Eric Jarosinski im Interview – “NEIN” zu Geisteswissenschaften

Ab wann kann man sich als #FailedIntellectual bezeichnen? Der Begriff des gescheiterten Intellektuellen stammt von Eric Jarosinski, einem ehemaligen Germanistikprofessor. Er verweist darauf, dass man sich als Geisteswissenschaftler wohl möglichst frühzeitig mit dem Konzept des akademischen Scheiterns auseinandersetzen sollte. Vielleicht hat man sich nach dem Studium noch als Doktorand oder Post-Doc von einer befristeten Stelle zur nächsten gerettet, vielleicht hat es eine Zeit lang noch mit Anschlussfinanzierungen geklappt. Für viele ist irgendwann dennoch Schluss – oftmals unfreiwillig, scheinbar immer häufiger aber aufgrund einer bewussten Entscheidung. Eric Jarosinski hat seinen akademischen … Eric Jarosinski im Interview – “NEIN” zu Geisteswissenschaften weiterlesen

Quelle: https://musermeku.hypotheses.org/3464

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Perspektiven auf das wissenschaftliche Bloggen – Zusammenfassung zur Blogparade #wbhyp

5410491109_8c3ef64836_oDa wurde so einiges geschrieben! Sei es auf Blogs von de.hypotheses oder auf Blogs außerhalb der Plattform. In jedem Fall gab es unter dem Hashtag #wbhyp in den letzten Wochen viel zu lesen.

Am 19. Januar 2015 riefen die Redaktion und das Community Management zur Blogparade über das wissenschaftliche Bloggen auf, um “sich über einige Entwicklungen auszutauschen und verschiedene Beobachtungen zu diskutieren“. In den darauffolgenden Wochen wurde aus vielen Perspektiven über das wissenschaftliche Bloggen gebloggt, vom Erfahrungsbericht über kreative Texte bis hin zu Hinwisen oder einer spektakulären Veröffentlichung.

 

Hier sind die 35 Artikel in chronologischer Reihenfolge:

Mareike König, Wissenschaftsbloggen – quo vadis? Vier Aufrufe und zwei Lösungen #wbhyp, in: Redaktionsblog, 19.01.2015. http://redaktionsblog.hypotheses.org/2674

Mit vier Aufrufen (gegen zu starre Definitionen, Relativierung der Anerkennung von Wissenschaftsblogs, Ausnutzung des freien Genres, Wissenschaftsbloggen lohnt sich trotzdem) und zwei Lösungen (Einsatz von Open-Peer-Review-Verfahren und Bloggen um des Bloggens willen) macht die Redaktionsleiterin pointiert den Anfang.

Christof Schöch, Anerkennung fürs Bloggen? Eine Geschichte über die Eigendynamik des Digitalen, in: DhdBlog, 19.01.2015. http://dhd-blog.org/?p=4611

In diesem Artikel beschreibt der Autor, Mitglied des Redaktionsteams von de.hypotheses.org, eine Erfolgsgeschichte des Bloggen, wie aus einem Vortrag erst ein Blogartikel und dann ein Zeitschriftenartikel wurde.

Anne Baillot, Auf einer Skala von 1 bis 10, so naja (#wbhyp), in: Digital Intellectuals, 19.01.2014. http://digitalintellectuals.hypotheses.org/2448

Eine gewisse Skepsis am wissenschaftlichen Bloggen und ein Hauch Resignation scheinen durch, Anne Baillot rät ihren Doktoranden beispielsweise vom regelmäßigen Bloggen ab. Ihre Freude am Bloggen ist jedoch nach wie vor ungebrochen: “Ich mag das nämlich.”

Ioana Herbert, Beitrag zur Blogparade 2015 #wbhyp, in: Mit trockenen Farben, 20.01.2015. http://vivien.hypotheses.org/486

Ioana Herbert sieht ihr Blog als wissenschaftliches Tagebuch, wobei sie vorzugsweise einen Mittelweg einschlagen möchte, zwischen größeren Beiträgen mit Ergebnisse und kleinen Artikeln, die kleine Schritte dokumentieren. Ihre Vision ist es, “konsequent aus der Werkstatt” zu berichten.

Sabine Scherz, Mein Beitrag zur Blogparade #wbhyp, in: Computerspiel und Ästhetik, 20.01.2015. http://games.hypotheses.org/1883

Mit ihrem Text, bestehend aus lauter Verben, trägt Sabine Scherz auf eine andere, kreative, Art zur Blogparade bei.

Felicitas Noeske, „Quo vadis?“ Eine fremdgestellte Frage, zwei Aufrufe und keine Lösungen #wbhyp, in: bibliotheca.gym, 20.01.2015. http://histgymbib.hypotheses.org/638

Felicitas Noeske unterstreicht die Bedeutung von gymnasialen Bibliotheken und möchte diesem Themenbereich mit Bloggen mehr Gehör verschaffen: “Ich bin indes der festen Überzeugung, dass Bloggen zum Thema Gymnasialbibliothek und -archiv sich dennoch lohnt, und zwar wissenschaftlich und publizistisch für ein noch zu interessierendes Publikum.”

Michael Piotrowski, Books vs. Blogs, in: NLP for Historical Texts, 21.01.2015. http://nlphist.hypotheses.org/153

Die Aussage, Bücherinhalt sei gut, aber er sei besser in einer Serie von Blogposts aufgehoben, hat Michael Piotrowski erstaunt. Die direkte Publikation hat ihre Reize, doch der Autor beschreibt auch die (noch) fehlende akademische Anerkennung von Blogs im (vor allem deutschen) Wissenschaftssystem. Gerade der Mangel unbefristeter Stellen im deutschen Wissenschaftssystem erfordert die Konzentration auf anerkannte Publikationen. Bücher und Blogs haben jeweils ihre Stärken und Schwächen, sodass sie sich gegenseitig ergänzen, zumindest momentan noch.

Monika Lehner, Ein Schritt vor und zwei (oder drei) Schritte zurück | #wbhyp, in: mind the gap(s), 22.01.2015. http://mindthegaps.hypotheses.org/2006

Monika Lehner fragt, ob das freie Genre des Bloggens wirklich so frei ist oder ob es sich durch das Streben nach Anerkennung nicht doch starren Kriterien unterwirft. Für sie ist bleibt das “bloggen eine Randaktivität […], die man sich leisten wollen (und können) muss”. Dialog, Austausch und Sichtbarkeit sind Gründe, weshalb sie das Bloggen nicht aufgegeben hat, wobei ihr Fazit ist, dass ihre Blogaktivitäten weniger mit ihrer aktuellen Forschung zu tun haben.

Michael Kaiser, Der strategische Wert des Blogportals de.hypotheses.org #wbhyp, in: dk-blog, 22.01.2015. http://dkblog.hypotheses.org/600

Michael Kaiser hebt die Existenz des Blogportals positiv hervor und ist überzeugt, dass dieses nicht nur die Community stärkt, sondern auch dabei hilft, die „nötige Akzeptanz in der Fachwelt“ zu schaffen.

Michael Hölscher, “Vorwärts! Und Mut!” | Beitrag zur Blogparade 2015 #wbhyp, in: Grammata, 23.01.2015. http://grammata.hypotheses.org/1171

Über den Mut zum Bloggen und die Unsicherheiten, die diese Kommunikationspraktik mit sich bringt. Vor allem dann, wenn die eigene Fachcommunity kaum oder nur wenig auf Blogs präsent ist.

Georg Lehner, “Der Sinn, der sich aussprechen läßt, ist nicht der ewige Sinn …” | #wbhyp, in: de rebus sinicis, 23.01.2015. http://wenhua.hypotheses.org/1531

Warum bloggen? Das Blog als Schaufenster (ein “Schaufenster mit ISSN”) ermöglicht das selbstständige Entscheiden über dessen Inhalt. Als anregend werden die Regelmäßigkeit sowie das Bemühen, ein im deutschen Sprachraum wenig bekanntes Thema für eine breite Leserschaft aufzubereiten, genannt.

Angelika Schoder, Wissenschaftliches Bloggen mit Monty Python / #wbhyp, in: MusErMeKu, 24.01.2013. http://musermeku.hypotheses.org/2609

Die Autorin stellt fest, dass vor allem Blogartikel mit populärwissenschaftlichen Inhalten auf großes Interesse stoßen. Das Wissenschaftsblog adressiert sich sowohl an eine interessierte Öffentlichkeit als auch an eine Fachcommunity, wobei erstere nicht neben den Fachkollegen geduldet wird, sondern auch die Hauptleserschaft darstellen können, sodass das Blog dadurch eine große (auch berufliche) Chance darstellen kann.

Charlotte Jahnz, Wissenschaftlich bloggende Studierende #wbhyp, in: OpenBlog, 24.01.2015. http://openblog.hypotheses.org/135

Das Bloggen hilft den eigenen Schreibstil zu verbessern, (universitäres) Hierarchiedenken zu mindern und ist der am einfachsten zugängliche Publikationsort für Studierende. Zudem lohnt sich wissenschaftliches Bloggen auch für diejenigen, die nicht in der Wissenschaft bleiben wollen, da die Digital Humanities einen “Lerneffekt” bieten, der (auch) für außeruniversitäre Berufe wichtig ist.

Martin Bauch, Karoline Döring, Björn Gebert, Wissenschaftsblogs in der Mediävistik: Anerkennungsprobleme? Kaum noch. (Beitrag zu #wbhyp), in: Mittelalter, 25.01.2015. http://mittelalter.hypotheses.org/5181

Durchweg positiv bewertet die Redaktion des Mittelalterblogs das wissenschaftliche Bloggen. “Nicht schlecht, wahrlich nicht schlecht”, sieht sie die Anerkennung von Wissenschaftsblogs in der Mediävisitik. Ihrer Erfahrung nach bloggen Fachvertreter mit unterschiedlichen akademischen Hintergründen und Positionen und tragen so zur Anerkennung bei. Zudem geht sie davon aus, dass Anerkennung erst nach erbrachter Leistung stattfindet und dass Leserinnen und Leser die Qualität der Texte selbst einschätzen können. Ihre Arbeit als Redaktion sehen sie als spannende und fruchtbare “Arbeit MIT den Autorinnen und Autoren an ihrem Text”.

Alexan­dra Pfef­fer, Der Frosch im Brunnen – Beitrag zur Blogparade #wbhyp, in: Akteure des Kunstexpertentums, 25.01.2015. http://artlaw.hypotheses.org/13

Die Freude am Schreiben und die Hoffnung nach einem fachlichen Austausch sind Grund für das Blog. Zudem stellt das eigene Blog eine Art Publikationszwang dar und erlaubt weniger Müßiggang. Alexandra Pfeffers Vision: die wissenschaftliche Zunft von morgen schon heute für das wissenschaftliche Bloggen zu begeistern.

Kristin Oswald, Mit Wissenschaftsblogs durch verschiedene Welten reisen, in: Krosworldia, 26.01.2015. http://kristinoswald.hypotheses.org/1545

Die Erwartungen an wissenschaftliches Bloggen sollten nicht zu hoch sein, aber “es kann Lücken füllen”. Kristin Oswald bedauert den fehlenden fachübergreifenden Austausch und möchte mit ihrem Blog solche Grenzen überwinden, um die “thematischen Überschneidungen und strukturellen Gemeinsamkeiten von Kultur, Geisteswissenschaften und Fachmarketing” herauszustellen.

Lisa Bolz, Bloggende Doktoranden. Eine Bilanz zu Fragen und Antworten #wbhyp, in: Digital Humanities am DHI Paris, 26.01.2015. http://dhdhi.hypotheses.org/2343

Vorbehalte wissenschaftlichem Bloggen gegenüber bestehen vor allem unter Doktorandinnen und Doktoranden, da die Dissertation eine eigeneständige Arbeit darstellen soll. Dennoch sprechen einige Gründe für das Bloggen: das Strukturieren eigener Gedanken, Üben des Schreibens, öffentliche Präsentation von Ideen und Sichtbarkeit sind nur einige Beispiele. Erfahrungsberichte und Ratschläge sollen das Thema weniger suspekt erscheinen lassen.

Holger Berwinkel, Forschungsgeschichte der Aktenkunde I: Wegbereiter im frühen 20. Jh. #wbhyp, in: Aktenkunde, 27.01.2015. http://aktenkunde.hypotheses.org/306

In seinem Blog kann Holger Berwinkel Material aus einem Buchprojekt verwerten und Darstellungsgrenzen im Buch überwinden. Drei Aspekte sind für ihn wichtig: Im Blog kann 1. “eine Wissenschaftsgeschichte einer Spezialdisziplin überhaupt erscheinen”, 2. “kann sie das angestrebte Publikum am besten erreichen”, 3. “kann die fortgeführt und ergänzt werden”. Er ist von den Vorteilen, die das Medium Blog mit sich bringt, überzeugt: “Wo Blogs weiße Flecken füllen, die das Papier auf seinem Rückzug hinterlässt, werden sie rezipiert werden.”

K. Schneider, Historyblogging, in: Zeit.Räume, 27.01.2015. http://zeitraeume.hypotheses.org/86

Das Gemeinschaftsblog von Studierenden wird von einer Vision geprägt: Bloggen zu etablieren. Nicht, um bereits etablierte Publikationsformen zu ersetzen, sondern um sie zu ergänzen. Der Autor hoffe auf eine Historikergeneration, “für die das digitale Publizieren etwas ganz Normales wird”.

Damián Morán Dauchez, C’est le sens de la vie! / #wbhyp, in: MusErMeKu, 28.01.2015. http://musermeku.hypotheses.org/2623

Die “konservative Einstellung und elitäre Haltung, die in akademischen Kreisen herrscht”, steht dem wissenschaftlichen Bloggen (noch) entgegen, so Damián Morán Dauchez. Kritisiert wird damit die Tatsache, dass Forschung auf bestimmte Themenbereiche und bestimmte Wissenschaftsorte (Seminare, Tagungen, etc.) beschränkt bleibt, wobei Kulturvermittlung gerade für die Geistes- und Kulturwissenschaften wichtig sei.

Ioana Herbert, Zum Thema “Zeit”. Einblick ins Atelier und zweiter Beitrag zu #wbhyp, in: Mit trockenen Farben, 30.01.2013. http://vivien.hypotheses.org/491

Ein Blick in die Praxis: Die Autorin beschreibt ihre Unsicherheit, die Menge Material zu sichten und Aufgaben für die Dissertation abzuarbeiten. Damit einher geht die Erfahrung, dass das Bloggen hinten ansteht, sodass zeitweilige Überforderung eine verzögerte Publikation weiterer Blogbeiträge zur Folge hat. Sie ist aber zuversichtlich: “Es gibt Themen oder Zeiten während der Arbeit an der Dissertation, wo man zusätzliche, selbst auferlegte Aufgaben einfach nicht mehr erfüllen kann. Wer sie aber hinter sich bringt, blickt zuversichtlicher in die Zukunft des Bloggens.”

Christian Günther, Intellektuellen Stau durch bloggen umfahren? #wbhyp, in: Die ‘Winzengruppe’, 02.02.2015. http://winzen.hypotheses.org/161

Die Sozialen Medien nutzt der Autor, um nach Ratschlägen für seine wissenschaftliche Arbeit zu fragen, außerhalb des Seminarkontextes seiner Universität. Sein Blog dient ihm dabei als Experiment, bei dem er seinen Schreib- und Präsentationsstil ausbauen kann. Die Dynamik und der Vernetzungsgedanken des Bloggens sieht er als besondere Vorteile, weil er diese im universitären Alltag nicht sieht.

Michael Schmalenstroer, Wissenschaftsblogs – keine Arme, trotzdem Kekse, in: Schmalenstroer.net, 04.02.2015. http://schmalenstroer.net/blog/2015/02/wissenschaftsblogs-keine-arme-trotzdem-kekse/

Da die Aussichten auf eine feste Anstellung im deutschen Universitätsbetrieb sehr schlecht sind, verlassen viele Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler früher oder später die Universität. Ein Wissenschaftsblog ermöglicht in einem solchen Fall die weitere Beschäftigung mit dem eigenen Forschungsthema.

Mareike König, Eine Brücke zwischen Journal und Blog: Interview mit Marko Demantowsky über “Public History Weekly” #wbhyp, in: Digital Humanities am DHI Paris, 05.02.2015. http://dhdhi.hypotheses.org/2358

Anlässlich der Blogparade hat Mareike König Marko Demantowsky zu “Public History Weekly” interviewt, einem Hybrid zwischen Blog und Journal, einer Initiative mit zunehmendem Erfolg. Auch bei diesem Format ist das Kommentieren möglich, eine Tätigkeit, die das “Elixier des digitalen und sozialen Publizierens” darstellt, aber leider noch nicht in gewünschtem Maße genutzt wird.

Martin Otto Braun, Vom Glück der Fragmente #wbhyp, in: EsoHist, 08.02.2015. http://esohist.hypotheses.org/34

Bloggen bedeutet auch “Mut zur Lücke”, weil die Blogartikel Fragmente darstellen, die um weitere Fragmente ergänzt werden. Beschworene Allwissenheit kann nicht den Weg aus dem Elfenbeinturm bedeuten, vielmehr beschreibt der der Autor den offenen Austausch als das eigentlich Wichtige des Bloggens.

Jürgen Hermes, Bloggen gegen Dunning-Kruger #wbhyp, in: TEXperimenTales, 08.02.2015. http://texperimentales.hypotheses.org/1267

Jürgen Hermes bloggt, wenn er sich aufregt oder wenn er mit seinen Posts etwas zur aktuellen Diskussion beitragen kann. Mitreden zu können, bedeutet womöglich manchmal sich zu überschätzen. Beim Bloggen werden die Gedanken jedoch noch einmal reflektiert, sodass diese Kommunikationsform dem Dunning-Kruger-Effekt entgegenwirkt.

