Auf der Suche nach alternativen Benennungen: nicht-sowjetische Notizen eines Sowjetmenschen


„Am Kai zwischen den Mehlsäcken, Gemüsekörben und Hühnern schlafen dicht an dicht Bauern. Zusammengefercht auf dem Boden liegen Männer, Frauen und Kinder, zwischen Schmutz und Staub, in Mehl und Hühnermist. Erschöpfte, sonnenverbrannte Gesichter. Bäuerinnen, die um vieles vor ihrer Zeit alterten, mit traurigen Augen. Sie schlafen, wippen oder wiegen ihre Kinder in den Schlaf und sprechen leise miteinander. Sie reden ununterbrochen, ohne Ausdruck. Die Wörter fließen gleichmäßig wie die Wellen, die an den Pier schlagen. Und stickig, schwarz gefärbt vom Ruß der Lampen, vom Schmutz, vom Staub ist es im Hafengebäude gefüllt mit leisem Murmeln, gleichförmig und monoton.“

Die obige Beschreibung ist ein Abschnitt aus einer Reisenotiz.

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Quelle: https://erinnerung.hypotheses.org/992

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75 Jahre Babyn Jar: Sowjetische und postsowjetische Kontroversen um einen Gedenkort in Kiew von 1945 bis heute

Babyn Jar (ukrainisch) bzw. Babij Jar (russisch) meint übersetzt in etwa „Altweiberschlucht“ und war ein am Stadtrand Kiews gelegener Ort brutalster deutscher Verbrechen während der Besatzung im Zweiten Weltkrieg. Er war und gilt vor allem als ein Ort deutscher Gewalt an der Kiewer jüdischen Bevölkerung, symbolisiert darüber hinaus aber auch allgemein die Entgrenzung nationalsozialistischer Gewalt gegenüber der jüdischen Bevölkerung im Jahr 1941 und danach. Er wurde und ist als solcher ein allgemeiner Erinnerungsort des Holocaust an den sowjetischen Juden in sowjetischer und post-sowjetischer Zeit geworden.1 Erst in den letzten 20-30 Jahren ist das bzw. sind die Verbrechen von Babyn Jar genauer dokumentiert und historisch interpretiert worden.2 Gerade aus heutiger Sicht scheint es aber angebracht, die in der Literatur zum Thema fehlende lokale und ukrainische Perspektive auf das Thema stärker einzubeziehen. Damit können deutlicher als in der bisher vorliegenden Literatur der Prozesscharakter der Erinnerung und Kontroversen bei der Schaffung und Veränderung des Erinnerungsortes Babyn Jar gezeigt werden. Das – und keine umfassende Darstellung des Erinnerungsortes Babyn Jar – ist das Ziel dieses Beitrages.



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Quelle: https://erinnerung.hypotheses.org/647

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Paradiesische Zustände


Medienfreiheit in Deutschland, Polen und der Ukraine im Vergleich

Im Medienrecht herrschen in Deutschland nahezu paradiesische Zustände, glaubt man dem Medienrechtler Gerrit Manssen. Ein Satz, der uns zwei Tage in Regensburg begleiten würde. Pünktlich zum Frühlingsanfang lud hier das Institut für Ostrecht im Wissenschaftszentrum Ost- und Südosteuropa zur Tagung „Medienfreiheit – Ukraine, Deutschland und Polen“. Experten aus allen drei Ländern diskutierten über Herausforderungen und Grenzen von Medienfreiheit – insbesondere vor dem Hintergrund politischen und sozialen Wandels sowie der digitalen Mediengesellschaft.

Die Betonung liegt auf „nahezu“, denn während im Bereich der klassischen Medien Qualitätssicherung und Rechtsschutz gegeben seien, sei die Situation im Internet unübersichtlich. Russische Medien etwa betrieben bewusst die Verbreitung von Desinformation und zielten auf eine politische und gesellschaftliche Destabilisierung in Deutschland. Paradebeispiel: die Falschmeldung über die Vergewaltigung eines russischen Mädchens, die zu Demonstrationen von Russlanddeutschen in der ganzen Republik führte. Warum hat man vor 20 Jahren keine russischen Programme in Deutschland gegründet, so das Resümee. Das Recht allein könne an dieser Stelle nicht helfen, genauso wenig wie im Falle des (in den Medien falsch wiedergegebenen) Zitats von AfD-Chefin Frauke Petry zu Beginn des Jahres.

