radikalisierte und die Kriegführung von einer neuen Verbitterung geprägt sein würde? Eigentlich war es in der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs unüblich, den Gegner niederzumachen, wenn er den Kampf aufgeben wollte und um „Quartier“ bat, also darum, als Kriegsgefangener behandelt zu werden. Dies war zum wenigsten Ausdruck einer humanen Kriegführung als vielmehr dem Umstand geschuldet, daß auf beiden Seiten Söldner kämpften, die nicht aus ideologischen oder religiösen Gründen in den Krieg gezogen waren, sondern einen Beruf ausübten. Es gab eine gewisse Solidarität unter den Söldnern, und Gefangenen machte man oft das Angebot, in der Armee des Siegers zu dienen: Diese Söldner wurden „untergestoßen“, wie man sagte, fehlten also nicht nur dem Gegner, sondern verstärkten sogar die eigenen Truppen – während sie selbst wiederum in Lohn und Brot standen. Feindliche Söldner nicht zu töten, sondern gefangen zu nehmen, konnte eine win-win-Situation für alle Beteiligten sein.

Genau dieser Mechanismus war in der Schlacht von Mergentheim, ungefähr drei Monate vor Alerheim, gestört worden – angeblich. Denn es kamen Gerüchte auf (interessanterweise mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung von einigen Wochen), denen zufolge die siegreiche bayerische Armee „ein unerhörliche crudelitet und verbitterung insonnderheit wider die Franzosen erscheinen lassen, keinem kein quartier geben wollen, sonder alle nidergemacht und den Teutschen allein verschont haben“ (so Maximilian an seine Gesandten am 12.7.1645, S. 291). Kurfürst Maximilian war angesichts dieser Berichte aufs Höchste alarmiert. Eine solche Eskalation der Gewalt paßte nur schlecht zu seinen Bestrebungen, mit der französischen Seite so schnell wie möglich ein armistitium, eine Beilegung der Kämpfe also, zu erreichen. Natürlich wußte er wie auch sonst alle Zeitgenossen, daß im Kampfgeschehen so erbittert gefochten werden konnte, daß jeder Comment unter den Söldnern vergessen wurde, „da der unbündig soldat in der hütz der waffen und rabbia in keinem zaun zu halten“ (ebd. S. 370, siehe ähnlich auch schon S. 312 u.357 die bayerischen Gesandten am 19.7. und 8.8.1645).

Doch in diesem Fall gab es offenbar noch ein anderes Kalkül. Von französischer Seite wurde die Debatte über das angebliche Massaker an französischen Söldnern bei Mergentheim über Wochen und Monate hochgehalten. Damit hielt man die bayerische Seite auf Trab, die sich nach Kräften bemühte, dieses Gerede als irrig abzutun. Doch mochten diese Gerüchte tatsächlich haltlos sein, halfen sie der französischen Seite doch, den bayerischen Sieg bei Mergentheim in eine moralische Katastrophe für den Sieger zu verwandeln – was wiederum den politischen Preis für das von Maximilian so sehnlich gewünschte armistitium hochtrieb. Jedenfalls instruierte der Kurfürst seine Gesandten in Münster, daß die französischen Verluste bei Alerheim ganz normal im Zuge der Kämpfe zustande gekommen seien und nicht infolge von bayerischen Exzessen. Das Thema läßt sich noch bis September 1645 verfolgen, denn Haslang berichtete noch am 7.9.1645 von dieser Affäre (Bd. 2,2, S. 461). Ob tatsächlich nationale Befindlichkeiten eine Rolle im Krieg spielten, ist angesichts dieser politischen Dimension der Debatte schwer zu entscheiden.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/461

