Workshop I

Letzten Samstag – etwas mehr als ein Jahr nach dem Startschuss des Forschungsprojekts – veranstalteten wir unseren ersten projektinternen Workshop. Im Fokus der Präsentationen und Auseinandersetzungen standen unter anderem die im ersten Jahr durchgeführten Quellenerhebungen und damit im Zusammenhang stehende Möglichkeiten und Herausforderungen der Quellenüberlieferung. Als gemeinsame Diskussionspunkte dienten uns zum einen die Frage der Vergleichbarkeit innerhalb des langen Untersuchungszeitraums und zum anderen die Frage nach dem Umgang mit den unterschiedlichen Gerichtsprozessen, Verfahrenstypen und Protokollierungen.

Gemeinsam mit unseren internationalen ProjektpartnerInnen sowie Margareth Lanzinger vom Historischen Seminar der Leibniz Universität Hannover führten wir anregende Diskussionen und erörterten alte und neue Wege, die das Projekt in Hinblick auf seine Forschungsperspektive und Forschungsfragen einschlagen kann.

Unser Dank gilt allen Beteiligten: den Vortragenden, den ProjektpartnerInnen, Margareth Lanzinger sowie dem IWM, in dessen Räumlichkeiten wir den Workshop abhalten durften.


Quelle: http://ehenvorgericht.wordpress.com/2012/10/22/workshop-i/

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Radio Augustin: Richard Schuberth & Kritische Literaturtage

Heute auf Radio Orange (22.10.2012, 15:00-16:00): Zwei spannende Beiträge in Radio Augustin:

Magazin

1. "Spöttische Gegenwehr zum kosmischen Narrentum."

Oder Mongolische Popmusik als letztes Refugium? - Richard Schuberth hat was zu sagen und freut sich über jeden Text, den er nicht versteht.
Der Schriftsteller ist unter anderem auch Augustin-Lektor sowie Mitbegründer des Balkan-Fever-Festivals. Er blickt auf eine lange Liste von Publikationen zu den verschiedensten - meist gesellschaftspolitischen - Themen zurück. Anlässlich seines Theaterstücks «Wie Branka sich nach oben putzte», das nun im Drava Verlag in Buchform erscheint, bat Radio Augustin den vielseitigen Künstler zum Gespräch. 


2. Kritische Literatur – Über 30 kleine und alternative Verlage präsentieren am 26. und 27. Oktober gesellschafts- und sozialkritische Bücher bei der dritten KriLit (Kritische Literaturtage) in der Brunnenpassage am Yppenplatz. Schmökern und Rahmenprogramm bei freiem Eintritt. Eine Vorschau.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/172011782/

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Guck mal, wer da bloggt 4! Neue Blogs bei de.hypotheses.org


Knapp zwei Monate sind seit dem letzten Beitrag in unserer „Guck mal, wer da bloggt!“ – Reihe vergangen. Jetzt wird es wieder Zeit, auf ein paar interessante neue Blogs aufmerksam zu machen. In unserer bunten Mischung gibt es auch diesmal Einiges zu entdecken, hier nun als Kurzvorstellung  jeweils ein kleiner Anriss aus den Beschreibungen der Blogs.

Mit diesem Beitrag wird immer deutlicher: die Welt von de.hypotheses.org bekommt ständig neue Facetten. Wer eine weitere Facette beitragen möchte, der findet hier mehr Informationen sowie das Anmeldeformular.

Blogs, Blogs, Blogs

archäologiedigitale

Im Zentrum des Blogs von Armin Volkmann steht die Darstellung der sehr unterschiedlichen Methoden der digitalen Archäologie, die noch ein recht junger Zweig der Archäologie ist, aber nichtsdestoweniger bereits zum Standard des archäologischen Dokumentationswesens bei Ausgrabungen gehört. Die Perspektiven der digitalen Archäologie sollen diskutiert und weiterentwickelt werden.

MinusEinsEbene

Dieses Archäologieblog begleitet eine Dissertation und ist vor kurzem zu uns umgezogen. Bloggerin Maxi Maria Platz, Doktorandin an der Universität Bamberg, charakterisiert ihr Blog wie folgt: “MinusEinsEbene ist ein persönlicher Doktorandenblog mit wissenschaftlichem Anspruch. Er soll eine individuelle Plattform sein, auf der ich aus meiner Arbeit an meiner Dissertation berichte. Es ist der Versuch, meine wissenschaftliche Qualifikation zur Archäologie der Elisabethkirche digital zu begleiten.”

