Die gegenwärtige Schuldenkrise ist aus wirtschaftshistorischer Sicht keine Wirtschaftskrise. Zumindest noch nicht. Prof. Dr. André Steiner vom Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam vergleicht im MONTAGSRADIO 13/2011 die Krisen der Gegenwart mit den Wirtschaftskrisen der Vergangenheit – und kommt zu überraschenden Einsichten.
Die gegenwärtige Staatsverschuldung hat noch keinen historischen Höchststand erreicht und Auswirkungen auf die tatsächliche Wirtschaftsleistung gibt es auch noch nicht. Aus historischer Perspektive sprechen diese Umstände gegen eine echte Krise. Neu ist die zunehmende Entkopplung der Finanzwirtschaft. Und die Versuche der Regierungen, wirtschaftliche Probleme mit politischer Rationalität zu lösen, sind nicht ohne langfristige Risiken. Insbesondere die Sozialisierung der Verluste verschuldeter Banken und die Rettung der sog. systemrelevanten Banken um jeden Preis, mit der aus politischen Erwägungen wirtschaftliche Reinigungsmechanismen ausgehebelt werden, tragen aus André Steiners Sicht “spätsozialistische Züge” – und mit der politischen Induktion von Wirtschaftskrisen kennt Steiner sich bestens aus, wie u.a. sein Buch über die Wirtschaft der DDR “Von Plan zu Plan” belegt.
Und hier gibt es noch die Timeline zu dem Gespräch.
1:00 Einordnung der gegenwärtigen Krise
4:30 Staatsschulden historisch betrachtet
9:00 zunehmende Entkopplung der Finanzwirtschaft
11:00 Reinigungsfunktion der Krise bleibt aus
13:00 spätsozialistische Züge der Finanzpolitik
14:30 Sozialisierung der Verluste
17:00 Medien und Psychologie der Märkte
19:00 die Rolle der Algorithmen
23:00 Die Krise und eine Rückkehr Marxismus?
26:00 Wirtschaftskrisen in der DDR
28:00 die politische Induktion von Krisen in der DDR
30:00 Die EU ist ein politisches Projekt und keine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte
34:00 Wirtschaftliche Unterschiede in der Eurozone und fehlende zentrale Finanzpolitik
36:00 Verschärfung des Kapitalismus nach dem Ende des Kalten Kriegs?
37:00 Effekte der digitalen Revolution für die Finanzmärkte; die DDR hätte das Internet nicht verkraftet
39:00 Lösung der Krise durch Wechselkurse und Kern-Eurozone
41:00 Politische Rationalitäten und wirtschaftliche Rationalitäten
43:00 Fragebogen
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