Jan Heinemann, Aus der Sicht eines Skeptikers | #WBHYP, in: Zeit.Räume, 09.02.2015. http://zeitraeume.hypotheses.org/134

Ein trauriger Blick auf die Entwicklungen im universitären Wissenschaftsbetrieb und die Veränderungen in den Arbeitsweisen prägt dieser Blogbeitrag. Die Flucht in die Blogosphäre sollte nicht davon abhalten, an der eigenen Institution die Wunschvorstellungen laut auszusprechen. Der oder die Bloggenden müsse sich zudem ins Bewusstsein rufen, welche Reichweite seine Beiträge hätten, da eine nachträgliche Filterung durch die Leserin und den Leser nicht immer erfolgen könne. Dieser Artikel hat im Übrigen für reichlich Diskussion gesorgt.

Klaus Graf, Fiktion und Geschichte: Die angebliche Chronik Wenzel Grubers, Greisenklage, Johann Hollands Turnierreime und eine Zweitüberlieferung von Jakob Püterichs Ehrenbrief in der Trenbach-Chronik (1590), in: Frühneuzeit-Blog der RWTH, 10.02.2015. http://frueheneuzeit.hypotheses.org/1847

Klaus Graf hat auf eine etwas andere Art an der Blogparade teilgenommen. Anstatt über das wissenschaftliche Bloggen zu schreiben, hat er einen bedeutenden Handschriftenfund veröffentlicht und damit gezeigt, dass Wissenschaftsblogs ein legitimes Publikationsformat für wichtiges Material bietet, das locker einen Zeitschriftenaufsatz bedeutet hätte. Hier im Redaktionsblog hat er Folgendes kommentiert: “Es ist das erste Mal in der Geschichte der Geisteswissenschaften, dass eine so wichtige Entdeckung nicht in einer Fachzeitschrift, sondern in einem Blog wissenschaftlich dokumentiert wurde.”

Sascha Foerster, Der Wissenschaftsblog ist tot. Es lebe der Wissenschaftsblog. #wbhyp, in: [gab_log] Geisteswissenschaft als Beruf, 11.02.2015. http://gab.hypotheses.org/1679

Irgendwer muss mit dem Wissenschaftsbloggen beginnen. Dass diese Vorreiterposition nicht immer einfach ist und einige Frustrationstoleranz erfordert, beschreibt Sascha Foerster in seinem Beitrag. Ein etwas anderer Aufruf an Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler.

Torsten Hiltmann, Wissenschaftsblogs – die schöne neue Welt? Beitrag von Heraldica Nova zur Blogparade #wbhyp, in: Heraldica Nova, 11.02.2015. http://heraldica.hypotheses.org/2765

Wie es hinter den Kulissen eines erfolgreichen Gemeinschaftsblog aussieht, beschreibt Torsten Hiltmann in seinem Beitrag. Zwar macht ein Blog Arbeit, “und zwar mehr als man denkt”, doch der Aufwand lohnt sich: Argumente wie die flachen Kommunikationsstrukturen, die Vernetzung, die Entsakralisierung des geschriebenen Wortes, die unlimitierte Kapazität, die potentielle Echtzeitkommunikation und der Aufbau einer spezialisierten Teilöffentlichkeit sprechen für sich.

Daniel Meßner, Dissertationsprokrastinationsprojekt, #wbhyp, in: Coding History, 12.02.2015. http://codinghistory.com/blogparade-wbhyp/

Vernetzung, Visitenkarte, Selbstausbeutung, Veröffentlichen, Dissertationsprokrastinationsprojekt, Podcasting und Diskussion verbindet der Autor mit wissenschaftlichem Bloggen. Wer jedoch einen direkten “return of investment” erwartet, wird wohl wahrscheinlich enttäuscht werden.

Owena Reinke, Wissenschaftsblogs – Echte Alternative oder bloße Zeitverschwendung?, in: spubbles, 19.02.2015. https://spubbles.wordpress.com/2015/02/19/wissenschaftsblogs-echte-alternative-oder-blose-zeitverschwendung/

Verschiedene Beiträge der Blogparade werden in Beziehung zueinander gesetzt und bewertet. Was kann Bloggen alles leisten? “Alles kann, nichts muss. Textlänge und Tonalität sind keinen Regeln unterworfen, Querverweise, Videos und Abbildungen – das ganze Semantic Web kann nahezu unbegrenzt zum Einsatz kommen. ”

Alexander Weiss, Quo vadis digital History? #wbhyp, in: Zeit.Räume, 16.02.2015. http://zeitraeume.hypotheses.org/189

Der Beitrag ist ein Aufruf an die Historiker, sich der neuen Methoden, die die Digital Humanities bereithalten, zu bedienen. Eine Chance ist das Bearbeiten quantitativer Fragestellung in der Geschichtswissenschaft. Aber vor allem ist Internet nicht mit Qualitätsverlust gleichzusetzen.

Helen Knauf, Wissenschaftliche Blogs: 3x Analyse und 1x Gefühl, in: Kinder, 20.02.2015. http://kinder.hypotheses.org/553

Die Adressaten (Fachcommunity und interessierte Öffentlichkeit), Austausch, die Klärung eigener Gedanken und vor allem die Freude am Schreiben machen für Helen Knauf den Kern des wissenschaftlichen Bloggens aus.

Lucas Garske, Am Ende investieren wir Freude, in: Erbloggtes, 25.02.2015. https://erbloggtes.wordpress.com/2015/02/25/am-ende-investieren-wir-freude/

Leidenschaft an der Forschung ist das Schlagwort, weswegen Forschende die mitunter schlechten Bedingungen des Wissenschaftsbetriebs akzeptieren. Lucas Garske fordert ein Umdenken,wobei das Bloggen zwar Vorteile bietet, aber auch eine Herausforderung darstellt: “Mit der Zunahme der Popularität wissenschaftlichen Bloggens geht auch ein gesteigerter Wettbewerb um Aufmerksamkeit einher, der Wissenschaftler*innen vor neue, zusätzliche Herausforderungen stellt – und ihnen – sollten sie es nicht bloß als Hobby, sondern auch als Teil ihrer professionellen Tätigkeit betreiben wollen – zusätzliche, unbezahlte Arbeit abverlangt.”

 

#wbhyp visualisiert

Einmal eine etwas andere Perspektive auf die Blogparade, anhand der unter dem hashtag #wbhyp gesendeten Tweets.

 

#wbhyp - Visualisierung

 

Über die Blogparade hinausgehend

Im Zeitraum der Blogparade wurden weitere Texte verfasst, die zwar nicht explizit für die Blogparade geschrieben wurden, inhaltlich jedoch sehr gut passen. Auch wurde beispielsweise bei Twitter viel diskutiert. Eine Auswahl gibt es hier:

Ceskaplacka, On-line publikování v jakýchsi zákrutech, in: Česká placka, 25.01.2015. https://ceskaplacka.wordpress.com/2015/01/21/on-line-publikovani-v-jakychsi-zakrutech/

Wir würden gerne eine kurze Zusammenfassung geben, aber so gut ist unser Tschechisch dann doch nicht …

Tanja Praske, Warum ist Content-Marketing für die Kultur wichtig? #cmcb15, in: KULTUR – MUSEO – TALK, 26.01.2013. http://www.tanjapraske.de/2015/01/26/warum-ist-content-marketing-fuer-die-kultur-wichtig-cmcb15/

Eigentlich geht es in dem Blogartikel gar nicht primär um das wissenschaftliche Bloggen, aber in den Kommentaren wurden zu #wbhyp diskutiert. In ihrem Kommentar im Redaktionsblog schreibt Tanja Praske: “Auch im Unternehmensbereich stellt sich die Frage, wie ein Blog zu positionieren ist. Von mir angesprochene Punkte können abstrahiert auf #wbhyp übertragen werden: Reputationsaufbau, Autonomie von Systemen, Branding, das Blog als Arbeitsmappe.”

Markus Trapp, Digitales Publizieren in wissenschaftlichen Blogs, in: ciberaBlog, 26.01.2015. http://blog.cibera.de/2015/01/26/digitales-publizieren-in-wissenschaftlichen-blogs/

Auch außerhalb der Blogplattform wurde auf die Blogparade hingewiesen.

Herbert Hertramph, Bloggen für die Wissenschaft, in: Herbert Hertramph, 03.02.2015. http://ifpp-01.ifp.uni-ulm.de/herbert-hertramph/2015/02/bloggen-fuer-die-wissenschaft/

Twitter und Facebook machen das Bloggen nicht überflüssig.

Richard Gutjahr, Der will doch nur bloggen, in: Gutjahr, 05.02.2015. http://www.gutjahr.biz/2015/02/der-will-nur-bloggen/

Bloggende haben mir Vorurteilen und womöglich auch mit Spötteleien und abschätzenden Blicken zu kämpfen. Hier beschreibt ein Journalist seine Erfahrungen – vielleicht trifft das ein oder andere auch auf bloggende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu?

Torsten Hiltmann, Wissenschaftsblogs – die schöne neue Welt? Beitrag von Heraldica Nova zur Blogparade #wbhyp, in: Heraldica Nova, 11.02.2015. http://heraldica.hypotheses.org/2765

Dieser Beitrag war nicht nur explizit ein Beitrag für die Blogparade, sondern ein eigener Aufruf an sich. Unter dem Hashtag #citedblogpost fragte Torsten Hiltmann nach in wissenschaftlicher Literatur zitierten Blogbeiträgen. Einige Rückmeldungen gab es bereits, doch der Hashtag ist nach wie vor gültig, falls jemand eine Referenz kennt.

Florian Freistetter, Blogger vs. Journalisten: Ein völlig sinnloser Streit!, in: ScienceBlogs, 17.02.2015. http://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2015/02/17/blogger-vs-journalisten-ein-voellig-sinnloser-streit/

Ob Wissenschaftsblogs journalistische Blogs ersetzen, ist eine völlig überflüssige Debatte. Das Medium ist nicht an eine bestimmte Schreibart geknüpft, sondern stellt die Technik zur Verfügung. Ob dann wissenschaftlich oder journalistisch gebloggt wird, hängt von den Autoren ab.

René Schulz, Dr. Helmut Rönz: LVR-Blog und Bloggen in der Wissenschaft, in: 1914 – Mitten in Europa. Das Rheinland und der Erste Weltkrieg, 20.02.2015. http://1914lvr.hypotheses.org/1643

Vernetzung und Verknüpfung sind für den Erfolg eines Blogs maßgeblich, “damit Wissen und wissenschaftliche Arbeit verbreitet und popularisiert würden”. Mit ihrer offenen Struktur tragen Blogs zu einer “demokratischen Wissenschaft” bei.

Alexander Liebrecht, Blogparade zum Thema Wissenschaftsbloggen, in: Events und Aktionen für Blogger, 25.02.2015. http://internetblogger.biz/blogparade-zum-thema-wissenschaftsbloggen/

Kurz vor Schluss wurde noch einmal auf unsere Blogparade hingewiesen.

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Abbildung: 20110202-DSC_5358 von Annie, Lizenz CC BY-NC-SA 2.0

Quelle: http://redaktionsblog.hypotheses.org/2758

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Quo vadis digital History?

Der Artikel von Jan Heinemann “Aus der Sicht eines Skeptikers” hat letzte Woche für reichlich Gesprächsstoff auf unserem Blog gesorgt. Das ist gut, denn es zeigt, dass Blogs “still alive” sind. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, Jans etwas polemisch-kritischen Artikel so früh zu veröffentlichen, um die “Schmerzgrenze” auszuloten, mit der wir hier operieren können. Um so erfreuter bin ich über den sachlichen Charakter der Kommentardiskussion und hoffe, dass wir das noch viele Male so wiederholen können.

The Trend is your friend

Viele der Blogbeiträge, die ich bisher gelesen habe, loben das Digitale über den grünen Klee. Kaum ein kritisches Wort ist zu lesen, was letztlich auch zu der schreibenden Community von de.hypotheses.org passt. Menschen, die sich nicht vor der digitalen Revolution überrollen lassen wollen. Ich zähle mich auch dazu. Einer der absolut überzeugten “Digital Humanisten”. Trotzdem lese ich Beiträge wie den von Jan Heinemann gerne, da ich sie als wohltuendes Korrektiv verstehe, um das eigene Denkmuster reflektiv zu betrachten. Dennoch bin ich überzeugt: Wir stehen mit den Geisteswissenschaften vor einer wissenschaftlichen Revolution. Science 2.0, schon oft ausgerufen und doch nie so richtig angekommen, dürfte durch den Vormarsch der Digital Humanities nun tatsächlich bald auch in den Geschichtswissenschaften Einzug halten. Dieser Trend darf nicht verschlafen werden!
Mit großem Bedauern musste ich feststellen, dass es bisher größtenteils die Anglistik, Germanistik oder die Kommunikationswissenschaften sind, die sich den Methodenkoffer der Digital Humanities unter den Nagel reißen. Wo bleiben die Historiker?

Ohne in diesem Beitrag genauer auf die Definitionsproblematik der Digital Humanities einzugehen, sehe ich den größten Vorteil der Digital Humanities in den Möglichkeiten, quantitative Fragestellungen für die Geschichtswissenschaft zu entwickeln. War ein Großteil historischer Forschung bisher qualitativer Natur, so können nun durch digitale Methoden erstmals Quellen quantitativ ausgelesen und analysiert werden. Allerdings steckt diese Forschung noch in den Kinderschuhen. Warum?
Ich habe den Eindruck, dass sich viele Historiker nicht trauen, die neuen Hilfsmittel einzusetzen, da diese als zu modern und wenig erprobt gelten. Müsste es nicht auch ausreichen, wenn man wisse, wie man mittels Office Word ein Textdokument erstellt? Immerhin sind wir keine Informatiker! Diese Einstellung, mit der ich im Laufe meines Studiums immer wieder konfrontiert wurde, finde ich gefährlich. Sie führt dazu, dass die Geschichtswissenschaft zumindest methodisch das 21. Jahrhundert verschläft! Selbst in den Digital Humanities spricht niemand davon, dass Historiker ab sofort über die umfassenden Programmierkentnisse eines Informatikers verfügen müssten. Diese fälschliche Annahme kommt mir eher vor wie ein Schutzschild, hinter dem sich viele Kritiker verstecken.
Für mich zählt vielmehr das kreative Element. Neue Methoden bieten neue Möglichkeiten, neue Fragestellungen zu entwickeln und zu beantworten. Diesen Prozess kann die Geschichtswissenschaft nicht alleine gehen. Damit verbunden ist eine neue Interdisziplinarität. Ist das denn schlimm? Im Sinne des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns dürfte das eigentlich kein Grund zur Besorgnis sein. Immerhin möchte ich nicht, dass sich in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren die Informatik um einen Teil der historischen Fragestellungen kümmert und nicht mehr die Geschichtswissenschaft.

Historyblogging

Was verändert sich noch? Die Art und Weise des Wissenstransfers. Etwas überspitzt formuliert Jan Heinemann: “welchen Anreiz kann es noch geben, von Angesicht zu Angesicht wissenschaftliche Fragen zu debattieren, sich in Theorien zu graben und Satz für Satz mit seinen Kommilitonen zu zerlegen, zu hinterfragen und sich anzueignen, wenn alles irgendwo schon auf drei Seiten zusammengefasst, als gültige Wahrheit reproduziert und stets abrufbar ist?” Wer auch immer so denkt (und leider wurde ich mit genau diesen Bedenken schön des Öfteren konfrontiert), scheint das Konzept hinter der Blogosphere nicht verstanden zu haben! Niemand möchte ernsthaft eine Wissenschaft, welche sich ohne physische Interaktion lediglich vor den Bildschirmen der Computer abspielt. Die Befürchtung, dass Blogging früher oder später Seminare, Konferenzen oder gar universitäre Lehre ersetzen könnte, scheinen mir absolut haltlos. Nichts ist zielführender als Face-to-Face-Kommunikation.1 Auch die Digital Humanities werden weiterhin auf den Austausch außerhalb der digitalen Welt angewiesen sein. Die Bolgosphere bzw. das digitale Netzwerk bietet hier meiner Meinung nach eher eine diese Treffen ergänzende Plattform, auf der Themen vertieft behandelt und Diskussionen in breiterer Runde fortgeführt werden können.

Auch die Befürchtung des sinkenden Forschungsinteresses kann ich nicht teilen. Nur weil etwas im Netz veröffentlicht wird, bedeutet das nicht, dass man aufhören soll/muss, Fragen zu stellen. Kann es nicht sogar über kurz oder lang einen gegenteiligen Effekt auslösen?
Hier macht es sich die Kritik an Open Access und Digital Humanities etwas zu einfach und vergisst vor allem die immensen Vorteile, die die digitale Welt bietet.
Bleiben wir beispielsweise kurz bei der Zielgruppe. Auch darüber wurde bereits in den Kommentaren diskutiert. Sicherlich sind Wissenschaftsblogs nicht der Weisheit letzter Schluss, wenn es um die Vermittlung von Wissen bzw. Wissenstransfer geht. Allerdings sind sie ein Anfang. Oftmals wird bemängelt, wie elitär und hierarchisch universitäre Lehre aufgebaut ist. Blogs schaffen hier in mehrfacher Hinsicht Abhilfe. Sie tragen Debatten/Wissen nach außen und sind für interessierte Laien im Netz frei zugänglich abrufbar. Natürlich erreicht man nicht jeden, aber das wäre zum jetzigen Zeitpunkt sicherlich noch etwas vermessen anzunehmen. Wenn Karl-Heinz Schneider schreibt: “Ich war gerade drei Tage in Sachen “Angewandter Geschichte” unterwegs, in einer norddeutschen Kleinstadt, in der wir ein kleines Projekt zur Stadtgeschichte durchführen, aber in dem Dilemma stecken, das alle viel mehr von uns erwarten: Lösungen für Antworten, die schon lange niemand mehr gefunden hat, Unterstützung bei der alltäglichen Auseinandersetzung mit alten Herren, die keine Veränderung wollen, Aufklärung über Dinge, die niemand so richtig versteht, Abstand und Nähe zugleich. Aus der Perspektive dieser Akteure sind Debatten wie diese hier reinster Elfenbeinturm, das versteht “draußen” niemand. Muss es vielleicht auch nicht. Aber es zeigt die Grenzen des Bloggens auf. Für Laien ist das hier jedenfalls nichts“, dann hat er damit sicherlich zum Teil recht. Für Laien ist das hier nichts. Ich würde aber konstatieren, dass es für interessierte Laienhistoriker_Innen schon etwas ist, nämlich die Möglichkeit, an dieser hier geführten Debatte nicht in abgeschlossenen Elfenbeintürmen an der Universität, sondern offen zugänglich im Netz teilzuhaben!