[gab_log] Geisteswissenschaft als Beruf

Das Blog der Max Weber Stiftung möchte jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auf dem Sprung in die internationale Karriere ein gemeinsames Forum bieten. Sebastian Gießmann lädt im Namen der Stiftung zum Austausch über Lust und Leid ein, die Wissenschaft als Beruf nach Max Weber mit sich bringt. Gastbeiträge, gegenseitiger Beistand und Austausch sind explizit erwünscht. Los gehts!

Soziale Medienbildung

Christine Nowak von der Hochschule Fulda beschreibt ihr Blog als “Edublog für den Vertiefungsschwerpunkt Medienbildung am Fachbereich Sozialwesen der Hochschule Fulda”. Es soll als Lerntagebuch, Werkstattjournal, Diskursort, Archiv für studentische Medienproduktionen (Texte, Videos, Audio, Trickfilm) und Experimentierfläche dienen. Dadurch soll “ein Handlungsraum zur Identifikation mit dem gemeinsamen Gegenstand Medienbildung” entstehen. Nowak: “Blogs im Bildungskontext sind ideale Werkzeuge für Studierende, um einen eigenen Standpunkt zu formulieren und diesen im öffentlichen Wissenschaftsdiskurs oder im akademischen Leben zu reflektieren.”

#dgl_seminar | digitales Geschichtslernen

Dieses Blog begleitet die an der Universität des Saarlandes und der Universität zu Köln parallel stattfindenden Seminare zum Thema “digitales Geschichtslernen”. Fragestellung in den Veranstaltungen ist, “wie sich historisches Lernen angesichts des digitalen Wandels verändert und wie eine ‘digitale’ Geschichtsdidaktik konzeptionell, kompetenz- und aufgabenorientiert darauf reagieren kann”. Blogger Christoph Pallaske von der Universität zu Köln bezeichnet das Blog außerdem als “hochschuldidaktisches Experiment zur Anwendung von Web-Werkzeugen in der Lehre und zur Durchführung universitätsübergreifender Kooperation”.

Ordensgeschichte

Knackiger als es Maria Rottler selbst formuliert, lässt es sich einfach nicht zusammenfassen: “Das Blog soll zur Vernetzung, zur Zusammenarbeit und zum Austausch von Wissenschaftlern aus dem Bereich der Geschichte von Orden und Klöstern über Disziplin-, Ordens-, Epochen- und Landesgrenzen hinweg beitragen.” Und das ist noch nicht alles: “Interessierte Wissenschaftler sind herzlich dazu eingeladen, bei diesem Gemeinschaftsblog mitzumachen!” Wer Interesse hat, der schaut sich im Blog um oder wendet sich gleich per Mail an die leidenschaftliche Bloggerin.

Siehe auch

Mareike König, Guck mal wer da bloggt! Neue Blogs bei de.hypotheses.org, in: Redaktionsblog, 24.4.2012. http://redaktionsblog.hypotheses.org/485

Mareike König, Guck mal wer da bloggt 2! Neue Blogs bei de.hypotheses.org, in: Redaktionsblog, 11.6.2012. http://redaktionsblog.hypotheses.org/527

Mareike König, Guck mal wer da bloggt 3! Neue Blogs bei de.hypotheses.org, in: Redaktionsblog, 27.8.2012. http://redaktionsblog.hypotheses.org/622

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Die deutsche Einheit, Teil 2