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Quelle: http://resilienz.hypotheses.org/690

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So schlimm wie früher der Dreißigjährige Krieg

Die Erkenntnis ist wahrlich nicht neu, aber es trifft immer noch zu: Die Welt von heute ist unübersichtlicher und unsicherer geworden. Wie kann man die aktuellen politischen Verwicklungen erklären? Richtig, man sucht sich in der Geschichte mögliche Vergleichspunkte – und landet beim Dreißigjährigen Krieg. Seit geraumer Zeit fällt mir jedenfalls auf, daß in überregionalen Medien immer wieder einmal der Bezug zum Dreißigjährigen Krieg bemüht wird, um zunächst aktuelle Geschehnisse und dann noch mögliche Prognosen, düstere Prognosen zumal, in ein bekannteres Raster zu bringen.

Bereits 2011 war im Guardian ein Artikel über einen weltweiten Krieg um Energieressourcen zu lesen – ein neuer Dreißigjähriger Krieg wurde an die Wand gemalt. Mit dieser historischen Reminiszenz wurde auch die Notwendigkeit dieser Dauer beschrieben, die nötig sei, bis sich eine neue Energie-Ordnung auf der Welt etabliert hätte, ganz in Analogie zum Westfälischen System, das am Ende des Kriegs eine europäische Staatenordnung zu etablieren half. Im Juni 2014 warf der Guardian dann die Frage auf: A Thirty Years War In Iraq and Syria? Damit war die Frage also bei einem der Krisenherde angekommen, die tatsächlich bis heute die Weltpolitik in Atem halten. Auch in der Welt tauchten entsprechende Beispiele auf.

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Quelle: https://dkblog.hypotheses.org/843

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Von der Verwaltung des Gemeineigentums: Inventarnummern im Kibbuz

Der 1922 geborene Lutz Kann emigrierte 1939 mit seiner Schwester nach Haifa; in seiner von Gabriele Goettle kolportierten Schilderung berichtet er von seiner Aufnahme in einem Kibbuz, in dem er zwei Jahre lang leben sollte:

Der Kibbuz, der uns aufgenommen hat, ist in den 20er Jahren von linken russischen Einwanderern gegründet worden. Das war der größte Kibbuz. Wir bildeten da drin eine kleine Einheit. Der Kibbuz war ja nicht so wie heute, wo es viel Komfort gibt. Jeder von uns hat erst mal ein Zelt bekommen, ein eisernes Bett und einen Strohsack, es gab kaum Matratzen. Manchmal waren es zu wenig Zelte, sodass ein verheiratetes Paar noch einen dazunehmen musste. Alle waren mittellos. Das hat man ohne Murren hingenommen, du hast gewusst, der Kibbuz baut auf einem Hauptprinzip auf, der Solidarität. Du gibst, was du kannst.

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Quelle: http://nummer.hypotheses.org/73

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Polnisch-ukrainische Historikerkommission ins Leben gerufen

Wolhynien in der heutigen Ukraine

Wolhynien (hier gelb markiert) als Region im Grenzgebiet zwischen dem heutigen Polen und der Ukraine. Karte: Original version (ukrainian): Alex Tora German translation: KaterBegemot (CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons – http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ukraine-Volhyn.png)

Von Jakub Sawicki und Kathrin Krogner

Die Massaker von Wolhynien im Jahr 1943 belasten die Beziehung zwischen Polen und der Ukraine. Unter der deutschen Besatzung ermordeten damals Ukrainer polnische Zivilisten in der einst polyethnisch besiedelten Region, die heute im Nordwesten der Ukraine liegt. Die Zahl der Opfer wird auf 100.