Weiß der Blogger um die Wirkung seines Posts?

Aus der Sicht eines Skeptikers stellt Jan Heinemann in seinem Beitrag die Frage nach dem Bewusstsein über die Wirkung eigener Posts von Bloggern.
Auch dies ist eine berechtigte Frage, auf die eine Antwort gegeben werden muss. Aber wie und von wem?
Die Blogs, die den Beinamen “wissenschaftlich” bekommen wollen, müssen letztlich den selben Qualitäts- und Objektivitärsansprüchen standhalten, wie traditionelle wissenschaftliche Publikationsformen.
Müssen sie das uneingeschränkt? Gegenstimmen wie die von Klaus Graf sagen: “Wissenschaftliches Gammelfleisch bringt einen nicht um!“.2 Diese gewagte These setzt die Mär vom reflektierten und informierten Leser voraus. Diese könnten dann in den Kommentarzeilen auf inhaltliche Fehler hinweisen und bringen letztlich einen Erkenntnisgewinn für den Autor mit sich. Auch diese Methode hat etwas für sich, zeigt aber, in welcher Zwickmühle sich wissenschaftliches Bloggen momentan befindet. Das Konzept des “Publish first – filter later”3 beendet bewusst traidtionelle Denkmuster. Das Peer Review muss dabei kein zwangsläufig vorgeschalteter Prozess sein. Hubertus Kohle nennt die Alternative: “Eine Bewertung, die im Nachhinein stattfindet, kann ebenfalls ein Peer Review sein“.4 Dieses Vorgehen führt zwangsläufig zu mehr Content und mehr Content führt zwangsläufig zu einer wachsenden Unübersichtlichkeit die, wie Kohle abschließend konstatiert “nur über professionelle Recherchetechniken einigermaßen einzuhegen ist”.5

Die Chancen auf Gammelfleisch zu stoßen, sind aus den oben genannten Gründen höher als bei traditionellen Publikationsformen. Das kann dann zu einem Problem werden, wenn das Open-Peer-Review Verfahren auf unreflektierte Blog-Leser stößt. Hier muss für den Leser an einer transparenten Lösung gearbeitet werden. Nur so kann der von Jan Heinemann angesprochene “tendency to confuse quality or relevance with popularity” entgegengearbeitet und ein Trend hin zu Wissenschaftlichkeit im Netz gelegt werden. In Gänze nimmt es dem Leser das reflektierte Lesen jedoch nicht ab.

through the gates of heaven

Ich sehe das ganze Thema Digital History nicht so kritisch wie Jan Heinemann. Die Forschung darf sich nicht von der “Flut potenzieller Informationen und Quellen” verunsichern lassen. Was die Forschung braucht, sind neue Methoden zur Analyse und Filterung von Daten/Quellen. Hier sehe ich die Digital Humanities in der Pflicht. Ihre Aufgabe wird es sein, zukünftig dafür zu sorgen, dass die Flut an Quellen keinen Qualitätsverlust in der Forschung verursacht. Es muss in Forschung und Lehre bei allen Beteiligten ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass zukünftig neue “Softskills” vonnöten sind, um der Informationsflut Herr zu werden.
Aber allein die Tatsache, dass die Plattform Hypotheses stetig wächst und sogar Skeptiker wie Jan Heinemann doch lieber auf Blogs schreiben (wenn auch kritisch), als es ganz sein zu lassen, zeigt, dass wir dabei sind, eine neue Art des Wissenstransfers zu entwickeln.

add:

Kurz bevor ich diesen Artikel freigeben wollte, las ich ein Streitgespräch im Spiegel zum Thema: Wissenschaft in den Medien. Der letzte Abschnitt, der passenderweise den Titel: “Sind Blogs die Rettung?” trägt, zieht dabei für das Wissenschaftsblogging eine nüchterne Bilanz. Forscher hätten Angst, kritisch zu bloggen und fürchteten die Ausgrenzung durch Kollegen. Wenn das stimmt, ist das sicher ein Problem, dem sich die Wissenschaft annehmen muss. Damit hätten wir auch den einzigen Punkt des Gesprächs freigelegt, dem ich, sollte er stimmt, beipflichten würde.

Der Rest ist (vielleicht auch auf Grund der Intention des Spiegels) zu eintönig. Es wird schlicht bestritten, dass die Wissenschaft ohne Journalismus nicht in der Lage sei, Endnutzer zu erreichen. Dieser Vergleich hat leider etwas Schieflage, vergisst er doch die bisherigen Untersuchungen zu Blogs, die auf deren quasi-journalistischen Charakter abzielen.6   Natürlich kann keiner erwarten, dass Blogs die gleiche Reichweite besitzen wie anerkannte Journalistische Plattformen (zumindest noch nicht). Um aber auf den Titel des Streitgespräches zurückzukommen, wo denn die Wissenschaft in den “Medien”7 noch platz findet? Etwa auf den paar Seiten im Spiegel? Oder Seite 29 in der F.A.Z.? Anstatt zu bemängeln, dass einzelne Wissenschaftler und Studierende versuchen, das Interesse für Wissenschaft durch Blogs nach außen zu tragen, hätte ich mir von Herrn Wormer (lehrt Wissenschaftsjournalismus an der Uni Dortmund), Frau Lüthje (lehrt Kommunikationswissenschaften an der TU Dresden) und Herrn Fischer (lehrt Wissenschaftsgeschichte an der Uni Heidelberg) etwas mehr “Punch” gegenüber der Presse erhofft. Eines ist zuimdest für mich aus meiner eigenen Leseerfahrung her sicher:  Wissenschaftsjournalismus in der traditionellen Form gibt es in Deutschland nicht mehr!

 

  1. http://www.listeningway.com/rogers2-deu.html
  2. http://digigw.hypotheses.org/1063
  3. Shirky, Clay: Here Comes Everybody. The Power of Organizing Without Organizations2008 und Cognitive Surplus: Creativity and Generosity in a Connected Age2010.
  4. http://www.dguf.de/fileadmin/AI/ArchInf-EV_Kohle.pdf
  5. Ebda.
  6. Hecker-Stampehl, Jan: Bloggen in der Geschichtswissenschaft als Form des Wissenstransfers, in: Haber, Peter, Pfanzelter, Eva, hrg.: historyblogosphere. Bloggen in den Geschichtswissenschaften, München, 1013, S.37-51
  7. Gemeint sind damit alle Medien, die von Journalisten betrieben werden.

Quelle: http://zeitraeume.hypotheses.org/189

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Quo vadis digital History?

Der Artikel von Jan Heinemann “Aus der Sicht eines Skeptikers” hat letzte Woche für reichlich Gesprächsstoff auf unserem Blog gesorgt. Das ist gut, denn es zeigt, dass Blogs “still alive” sind. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, Jans etwas polemisch-kritischen Artikel so früh zu veröffentlichen, um die “Schmerzgrenze” auszuloten, mit der wir hier operieren können. Um so erfreuter bin ich über den sachlichen Charakter der Kommentardiskussion und hoffe, dass wir das noch viele Male so wiederholen können.

The Trend is your friend

Viele der Blogbeiträge, die ich bisher gelesen habe, loben das Digitale über den grünen Klee. Kaum ein kritisches Wort ist zu lesen, was letztlich auch zu der schreibenden Community von de.hypotheses.org passt. Menschen, die sich nicht vor der digitalen Revolution überrollen lassen wollen. Ich zähle mich auch dazu. Einer der absolut überzeugten “Digital Humanisten”. Trotzdem lese ich Beiträge wie den von Jan Heinemann gerne, da ich sie als wohltuendes Korrektiv verstehe, um das eigene Denkmuster reflektiv zu betrachten. Dennoch bin ich überzeugt: Wir stehen mit den Geisteswissenschaften vor einer wissenschaftlichen Revolution. Science 2.0, schon oft ausgerufen und doch nie so richtig angekommen, dürfte durch den Vormarsch der Digital Humanities nun tatsächlich bald auch in den Geschichtswissenschaften Einzug halten. Dieser Trend darf nicht verschlafen werden!
Mit großem Bedauern musste ich feststellen, dass es bisher größtenteils die Anglistik, Germanistik oder die Kommunikationswissenschaften sind, die sich den Methodenkoffer der Digital Humanities unter den Nagel reißen. Wo bleiben die Historiker?

Ohne in diesem Beitrag genauer auf die Definitionsproblematik der Digital Humanities einzugehen, sehe ich den größten Vorteil der Digital Humanities in den Möglichkeiten, quantitative Fragestellungen für die Geschichtswissenschaft zu entwickeln. War ein Großteil historischer Forschung bisher qualitativer Natur, so können nun durch digitale Methoden erstmals Quellen quantitativ ausgelesen und analysiert werden. Allerdings steckt diese Forschung noch in den Kinderschuhen. Warum?
Ich habe den Eindruck, dass sich viele Historiker nicht trauen, die neuen Hilfsmittel einzusetzen, da diese als zu modern und wenig erprobt gelten. Müsste es nicht auch ausreichen, wenn man wisse, wie man mittels Office Word ein Textdokument erstellt? Immerhin sind wir keine Informatiker! Diese Einstellung, mit der ich im Laufe meines Studiums immer wieder konfrontiert wurde, finde ich gefährlich. Sie führt dazu, dass die Geschichtswissenschaft zumindest methodisch das 21. Jahrhundert verschläft! Selbst in den Digital Humanities spricht niemand davon, dass Historiker ab sofort über die umfassenden Programmierkentnisse eines Informatikers verfügen müssten. Diese fälschliche Annahme kommt mir eher vor wie ein Schutzschild, hinter dem sich viele Kritiker verstecken.
Für mich zählt vielmehr das kreative Element. Neue Methoden bieten neue Möglichkeiten, neue Fragestellungen zu entwickeln und zu beantworten. Diesen Prozess kann die Geschichtswissenschaft nicht alleine gehen. Damit verbunden ist eine neue Interdisziplinarität. Ist das denn schlimm? Im Sinne des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns dürfte das eigentlich kein Grund zur Besorgnis sein. Immerhin möchte ich nicht, dass sich in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren die Informatik um einen Teil der historischen Fragestellungen kümmert und nicht mehr die Geschichtswissenschaft.

Historyblogging

Was verändert sich noch? Die Art und Weise des Wissenstransfers. Etwas überspitzt formuliert Jan Heinemann: “welchen Anreiz kann es noch geben, von Angesicht zu Angesicht wissenschaftliche Fragen zu debattieren, sich in Theorien zu graben und Satz für Satz mit seinen Kommilitonen zu zerlegen, zu hinterfragen und sich anzueignen, wenn alles irgendwo schon auf drei Seiten zusammengefasst, als gültige Wahrheit reproduziert und stets abrufbar ist?” Wer auch immer so denkt (und leider wurde ich mit genau diesen Bedenken schön des Öfteren konfrontiert), scheint das Konzept hinter der Blogosphere nicht verstanden zu haben! Niemand möchte ernsthaft eine Wissenschaft, welche sich ohne physische Interaktion lediglich vor den Bildschirmen der Computer abspielt. Die Befürchtung, dass Blogging früher oder später Seminare, Konferenzen oder gar universitäre Lehre ersetzen könnte, scheinen mir absolut haltlos. Nichts ist zielführender als Face-to-Face-Kommunikation.1 Auch die Digital Humanities werden weiterhin auf den Austausch außerhalb der digitalen Welt angewiesen sein. Die Bolgosphere bzw. das digitale Netzwerk bietet hier meiner Meinung nach eher eine diese Treffen ergänzende Plattform, auf der Themen vertieft behandelt und Diskussionen in breiterer Runde fortgeführt werden können.

Auch die Befürchtung des sinkenden Forschungsinteresses kann ich nicht teilen. Nur weil etwas im Netz veröffentlicht wird, bedeutet das nicht, dass man aufhören soll/muss, Fragen zu stellen. Kann es nicht sogar über kurz oder lang einen gegenteiligen Effekt auslösen?
Hier macht es sich die Kritik an Open Access und Digital Humanities etwas zu einfach und vergisst vor allem die immensen Vorteile, die die digitale Welt bietet.
Bleiben wir beispielsweise kurz bei der Zielgruppe. Auch darüber wurde bereits in den Kommentaren diskutiert. Sicherlich sind Wissenschaftsblogs nicht der Weisheit letzter Schluss, wenn es um die Vermittlung von Wissen bzw. Wissenstransfer geht. Allerdings sind sie ein Anfang. Oftmals wird bemängelt, wie elitär und hierarchisch universitäre Lehre aufgebaut ist. Blogs schaffen hier in mehrfacher Hinsicht Abhilfe. Sie tragen Debatten/Wissen nach außen und sind für interessierte Laien im Netz frei zugänglich abrufbar. Natürlich erreicht man nicht jeden, aber das wäre zum jetzigen Zeitpunkt sicherlich noch etwas vermessen anzunehmen. Wenn Karl-Heinz Schneider schreibt: “Ich war gerade drei Tage in Sachen “Angewandter Geschichte” unterwegs, in einer norddeutschen Kleinstadt, in der wir ein kleines Projekt zur Stadtgeschichte durchführen, aber in dem Dilemma stecken, das alle viel mehr von uns erwarten: Lösungen für Antworten, die schon lange niemand mehr gefunden hat, Unterstützung bei der alltäglichen Auseinandersetzung mit alten Herren, die keine Veränderung wollen, Aufklärung über Dinge, die niemand so richtig versteht, Abstand und Nähe zugleich. Aus der Perspektive dieser Akteure sind Debatten wie diese hier reinster Elfenbeinturm, das versteht “draußen” niemand. Muss es vielleicht auch nicht. Aber es zeigt die Grenzen des Bloggens auf. Für Laien ist das hier jedenfalls nichts“, dann hat er damit sicherlich zum Teil recht. Für Laien ist das hier nichts. Ich würde aber konstatieren, dass es für interessierte Laienhistoriker_Innen schon etwas ist, nämlich die Möglichkeit, an dieser hier geführten Debatte nicht in abgeschlossenen Elfenbeintürmen an der Universität, sondern offen zugänglich im Netz teilzuhaben!

Weiß der Blogger um die Wirkung seines Posts?

Aus der Sicht eines Skeptikers stellt Jan Heinemann in seinem Beitrag die Frage nach dem Bewusstsein über die Wirkung eigener Posts von Bloggern.
Auch dies ist eine berechtigte Frage, auf die eine Antwort gegeben werden muss. Aber wie und von wem?
Die Blogs, die den Beinamen “wissenschaftlich” bekommen wollen, müssen letztlich den selben Qualitäts- und Objektivitärsansprüchen standhalten, wie traditionelle wissenschaftliche Publikationsformen.
Müssen sie das uneingeschränkt? Gegenstimmen wie die von Klaus Graf sagen: “Wissenschaftliches Gammelfleisch bringt einen nicht um!“.2 Diese gewagte These setzt die Mär vom reflektierten und informierten Leser voraus. Diese könnten dann in den Kommentarzeilen auf inhaltliche Fehler hinweisen und bringen letztlich einen Erkenntnisgewinn für den Autor mit sich. Auch diese Methode hat etwas für sich, zeigt aber, in welcher Zwickmühle sich wissenschaftliches Bloggen momentan befindet. Das Konzept des “Publish first – filter later”3 beendet bewusst traidtionelle Denkmuster. Das Peer Review muss dabei kein zwangsläufig vorgeschalteter Prozess sein. Hubertus Kohle nennt die Alternative: “Eine Bewertung, die im Nachhinein stattfindet, kann ebenfalls ein Peer Review sein“.4 Dieses Vorgehen führt zwangsläufig zu mehr Content und mehr Content führt zwangsläufig zu einer wachsenden Unübersichtlichkeit die, wie Kohle abschließend konstatiert “nur über professionelle Recherchetechniken einigermaßen einzuhegen ist”.5

Die Chancen auf Gammelfleisch zu stoßen, sind aus den oben genannten Gründen höher als bei traditionellen Publikationsformen. Das kann dann zu einem Problem werden, wenn das Open-Peer-Review Verfahren auf unreflektierte Blog-Leser stößt. Hier muss für den Leser an einer transparenten Lösung gearbeitet werden. Nur so kann der von Jan Heinemann angesprochene “tendency to confuse quality or relevance with popularity” entgegengearbeitet und ein Trend hin zu Wissenschaftlichkeit im Netz gelegt werden. In Gänze nimmt es dem Leser das reflektierte Lesen jedoch nicht ab.

through the gates of heaven

Ich sehe das ganze Thema Digital History nicht so kritisch wie Jan Heinemann. Die Forschung darf sich nicht von der “Flut potenzieller Informationen und Quellen” verunsichern lassen. Was die Forschung braucht, sind neue Methoden zur Analyse und Filterung von Daten/Quellen. Hier sehe ich die Digital Humanities in der Pflicht. Ihre Aufgabe wird es sein, zukünftig dafür zu sorgen, dass die Flut an Quellen keinen Qualitätsverlust in der Forschung verursacht. Es muss in Forschung und Lehre bei allen Beteiligten ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass zukünftig neue “Softskills” vonnöten sind, um der Informationsflut Herr zu werden.
Aber allein die Tatsache, dass die Plattform Hypotheses stetig wächst und sogar Skeptiker wie Jan Heinemann doch lieber auf Blogs schreiben (wenn auch kritisch), als es ganz sein zu lassen, zeigt, dass wir dabei sind, eine neue Art des Wissenstransfers zu entwickeln.

add:

Kurz bevor ich diesen Artikel freigeben wollte, las ich ein Streitgespräch im Spiegel zum Thema: Wissenschaft in den Medien. Der letzte Abschnitt, der passenderweise den Titel: “Sind Blogs die Rettung?” trägt, zieht dabei für das Wissenschaftsblogging eine nüchterne Bilanz. Forscher hätten Angst, kritisch zu bloggen und fürchteten die Ausgrenzung durch Kollegen. Wenn das stimmt, ist das sicher ein Problem, dem sich die Wissenschaft annehmen muss. Damit hätten wir auch den einzigen Punkt des Gesprächs freigelegt, dem ich, sollte er stimmt, beipflichten würde.