Von Stefan Sasse

Emblem "Schwerter zu Pflugscharen"
Die Proteste innerhalb der DDR benötigten wegen der Unterdrückung von Opposition durch die SED Schutzräume, innerhalb derer sie sich entfalten konnten. Ein Schutzraum war die evangelische Kirche, die zwar im durch die DDR verordneten Staats-Atheismus keine große Rolle spielte und deren Stellung stets prekär war, die aber auch nicht einfach angegriffen werden konnte – das internationale Ansehen der DDR war so schon schlecht genug, ohne einen Kulturkampf vom Zaun zu brechen, und die abzusehenden Propagandabilder von aufgelösten Gottesdiensten und misshandelten Pfarrern ließen die staatlichen Stellen vorsichtiger agieren als bei den meisten anderen Oppositionsgruppen. Dazu kam, dass der Protest auf einer breiten, nicht grundoppositionellen Stimmung genährt wurde: der Afghanistankrieg der Sowjetunion und die Verschärfung des Tonfalls in den 1980er Jahren, verbunden mit der Wiederaufrüstung (Stichwort NATO-Doppelbeschluss) hatten viele Menschen auch in der DDR mit Sorge um einen neuen Krieg zurückgelassen. Durch die Selbststilisierung in der Propaganda des Sozialismus als „Kraft des Friedens“, konträr zum kriegerischen „Imperialismus des Westens“, konnte die Friedensbewegung, die aus dieser Furcht resultierte, ebenfalls nur vorsichtig angegangen werden.
 
Getragen wurde diese Friedensbewegung, die seit langem die erste zivilgesellschaftliche Massenbewegung der DDR außerhalb der Parteigrenzen darstellte, auch von der evangelischen Kirche. Das berühmte Motto war das Bibelzitat „Schwerter zu Pflugscharen“, das es auch wenig religiösen Menschen erlaubte, sich hinter ihm zu sammeln. Die Friedensbewegung vermischte sich jedoch mehr und mehr mit anderen Bewegungen, die der DDR-Führung gegenüber kritisch eingestellt werden, etwa dem Neuen Forum. 

Jens Reich vom "Neuen Forum", 4.11.1989
Es ist an dieser Stelle wichtig zu betonen, dass die damalige DDR-Opposition nicht die Auflösung des Landes betrieb. Eine Wiedervereinigung stand überhaupt nicht zur Debatte. Gefordert wurde eine Reform der verkrusteten DDR-Strukturen, besonders in wirtschaftlicher und liberaler Hinsicht. Reisefreiheit, ein Ende der ständigen Zensur und vergleichbare Forderungen bestimmten die Agenda und wurden durchaus entlang sozialistischer Linien vertreten – auch die Änderung dieses ideologischen Fundaments wurde nicht offen angestrebt; eine Abkehr wurde vom „Real“-Sozialismus gewünscht, von der Herrschaft der SED. Die Fundamentalkritiker waren eine verschwindende Minderheit und würden erst im Gefolge des Mauerfalls Zulauf erhalten. Stattdessen richtete man seine Hoffnungen mit erstaunlichem Realismus an die Sowjetunion, gegen die – das hatte sich 1953 gezeigt – keine Änderung möglich war, deren Entwicklung unter Gorbatschow aber Anlass zur Hoffnung bot.

Gorbatschow aber handelte nicht. Er tadelte zwar die SED-Führung bei seinen Besuchen in der DDR, forderte aber keine Politik ein. Es ist auch fraglich, ob er sich überhaupt noch in einer entsprechenden Position befand, dies zu tun, selbst wenn er es gewollt hätte. Die Ostblockstaaten waren 1989 aber auf sich allein gestellt und hatten mehrheitlich den Kurs auf Öffnung und Abkehr von der Sowjetunion gestellt. Die regierenden Kommunisten in vielen dieser Länder konnten sich einen solchen Kurs auch leisten. Die radikale Ablehnung einer ähnlichen Öffnungs- und Reformpolitik durch die SED folgte aber durchaus einem rationalen Kalkül: mit dem Magneten BRD in direkter Nachbarschaft war nicht damit zu rechnen, dass die SED selbst diesen Prozess überleben könnte. Während die kommunistischen Parteien etwa in Polen oder Ungarn eine gewisse Transformation bewerkstelligen und eine gewisse Stellung behalten konnten, konnte für die SED kein Zweifel über ihre eigene Popularität entstehen. Dies machte die Parteiführung entschlossen, und die Situation gefährlich, wusste man doch nicht, zu welchen Mitteln sie greifen würde.