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Friendly fire

In der Schlacht bei Mergentheim am 5. Mai 1645 wurde nicht nur mit großer Erbitterung gekämpft. Vielmehr ging es dabei derart unübersichtlich zu, „daß sogar Eurer Churfürstlichen Durchlaucht aigne reichsvölckher 2 compagnien von den ihrigen heftig chargiert unnd ihnen zimblich schaden gethann, ehe sie gewust, daß solliche von ihren eignen völckhern“ (Bericht an Kurfürst Maximilian vom 8.8.1645, in: Die diplomatische Korrespondenz Kurbayerns zum Westfälischen Friedenskongreß, Bd. 2: Die diplomatische Korrespondenz Kurfürst Maximilians I. von Bayern mit seinen Gesandten in Münster und Osnabrück, Teilband 2: August – November 1645, bearb. v. Gabriele Greindl und Gerhard Immler (Quellen zur Neueren Geschichte Bayerns, 2/2), München 2013, S. 358).

Derartige Episoden kommen offenbar immer wieder im Krieg vor, damals wie heute. Heute wird vielfach als „friendly fire“ bezeichnet, wenn durch Distanzwaffen auch eigene Truppen in Mitleidenschaft geraten. Die Szene hier war jedoch eine andere, denn hier waren Söldner im direkten Nahkampf aneinander geraten, ohne daß ihnen sofort bewußt wurde, daß sie doch für dieselbe Sache kämpften. Ein solches Mißverständnis war natürlich fatal, doch die Möglichkeit dazu war in den Schlachten des frühen 17. Jahrhunderts stets gegeben. Denn es gab keine Uniformierung, die eine eindeutige Unterscheidung zwischen den streitenden Parteien unmittelbar und eindeutig erlaubt hätte; erst mit der Etablierung stehender Heere setzte sich auch eine uniforme Ausstattung und Einkleidung der Truppen durch.

Sicher gab es Vorformen von Uniformen und das Bemühen, zumindest für einzelne Einheiten eine einheitliche Ausrüstung vorzugeben; die schwedischen blauen und gelben Regimenter lassen sich hier anführen. Auf kaiserlicher Seite war die rote Farbe ein beliebtes Erkennungsmerkmal; besonders eine rotgefärbte Schärpe, oftmals auch über dem Harnisch getragen, sollte die Identifizierung erleichtern. Auch den berühmten Zweig am Hut, wie man ihn vor dem Kampf verabredete, gab es nicht nur in Shakespeares Macbeth, sondern auch in den Schlachten des Dreißigjährigen Kriegs. Ansonsten sorgte der feste Platz in der Schlachtordnung eines Regiments dafür, daß jeder erkennen konnte, auf welcher Seite man kämpfte; auch das Feldzeichen oder die Regimentsfahne sorgten für Orientierung. Schwierig wurde es, wenn sich im Zuge einer längerdauernden Schlacht Kampfformationen auflösten. Auch der Pulverdampf von nur wenigen Musketensalven und der Feldartillerie wird das Schlachtfeld buchstäblich vernebelt haben. Wenn dazu noch der Staub auf dem Schlachtfeld durch die Kavallerie und die marschierenden Fußsoldaten aufgewirbelt wurde, kann man sich vorstellen, wie gering die Sicht auf das Geschehen insgesamt war – und wie groß die Gefahr, in dieser Unübersichtlichkeit die eigenen Kameraden anzugreifen.

Man kann davon ausgehen, daß solche Situationen häufiger vorkamen. Allerdings sind mir diesbezügliche Berichte fast gar nicht bekannt; wahrscheinlich hat man über solche Vorkommnisse nicht viel Aufhebens gemacht: Das kam halt vor, war kaum zu vermeiden und schon gar nicht rückgängig zu machen. Daß hier doch einmal eine solche Szene erwähnt wurde, hing mit Vorwürfen zusammen, die französischerseits erhoben wurden: Angeblich hätten die bayerischen Truppen viele französische Söldner massakriert – Vorwürfe, die auch noch Wochen und Monate später in den Korrespondenzen weitergetragen wurden (deswegen auch hier noch im August, also drei Monate später, der Rekurs auf diese Schlacht). Die bayerische Seite war eifrig bemüht, derartigen Anschuldigungen die Spitze zu nehmen. Dabei verwiesen die kurbayerischen Gesandten in Münster auch auf die Heftigkeit der Kämpfe, daß man mit „furie unnd calor“ gefochten habe (ebd.). Und in dem Kontext erschien der Hinweis ganz passend, daß die bayerischen Kriegsknechte sogar aufeinander losgegangen wären.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/447