Der Rest ist (vielleicht auch auf Grund der Intention des Spiegels) zu eintönig. Es wird schlicht bestritten, dass die Wissenschaft ohne Journalismus nicht in der Lage sei, Endnutzer zu erreichen. Dieser Vergleich hat leider etwas Schieflage, vergisst er doch die bisherigen Untersuchungen zu Blogs, die auf deren quasi-journalistischen Charakter abzielen.6   Natürlich kann keiner erwarten, dass Blogs die gleiche Reichweite besitzen wie anerkannte Journalistische Plattformen (zumindest noch nicht). Um aber auf den Titel des Streitgespräches zurückzukommen, wo denn die Wissenschaft in den “Medien”7 noch platz findet? Etwa auf den paar Seiten im Spiegel? Oder Seite 29 in der F.A.Z.? Anstatt zu bemängeln, dass einzelne Wissenschaftler und Studierende versuchen, das Interesse für Wissenschaft durch Blogs nach außen zu tragen, hätte ich mir von Herrn Wormer (lehrt Wissenschaftsjournalismus an der Uni Dortmund), Frau Lüthje (lehrt Kommunikationswissenschaften an der TU Dresden) und Herrn Fischer (lehrt Wissenschaftsgeschichte an der Uni Heidelberg) etwas mehr “Punch” gegenüber der Presse erhofft. Eines ist zuimdest für mich aus meiner eigenen Leseerfahrung her sicher:  Wissenschaftsjournalismus in der traditionellen Form gibt es in Deutschland nicht mehr!

 

  1. http://www.listeningway.com/rogers2-deu.html
  2. http://digigw.hypotheses.org/1063
  3. Shirky, Clay: Here Comes Everybody. The Power of Organizing Without Organizations2008 und Cognitive Surplus: Creativity and Generosity in a Connected Age2010.
  4. http://www.dguf.de/fileadmin/AI/ArchInf-EV_Kohle.pdf
  5. Ebda.
  6. Hecker-Stampehl, Jan: Bloggen in der Geschichtswissenschaft als Form des Wissenstransfers, in: Haber, Peter, Pfanzelter, Eva, hrg.: historyblogosphere. Bloggen in den Geschichtswissenschaften, München, 1013, S.37-51
  7. Gemeint sind damit alle Medien, die von Journalisten betrieben werden.

Quelle: http://zeitraeume.hypotheses.org/189

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Aus der Sicht eines Skeptikers | #WBHYP

Dieser polemische Kommentar aus der paradoxen Sicht eines bloggenden Digital Humanities-Skeptikers ist ein Beitrag zur Blogparade #wbhyp von de.hypotheses.org. Lasst euch nicht abschrecken, ich meine es gut…

Auf der Suche nach den digitalen Räumen – gefangen im digitalen Samsara

Alles muss digital werden, so ist nun mal der Fortschritt – und nützlich ist es ja auch (will nicht sagen bequem), die Welt zu sich bringen zu können, ohne den Schreibtisch neben der dampfenden Kaffeemaschine je verlassen zu müssen. Denn welchen Anreiz kann es noch geben, von Angesicht zu Angesicht wissenschaftliche Fragen zu debattieren, sich in Theorien zu graben und Satz für Satz mit seinen Kommilitonen zu zerlegen, zu hinterfragen und sich anzueignen, wenn alles irgendwo schon auf drei Seiten zusammengefasst, als gültige Wahrheit reproduziert und stets abrufbar ist? Im Zeitalter der Zeitlosen, wo alle getrieben, unstet, ja rasend sind, ob der Verpassens-, Versagensangst orientierungslos durch die Optionenflut wabern, scheint der Vormarsch der Digital Humanities, – die wie immer mit großer Verzögerung, auch Deutschland erreichen, beinahe als etabliert gelten können –  einen faden Beigeschmack zu haben.

In einem Beitrag zur Blogparade wird Bloggen bezeichnenderweise als „nichts weniger als die ‚Rettung‘ aus meinem (dunklen!) Elfenbeinturmzimmer” zelebriert und dies auch noch als „eine sehr schöne Begrüßung an die lesende Community“ bezeichnet. Ganz ähnlich geht es weiter, wenn frohen Mutes festgestellt wird, wissenschaftliches Bloggen helfe Studierenden ihren Schreibstil zu verbessern, Hierarchiedenken zu überwinden und einfach wissenschaftliche Erkenntnisse zu publizieren. Der Kommentar dazu, „wie wichtig es wäre, dass mehr Dozenten auf diesem Weg für Studierende erreichbar sind“, treibt es dann noch auf die Palme. Liebe Leute, ihr solltet euer Verständnis von Universität und euer studentisches (Selbst-) Bewusstsein überdenken, denn die Hierarchieüberwindung, den wissenschaftlichen Diskurs auf Augenhöhe stetig einzufordern, ist euer gutes Recht – schließlich sind Studierende wie Dozierende Kommilitonen im Dienste der Wissenschaft! Wenn Mareike König (richtigerweise) nach dem Nutzen des Bloggens, dem return of investment fragt – ist das dann Ausdruck einer Selbstkrise der Geisteswissenschaften? Haben wir (insbesondere auch die Studierenden) vergessen, warum wir Wissenschaft betreiben (oder dass wir es überhaupt tun)?!

Solche Aussagen sind darum in meinen Augen in erster Linie auch nicht Ausdruck des Mehrwertes der Digital Humanities, sondern trauriges Sinnbild für den Zustand der deutschen Universitäten, die nicht länger Ort der kritischen Wissenschaft und Reflexion, sondern produzierende Ausbildungsfabriken sind, in denen jede selbstbestimmte Forschung, jedes studentische Projekt, jede tiefgehende Diskussion bitter erkämpft werden muss.1 Und in der Tat zeigt sich damit auch schon das Dilemma des wissenschaftlichen Bloggers: Er will die Diskussion, die ungezwungenen Gedankenstrukturierung, den wissenschaftlichen Austausch und ganz sicher auch die wissenschaftliche Anerkennung der Standesgenossen – erlangen aber kann er sie über einen Blog kaum bis gar nicht, denn in Zeiten der Beschleunigung werden Beiträge, die länger als drei A4-Seiten sind, weggeklickt, müssen leicht geschrieben sein, werden Beiträge kaum gelesen und noch weniger kommentiert und geht schlicht in der Flut der Posts unter.

Insofern beschränkt das Internet sogar den Wissenserwerb, denn suchen kann ich nur, wovon ich bereits weiß. In der Zeit des schnellen Zugriffs droht das Gedankengebäude zu einem gesetzten Informationsgebäude zu verkommen. Der flächendeckende Open Access entfremdet die Studierenden noch zusätzlich von der wissenschaftlichen Diskussion – dort geht es tendenziell nur um Wissensabfrage/Wissensakkumulation, die „Automatisierung des Kollationierens und Textvergleichs“2 (ist das dann überhaupt noch Wissenschaft?) wird als Fortschritt gefeiert. Unter der reinen Quantität leidet jedoch die Qualität, wenn das Hinterfragen, Diskutieren, das Denkenlernen ausbleibt. Und schließlich: wie soll der Laie erkennen, welcher Post wissenschaftlich ist und welcher nicht? Gibt es bald den Blogging-TÜV?

Ich habe mich vor einiger Zeit auf der Plattform academia.edu angemeldet, auf der hauptsächlich „richtige“ Fachliteratur online zur Verfügung steht (und mittlerweile auch Diskussions-Sessions zu Papers möglich sind) und selbst dort kann ich kaum die Menge täglich hochgeladener Artikel und Beiträge bewältigen, die nur in den Themenbereichen liegen, die ich als meine Forschungsinteressen angegeben habe. Mit diesem Problem haben auch die Digital Humanities zu kämpfen: der Steigerungswahn (mehr Posts, mehr Leser, mehr digitale Quellen, mehr Querverweise) droht sie in die Belanglosigkeit hinab zu reißen, bevor sie überhaupt wissenschaftlich langfristig etabliert sind. Das Bloggen erscheint dann schon in weiten Teilen (wissenschaftliche Projektblogs vielleicht ausgenommen) fast als das ewige Treten im Hamsterrad, als Selbsttherapie einer verunsicherten, geängstigten, uneigenständigen Generation von Jungwissenschaftlern, die sich hinter dem Deckmantel der vermeintlichen Professionalität einigelt, als zwanghafte Selbstvergewisserung bzw. Selbstlegitimierung der Geisteswissenschaften unter der Fuchtel der ökonomisch verwertbaren MINT-Konkurrenten. Ob die Digital Humanities die „Krise der Geisteswissenschaften“ tatsächlich überwinden helfen, oder eher noch verstärken, steht eindeutig zur Disposition. Ich stimme Mareike König zu: Vergesst die wissenschaftliche Anerkennung von Blogs!

Vom Samsara zum Nirwana – wo bleibt der Erkenntnisgewinn?

Die Digital Humanities haben durchaus einen Nutzen, das will ich gar nicht bestreiten: „Digitale Informationen sind global verfügbar, und Nutzerinnen und Nutzer kommunizieren grenzüberschreitend miteinander. Methoden, Konzepte und Produkte der Digital Humanities sind daher nicht auf einen national definierbaren Raum begrenzt, sondern wirken durch das Medium grenzüberschreitend und stiften transnationales Wissen.“3 Zu diesem Zwecke braucht es Plattformen wie hypotheses.org und H-Soz-Kult.4 Denn ganz ähnlich wie die Mikrogeschichte, die sich in den 1980er/90er Jahren aus der Sozial- und Alltagsgeschichte entwickelt hat, verfügen die Digital Humanities über ein großes Potenzial, das sich aus der digitalen Erfassung von quantitativen Massenquellen ergibt, wenn diese zielführend auslesbar sind und vor allem qualitative Problemquellen zur Verfügung stehen, mit denen sie kombiniert werden können! Dieses komparatistische Element scheint jedoch noch lange nicht kategorisch implementiert zu sein: „In contrast to earlier work, digital history projects tend to be interdisciplinary and interactive, encouraging user participation and engagement with sources in multimodal and experimental ways. Much of the work is still, however, orientated towards single text based sources (e.g. corpora) and seldom ventures outside traditional disciplinary boundaries. As such, little advantage is taken of the increased possibilities for interdisciplinary science offered by digital techniques.“5

Die Ordnung des Diskurses – weiß der Blogger um die Wirkung seines Posts?

Zweifelsohne liefert das Bloggen eine hervorragende Möglichkeit, Projekte und Forschungsstände mitzuteilen, die Konzeption und Methodik zu erläutern, zu reflektieren und Menschen Einblicke zu gestatten, die sonst nie dazu kämen, diese zu erhaschen. Forschungsstände und -ergebnisse werden für jeden zugänglich: die Erfüllung des Aufklärungsideals!(?) Doch wie diese Ergebnisse präsentiert, die Beiträge geschrieben werden, hat sowohl einen massiven Einfluss darauf, ob, von wem und wie oft sie gelesen werden, aber auch welche Beiträge vom Leser präferiert werden. Hier zeichnet sich eine „tendency to confuse quality or relevance with popularity“6 ab. Außerdem trägt die Art und Weise, wie gebloggt wird, dazu bei, wie die jeweilige Geisteswissenschaft öffentlich wahrgenommen wird – ohne Qualitätssicherung und mit dem Impetus „jeder kann’s“ untergräbt das allerdings die Legitimation akademischen Disziplinen immer weiter (jedenfalls aus der Sicht derer, die die Universitäten als ökonomische Betriebe betrachten). Damit scheint das Historyblogging sich der „Angewandten Geschichte“ anzuschließen und eben zu versuchen, Geschichte zu vermitteln und Wissenschaftler und Laien in den Erkenntnisprozess einzubeziehen. Es vertritt das von der Geschichtswerkstätten-Bewegung der 1980er Jahre postulierte „zivilgesellschaftliche Credo“, nachdem jeder etwas beizutragen habe und das im Zweifelsfall der historischen Selbstverortung der Subjekte zum Steigbügelhalter gereicht.7

Man soll mich nicht falsch verstehen: Ich bin ganz vorne mit dabei, wenn es darum geht, die gesellschaftliche Bedeutung der Geisteswissenschaften zu verdeutlichen und deren gesamtgesellschaftliche Interventionen voran zu treiben! Aber ist dem Blogger seine Rolle im Diskurs bewusst? Weiß er um die hegemonialen Verschiebungen, an denen er teilhat, ohne es zu ahnen oder zu wollen, weil er sich lediglich digital erproben möchte? Wenn aufgerufen wird, alles erst mal zu posten, denn der Rezipient könne dann filtern, was gut und was schlecht ist, dann vergisst man, in welchem Medium man schreibt und dass man tendenziell Objektivierungen von Wahrheiten produziert, die der weniger reflektierende und nicht wissenschaftlich (aus-) gebildete Laie nicht als solche zu enttarnen vermag. Der Historismus, als Dogma der historischen Gesetzmäßigkeiten, steigt aus dem Grab.

Und gleiches gilt auch für den Forschenden selbst, denn wer bestimmt welche Bestände ausgewählt und digitalisiert werden, wie sie verschlagwortet werden, was die Suchmaschinenalgorithmen wie ausgeben? All das bestimmt unweigerlich die Wissenschaftspraxis und determiniert den Ausgang der Forschung, ja definiert unmittelbar den (vermeintlichen) Erkenntnisgewinn. Gleichsam stürzt es den Forschenden in eine Objektivitätskrise, in der er schlechterdings nicht mehr erkennen kann, was Original und was Kopie oder gar Fälschung ist. Die Flut potenzieller Informationen und Quellen erstickt den freien Forschergeist.8 Nochmal: Die Digital Humanities verkörpern gleichsam den gesamtgesellschaftlichen Steigerungswahn, der in der sozialen Beschleunigung schließlich zum „rasenden Stillstand“ führt.9 Mit kritischer Wissenschaft hat das unter diesen Prämissen produzierte Ergebnis sicherlich nichts mehr gemein – in ihrem Drang nach Eigenlegitimation tritt die Wissenschaft auf der Stelle oder begnügt sich mit ihrer Rolle als Zulieferer.

Und wenn die aufgeführten Kritikpunkte (zumindest teilweise) zutreffem, was ist dann überhaupt das Ziel der Digital Humanities bzw. des Historybloggings: fachwissenschaftlicher Erkenntnisgewinn und Selbstvergewisserung via Networking (eben auch im Bezug auf die Beschleunigung von Quellenzugriff und -verwertung) oder fachdidaktische Vermittlung von Geschichte (also politische Bildung)? Und wie erreicht man womit den richtigen Adressaten?

Through the gates of hell – ein skeptischer Blogger

Warum blogge ich, wenn ich so viele Zweifel hege? Weil auch ich wissenschaftlichen Blogs etwas abgewinnen kann, weil ich die Möglichkeit schätze, in einer vernetzten Welt auf (in unserem Fall wohl hauptsächlich studentische) Arbeiten und Projekte hinzuweisen, die andernfalls nur von Dozierenden, manchmal im Kreise des Institutes, selten darüber hinaus wahrgenommen werden. Aber auch weil ich es schätze, mit diesem Beitrag zur Blogparade oder fachlichen Posts an einer Debatte zu partizipieren, die ggf. eine geisteswissenschaftliche Disziplin formt und den Geisteswissenschaften zu  neuer Popularität verhilft. Dazu aber müssen einige Bedingungen erfüllt sein (oder eben nicht?), die ich oben angerissen habe. Und vielleicht sind Plattformen wie de.hypotheses.org ein primo victoria für die digitalen geisteswissenschaftlichen Diskurs auch in Deutschland – der Weg zum Ziel jedoch scheint mir noch ein weiter zu sein. Vorerst drängt sich mir auf, dass es , wie Slavoj Žižek sagt, in erster Linie darum geht, die richtigen Fragen zu stellen, nicht Antworten zu geben.