Sowjetische Panzer in Leipzig, 1953
Dies galt auch für das Ausland. Die westlichen Staaten hatten auf die Unruhen im Ostblock immer auch mit Sorge geblickt, denn die Instabilität dieser Länder betraf sie direkt auch. Sowohl 1953 als auch 1956 war klar, dass ein Eingreifen des Westens einerseits im Einklang mit seinen propagierten Idealen stehen, aber andererseits auch eine gewaltige Kriegsgefahr mit sich bringen würde. Es war zu erwarten, dass sie SED versuchen würde, eine ähnliche Situation wieder zu erschaffen und die Sowjetunion in eine Lage zu bringen, die ein militärisches Eingreifen wie 1953 erforderlich machte. Als etwa massenhaft Flüchtlinge die BRD-Botschaft in Prag stürmten, befürchtete man in Bonn schwere diplomatische Verwicklungen, und die Westalliierten brannten nicht gerade darauf, über die Frage der deutschen Wiedervereinigung in eine große internationale Krise gestürzt zu werden. Sie unternahmen daher nichts.

Diese Politik aber wurde bald durch die Kraft des Faktischen weggeschwemmt. Die SED schasste ihren langjährigen Chef, Erich Honecker, und versuchte sich an Reformen. Wie zu erwarten wurden diese als ungenügend empfunden, und die Stimmung wurde immer aufrührerischer. Der Wandel in den anderen Ostblockstaaten bildete ein stetes Vorbild, anhand dessen man die Langsamkeit der SED ebenso kritisieren konnte wie das Ungenügen der Maßnahmen. Entscheidend für den Zusammenbruch der DDR aber war letztlich der Zufall.

Günther Schabowski
Am Abend des 9. November 1989 hielt Günther Schabowski, Mitglied des Politbüros, eine Pressekonferenz ab. Nichts deutete darauf hin, dass etwas Besonderes passieren würde. Doch aus der Frage eines italienischen Journalisten nach dem neuen Reisegesetz, das Schabowski vorher vorzustellen aufgetragen worden war, entwickelte sich eine ungeheure Dynamik: Schabowski, der die Sperrfrist des Gesetzes nicht kannte, erklärte auf Nachfrage, es trete sofort in Kraft. Das war falsch, aber der Schaden war angerichtet. Tausende von Bürgern in Berlin verlangten nach Radioberichten von ersten Grenzübertritten von den irritierten Grenzwachen, nach Westen gelassen zu werden. Dieser Moment ist eine Schicksalsstunde der deutschen Geschichte, denn niemand hatte irgendwelche Befehle gegeben. Dass nicht irgendwo das Feuer eröffnet wurde, ist fast ein Wunder. Stattdessen implodierte die Grenzsicherung und gab die Übergänge frei – der Mauerfall, das historische Ereignis, hatte stattgefunden.

2009 allerdings kamen Informationen zutage, die an dieser Version der Ereignisse Zweifel aufkommen lassen. Riccardo Ehrmann, der Journalist, der Schabowski die Frage gestellt hatte, war nämlich vorher gebrieft worden, sie zu stellen – andernfalls hätte Schabowski das Gesetz wohl vergessen vorzustellen, und ohne die Nachfrage, wann es in Kraft trete, wäre der Mauerfall ebenfalls nicht vonstattengegangen – zumindest nicht so. Die Quelle Ehrmanns befand sich innerhalb der SED. Die wahrscheinlichste Erklärung hierfür ist, dass jemandem der politische Wandel nicht schnell genug ging und das Durchstechen an den Journalisten ein Versuch war, Egon Krenz zum Handeln zu zwingen. Trotzdem bestimmen immer noch wesentliche Zufälle das Bild, denn weder Journalist noch Quelle konnten ahnen, dass Schabowski nicht die geringste Ahnung von dem Gesetz hatte und zur Information nur auf einen kleinen Zettel bauen konnte, auf dem nichts von der Sperrfrist stand. Hätte er diese gekannt, so wäre der Plan der SED, das Ganze im Wust weiterer Ankündigungen zu verstecken und erst einmal auszutesten sabotiert worden – aber trotzdem Zeit geblieben, die Grenzsicherung entsprechend zu instruieren und es in organisierte Bahnen zu lenken. Das Chaos des Mauerfalls jedenfalls dürfte die Quelle nicht intendiert haben. Im direkten Nachhall des Mauerfalls nahm die Kohärenz der Grenzkontrollen stark ab. Oftmals wurden nur noch stichpunktartige Überprüfungen durchgeführt um bis nach der Volkskammerwahl im März 1990 fast völlig zu verschwinden.