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Quelle: http://erinnerung.hypotheses.org/244

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Gesetze wie heiße Piroggen – Geschichtspolitik und legislative Aktivität in der ukrainischen Rada

Kurzzusammenfassung:

Der vorliegende Text problematisiert legislative Aspekte ukrainischer Entkommunisierungsbestrebungen. Im Kontext der achten Legislaturperiode der Rada sind Schnelligkeit, hohe Abwesenheits- und Nichtabstimmungsquoten sowie eine Fünfparteienkoalition als typisch zu werten, während die höhere Fraktionsgeschlossenheit vom polarisierenden Charakter der Entkommunisierungsgesetze zeugt. Rechtsextreme und radikale Abgeordnete spielen im Abstimmungsprozess eine marginale Rolle, und die parlamentarische Mehrheit wird nicht von der Exekutive dominiert, allerdings wirkt sich das Abstimmungsverhalten im Fließbandmodus negativ auf die parlamentarische Tätigkeit aus.

Die vier umstrittenen Entkommunisierungsgesetze

Am 15. Mai 2015 unterzeichnete der ukrainische Präsident Petro Poroschenko vier Gesetze über die „Entkommunisierung“ (dekomunizacija), die am 09. April von der Rada verabschiedet wurden und das Verhältnis der Ukraine zum kommunistischen Sowjeterbe völlig neu definieren sollen. Mit der Veröffentlichung der Gesetze im Parlamentsblatt werden nun Normen rechtskräftig, die zumindest unter Akademikern wie auch teilweise in der breiteren Öffentlichkeit heftig diskutiert worden sind.

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Quelle: http://erinnerung.hypotheses.org/211

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Geteilte Geschichte, gespaltenes Gedenken. Der 9. Mai in der heutigen Ukraine

Jochen Hellbeck, Professor für Russische und Europäische Geschichte an der Rutgers University in New Brunswick (New Jersey, USA), veröffentlichte im Online-Magazin “Krautreporter” unlängst einen Beitrag zum Gedenken an den 9. Mai 1945 in der heutigen Ukraine. Darin beschreibt er, wie stark  das ukrainische Gedenken an den Sieg über das nationalsozialistische Deutschland und an das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa in diesem Jahr vom bewaffneten Konflikt mit Russland beziehungsweise mit pro-russischen, separatistischen Kräften im Osten des Landes sowie von der handstreichartigen Einverleibung der Krim in die Russische Föderation beeinflusst wurde.

Während sich die mediale Aufmerksamkeit in Europa und Nordamerika zuletzt vor allem auf die traditionelle Militärparade in Moskau als “Siegesparade der Superlative” (F.A.Z., 4.5.2015) und als unverhohlene Machtdemonstration Putins gegenüber dem Westen sowie auf das ostentative Fernbleiben eigener Staatsrepräsentanten richtete, blieb das Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 70 Jahren in der krisengeschüttelten Ukraine weitgehend unbeachtet.

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Quelle: https://erinnerung.hypotheses.org/181

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Finnland, Russland und die NATO – ein Rollenwandel?

Kürzlich besuchte der finnische Ministerpräsident Alexander Stubb Berlin. Nachdem er am Vortag den Berlin-Marathon mit neuer persönlicher Bestzeit gelaufen war, standen am darauffolgenden Tag (29.9.) bei seinem Antrittsbesuch politische Gespräche mit Kanzlerin Angela Merkel und Bundesfinanzminister Schäuble auf der Tagesordnung.

Both of us got a PB. One of us broke the World Record. The other perhaps the PM Record. #BerlinMarathon. pic.twitter.com/yrIq5UOYQR

— Alexander Stubb (@alexstubb) September 28, 2014

Am Abend schließlich folgte eine Veranstaltung der Körber-Stiftung, an der ich auch teilnehmen konnte: Stubb hielt dort eine gut besuchte Rede zur europäischen Politik gegenüber Russland, vor allem bezogen auf den Krieg in der Ukraine. Wer erwartet hätte, der finnische Regierungschef würde den großen “Russland-Versteher” geben, sah sich getäuscht. Stubb ging zwar auch auf die Rolle Finnlands ein, vertrat aber vor allem eine geschlossene politische Haltung der EU. Sowohl bei dem sich an die konzise Rede anschließenden Q & A als auch in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wurden Fragen gestellt, die auf Finnlands Position vis-à-vis der Sowjetunion im Kalten Krieg rekurrierten.