  1. Zynisch wie amüsant (jedenfalls für den kritischen Studierenden) hat das zuletzt am treffendsten wohl Birger P. Priddat auf den Punkt gebracht. Vgl. Wir werden zu Tode geprüft! Wie man trotz Bachelor, Master & Bologna intelligent studiert, Hamburg 2014.
  2. Hans-Christoph Hobohm: Rezension zu: Terras, Melissa; Nyhan, Julianne; Vanhoutte, Edward (Hrsg.): Defining Digital Humanities. A Reader. London 2013 / Warwick, Claire; Terras, Melissa; Nyhan, Julianne (Hrsg.): Digital Humanities in Practice. London 2012, in: H-Soz-Kult, 05.01.2015,<http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-22690>.
  3. Peter Haslinger: Digital Humanities und transnationale Geschichte, 07.05.2015 – 09.05.2015 Marburg, in: H-Soz-Kult, 22.10.2014,<http://www.hsozkult.de/event/id/termine-26158>.
  4. Vgl. H-Soz-Kult Redaktion: Editorial: The Status Quo of Digital Humanities in Europe, in: H-Soz-Kult, 23.10.2014,<http://www.hsozkult.de/debate/id/diskussionen-2375>.
  5. Thomas Nygren / Anna Foka / Philip Buckland: The Status Quo of Digital Humanities in Sweden: Past, Present and Future of Digital History, in: H-Soz-Kult, 23.10.2014, <http://www.hsozkult.de/debate/id/diskussionen-2402>.
  6. Thomas Nygren / Anna Foka / Philip Buckland.
  7. Vgl. Jürgen Bacia: Rezension zu: Nießer, Jacqueline; Tomann, Juliane (Hrsg.): Angewandte Geschichte. Neue Perspektiven auf Geschichte in der Öffentlichkeit. Paderborn 2014, in: H-Soz-Kult, 03.02.2015,<http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-22910>.
  8. Vgl. Hannah Janowitz: Tagungsbericht: „Wenn das Erbe in die Wolke kommt.“ Digitalisierung und kulturelles Erbe, 13.11.2014 – 14.11.2014 Bonn, in: H-Soz-Kult, 03.02.2015, <http://www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-5817>.
  9. Vgl. Hartmut Rosa: Beschleunigung.  Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne, Frankfurt am Main 2012; Hartmut Rosa: Weltbeziehungen im Zeitalter der Beschleunigung. Umrisse einer neuen Gesell-schaftskritik, Berlin 2013.

Quelle: http://zeitraeume.hypotheses.org/134

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Aus der Sicht eines Skeptikers | #WBHYP

Dieser polemische Kommentar aus der paradoxen Sicht eines bloggenden Digital Humanities-Skeptikers ist ein Beitrag zur Blogparade #wbhyp von de.hypotheses.org. Lasst euch nicht abschrecken, ich meine es gut…

Auf der Suche nach den digitalen Räumen – gefangen im digitalen Samsara

Alles muss digital werden, so ist nun mal der Fortschritt – und nützlich ist es ja auch (will nicht sagen bequem), die Welt zu sich bringen zu können, ohne den Schreibtisch neben der dampfenden Kaffeemaschine je verlassen zu müssen. Denn welchen Anreiz kann es noch geben, von Angesicht zu Angesicht wissenschaftliche Fragen zu debattieren, sich in Theorien zu graben und Satz für Satz mit seinen Kommilitonen zu zerlegen, zu hinterfragen und sich anzueignen, wenn alles irgendwo schon auf drei Seiten zusammengefasst, als gültige Wahrheit reproduziert und stets abrufbar ist? Im Zeitalter der Zeitlosen, wo alle getrieben, unstet, ja rasend sind, ob der Verpassens-, Versagensangst orientierungslos durch die Optionenflut wabern, scheint der Vormarsch der Digital Humanities, – die wie immer mit großer Verzögerung, auch Deutschland erreichen, beinahe als etabliert gelten können –  einen faden Beigeschmack zu haben.

In einem Beitrag zur Blogparade wird Bloggen bezeichnenderweise als „nichts weniger als die ‚Rettung‘ aus meinem (dunklen!) Elfenbeinturmzimmer” zelebriert und dies auch noch als „eine sehr schöne Begrüßung an die lesende Community“ bezeichnet. Ganz ähnlich geht es weiter, wenn frohen Mutes festgestellt wird, wissenschaftliches Bloggen helfe Studierenden ihren Schreibstil zu verbessern, Hierarchiedenken zu überwinden und einfach wissenschaftliche Erkenntnisse zu publizieren. Der Kommentar dazu, „wie wichtig es wäre, dass mehr Dozenten auf diesem Weg für Studierende erreichbar sind“, treibt es dann noch auf die Palme. Liebe Leute, ihr solltet euer Verständnis von Universität und euer studentisches (Selbst-) Bewusstsein überdenken, denn die Hierarchieüberwindung, den wissenschaftlichen Diskurs auf Augenhöhe stetig einzufordern, ist euer gutes Recht – schließlich sind Studierende wie Dozierende Kommilitonen im Dienste der Wissenschaft! Wenn Mareike König (richtigerweise) nach dem Nutzen des Bloggens, dem return of investment fragt – ist das dann Ausdruck einer Selbstkrise der Geisteswissenschaften? Haben wir (insbesondere auch die Studierenden) vergessen, warum wir Wissenschaft betreiben (oder dass wir es überhaupt tun)?!

Solche Aussagen sind darum in meinen Augen in erster Linie auch nicht Ausdruck des Mehrwertes der Digital Humanities, sondern trauriges Sinnbild für den Zustand der deutschen Universitäten, die nicht länger Ort der kritischen Wissenschaft und Reflexion, sondern produzierende Ausbildungsfabriken sind, in denen jede selbstbestimmte Forschung, jedes studentische Projekt, jede tiefgehende Diskussion bitter erkämpft werden muss.[1] Und in der Tat zeigt sich damit auch schon das Dilemma des wissenschaftlichen Bloggers: Er will die Diskussion, die ungezwungenen Gedankenstrukturierung, den wissenschaftlichen Austausch und ganz sicher auch die wissenschaftliche Anerkennung der Standesgenossen – erlangen aber kann er sie über einen Blog kaum bis gar nicht, denn in Zeiten der Beschleunigung werden Beiträge, die länger als drei A4-Seiten sind, weggeklickt, müssen leicht geschrieben sein, werden Beiträge kaum gelesen und noch weniger kommentiert und geht schlicht in der Flut der Posts unter.

Insofern beschränkt das Internet sogar den Wissenserwerb, denn suchen kann ich nur, wovon ich bereits weiß. In der Zeit des schnellen Zugriffs droht das Gedankengebäude zu einem gesetzten Informationsgebäude zu verkommen. Der flächendeckende Open Access entfremdet die Studierenden noch zusätzlich von der wissenschaftlichen Diskussion – dort geht es tendenziell nur um Wissensabfrage/Wissensakkumulation, die „Automatisierung des Kollationierens und Textvergleichs“[2] (ist das dann überhaupt noch Wissenschaft?) wird als Fortschritt gefeiert. Unter der reinen Quantität leidet jedoch die Qualität, wenn das Hinterfragen, Diskutieren, das Denkenlernen ausbleibt. Und schließlich: wie soll der Laie erkennen, welcher Post wissenschaftlich ist und welcher nicht? Gibt es bald den Blogging-TÜV?

Ich habe mich vor einiger Zeit auf der Plattform academia.edu angemeldet, auf der hauptsächlich „richtige“ Fachliteratur online zur Verfügung steht (und mittlerweile auch Diskussions-Sessions zu Papers möglich sind) und selbst dort kann ich kaum die Menge täglich hochgeladener Artikel und Beiträge bewältigen, die nur in den Themenbereichen liegen, die ich als meine Forschungsinteressen angegeben habe. Mit diesem Problem haben auch die Digital Humanities zu kämpfen: der Steigerungswahn (mehr Posts, mehr Leser, mehr digitale Quellen, mehr Querverweise) droht sie in die Belanglosigkeit hinab zu reißen, bevor sie überhaupt wissenschaftlich langfristig etabliert sind. Das Bloggen erscheint dann schon in weiten Teilen (wissenschaftliche Projektblogs vielleicht ausgenommen) fast als das ewige Treten im Hamsterrad, als Selbsttherapie einer verunsicherten, geängstigten, uneigenständigen Generation von Jungwissenschaftlern, die sich hinter dem Deckmantel der vermeintlichen Professionalität einigelt, als zwanghafte Selbstvergewisserung bzw. Selbstlegitimierung der Geisteswissenschaften unter der Fuchtel der ökonomisch verwertbaren MINT-Konkurrenten. Ob die Digital Humanities die „Krise der Geisteswissenschaften“ tatsächlich überwinden helfen, oder eher noch verstärken, steht eindeutig zur Disposition. Ich stimme Mareike König zu: Vergesst die wissenschaftliche Anerkennung von Blogs!

Vom Samsara zum Nirwana – wo bleibt der Erkenntnisgewinn?

Die Digital Humanities haben durchaus einen Nutzen, das will ich gar nicht bestreiten: „Digitale Informationen sind global verfügbar, und Nutzerinnen und Nutzer kommunizieren grenzüberschreitend miteinander. Methoden, Konzepte und Produkte der Digital Humanities sind daher nicht auf einen national definierbaren Raum begrenzt, sondern wirken durch das Medium grenzüberschreitend und stiften transnationales Wissen.“[3] Zu diesem Zwecke braucht es Plattformen wie hypotheses.org und H-Soz-Kult.[4] Denn ganz ähnlich wie die Mikrogeschichte, die sich in den 1980er/90er Jahren aus der Sozial- und Alltagsgeschichte entwickelt hat, verfügen die Digital Humanities über ein großes Potenzial, das sich aus der digitalen Erfassung von quantitativen Massenquellen ergibt, wenn diese zielführend auslesbar sind und vor allem qualitative Problemquellen zur Verfügung stehen, mit denen sie kombiniert werden können! Dieses komparatistische Element scheint jedoch noch lange nicht kategorisch implementiert zu sein: „In contrast to earlier work, digital history projects tend to be interdisciplinary and interactive, encouraging user participation and engagement with sources in multimodal and experimental ways. Much of the work is still, however, orientated towards single text based sources (e.g. corpora) and seldom ventures outside traditional disciplinary boundaries. As such, little advantage is taken of the increased possibilities for interdisciplinary science offered by digital techniques.“[5]

Die Ordnung des Diskurses – weiß der Blogger um die Wirkung seines Posts?

Zweifelsohne liefert das Bloggen eine hervorragende Möglichkeit, Projekte und Forschungsstände mitzuteilen, die Konzeption und Methodik zu erläutern, zu reflektieren und Menschen Einblicke zu gestatten, die sonst nie dazu kämen, diese zu erhaschen. Forschungsstände und -ergebnisse werden für jeden zugänglich: die Erfüllung des Aufklärungsideals!(?) Doch wie diese Ergebnisse präsentiert, die Beiträge geschrieben werden, hat sowohl einen massiven Einfluss darauf, ob, von wem und wie oft sie gelesen werden, aber auch welche Beiträge vom Leser präferiert werden. Hier zeichnet sich eine „tendency to confuse quality or relevance with popularity“[6] ab. Außerdem trägt die Art und Weise, wie gebloggt wird, dazu bei, wie die jeweilige Geisteswissenschaft öffentlich wahrgenommen wird – ohne Qualitätssicherung und mit dem Impetus „jeder kann’s“ untergräbt das allerdings die Legitimation akademischen Disziplinen immer weiter (jedenfalls aus der Sicht derer, die die Universitäten als ökonomische Betriebe betrachten). Damit scheint das Historyblogging sich der „Angewandten Geschichte“ anzuschließen und eben zu versuchen, Geschichte zu vermitteln und Wissenschaftler und Laien in den Erkenntnisprozess einzubeziehen. Es vertritt das von der Geschichtswerkstätten-Bewegung der 1980er Jahre postulierte „zivilgesellschaftliche Credo“, nachdem jeder etwas beizutragen habe und das im Zweifelsfall der historischen Selbstverortung der Subjekte zum Steigbügelhalter gereicht.[7]

Man soll mich nicht falsch verstehen: Ich bin ganz vorne mit dabei, wenn es darum geht, die gesellschaftliche Bedeutung der Geisteswissenschaften zu verdeutlichen und deren gesamtgesellschaftliche Interventionen voran zu treiben! Aber ist dem Blogger seine Rolle im Diskurs bewusst? Weiß er um die hegemonialen Verschiebungen, an denen er teilhat, ohne es zu ahnen oder zu wollen, weil er sich lediglich digital erproben möchte? Wenn aufgerufen wird, alles erst mal zu posten, denn der Rezipient könne dann filtern, was gut und was schlecht ist, dann vergisst man, in welchem Medium man schreibt und dass man tendenziell Objektivierungen von Wahrheiten produziert, die der weniger reflektierende und nicht wissenschaftlich (aus-) gebildete Laie nicht als solche zu enttarnen vermag. Der Historismus, als Dogma der historischen Gesetzmäßigkeiten, steigt aus dem Grab.

Und gleiches gilt auch für den Forschenden selbst, denn wer bestimmt welche Bestände ausgewählt und digitalisiert werden, wie sie verschlagwortet werden, was die Suchmaschinenalgorithmen wie ausgeben? All das bestimmt unweigerlich die Wissenschaftspraxis und determiniert den Ausgang der Forschung, ja definiert unmittelbar den (vermeintlichen) Erkenntnisgewinn. Gleichsam stürzt es den Forschenden in eine Objektivitätskrise, in der er schlechterdings nicht mehr erkennen kann, was Original und was Kopie oder gar Fälschung ist. Die Flut potenzieller Informationen und Quellen erstickt den freien Forschergeist.[8] Nochmal: Die Digital Humanities verkörpern gleichsam den gesamtgesellschaftlichen Steigerungswahn, der in der sozialen Beschleunigung schließlich zum „rasenden Stillstand“ führt.[9] Mit kritischer Wissenschaft hat das unter diesen Prämissen produzierte Ergebnis sicherlich nichts mehr gemein – in ihrem Drang nach Eigenlegitimation tritt die Wissenschaft auf der Stelle oder begnügt sich mit ihrer Rolle als Zulieferer.

Und wenn die aufgeführten Kritikpunkte (zumindest teilweise) zutreffem, was ist dann überhaupt das Ziel der Digital Humanities bzw. des Historybloggings: fachwissenschaftlicher Erkenntnisgewinn und Selbstvergewisserung via Networking (eben auch im Bezug auf die Beschleunigung von Quellenzugriff und -verwertung) oder fachdidaktische Vermittlung von Geschichte (also politische Bildung)? Und wie erreicht man womit den richtigen Adressaten?

Through the gates of hell – ein skeptischer Blogger

Warum blogge ich, wenn ich so viele Zweifel hege? Weil auch ich wissenschaftlichen Blogs etwas abgewinnen kann, weil ich die Möglichkeit schätze, in einer vernetzten Welt auf (in unserem Fall wohl hauptsächlich studentische) Arbeiten und Projekte hinzuweisen, die andernfalls nur von Dozierenden, manchmal im Kreise des Institutes, selten darüber hinaus wahrgenommen werden. Aber auch weil ich es schätze, mit diesem Beitrag zur Blogparade oder fachlichen Posts an einer Debatte zu partizipieren, die ggf. eine geisteswissenschaftliche Disziplin formt und den Geisteswissenschaften zu  neuer Popularität verhilft. Dazu aber müssen einige Bedingungen erfüllt sein (oder eben nicht?), die ich oben angerissen habe. Und vielleicht sind Plattformen wie de.hypotheses.org ein primo victoria für die digitalen geisteswissenschaftlichen Diskurs auch in Deutschland – der Weg zum Ziel jedoch scheint mir noch ein weiter zu sein. Vorerst drängt sich mir auf, dass es , wie Slavoj Žižek sagt, in erster Linie darum geht, die richtigen Fragen zu stellen, nicht Antworten zu geben.

[1] Zynisch wie amüsant (jedenfalls für den kritischen Studierenden) hat das zuletzt am treffendsten wohl Birger P. Priddat auf den Punkt gebracht. Vgl. Wir werden zu Tode geprüft! Wie man trotz Bachelor, Master & Bologna intelligent studiert, Hamburg 2014.

[2] Hans-Christoph Hobohm: Rezension zu: Terras, Melissa; Nyhan, Julianne; Vanhoutte, Edward (Hrsg.): Defining Digital Humanities. A Reader. London 2013 / Warwick, Claire; Terras, Melissa; Nyhan, Julianne (Hrsg.): Digital Humanities in Practice. London 2012, in: H-Soz-Kult, 05.01.2015,<http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-22690>.

[3] Peter Haslinger: Digital Humanities und transnationale Geschichte, 07.05.2015 – 09.05.2015 Marburg, in: H-Soz-Kult, 22.10.2014,<http://www.hsozkult.de/event/id/termine-26158>.

[4] Vgl. H-Soz-Kult Redaktion: Editorial: The Status Quo of Digital Humanities in Europe, in: H-Soz-Kult, 23.10.2014,<http://www.hsozkult.de/debate/id/diskussionen-2375>.

[5] Thomas Nygren / Anna Foka / Philip Buckland: The Status Quo of Digital Humanities in Sweden: Past, Present and Future of Digital History, in: H-Soz-Kult, 23.10.2014, <http://www.hsozkult.de/debate/id/diskussionen-2402>.

[6] Thomas Nygren / Anna Foka / Philip Buckland.

[7] Vgl. Jürgen Bacia: Rezension zu: Nießer, Jacqueline; Tomann, Juliane (Hrsg.): Angewandte Geschichte. Neue Perspektiven auf Geschichte in der Öffentlichkeit. Paderborn 2014, in: H-Soz-Kult, 03.02.2015,<http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-22910>.

[8] Vgl. Hannah Janowitz: Tagungsbericht: „Wenn das Erbe in die Wolke kommt.“ Digitalisierung und kulturelles Erbe, 13.11.2014 – 14.11.2014 Bonn, in: H-Soz-Kult, 03.02.2015, <http://www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-5817>.