Kohl mit Honecker, 1987
Der Mauerfall setzte die BRD unter starken Zugzwang. Es war klar, dass eine reformunwillige SED in einer DDR mit offenen Grenzen geradezu eine Einladung zur Massenausreise aussprach, die die BRD unmöglich würde bewältigen können und die die Machtbalance stark gefährden würde. Die Priorität der BRD musste es daher sein, den Bürgern der DDR eine Perspektive zu geben, die sie bleiben ließ, und gleichzeitig die Situation im eigenen Sinne nutzen. Welche Überlegungen die Bundesregierung zu diesem Zeitpunkt angestellt hatte, erkennt man sehr gut am Zehn-Punkte-Plan Helmut Kohls, der bereits Wochen später rettungslos überholt war. Er sah wirtschaftliche Soforthilfe und die Zementierung der „humanitären Erleichterungen“ (vulgo: Grenzöffnung) vor, ehe konföderative Strukturen geschaffen und die DDR auf Beitrittskurs zur EG gebracht werden konnte. Am Ende dieses Prozesses sollte, unter internationaler Einbindung der KSZE-Staaten, dann in irgendeiner Form die Wiedervereinigung stehen. Mit Sicherheit war diese Vorstellung langfristig angelegt; die Konföderation beider deutscher Staaten hätte genügend Zeit für einen entsprechenden Umbau und Maßnahmen gelassen.

Die Realität überholte diese Vorstellungen schnell. Für den Mai 1990 war eine Volkskammerwahl angesetzt worden, die erste freie in der DDR-Geschichte. Die Regierungsgewalt der SED brach jedoch bereits zwischen Dezember 1989 und Februar 1990 immer stärker in sich zusammen. Bundeskanzler Helmut Kohl war damit gezwungen, schneller als gedacht zu handeln, und ergriff die Gelegenheit mit zielsicherem Instinkt. Bei aller Kritik an seiner Politik muss man festhalten, dass sein Handeln in diesem Jahr zwischen Mauerfall von einer klaren Analyse politischer Realitäten geprägt war, die etwa seinen Konkurrenten bei der SPD ebenso abging wie vielen Beobachten und ausländischen Diplomaten. Schneller als anderen wurde ihm klar, dass die Weichen auf einer schnellen Wiedervereinigung standen und die Vorstellungen, vorsichtig den Weg über eine Konföderation zu gehen, hinfällig waren. Er setzte sich dabei brutal über ökonomische Bedenken hinweg – für die Bürger der DDR hatte die D-Mark Signalwirkung, daher mussten sie sie erhalten, um die Situation zu stabilisieren, und zu einem für sie günstigen Umrechnungskurs. Als darüber in der BRD eine Debatte ausbrach, zeigten die Demonstrationen in der DDR („Kommt die D-Mark, bleiben wir, kommt sie nicht, geh‘n wir zu ihr“), wie richtig er gelegen hatte. Dass dies später gewaltige ökonomische Verwerfungen im wiedervereinigten Deutschland produzieren würde, nahm Kohl ebenso in Kauf wie die Unhaltbarkeit seiner Versprechen von den „blühenden Landschaften“. In der Situation des Jahreswechsels 1989/90 stabilisierte er so die Lage und verschaffte sich Luft nach außen.

Von der BRD nominell beanspruchter Grenzverlauf
Die brauchte er auch, denn die Entwicklungen in Deutschland wurden äußerst misstrauisch beäugt. Den alliierten Siegermächten war nicht entgangen, welchen Weg die bundesdeutsche Politik einschlug, und die Lage war sehr verworren. Das Besatzungsstatut von 1945 regelte, dass gesamtdeutsche Fragen nur von den vier Siegermächten im Konsens geregelt werden konnten, bis ein Friedensvertrag mit Deutschland geschlossen war, etwa nach den Nachkriegsgrenzen Deutschlands. Dazu war es im Kalten Krieg aber nie gekommen, wo gesamtdeutsche Fragen ohnehin akademische Fragen geblieben waren. Nun aber bedeutete es, dass jegliche Konföderation oder gar Vereinigung den Abschluss eines Vertrags mit BRD und DDR sowie die Einigkeit von Sowjetunion, Frankreich, Großbritannien und der Vereinigten Staaten voraussetzte. Hätte man dies noch 1988 jemandem vorgeschlagen, wäre man schallend ausgelacht worden. So aber gerieten diese Provisiorien zu den letzten Verhandlungstrümpfen, die die DDR-Führung in der Hand hatte – und die es Frankreich und Großbritannien ermöglichten, den von ihnen sehr kritisch gesehenen Vereinigungsprozess zu entschleunigen und in ihrem Sinne zu lenken.