Im Mittelpunkt stand dabei das Wort “Finnlandisierung”, ein Kampfbegriff aus den Zeiten des Kalten Krieges, der aus Sicht des Westens die vorsichtige finnische Politik vis-à-vis der Sowjetunion benennen und kritisieren sollte. Aufgekommen war der Begriff eigentlich in konservativen bundesdeutschen Politikerkreisen, die damit die aus ihrer Sicht allzu nachgiebige neue Ostpolitik der Regierung Brandt diskreditieren wollte. So wie Finnland den Sowjets zu viele Zugeständnisse mache, bedeute Brandts Politik der Annäherung ein Feilschen um die Werte der westlichen Demokratie. 2010 erkannte die in Moskau erscheinende regierungskritische Moscow Times mögliche Anzeichen für eine “Finnlandisierung Georgiens und der Ukraine“.

Alexander Stubb, seit dem 24.6.2014 finnischer Ministerpräsident Flickr, CC-BY-NC-ND Ville Oksanen

Alexander Stubb, seit dem 24.6.2014 finnischer Ministerpräsident
Flickr, CC-BY-NC-ND Ville Oksanen

Noch heute empfindet Stubb bei der Frage, ob man der Ukraine eine Politik der Finnlandisierung empfehlen solle, dieses als Schimpfwort. Dennoch verweist er unmittelbar darauf, dass diese Politik Finnland erlaubt habe, ein demokratischer Staat zu bleiben. In der historisch-politischen Forschung Finnlands ist der Begriff der Finnlandisierung inzwischen längst angekommen – als Beschreibung einer Periode in der finnischen Politik, die vor allem mit dem Namen Urho Kekkonens verbunden bleibt.  Finnlandisierung bezeichnet ein übervorsichtiges Agieren in der finnischen Außen- und Sicherheitspolitik, das vor allem darauf angelegt war, Irritationen seitens der Sowjetführung so früh wie möglich zu antizipieren und entsprechend zu handeln. Ziel war es, ein Eingreifen der UdSSR in die finnische Innenpolitik wie in den 1950er und 1960er Jahren zu vermeiden. Dies reichte vor allem in den 1970er Jahren soweit, dass sich die finnischen Medien eine weitgehende Selbstzensur auferlegten und kritische Stimmen gegenüber dem großen Nachbarn vermieden. Die finnische Geschichtswissenschaft hat den Begriff – von seiner polemischen Note befreit – also als Analysebegriff akzeptiert und verwendet ihn mittlerweile regelmäßig.

Abgesehen von Stubbs Ablehnung des Begriffs spiegelt sich in seiner Rede und Interviews im Umfeld des Berlin-Besuchs der Rollenwandel, den Finnland seit einiger Zeit vollzieht, wider. Die Süddeutsche Zeitung spricht im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise vom “Ende der Neutralität” in Skandinavien und sieht Schweden auf einer ähnlichen Linie wie Finnland: Die beiden seit Jahrzehnten durch ihre Neutralitätspolitik bekannten Staaten rücken immer stärker an die NATO heran. Beide Länder stehen seit zwei Jahrzehnten durch das Partnership for Peace-Programm in einer engen Kooperation mit dem nordatlantischen Militärbündnis. Doch für Schweden, das 2014 auf 200 Jahre ohne Kriegsbeteiligung zurückblickt und für Finnland, das sich durch seine – völkerrechtlich letztlich nie verankerte – Neutralitätspolitik vor einer zu starken Vereinnahmung durch Moskau retten konnte, galt die Neutralität lange als in die jeweilige Identität und Selbstwahrnehmung eingebrannt.