[9] Vgl. Hartmut Rosa: Beschleunigung.  Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne, Frankfurt am Main 2012; Hartmut Rosa: Weltbeziehungen im Zeitalter der Beschleunigung. Umrisse einer neuen Gesell-schaftskritik, Berlin 2013.

 

Abbildung: I+C+i // Humanitats Digitals von Samuel Huron, Lizenz CC BY-NC-ND 2.0

Quelle: http://zeitraeume.hypotheses.org/134

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Eine Brücke zwischen Journal und Blog: Interview mit Marko Demantowsky über „Public History Weekly“ #wbhyp

PHWMareike König (MK): Public History Weekly (PHW) ist ein Blogjournal zu den Themen Geschichte und Geschichtsdidaktik, das seit etwa eineinhalb Jahren auf den Verlagsseiten von Oldenbourg/De Gruyter im Open Access angeboten wird. Was genau ist ein Blogjournal, oder anderes: Was ist das „Bloghafte“ an Public History Weekly, was entspricht eher einem Journal?

Mario Demantowsky (MD): Wir sind ein internationales und multilinguales Journal, das den öffentlichen Umgang mit Geschichte thematisiert, unsere BeiträgerInnen sind HistorikerInnen mit dem Schwerpunkt Geschichtsdidaktik und Geschichtskultur. Anfang September 2013 sind wir gestartet, seitdem haben wir 63 Ausgaben produziert mit jeweils 1 bis 2 sogenannten Initialbeiträgen. Auf diese Initialbeiträge haben bisher 190 in der Regel sehr ausführliche und fundierte Kommentare geantwortet.

In der Tat ist das Format ein neuartiger Hybrid, eher Wochenzeitschrift als Weblog. Die Ausgangsfrage lautete: Wie sollte eine Zeitschrift in unserem Fach heute beschaffen sein, damit sie möglichst viele potentiell Interessierte erreicht? Viele Features, die man vom Bloggen kennt, schienen uns für eine solche neuartige Zeitschrift außerordentlich hilfreich. Auch der Spirit des Bloggens, das unfertige, sich angreifbar machende Schreiben schien uns sehr hilfreich, um Interessierte zu erreichen.

Aber es gibt natürlich wesentliche Unterschiede zu einem Weblog, vor allem in Hinsicht Periodizität und Formatstandards. Die LeserInnen können sich auf Folgendes verlassen:

-          Die Beiträge erscheinen absolut regelmäßig zu einer festen Zeit, ja zu einer festen Minute: donnerstags, 8 Uhr MEZ.
-          Sie haben ein festes Format und erfüllen alle Ansprüche an wissenschaftliches Publizieren.
-          Die Kommentare werden redaktionell betreut. Bei PHW erscheint nichts, was nicht durch eine formale und inhaltliche Qualitätskontrolle gegangen ist.
-          Auch die Kommentare erscheinen zu festgelegten Zeiten.
-          Es ist möglich, ganz frei zu kommentieren. Wir bitten allerdings bei den meisten Beiträgen, auch 1-2 ExpertInnen um eine Stellungnahme (Peer Comment).

Aber auch von Fachzeitschriften unterscheidet uns natürlich vieles:

-          Unsere thematischen Beiträge beginnen mit einem "Initialbeitrag", der möglichst "anstößig" geschrieben, nicht für sich stehen soll, sondern auf direkte Diskussion abzielt. Die nach allen Regeln der Kunst erfolgende Erschließung in wissenschaftlichen Datenbanken bezieht sich dann auf die gesamte Texteinheit, die Initialbeiträge, Kommentare und AutorIn-Replik einschließt. Diese multiperspektivischen, kontroversen Texteinheiten sind m.E. eine ganze neue wissenschaftliche Textgattung. Damit das so sein kann, muss der Thread nach der Replik auch abgeschlossen werden. Soziales digitales Publizieren muss kein endlos mäanderndes Geschehen sein, zitierfähig wird das Ganze erst durch den Abschluss (siehe dazu auch Groebners Kritiken am digitalen Publizieren).

-          Wir arbeiten mit festen Stammautoren, die sich mindestens für 2 Jahre verpflichten. Auch diese Eigenart hat ganz pragmatische Gründe: Ein zuverlässiger wöchentlicher Erscheinungsturnus braucht im Hintergrund für Redaktion und Autoren absolut verlässliche Strukturen. Dank unserer Stammautorenriege können wir Redaktionspläne mit einem Vorlauf von 12 Monaten erarbeiten. Darüber hinaus stellt das Schreiben bei uns an unserer AutorInnen ganz neue Anforderungen, die einen formatspezifischen Professionalisierungsprozess nach sich ziehen, dem dient eine intensive Betreuung der AutorInnen durch die Redaktion ebenso wie nicht zuletzt unsere jährlichen Editorial Meetings in Basel. Dazu stossen immer wieder GastautorInnen als Überraschungsgäste.

Schließlich: Wir sind kein klassisches Verlagsprodukt und sind auch nicht auf Verlagsseiten verankert, sondern wir sind ein Kooperationsprojekt der Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz mit dem De Gruyter Oldenbourg Verlag. Deshalb ist der Website auch neutral, seine technische Basis wird allerdings vom Verlag bereitgestellt und gewartet. Auch das macht unseren neuartigen Hybridcharakter aus. Wir lösen uns aus der müßigen Konfrontation von "alten" Wissenschaftsverlagen contra neuer Publikationskultur. Es ist De Gruyter Oldenbourg und dort v.a. Martin Rethmeier außerordentlich hoch anzurechnen, dass er sich auf dieses (teure) Experiment eingelassen hat.

MK: Der Untertitel von PHW lautet „Blogjournal for History and Civil Education“. Welche Themen werden in den wöchentlichen Ausgaben aufgegriffen? Wie kommen Sie auf Ihre Autorinnen und Autoren?

MD: Der Untertitel auf der Website ist renovierungsbedürftig. Bei Twitter und Facebook firmieren wir als BlogJournal for Public Use of History and History & Civics Education. Der explizit geschichtsdidaktische Bezug erscheint uns sinnvoll, weil der Einbezug des schulischen Geschehens in die kritische Geschichtskulturdebatte nach unserem Dafürhalten für beide Seiten wichtig und – zumindest in der angelsächsischen Community – neu ist. Geschichtsunterricht ist ein sublimer Ausdruck vorherrschender historischer Basisnarrative und bedarf der kritischen geschichtskulturellen Einordnung. Gleichermaßen wird man die Rezipienten musealer oder massenmedialer Angebote nicht erklären können, wenn man den Geschichtsunterricht als historische Sozialisationsinstanz außer Acht lässt. Wir wollen bei PHW die beiden Diskurse also zusammenführen.

Die thematische Wahl der einzelnen Beiträge bleibt den StammautorInnen völlig überlassen. Die jährlichen Meetings und ihre Diskussionen helfen natürlich, ein sinnvolles thematisches Spektrum näher zu bestimmen, aber für die Zuverlässigkeit der Texteinreichung bleibt die pure, wissenschaftsbetriebsferne Lust entscheidend, mit der sich AutorInnen auf uns einzulassen vermögen.

Wir haben uns in einem ersten Schritt bewusst bemüht, jüngere, namhafte und gleichwohl nicht-netzaffine ProfessorInnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz anzusprechen und sind dabei auf ein großes Wohlwollen gestoßen, wofür ich auch nach zwei Jahren noch dankbar bin. In einem zweiten Schritt haben wir 2013 die Riege unserer StammautorInnen multilingual erweitert. Das Ziel bestand darin, führende VertreterInnen aus den separierten Diskursen zur Public History aus Argentinien, Australien, Kanada, Mexiko, Russland, Südafrika, USA und der Türkei zu gewinnen. Auch das hat sehr gut funktioniert. Im Herbst 2015 wird es bei PHW einen weiteren Globalisierungsschub geben.

MK: Ein kurzer Blick auf die Statistik, wenn es erlaubt ist: Wie hoch sind die Zugriffe auf das wöchentlich erscheinende Blogjournal? Welche Themen laufen besonders gut, sowohl vom Zugriff als auch von den Kommentaren her?

MD: Ich habe auf diese Frage vor Monaten freimütiger geantwortet als heute. Das liegt daran, dass ich den uns zugänglichen Zählmethoden nicht mehr ganz traue. Es gibt den eigenen WordPress-Zähler, es gibt das WordPress Add-on Google Analytics Summary, und es gibt das Google Analytics Tool selbst. Jeweils differente Zahlen. Hält man sich an letzteres, was mir am zuverlässigsten scheint, sollte man bedenken, dass alle User mit Cookie-Blocker nicht erfasst werden. Das dürften gerade in unserer netzaffinen Leserschaft nicht wenige sein. Insofern sind die Zahlen mit Vorsicht zu behandeln, solche Angaben sind grundsätzlich ja auch schwer nachzuprüfen ... Google Analytics bietet allerdings eine Reihe interessanter Features, die Tendenzen erkennen lassen. Mit einigen konservativen Berechnungen sind wir im vorigen Jahr  auf mindestens 4000 StammleserInnen gekommen (ca. 32.000 unique clients). Im vergangenen September haben wir auf multilingualen Betrieb umgestellt, seitdem wächst die Leserschaft, und sie wird naturgemäß internationaler.

In der Tat gibt es große Zugriffsdifferenzen zwischen den einzelnen Beiträgen. Das ist jeweils kein inhaltliches Gut/Schlecht-Kriterium, Aufsehen erregen die Besonderheiten. Inzwischen haben sich aber doch echte PHW-Stars mit stabil großem Erfolg herausgebildet, wie Prof. Dr. Markus Bernhardt, der für 2013/14 von unserem Advisory Board denn auch ausgezeichnet worden ist. Es laufen aber bei allen AutorInnen die Themen gut, die einen wirklichen Informationsgewinn versprechen, die eine These verfechten und die auch gerne Angriffsfläche bieten. Unsere Artikel sind im wahrsten Sinne anstößig, wenn sie funktionieren. Ein letzter Punkt: In den ersten Monaten hat sich das Interesse immer sehr fokussiert einzelnen Beiträgen zugewandt, inzwischen bemerken wir eine breite Diversifizierung des Interesses. Dafür ist zum einen die gestiegene Zahl der Beiträge verantwortlich (inzwischen 79). Aber vor allem auch im Nachhinein eingebaute Features wie das Issues- und das Contents-Menü, die die Vielfalt und die Vielzahl unserer Artikel wie ein klassisches Inhaltsverzeichnis dauerhaft präsent halten. Wir sind von daher nicht mehr nur eine Art von Wochenzeitschrift, sondern zunehmend auch ein Ideen- und Anregungspool.

MK: Die Beiträge des Blogjournals können kommentiert werden. Jedoch nicht beliebig: die Kommentare werden redaktionell betreut, laut Guidelines sollen sie „eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Initialbeitrag"[1] darstellen, teilweise werden Kommentare auch eingeworben, und sie werden nur zu Office-Zeiten freigeschalten. Nach einigen Wochen wird der Kommentar-Threat geschlossen. Warum diese Beschränkungen?

MD: Einiges habe ich oben schon beantwortet. Hier möchte ich nur auf einen weiteren wichtigen Aspekt eingehen: Social Media hat außerhalb der "Social-Media-Bubble" einen schlechten Ruf. Dieser speist sich einerseits natürlich aus einer gewissen grundsätzlichen kulturkonservativen Distanz gegenüber dem "Neuland". (Früher musste man bei diesem Begriff übrigens auf Scholochow verweisen, heute auf Merkel. Wer Merkels Neuland-Begriff aber verstehen will, sollte die DDR-Schulpflichtlektüre "Neuland unterm Pflug" einmal nachholen. Ich schweife ab.) Andererseits stehen dahinter natürlich auch mehr oder minder substantielle Erfahrungen mit wirklichen Fehlentwicklungen in der Social-Media-Kommunikation, vor allem der Trollerei. Unsere Hauptarbeit besteht also darin, diese Widerstände zu verflüssigen, jenseits der Probleme die wissenschaftlichen Potentiale deutlich zu machen. Wir sehen uns da tatsächlich als Brückenbauer. Also haben wir ein Tool konstruiert, dass die Vorteile der Social Media für Wissenschaftskommunikation ausschöpft und gleichzeitig die Risiken zu minimieren versucht. Das erreichen wir durch eine kleine Retardierung der Echtzeitigkeit und durch vorsichtige und sehr liberale Moderation.

MK: Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Kommentieren gemacht? Wie schwierig ist es, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zum Kommentieren zu bringen?

MD: Sehr schwierig, oft. Zur Begründung siehe vorige Antwort. Allerdings ist schon zu sagen, dass im Sinne des Formats gute, also anstößige Beiträge nicht lange auf Kommentare zu warten brauchen. Uns liegt aber auch schon sehr daran, zusätzlich ExpertInnen-Stimmen in die Diskussionen einzuladen, die von sich aus wegen der hinlänglich bekannten strapazierten Zeitbudgets vielleicht nicht kommentieren würden. Manch prominente Stimme will auch grundsätzlich eingeladen werden. Das zu den "Peer Comments".

Dazu kommt, das gilt aber ebenso für die Initialbeiträge: Viele KollegInnen sind es gar nicht gewöhnt, für eine echte Öffentlichkeit zu schreiben, so wie wir sie fachspezifisch sicher erreichen. Man wacht aus dem Schreiben von länglichen Sammelbandbeiträgen auf und soll für uns kommentieren, am besten von einem Tag auf den anderen. So schnell, so öffentlich und widersprechbar, da werden bei manchen offenbar doch Gefühle der Beklemmung geweckt. Das kann zurzeit sicher gar nicht anders sein, aber es markiert auch die große kulturelle Herausforderung, vor der sich die hochspezialisierte Wissenschaft, heute im digitalen Wandel mehr als je zuvor, plötzlich wieder sieht. Die berufliche Dimension "public intellectual" haben viele KollegInnen gar nicht mehr auf dem Zettel.

MK: Haben Sie Tipps und Hinweise für Bloggende, die mehr Kommentare einwerben möchten? Was ist zu beachten? Oder werden Kommentare überschätzt?

MD: Nein, Kommentare werden nicht überschätzt, sondern sind das Elixier des digitalen und sozialen Publizierens.

Das Grundproblem, angesehene WissenschaftlerInnen zum Kommentieren zu bringen, ist ein ökonomisches: Das Zeitbudget ist so extrem verknappt, der Arbeitsstau so hoch, dass man – wenn schon nicht nach dem finanziellen – dann nach dem Kriterium des Reputationsgewinns Aufgaben sortieren und aussortieren muss. Wir haben durch die Zusammenarbeit mit einem angesehenen Verlag, durch die Auswahl der StammautorInnen und des Advisory Boards, durch die Investition in Datenbankerschließung und in das Layout versucht, das Reputationsproblem zu lösen. Das war und ist für uns eine große Herausforderung, vor allem in der Perspektive einer nachhaltigen Etablierung von Reputationszuweisung! Ich denke, wir sind auf einem guten Weg.

MK: Kann eine Mischform zwischen Blog und Journal, wie es „Public History Weekly“ darstellt, dem Bloggen zu mehr wissenschaftlicher Akzeptanz verhelfen?

MD: Ja, das hoffe ich. Allgemeiner besteht die Hoffnung darin, das mehr und mehr KollegInnen über die Brücke von PHW sich der Kommunikation in den sozialen Medien annehmen, verstehen, welches Potential diese Formate bereitstellen und wie wichtig es ist, dass ihre Stimmen auch dort gehört werden und zur Geltung kommen.

MK: Bloggen Sie selbst? Wenn ja, worüber?

MD: Ich setze mich als geschäftsführender Herausgeber von PHW auch der Beurteilung und der Diskussion um eigene Initialbeiträge aus. Das führt manchmal in einen double bind, aber es macht mir auch Spaß. Neben meiner aufreibenden Tätigkeit in Basel, meinen "normalen" wissenschaftlichen Verpflichtungen und der Redaktionsarbeit bei PHW komme ich leider nicht zu einem eigenen Weblog (meine Professur pflegt allerdings einen). In einer idealen Welt hätte ich dafür Zeit, irgendwann hoffentlich ist es möglich. Ich verstehe und schätze das Prinzip des Wissenschaftsbloggens und bin ein wirklich großer Bewunderer der bloggenden KollegInnen, die ich jetzt nicht einzeln nennen möchte, die aber wissen, dass ich sie meine.

MK: Wie geht es weiter mit dem Blogjournal? Welche Pläne haben Sie für die Zukunft? Wird die Waage eher in Richtung Journal oder eher in Richtung Blog ausschlagen?

MD: Wir kultivieren erst einmal unseren Hybridcharakter. Ich glaube, nur so können wir unsere Brückenfunktion wahrnehmen. Bis 2016 läuft der Kooperationsvertrag, ist unsere Finanzierung gesichert. Meine Hochschule investiert einen erheblichen Betrag in die Redaktionsarbeit, der Verlag in die technische Basis und das Marketing. Wie es ab 2016 weitergeht, wissen wir im Moment noch nicht. Insbesondere unsere neuartige Multilingualität sorgt für Kosten, die wir ursprünglich nicht budgetiert hatten. Wir starten dazu in diesem Frühjahr ein Crowdfunding, und es wäre für das Projekt insgesamt von größter Bedeutung, dass sich möglichst viele unserer LeserInnen bereit finden könnten, etwas dazu beizutragen.

MK: Vielen Dank für das Interview!

____

Das Interview versteht sich als Beitrag zur Blogparade "Wissenschaftsbloggen - zurück in die Zukunft #wbhyp". Marko Demantowsky hat die Fragen schriftlich beantwortet.