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Der Söldner Michael Burchardt

Der Werdegang von einfachen Söldnern hat von je her besondere Aufmerksamkeit erregt. Erhofft man sich hier doch konkreten Aufschluß darüber, wie die sog. kleinen Leute den Krieg erlebten. Der prominenteste einfache Söldner ist ohne Zweifel Peter Hagendorf, dessen Schicksal durch sein Tagebuch bekannt geworden ist. Von Michael Burchardt ist zwar kein Selbstzeugnis überliefert, doch aus Aufzeichnungen aus dem 18. Jahrhundert läßt sich sein Schicksal in Umrissen rekonstruieren.

Geboren im Jahr 1599 zog es ihn offenbar schon in den ersten Kriegsjahren zum Militär. Über seine Konfession erfahren wir explizit nichts, doch als Sohn des Stadtrichters von Jena hing er sicherlich der lutherischen Konfession an. Gleichwohl entschied er sich offenbar bewußt für den Kriegsdienst in der Armee der Katholischen Liga. Hier diente er im Leibregiment Tillys, wurde in einer der Kompagnien Quartiermeister. Er nahm an der Belagerung Magdeburgs teil, kurz darauf quittierte er den Dienst. Dies angeblich aus persönlichen Gründen, doch bald schon nahm er Kriegsdienste beim Herzog von Weimar für Gustav Adolf von Schweden an. Unter Banér kämpfte er dann bei Wittstock mit so großem Einsatz, daß man ihm anbot, Oberstleutnant zu werden. Aus nicht bekannten Gründen lehnte er ab, und im Jahr 1638 schied er endgültig aus dem Kriegsdienst aus.

Wir wissen zu wenig über ihn, um die Beweggründe für bestimmte Entscheidungen zu erkennen. Warum er überhaupt in den Krieg zog, ist nicht klar. Der Hinweis auf „in ihm steckendes Soldatenblut“ ist wohl eher dem Zeitgeist von 1939 geschuldet, als eine knappe biographische Skizze über Michael Burchardt erschien. Immerhin nahmen auch Michaels ältere Brüder Kriegsdienste an. Daß sein Bruder Samuel ihn zunächst in seiner Kompagnie unterbrachte, ist ein gutes Beispiel für die verwandtschaftlichen Verflechtungen im Militär – beileibe kein Einzelfall, wie es sich auch bei Jan von Werth nachvollziehen läßt, in dessen Windschatten und unter dessen Protektion einige seiner Brüder Kriegsdienste leisteten.

Ob Burchardt wirklich die Armee des Kaisers nur verließ, weil sein Vater auf den Tod erkrankt war, möchte ich mit einem Fragezeichen versehen. Denn er taucht doch sehr schnell wieder als Soldat auf, nur eben auf der Seite Gustav Adolfs: Ob er nicht doch der Faszination des „Löwen aus Mitternacht“ erlegen war und nun lieber für die protestantische Sache streiten wollte? Wenn ja, verflog diese Begeisterung in den Folgejahren. Denn einer militärischen Karriere verweigerte er sich, wurde eben nicht Oberstleutnant, sondern Bürger in Salzwedel, wo er eine Familie gründete und noch bis 1671 lebte. So besehen stellt Burchardt eine Instanz für die Söldner dar, die durch den Kriegsdienst keineswegs entwurzelt wurden; vielmehr stellten die Jahre im Militär nur eine Episode in seinem Leben dar und mündeten sehr bewußt in eine zivile Existenz.