Bildnachweise:
Emblem - unbekannt
Jens Reich - Bundesarchiv, Bild 183-1989-1104-036 / Link, Hubert / CC-BY-SA
Panzer - Bundesarchiv, Bild 175-14676 / CC-BY-SA
Schwabowski - Bundesarchiv, Bild 183-1982-0504-421 / CC-BY-SA
Kohl/Honecker - Bundesarchiv, Bild 183-1987-0907-017 / Oberst, Klaus / CC-BY-SA
Karte - Christoph Lingg (CC-BY-SA 2.0)

Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2012/10/die-deutsche-einheit-teil-2.html

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Benedikt von Nursia: aktuelle Kommentare zur Vita (2012) und zur Regula Benedicti (2002)

     Die Benedikt von Nursia (ca. 480-560) zugeschriebene Regel, die unter Ludwig dem Frommen und seinem hierbei maßgeblichen Berater Benedikt von Aniane für alle Mönchsklöster im Frankenreich verbindlich wurde, war wohl wenigstens bis zum Aufkommen der Bettelorden im 13. Jahrhundert die verbreitetste Regel für Religiose, stellt sie doch auch für die Zisterzienser DIE normative Grundlage dar – oder wie es J.-B. van Damme einst ausdrückte: “Da ein Zisterzienser ein Benediktiner sein muss, will er ein Zisterzienser sein, sollte er im Jahr 1980, im Jubeljahr [...]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/891

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Zehn Tage Open Peer Review bei historyblogosphere. Eine Zwischenbilanz

Seit 10. Oktober ist bei unserem Projekt gemeinsam mit dem Oldenbourg Verlag und der Universität Innsbruck durchgeführten Projekt historyblogosphere das Open Peer Review eröffnet, Zeit also, eine erste Zwischenbilanz zu versuchen. Um es gleich vorweg zu sagen: es läuft gut! Rund 80 Kommentare sind bisher eingetroffen und das ist mehr, als wir eigentlich erwartet hatten. [...]

Quelle: http://weblog.hist.net/archives/6479

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Die Macht der Kategorien – und ihre Anwendung bei Computerspielen

Als ich neulich im Supermarkt einen Becher Rübensirup kaufen wollte, fand ich ihn nicht an der gewohnten Stelle. Bislang konnte man ihn bei den Marmeladen finden. Aber jetzt? „Ach“, dachte ich, „das haben sie wohl aussortiert“. Wo sollte ich suchen? Mir fiel keine sinnvolle Abteilung ein. Als ich schließlich eine Verkäuferin fragte, schickte sie mich zum Regal mit den Backzutaten. Nie wäre ich auf die Idee gekommen, ihn hier zu suchen. Mir ist kein Backrezept bekannt, in das diese Zutat gehört. Für mich gehört Rübensirup auf die Frühstückssemmel.

An diesem einfachen Beispiel kann man sehen, dass die Zuordnung zu einer Kategorie zu Schwierigkeiten führt, wenn nämlich der, der die Sache einordnet, ein anderes Konzept verfolgt und im Kopf hat, als der, der die Sache sucht.

Doch wie ist das überhaupt mit den Kategorien? Das Kategorisieren ist ein sehr starker Neuromechanismus, dem wir unterliegen, denn Dinge in Kategorien einzuteilen macht das Denken und Erkennen leichter. Unser Gehirn vereinfacht die Dinge, denn das ist eine Strategie, um möglichst effizient funktionieren zu können. Wir kämen zu nichts mehr, müssten wir jede Sache und jedes Ding einzeln betrachten und darüber nachdenken. Dinge in Kategorien einzuteilen vereinfacht also unser Leben und das hat folgende Gründe:

  • Es gibt Neuronen, in denen speziell bei der Verarbeitung von Kategorien Aktivität gemessen wurde. In Versuchen mit Affen konnte dies nachgewiesen werden. Das bedeutet, dass das Gehirn wesentliche Merkmale der wahrgenommenen Inhalte herausfiltert und sie als allgemeine und wichtige Information präsentiert. Dadurch wird eine kategoriale Präsentation von Reizen möglich, die die für das Gehirn aufwendige Arbeit, ständig Einzelheiten betrachten zu müssen, minimiert.
  • Außerdem verarbeitet unser Gehirn verschiedene Reize in verschiedenen Arealen. Bestimmte Gruppen von Neuronen verarbeiten senkrechte Kanten, andere Gruppen waagerechte, wieder andere Bewegung, noch andere Farbe etc. Das bedeutet nichts anderes, als dass Gruppen von Zellen jeweils eine bestimmte Kategorie von Reizen verarbeitet. Kategorien von Reizen treffen auf Kategorien von Neuronen.