Diese Zeiten sind nicht erst seit der Ukraine-Krise vorüber. Bereits der Georgien-Konflikt 2008 hatte Stubb, damals finnischer Außenminister, zu der Stellungnahme “Wir müssen unsere Sicherheitspolitik neu bewerten” veranlasst und gefordert, man solle eine NATO-Mitgliedschaft erwägen. In einem Interview mit der englischen Ausgabe von Spiegel Online meinte er jüngst gar, Finnland hätte bereits 1995, als das Land der EU beitrat, gleichzeitig der NATO beitreten sollen. Unter den Umständen der damaligen Zeit wäre dies wohl kaum zu machen gewesen – in der öffentlichen Debatte in Finnland galt das Thema bis zum Präsidentschaftswahlkampf 2011/2012 als Tabu, auch wenn es gelegentliche Äußerungen in dieser Richtung gab. Präsident (seit 2012) Sauli Niinistö – Parteifreund von Stubb in der konservativen “Kokoomus” [Nationale Sammlungspartei] – hat sich anfangs eher vorsichtig oder gar mahnend in der Frage einer finnischen NATO-Mitgliedschaft geäußert. Doch nun scheint die Angelegenheit zusehends auf die politische Tagesordnung zu geraten. Im Sommer dieses Jahres gab es bereits ein von Niinistö initiiertes Strategietreffen. Experten erwarten zwar, dass das Thema nicht vor den nächsten Parlamentswahlen im April 2015 hohe Dringlichkeit erhalten werde. Im September unterzeichneten beide Länder ein so genanntes Host-Nation-Support-Abkommen mit der NATO, welches engere Zusammenarbeit ermöglicht. Ein möglicher Schritt Finnlands und Schwedens hin zu einem NATO-Beitritt könnte aber für das Folgejahr durchaus anstehen. Russland hat beide Länder bereits vor den Konsequenzen eines solchen Schrittes gewarnt, ohne zu benennen, worin diese bestehen könnten.

Warum beschäftige ich mich hier auf dem NordicHistoryBlog mit solcher Zukunftsmusik und Spekulation? Für den Historiker ist es interessant zu beobachten, wie zwei neutrale Länder eine historisch gesehen sehr langlebige essentielle politische Leitlinie im Lichte der momentanen Entwicklungen überdenken. Wir beobachten also gerade, wie sich ein historischer Paradigmenwechsel vollzieht. Stubb wehrt Aufforderungen an Finnland ab, seine langjährigen Erfahrungen mit dem russischen Nachbarn in den Dienst der Diplomatie zu stellen und an die Traditionen des Kalten Krieges anknüpfend, als Vermittler zwischen Russland und der Ukraine aufzutreten. Viele haben dabei die oftmalige Rolle Helsinkis als Ort für Gipfeltreffen der Supermächte oder als Unterzeichnungsort der KSZE-Schlussakte 1975 in Erinnerung. Aber die große Erzählung vom “Land zwischen Ost und West”, die Selbst- und Fremdbild der Finnen über lange Zeit prägten, ist schon seit längerem an ein Ende gekommen. Möglicherweise wird dies aber jetzt erst so recht sichtbar. Stubb unterstreicht in allen seinen Äußerungen, das wichtigste Ereignis in der jüngsten finnischen Geschichte der EU-Beitritt 1995 gewesen sei. Er betont immer wieder mit einer Metapher aus der Sportwelt, Finnland habe sich damals für eine Mannschaft entschieden (die EU) und könne daher nun nicht auf einmal Schiedsrichter sein.

Wenn in Bezug auf den EU-Beitritt 1995 immer wieder gesagt wurde, nun sei  Finnland dort angekommen, wohin es schon lange gestrebt habe, so scheint es dieser Tage so, als würde die Botschaft aufs Neue formuliert und auch jetzt mit der deutlichen Positionierung – auch wenn die Finnen nicht mit allen Teilen der Sanktionspolitik übereinstimmen – zementiert und nochmals deutlicher als bisher manifestiert. Ein Rollenwandel – der abhängige, aus Verlegenheit neutrale Kleinstaat als selbstbewusstes Mitglied der europäischen Staatenfamilie und möglicherweise in einigen Jahren auch Mitglied der NATO.

Quelle: http://nordichistoryblog.hypotheses.org/2572

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