Eine knappe Skizze zu Burchardt wurde von Ernst Otto Wentz in den Jahresberichten des Altmärkischen Vereins für vaterländische Geschichte zu Salzwedel, Bd. 53 (1939), S. 24-27, veröffentlicht. Die Jahresberichte übrigens hat der Verein dankenswerterweise komplett auf seiner Homepage als PDF frei zugänglich gemacht.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/430

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Die Generalstaaten als Kriegstreiber? Eine Flugschrift aus dem Jahr 1640

Im Jahr 1640 dauerte der Krieg schon mehr als zwanzig Jahre. Immer häufiger und stärker wurde in der Publizistik eine Friedenssehnsucht artikuliert. Aber auch die Frage, wie es zu diesem langwierigen Krieg kam, wurde immer öfter gestellt. Diesem Aspekt wandte sich auch die in diesem Jahr gedruckte „Trewhertzige vnd wolgemeynte Ermahnung / Eines Alten Teutschen Landsknechts“ zu.  Über die Debatte zu den Kriegsursachen hinaus wollte die Flugschrift vor allem die vielen Söldner aufklären, die bei den Feindes des Heiligen Römischen Reiches in Kriegsdiensten standen. Letztlich appellierte der Text an den Patriotismus der aus den deutschen Landen stammenden Söldner und forderte sie auf, die Dienst für fremde Kriegsherren zu quittieren, den kaiserlichen Pardon anzunehmen und am besten gleich in des Kaisers Kriegsdienste einzutreten (S. 19 f.).

Wer oder was hatte also den Krieg gegen das Heiligen Römische Reich, gegen das geliebte Vaterland deutscher Nation (siehe S. 1) befördert? Die Antwort in der Flugschrift war durchaus weitschweifig, berührte moralische Kategorien wie Geiz, Regier- und Ruhmsucht, aber auch die konfessionelle Problematik und die Frage der „Teutsche[n] Freyheit“ (S. 3), fand dann aber vor allem und wenig überraschend in Frankreich und Schweden die Hauptverantwortlichen. Interessant ist, daß ebenso die Generalstaaten als kriegstreibende Kraft genannt wurden.

So wurde festgehalten, daß die Generalstaaten den „Evangelischen Churfürsten vnnd Ständen directè oder indirectè etwas behülfflich gewesen … vnd von anfänge dieser Kriege vnd Zerrüttung allen guten Vorschub gethan“ (S. 6). Verdächtig erschien im weiteren, daß die „Holländer keinen Fürsten / sondern nur eines Fürsten Schatten vnnd Bilde sucheten“ (S. 10 f.) – die ständestaatliche Option erschien an sich schon als ein Skandalon, ja kurz darauf wurde der „Haß der Fürstlichen Regierung [d.h.gegen die fürstliche Regierungsform] vnnd die Liebe zur Democratischen Policey“ geradezu als Leitmotiv generalstaatischer Politik identifiziert (S. 13). Dies habe sich schon beim generalstaatischen Engagement für die Städte Braunschweig (1615) und auch Magdeburg gezeigt; später wurde der schädliche Einfluß auf die Hansestädte erwähnt (S. 14 f.). An anderer Stelle behauptete der Text, daß die Generalstaaten sogar das Erzstift Köln „vom Reich abziehen vnnd jhrem Stat einvorleiben woll[t]en“; hier sei es ihnen darum gegangen, eine „Stim“ zu bekommen (offenbar also die Kurstimme), um damit im Reich „ordnen vnd beschliessen“ zu können (S. 13, diese Episode wurde allerdings auf 1596 datiert).

Nein, es ist keine gezielt anti-niederländische Publizistik, vielmehr habe ich mich hier bewußt auf die Passagen konzentriert, in denen die Generalstaaten angeklagt werden. Gleichwohl erscheint mir bemerkenswert, daß in einer Phase des Kriegs, in der Frankreich und Schweden eindeutig und offen die politischen wie militärischen Hauptgegner des Kaisers und seiner Verbündeten waren, eben auch die Generalstaaten als politischer Faktor in diesem Konflikt nicht übersehen wurden.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/309

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