 

  1. Siehe Guidelines von Public History Weekly, http://public-history-weekly.oldenbourg-verlag.de/contribute/.

Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/2358

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Eine Brücke zwischen Journal und Blog: Interview mit Marko Demantowsky über „Public History Weekly“ #wbhyp

PHWMareike König (MK): Public History Weekly (PHW) ist ein Blogjournal zu den Themen Geschichte und Geschichtsdidaktik, das seit etwa eineinhalb Jahren auf den Verlagsseiten von Oldenbourg/De Gruyter im Open Access angeboten wird. Was genau ist ein Blogjournal, oder anderes: Was ist das „Bloghafte“ an Public History Weekly, was entspricht eher einem Journal?

Mario Demantowsky (MD): Wir sind ein internationales und multilinguales Journal, das den öffentlichen Umgang mit Geschichte thematisiert, unsere BeiträgerInnen sind HistorikerInnen mit dem Schwerpunkt Geschichtsdidaktik und Geschichtskultur. Anfang September 2013 sind wir gestartet, seitdem haben wir 63 Ausgaben produziert mit jeweils 1 bis 2 sogenannten Initialbeiträgen. Auf diese Initialbeiträge haben bisher 190 in der Regel sehr ausführliche und fundierte Kommentare geantwortet.

In der Tat ist das Format ein neuartiger Hybrid, eher Wochenzeitschrift als Weblog. Die Ausgangsfrage lautete: Wie sollte eine Zeitschrift in unserem Fach heute beschaffen sein, damit sie möglichst viele potentiell Interessierte erreicht? Viele Features, die man vom Bloggen kennt, schienen uns für eine solche neuartige Zeitschrift außerordentlich hilfreich. Auch der Spirit des Bloggens, das unfertige, sich angreifbar machende Schreiben schien uns sehr hilfreich, um Interessierte zu erreichen.

Aber es gibt natürlich wesentliche Unterschiede zu einem Weblog, vor allem in Hinsicht Periodizität und Formatstandards. Die LeserInnen können sich auf Folgendes verlassen:

-          Die Beiträge erscheinen absolut regelmäßig zu einer festen Zeit, ja zu einer festen Minute: donnerstags, 8 Uhr MEZ.
-          Sie haben ein festes Format und erfüllen alle Ansprüche an wissenschaftliches Publizieren.
-          Die Kommentare werden redaktionell betreut. Bei PHW erscheint nichts, was nicht durch eine formale und inhaltliche Qualitätskontrolle gegangen ist.
-          Auch die Kommentare erscheinen zu festgelegten Zeiten.
-          Es ist möglich, ganz frei zu kommentieren. Wir bitten allerdings bei den meisten Beiträgen, auch 1-2 ExpertInnen um eine Stellungnahme (Peer Comment).

Aber auch von Fachzeitschriften unterscheidet uns natürlich vieles:

-          Unsere thematischen Beiträge beginnen mit einem "Initialbeitrag", der möglichst "anstößig" geschrieben, nicht für sich stehen soll, sondern auf direkte Diskussion abzielt. Die nach allen Regeln der Kunst erfolgende Erschließung in wissenschaftlichen Datenbanken bezieht sich dann auf die gesamte Texteinheit, die Initialbeiträge, Kommentare und AutorIn-Replik einschließt. Diese multiperspektivischen, kontroversen Texteinheiten sind m.E. eine ganze neue wissenschaftliche Textgattung. Damit das so sein kann, muss der Thread nach der Replik auch abgeschlossen werden. Soziales digitales Publizieren muss kein endlos mäanderndes Geschehen sein, zitierfähig wird das Ganze erst durch den Abschluss (siehe dazu auch Groebners Kritiken am digitalen Publizieren).

-          Wir arbeiten mit festen Stammautoren, die sich mindestens für 2 Jahre verpflichten. Auch diese Eigenart hat ganz pragmatische Gründe: Ein zuverlässiger wöchentlicher Erscheinungsturnus braucht im Hintergrund für Redaktion und Autoren absolut verlässliche Strukturen. Dank unserer Stammautorenriege können wir Redaktionspläne mit einem Vorlauf von 12 Monaten erarbeiten. Darüber hinaus stellt das Schreiben bei uns an unserer AutorInnen ganz neue Anforderungen, die einen formatspezifischen Professionalisierungsprozess nach sich ziehen, dem dient eine intensive Betreuung der AutorInnen durch die Redaktion ebenso wie nicht zuletzt unsere jährlichen Editorial Meetings in Basel. Dazu stossen immer wieder GastautorInnen als Überraschungsgäste.

Schließlich: Wir sind kein klassisches Verlagsprodukt und sind auch nicht auf Verlagsseiten verankert, sondern wir sind ein Kooperationsprojekt der Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz mit dem De Gruyter Oldenbourg Verlag. Deshalb ist der Website auch neutral, seine technische Basis wird allerdings vom Verlag bereitgestellt und gewartet. Auch das macht unseren neuartigen Hybridcharakter aus. Wir lösen uns aus der müßigen Konfrontation von "alten" Wissenschaftsverlagen contra neuer Publikationskultur. Es ist De Gruyter Oldenbourg und dort v.a. Martin Rethmeier außerordentlich hoch anzurechnen, dass er sich auf dieses (teure) Experiment eingelassen hat.

MK: Der Untertitel von PHW lautet „Blogjournal for History and Civil Education“. Welche Themen werden in den wöchentlichen Ausgaben aufgegriffen? Wie kommen Sie auf Ihre Autorinnen und Autoren?

MD: Der Untertitel auf der Website ist renovierungsbedürftig. Bei Twitter und Facebook firmieren wir als BlogJournal for Public Use of History and History & Civics Education. Der explizit geschichtsdidaktische Bezug erscheint uns sinnvoll, weil der Einbezug des schulischen Geschehens in die kritische Geschichtskulturdebatte nach unserem Dafürhalten für beide Seiten wichtig und – zumindest in der angelsächsischen Community – neu ist. Geschichtsunterricht ist ein sublimer Ausdruck vorherrschender historischer Basisnarrative und bedarf der kritischen geschichtskulturellen Einordnung. Gleichermaßen wird man die Rezipienten musealer oder massenmedialer Angebote nicht erklären können, wenn man den Geschichtsunterricht als historische Sozialisationsinstanz außer Acht lässt. Wir wollen bei PHW die beiden Diskurse also zusammenführen.

Die thematische Wahl der einzelnen Beiträge bleibt den StammautorInnen völlig überlassen. Die jährlichen Meetings und ihre Diskussionen helfen natürlich, ein sinnvolles thematisches Spektrum näher zu bestimmen, aber für die Zuverlässigkeit der Texteinreichung bleibt die pure, wissenschaftsbetriebsferne Lust entscheidend, mit der sich AutorInnen auf uns einzulassen vermögen.

Wir haben uns in einem ersten Schritt bewusst bemüht, jüngere, namhafte und gleichwohl nicht-netzaffine ProfessorInnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz anzusprechen und sind dabei auf ein großes Wohlwollen gestoßen, wofür ich auch nach zwei Jahren noch dankbar bin. In einem zweiten Schritt haben wir 2013 die Riege unserer StammautorInnen multilingual erweitert. Das Ziel bestand darin, führende VertreterInnen aus den separierten Diskursen zur Public History aus Argentinien, Australien, Kanada, Mexiko, Russland, Südafrika, USA und der Türkei zu gewinnen. Auch das hat sehr gut funktioniert. Im Herbst 2015 wird es bei PHW einen weiteren Globalisierungsschub geben.

MK: Ein kurzer Blick auf die Statistik, wenn es erlaubt ist: Wie hoch sind die Zugriffe auf das wöchentlich erscheinende Blogjournal? Welche Themen laufen besonders gut, sowohl vom Zugriff als auch von den Kommentaren her?

MD: Ich habe auf diese Frage vor Monaten freimütiger geantwortet als heute. Das liegt daran, dass ich den uns zugänglichen Zählmethoden nicht mehr ganz traue. Es gibt den eigenen WordPress-Zähler, es gibt das WordPress Add-on Google Analytics Summary, und es gibt das Google Analytics Tool selbst. Jeweils differente Zahlen. Hält man sich an letzteres, was mir am zuverlässigsten scheint, sollte man bedenken, dass alle User mit Cookie-Blocker nicht erfasst werden. Das dürften gerade in unserer netzaffinen Leserschaft nicht wenige sein. Insofern sind die Zahlen mit Vorsicht zu behandeln, solche Angaben sind grundsätzlich ja auch schwer nachzuprüfen ... Google Analytics bietet allerdings eine Reihe interessanter Features, die Tendenzen erkennen lassen. Mit einigen konservativen Berechnungen sind wir im vorigen Jahr  auf mindestens 4000 StammleserInnen gekommen (ca. 32.000 unique clients). Im vergangenen September haben wir auf multilingualen Betrieb umgestellt, seitdem wächst die Leserschaft, und sie wird naturgemäß internationaler.

In der Tat gibt es große Zugriffsdifferenzen zwischen den einzelnen Beiträgen. Das ist jeweils kein inhaltliches Gut/Schlecht-Kriterium, Aufsehen erregen die Besonderheiten. Inzwischen haben sich aber doch echte PHW-Stars mit stabil großem Erfolg herausgebildet, wie Prof. Dr. Markus Bernhardt, der für 2013/14 von unserem Advisory Board denn auch ausgezeichnet worden ist. Es laufen aber bei allen AutorInnen die Themen gut, die einen wirklichen Informationsgewinn versprechen, die eine These verfechten und die auch gerne Angriffsfläche bieten. Unsere Artikel sind im wahrsten Sinne anstößig, wenn sie funktionieren. Ein letzter Punkt: In den ersten Monaten hat sich das Interesse immer sehr fokussiert einzelnen Beiträgen zugewandt, inzwischen bemerken wir eine breite Diversifizierung des Interesses. Dafür ist zum einen die gestiegene Zahl der Beiträge verantwortlich (inzwischen 79). Aber vor allem auch im Nachhinein eingebaute Features wie das Issues- und das Contents-Menü, die die Vielfalt und die Vielzahl unserer Artikel wie ein klassisches Inhaltsverzeichnis dauerhaft präsent halten. Wir sind von daher nicht mehr nur eine Art von Wochenzeitschrift, sondern zunehmend auch ein Ideen- und Anregungspool.

MK: Die Beiträge des Blogjournals können kommentiert werden. Jedoch nicht beliebig: die Kommentare werden redaktionell betreut, laut Guidelines sollen sie „eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Initialbeitrag"[1] darstellen, teilweise werden Kommentare auch eingeworben, und sie werden nur zu Office-Zeiten freigeschalten. Nach einigen Wochen wird der Kommentar-Threat geschlossen. Warum diese Beschränkungen?

MD: Einiges habe ich oben schon beantwortet. Hier möchte ich nur auf einen weiteren wichtigen Aspekt eingehen: Social Media hat außerhalb der "Social-Media-Bubble" einen schlechten Ruf. Dieser speist sich einerseits natürlich aus einer gewissen grundsätzlichen kulturkonservativen Distanz gegenüber dem "Neuland". (Früher musste man bei diesem Begriff übrigens auf Scholochow verweisen, heute auf Merkel. Wer Merkels Neuland-Begriff aber verstehen will, sollte die DDR-Schulpflichtlektüre "Neuland unterm Pflug" einmal nachholen. Ich schweife ab.) Andererseits stehen dahinter natürlich auch mehr oder minder substantielle Erfahrungen mit wirklichen Fehlentwicklungen in der Social-Media-Kommunikation, vor allem der Trollerei. Unsere Hauptarbeit besteht also darin, diese Widerstände zu verflüssigen, jenseits der Probleme die wissenschaftlichen Potentiale deutlich zu machen. Wir sehen uns da tatsächlich als Brückenbauer. Also haben wir ein Tool konstruiert, dass die Vorteile der Social Media für Wissenschaftskommunikation ausschöpft und gleichzeitig die Risiken zu minimieren versucht. Das erreichen wir durch eine kleine Retardierung der Echtzeitigkeit und durch vorsichtige und sehr liberale Moderation.

MK: Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Kommentieren gemacht? Wie schwierig ist es, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zum Kommentieren zu bringen?

MD: Sehr schwierig, oft. Zur Begründung siehe vorige Antwort. Allerdings ist schon zu sagen, dass im Sinne des Formats gute, also anstößige Beiträge nicht lange auf Kommentare zu warten brauchen. Uns liegt aber auch schon sehr daran, zusätzlich ExpertInnen-Stimmen in die Diskussionen einzuladen, die von sich aus wegen der hinlänglich bekannten strapazierten Zeitbudgets vielleicht nicht kommentieren würden. Manch prominente Stimme will auch grundsätzlich eingeladen werden. Das zu den "Peer Comments".

Dazu kommt, das gilt aber ebenso für die Initialbeiträge: Viele KollegInnen sind es gar nicht gewöhnt, für eine echte Öffentlichkeit zu schreiben, so wie wir sie fachspezifisch sicher erreichen. Man wacht aus dem Schreiben von länglichen Sammelbandbeiträgen auf und soll für uns kommentieren, am besten von einem Tag auf den anderen. So schnell, so öffentlich und widersprechbar, da werden bei manchen offenbar doch Gefühle der Beklemmung geweckt. Das kann zurzeit sicher gar nicht anders sein, aber es markiert auch die große kulturelle Herausforderung, vor der sich die hochspezialisierte Wissenschaft, heute im digitalen Wandel mehr als je zuvor, plötzlich wieder sieht. Die berufliche Dimension "public intellectual" haben viele KollegInnen gar nicht mehr auf dem Zettel.

MK: Haben Sie Tipps und Hinweise für Bloggende, die mehr Kommentare einwerben möchten? Was ist zu beachten? Oder werden Kommentare überschätzt?

MD: Nein, Kommentare werden nicht überschätzt, sondern sind das Elixier des digitalen und sozialen Publizierens.

Das Grundproblem, angesehene WissenschaftlerInnen zum Kommentieren zu bringen, ist ein ökonomisches: Das Zeitbudget ist so extrem verknappt, der Arbeitsstau so hoch, dass man – wenn schon nicht nach dem finanziellen – dann nach dem Kriterium des Reputationsgewinns Aufgaben sortieren und aussortieren muss. Wir haben durch die Zusammenarbeit mit einem angesehenen Verlag, durch die Auswahl der StammautorInnen und des Advisory Boards, durch die Investition in Datenbankerschließung und in das Layout versucht, das Reputationsproblem zu lösen. Das war und ist für uns eine große Herausforderung, vor allem in der Perspektive einer nachhaltigen Etablierung von Reputationszuweisung! Ich denke, wir sind auf einem guten Weg.

MK: Kann eine Mischform zwischen Blog und Journal, wie es „Public History Weekly“ darstellt, dem Bloggen zu mehr wissenschaftlicher Akzeptanz verhelfen?

MD: Ja, das hoffe ich. Allgemeiner besteht die Hoffnung darin, das mehr und mehr KollegInnen über die Brücke von PHW sich der Kommunikation in den sozialen Medien annehmen, verstehen, welches Potential diese Formate bereitstellen und wie wichtig es ist, dass ihre Stimmen auch dort gehört werden und zur Geltung kommen.

MK: Bloggen Sie selbst? Wenn ja, worüber?

MD: Ich setze mich als geschäftsführender Herausgeber von PHW auch der Beurteilung und der Diskussion um eigene Initialbeiträge aus. Das führt manchmal in einen double bind, aber es macht mir auch Spaß. Neben meiner aufreibenden Tätigkeit in Basel, meinen "normalen" wissenschaftlichen Verpflichtungen und der Redaktionsarbeit bei PHW komme ich leider nicht zu einem eigenen Weblog (meine Professur pflegt allerdings einen). In einer idealen Welt hätte ich dafür Zeit, irgendwann hoffentlich ist es möglich. Ich verstehe und schätze das Prinzip des Wissenschaftsbloggens und bin ein wirklich großer Bewunderer der bloggenden KollegInnen, die ich jetzt nicht einzeln nennen möchte, die aber wissen, dass ich sie meine.

MK: Wie geht es weiter mit dem Blogjournal? Welche Pläne haben Sie für die Zukunft? Wird die Waage eher in Richtung Journal oder eher in Richtung Blog ausschlagen?

MD: Wir kultivieren erst einmal unseren Hybridcharakter. Ich glaube, nur so können wir unsere Brückenfunktion wahrnehmen. Bis 2016 läuft der Kooperationsvertrag, ist unsere Finanzierung gesichert. Meine Hochschule investiert einen erheblichen Betrag in die Redaktionsarbeit, der Verlag in die technische Basis und das Marketing. Wie es ab 2016 weitergeht, wissen wir im Moment noch nicht. Insbesondere unsere neuartige Multilingualität sorgt für Kosten, die wir ursprünglich nicht budgetiert hatten. Wir starten dazu in diesem Frühjahr ein Crowdfunding, und es wäre für das Projekt insgesamt von größter Bedeutung, dass sich möglichst viele unserer LeserInnen bereit finden könnten, etwas dazu beizutragen.

MK: Vielen Dank für das Interview!

____

Das Interview versteht sich als Beitrag zur Blogparade "Wissenschaftsbloggen - zurück in die Zukunft #wbhyp". Marko Demantowsky hat die Fragen schriftlich beantwortet.

 

  1. Siehe Guidelines von Public History Weekly, http://public-history-weekly.oldenbourg-verlag.de/contribute/.

Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/2358

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Eine Brücke zwischen Journal und Blog: Interview mit Marko Demantowsky über „Public History Weekly“ #wbhyp

PHWMareike König (MK): Public History Weekly (PHW) ist ein Blogjournal zu den Themen Geschichte und Geschichtsdidaktik, das seit etwa eineinhalb Jahren auf den Verlagsseiten von Oldenbourg/De Gruyter im Open Access angeboten wird. Was genau ist ein Blogjournal, oder anderes: Was ist das „Bloghafte“ an Public History Weekly, was entspricht eher einem Journal?

Mario Demantowsky (MD): Wir sind ein internationales und multilinguales Journal, das den öffentlichen Umgang mit Geschichte thematisiert, unsere BeiträgerInnen sind HistorikerInnen mit dem Schwerpunkt Geschichtsdidaktik und Geschichtskultur. Anfang September 2013 sind wir gestartet, seitdem haben wir 63 Ausgaben produziert mit jeweils 1 bis 2 sogenannten Initialbeiträgen. Auf diese Initialbeiträge haben bisher 190 in der Regel sehr ausführliche und fundierte Kommentare geantwortet.

In der Tat ist das Format ein neuartiger Hybrid, eher Wochenzeitschrift als Weblog. Die Ausgangsfrage lautete: Wie sollte eine Zeitschrift in unserem Fach heute beschaffen sein, damit sie möglichst viele potentiell Interessierte erreicht? Viele Features, die man vom Bloggen kennt, schienen uns für eine solche neuartige Zeitschrift außerordentlich hilfreich. Auch der Spirit des Bloggens, das unfertige, sich angreifbar machende Schreiben schien uns sehr hilfreich, um Interessierte zu erreichen.

Aber es gibt natürlich wesentliche Unterschiede zu einem Weblog, vor allem in Hinsicht Periodizität und Formatstandards. Die LeserInnen können sich auf Folgendes verlassen:

-          Die Beiträge erscheinen absolut regelmäßig zu einer festen Zeit, ja zu einer festen Minute: donnerstags, 8 Uhr MEZ.
-          Sie haben ein festes Format und erfüllen alle Ansprüche an wissenschaftliches Publizieren.
-          Die Kommentare werden redaktionell betreut. Bei PHW erscheint nichts, was nicht durch eine formale und inhaltliche Qualitätskontrolle gegangen ist.
-          Auch die Kommentare erscheinen zu festgelegten Zeiten.
-          Es ist möglich, ganz frei zu kommentieren. Wir bitten allerdings bei den meisten Beiträgen, auch 1-2 ExpertInnen um eine Stellungnahme (Peer Comment).

Aber auch von Fachzeitschriften unterscheidet uns natürlich vieles:

-          Unsere thematischen Beiträge beginnen mit einem "Initialbeitrag", der möglichst "anstößig" geschrieben, nicht für sich stehen soll, sondern auf direkte Diskussion abzielt. Die nach allen Regeln der Kunst erfolgende Erschließung in wissenschaftlichen Datenbanken bezieht sich dann auf die gesamte Texteinheit, die Initialbeiträge, Kommentare und AutorIn-Replik einschließt. Diese multiperspektivischen, kontroversen Texteinheiten sind m.E. eine ganze neue wissenschaftliche Textgattung. Damit das so sein kann, muss der Thread nach der Replik auch abgeschlossen werden. Soziales digitales Publizieren muss kein endlos mäanderndes Geschehen sein, zitierfähig wird das Ganze erst durch den Abschluss (siehe dazu auch Groebners Kritiken am digitalen Publizieren).

-          Wir arbeiten mit festen Stammautoren, die sich mindestens für 2 Jahre verpflichten. Auch diese Eigenart hat ganz pragmatische Gründe: Ein zuverlässiger wöchentlicher Erscheinungsturnus braucht im Hintergrund für Redaktion und Autoren absolut verlässliche Strukturen. Dank unserer Stammautorenriege können wir Redaktionspläne mit einem Vorlauf von 12 Monaten erarbeiten. Darüber hinaus stellt das Schreiben bei uns an unserer AutorInnen ganz neue Anforderungen, die einen formatspezifischen Professionalisierungsprozess nach sich ziehen, dem dient eine intensive Betreuung der AutorInnen durch die Redaktion ebenso wie nicht zuletzt unsere jährlichen Editorial Meetings in Basel. Dazu stossen immer wieder GastautorInnen als Überraschungsgäste.

Schließlich: Wir sind kein klassisches Verlagsprodukt und sind auch nicht auf Verlagsseiten verankert, sondern wir sind ein Kooperationsprojekt der Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz mit dem De Gruyter Oldenbourg Verlag. Deshalb ist der Website auch neutral, seine technische Basis wird allerdings vom Verlag bereitgestellt und gewartet. Auch das macht unseren neuartigen Hybridcharakter aus. Wir lösen uns aus der müßigen Konfrontation von "alten" Wissenschaftsverlagen contra neuer Publikationskultur. Es ist De Gruyter Oldenbourg und dort v.a. Martin Rethmeier außerordentlich hoch anzurechnen, dass er sich auf dieses (teure) Experiment eingelassen hat.

MK: Der Untertitel von PHW lautet „Blogjournal for History and Civil Education“. Welche Themen werden in den wöchentlichen Ausgaben aufgegriffen? Wie kommen Sie auf Ihre Autorinnen und Autoren?

MD: Der Untertitel auf der Website ist renovierungsbedürftig. Bei Twitter und Facebook firmieren wir als BlogJournal for Public Use of History and History & Civics Education. Der explizit geschichtsdidaktische Bezug erscheint uns sinnvoll, weil der Einbezug des schulischen Geschehens in die kritische Geschichtskulturdebatte nach unserem Dafürhalten für beide Seiten wichtig und – zumindest in der angelsächsischen Community – neu ist. Geschichtsunterricht ist ein sublimer Ausdruck vorherrschender historischer Basisnarrative und bedarf der kritischen geschichtskulturellen Einordnung. Gleichermaßen wird man die Rezipienten musealer oder massenmedialer Angebote nicht erklären können, wenn man den Geschichtsunterricht als historische Sozialisationsinstanz außer Acht lässt. Wir wollen bei PHW die beiden Diskurse also zusammenführen.

Die thematische Wahl der einzelnen Beiträge bleibt den StammautorInnen völlig überlassen. Die jährlichen Meetings und ihre Diskussionen helfen natürlich, ein sinnvolles thematisches Spektrum näher zu bestimmen, aber für die Zuverlässigkeit der Texteinreichung bleibt die pure, wissenschaftsbetriebsferne Lust entscheidend, mit der sich AutorInnen auf uns einzulassen vermögen.

Wir haben uns in einem ersten Schritt bewusst bemüht, jüngere, namhafte und gleichwohl nicht-netzaffine ProfessorInnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz anzusprechen und sind dabei auf ein großes Wohlwollen gestoßen, wofür ich auch nach zwei Jahren noch dankbar bin. In einem zweiten Schritt haben wir 2013 die Riege unserer StammautorInnen multilingual erweitert. Das Ziel bestand darin, führende VertreterInnen aus den separierten Diskursen zur Public History aus Argentinien, Australien, Kanada, Mexiko, Russland, Südafrika, USA und der Türkei zu gewinnen. Auch das hat sehr gut funktioniert. Im Herbst 2015 wird es bei PHW einen weiteren Globalisierungsschub geben.

MK: Ein kurzer Blick auf die Statistik, wenn es erlaubt ist: Wie hoch sind die Zugriffe auf das wöchentlich erscheinende Blogjournal? Welche Themen laufen besonders gut, sowohl vom Zugriff als auch von den Kommentaren her?

MD: Ich habe auf diese Frage vor Monaten freimütiger geantwortet als heute. Das liegt daran, dass ich den uns zugänglichen Zählmethoden nicht mehr ganz traue. Es gibt den eigenen WordPress-Zähler, es gibt das WordPress Add-on Google Analytics Summary, und es gibt das Google Analytics Tool selbst. Jeweils differente Zahlen. Hält man sich an letzteres, was mir am zuverlässigsten scheint, sollte man bedenken, dass alle User mit Cookie-Blocker nicht erfasst werden. Das dürften gerade in unserer netzaffinen Leserschaft nicht wenige sein. Insofern sind die Zahlen mit Vorsicht zu behandeln, solche Angaben sind grundsätzlich ja auch schwer nachzuprüfen ... Google Analytics bietet allerdings eine Reihe interessanter Features, die Tendenzen erkennen lassen. Mit einigen konservativen Berechnungen sind wir im vorigen Jahr  auf mindestens 4000 StammleserInnen gekommen (ca. 32.000 unique clients). Im vergangenen September haben wir auf multilingualen Betrieb umgestellt, seitdem wächst die Leserschaft, und sie wird naturgemäß internationaler.

In der Tat gibt es große Zugriffsdifferenzen zwischen den einzelnen Beiträgen. Das ist jeweils kein inhaltliches Gut/Schlecht-Kriterium, Aufsehen erregen die Besonderheiten. Inzwischen haben sich aber doch echte PHW-Stars mit stabil großem Erfolg herausgebildet, wie Prof. Dr. Markus Bernhardt, der für 2013/14 von unserem Advisory Board denn auch ausgezeichnet worden ist. Es laufen aber bei allen AutorInnen die Themen gut, die einen wirklichen Informationsgewinn versprechen, die eine These verfechten und die auch gerne Angriffsfläche bieten. Unsere Artikel sind im wahrsten Sinne anstößig, wenn sie funktionieren. Ein letzter Punkt: In den ersten Monaten hat sich das Interesse immer sehr fokussiert einzelnen Beiträgen zugewandt, inzwischen bemerken wir eine breite Diversifizierung des Interesses. Dafür ist zum einen die gestiegene Zahl der Beiträge verantwortlich (inzwischen 79). Aber vor allem auch im Nachhinein eingebaute Features wie das Issues- und das Contents-Menü, die die Vielfalt und die Vielzahl unserer Artikel wie ein klassisches Inhaltsverzeichnis dauerhaft präsent halten. Wir sind von daher nicht mehr nur eine Art von Wochenzeitschrift, sondern zunehmend auch ein Ideen- und Anregungspool.

MK: Die Beiträge des Blogjournals können kommentiert werden. Jedoch nicht beliebig: die Kommentare werden redaktionell betreut, laut Guidelines sollen sie „eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Initialbeitrag"[1] darstellen, teilweise werden Kommentare auch eingeworben, und sie werden nur zu Office-Zeiten freigeschalten. Nach einigen Wochen wird der Kommentar-Threat geschlossen. Warum diese Beschränkungen?

MD: Einiges habe ich oben schon beantwortet. Hier möchte ich nur auf einen weiteren wichtigen Aspekt eingehen: Social Media hat außerhalb der "Social-Media-Bubble" einen schlechten Ruf. Dieser speist sich einerseits natürlich aus einer gewissen grundsätzlichen kulturkonservativen Distanz gegenüber dem "Neuland". (Früher musste man bei diesem Begriff übrigens auf Scholochow verweisen, heute auf Merkel. Wer Merkels Neuland-Begriff aber verstehen will, sollte die DDR-Schulpflichtlektüre "Neuland unterm Pflug" einmal nachholen. Ich schweife ab.) Andererseits stehen dahinter natürlich auch mehr oder minder substantielle Erfahrungen mit wirklichen Fehlentwicklungen in der Social-Media-Kommunikation, vor allem der Trollerei. Unsere Hauptarbeit besteht also darin, diese Widerstände zu verflüssigen, jenseits der Probleme die wissenschaftlichen Potentiale deutlich zu machen. Wir sehen uns da tatsächlich als Brückenbauer. Also haben wir ein Tool konstruiert, dass die Vorteile der Social Media für Wissenschaftskommunikation ausschöpft und gleichzeitig die Risiken zu minimieren versucht. Das erreichen wir durch eine kleine Retardierung der Echtzeitigkeit und durch vorsichtige und sehr liberale Moderation.

MK: Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Kommentieren gemacht? Wie schwierig ist es, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zum Kommentieren zu bringen?

MD: Sehr schwierig, oft. Zur Begründung siehe vorige Antwort. Allerdings ist schon zu sagen, dass im Sinne des Formats gute, also anstößige Beiträge nicht lange auf Kommentare zu warten brauchen. Uns liegt aber auch schon sehr daran, zusätzlich ExpertInnen-Stimmen in die Diskussionen einzuladen, die von sich aus wegen der hinlänglich bekannten strapazierten Zeitbudgets vielleicht nicht kommentieren würden. Manch prominente Stimme will auch grundsätzlich eingeladen werden. Das zu den "Peer Comments".

Dazu kommt, das gilt aber ebenso für die Initialbeiträge: Viele KollegInnen sind es gar nicht gewöhnt, für eine echte Öffentlichkeit zu schreiben, so wie wir sie fachspezifisch sicher erreichen. Man wacht aus dem Schreiben von länglichen Sammelbandbeiträgen auf und soll für uns kommentieren, am besten von einem Tag auf den anderen. So schnell, so öffentlich und widersprechbar, da werden bei manchen offenbar doch Gefühle der Beklemmung geweckt. Das kann zurzeit sicher gar nicht anders sein, aber es markiert auch die große kulturelle Herausforderung, vor der sich die hochspezialisierte Wissenschaft, heute im digitalen Wandel mehr als je zuvor, plötzlich wieder sieht. Die berufliche Dimension "public intellectual" haben viele KollegInnen gar nicht mehr auf dem Zettel.

MK: Haben Sie Tipps und Hinweise für Bloggende, die mehr Kommentare einwerben möchten? Was ist zu beachten? Oder werden Kommentare überschätzt?

MD: Nein, Kommentare werden nicht überschätzt, sondern sind das Elixier des digitalen und sozialen Publizierens.

Das Grundproblem, angesehene WissenschaftlerInnen zum Kommentieren zu bringen, ist ein ökonomisches: Das Zeitbudget ist so extrem verknappt, der Arbeitsstau so hoch, dass man – wenn schon nicht nach dem finanziellen – dann nach dem Kriterium des Reputationsgewinns Aufgaben sortieren und aussortieren muss. Wir haben durch die Zusammenarbeit mit einem angesehenen Verlag, durch die Auswahl der StammautorInnen und des Advisory Boards, durch die Investition in Datenbankerschließung und in das Layout versucht, das Reputationsproblem zu lösen. Das war und ist für uns eine große Herausforderung, vor allem in der Perspektive einer nachhaltigen Etablierung von Reputationszuweisung! Ich denke, wir sind auf einem guten Weg.

MK: Kann eine Mischform zwischen Blog und Journal, wie es „Public History Weekly“ darstellt, dem Bloggen zu mehr wissenschaftlicher Akzeptanz verhelfen?

MD: Ja, das hoffe ich. Allgemeiner besteht die Hoffnung darin, das mehr und mehr KollegInnen über die Brücke von PHW sich der Kommunikation in den sozialen Medien annehmen, verstehen, welches Potential diese Formate bereitstellen und wie wichtig es ist, dass ihre Stimmen auch dort gehört werden und zur Geltung kommen.

MK: Bloggen Sie selbst? Wenn ja, worüber?

MD: Ich setze mich als geschäftsführender Herausgeber von PHW auch der Beurteilung und der Diskussion um eigene Initialbeiträge aus. Das führt manchmal in einen double bind, aber es macht mir auch Spaß. Neben meiner aufreibenden Tätigkeit in Basel, meinen "normalen" wissenschaftlichen Verpflichtungen und der Redaktionsarbeit bei PHW komme ich leider nicht zu einem eigenen Weblog (meine Professur pflegt allerdings einen). In einer idealen Welt hätte ich dafür Zeit, irgendwann hoffentlich ist es möglich. Ich verstehe und schätze das Prinzip des Wissenschaftsbloggens und bin ein wirklich großer Bewunderer der bloggenden KollegInnen, die ich jetzt nicht einzeln nennen möchte, die aber wissen, dass ich sie meine.

MK: Wie geht es weiter mit dem Blogjournal? Welche Pläne haben Sie für die Zukunft? Wird die Waage eher in Richtung Journal oder eher in Richtung Blog ausschlagen?

MD: Wir kultivieren erst einmal unseren Hybridcharakter. Ich glaube, nur so können wir unsere Brückenfunktion wahrnehmen. Bis 2016 läuft der Kooperationsvertrag, ist unsere Finanzierung gesichert. Meine Hochschule investiert einen erheblichen Betrag in die Redaktionsarbeit, der Verlag in die technische Basis und das Marketing. Wie es ab 2016 weitergeht, wissen wir im Moment noch nicht. Insbesondere unsere neuartige Multilingualität sorgt für Kosten, die wir ursprünglich nicht budgetiert hatten. Wir starten dazu in diesem Frühjahr ein Crowdfunding, und es wäre für das Projekt insgesamt von größter Bedeutung, dass sich möglichst viele unserer LeserInnen bereit finden könnten, etwas dazu beizutragen.

MK: Vielen Dank für das Interview!

____

Das Interview versteht sich als Beitrag zur Blogparade "Wissenschaftsbloggen - zurück in die Zukunft #wbhyp". Marko Demantowsky hat die Fragen schriftlich beantwortet.

 

  1. Siehe Guidelines von Public History Weekly, http://public-history-weekly.oldenbourg-verlag.de/contribute/.

Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/2358

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C’est le sens de la vie! / #wbhyp

Vor wenigen Tagen nahm dieser Blog an der Blogparade #wbhyp bereits teil. Meine Kollegin Angelika Schoder schrieb dazu den Beitrag „Wissenschaftliches Bloggen mit Motny Python“. Was Sie gerade lesen, ist nun der Versuch meine – sehr subjektive – Meinung zu ihrem Artikel zu äußern. Darum habe ich es betitelt mit einer Zeile aus dem Monty Python Lied „The Meaning of Life“ – aus dem gleichnamigen Film. Es wurde von Anne Baillot in ihrem Beitrag zur Blogparade festgestellt, dass Bloggen in wissenschaftlichen / akademischen Kreisen kaum […]

Quelle: http://musermeku.hypotheses.org/2623

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