So, wie es in unserem Gehirn ausschaut und zugeht, so haben wir unsere Umwelt aufgebaut und organisiert:

  1. Unsere Welt besteht aus Kategorien: Wir leben in einem Land, darin in einer Stadt, darin in einer Straße, hier in einem Haus, in einer Wohnung, die verschiedene Kategorien von Zimmern besitzt usw.
  2. Kategorien können eingebettet sein in Überkategorien oder sich in weitere Unterkategorien aufteilen. Die Beziehungen, die zwischen dem Geflecht von Kategorien entstehen, geben Orientierung und stellen Information zur Verfügung wo sich eine Sache in Bezug auf andere Sachen befindet. Welche Wege zurückgelegt werden müssen, um diese Sache zu finden. Das ist oft eine Art der räumlichen Orientierung – die wir als mentale Leistung ständig erbringen. Wenn ich einen Teelöffel brauche, dann suche ich ihn im Haus, in der Küche und dort in einer Schublade und nicht in der Garage.
  3. Der Computer mit all seinen Anwendungen fordert vom Benutzer räumliche Orientierung im virtuellen Raum. Hier ist die gleiche Orientierungsleistung zu vollbringen, wie in realen 3D-Welt. Die hier verwaltete Information liegt hauptsächlich in Kategorien vor, denn irgendwie muss man seine Daten wieder finden. Ob diese hierarchisch organisiert oder mit Tags versehen werden, ist dabei egal. Zum Wiederfinden benötigen wir ein Schlagwort, d.h. eine Kategorie.

Kategorienbildung bei Computerspielen

Wir Menschen teilen Dinge gerne in Kategorien ein. Das ist mit einem Lustgefühl verbunden. Spiele wie „Diamond Dash“ appellieren an unseren Mechanismus der Kategorienbildung und sprechen dieses Lustgefühl bei vielen Menschen mit einfachsten Mitteln an.

Die vom Spieler erforderliche Aktivität ist lediglich, dass eine Gruppe von mindestens drei gleichfarbigen „Juwelen“ angeklickt werden soll. Danach kommen neue Juwelen hinzu, wodurch sich die Anordnung der Juwelen ändert. Ist der Spieler nicht schnell genug, blinkt eine Gruppe auf, womit ihm signalisiert wird, darauf zu klicken.


Screenshot aus dem Spiel „Diamond Dash“. Dieses Spiel wird monatlich von
ca. 20 Mio. Spielern gespielt.

Während der Runden, die ich gespielt habe, ging es ausschließlich um die Kategorie „Farbe“. Ob auf einem höheren Level eine weitere Kategorie hinzukommt (die Spielsteine tragen Symbole), weiß ich nicht. Was im Spiel als Level bezeichnet wird, würde ich eine Spielrunde nennen, denn eine Steigerung des Schwierigkeitsgrades konnte ich nicht feststellen. Im Gegenteil: war ich längere Zeit nicht schnell genug, gab es irgendwann eine ultraleinfache Runde, bei der mir die passenden Gruppierungen quasi direkt vor den Mauszeiger fielen. Das Spiel macht eher den Anschein, den Spieler bei der Stange halten zu wollen; aber nicht mittels eines Schwierigkeitsgrades oder einer anderen nachvollziehbaren Logik, sondern algorithmisch berechneter Motivation.

Für alle, die den verschiedenen Social Games nichts abgewinnen können, hier ein Tipp: Schauen Sie doch einmal auf die ARTigo-Plattform. Dort gibt es bereits 5 Spiele, bei denen Sie etwas lernen und der Wissenschaft helfen können. Das ist doppelt sinnvoll genutzte Zeit.

Quelle: http://games.hypotheses.org/693

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Ein innovativer Dichterfürst

Lustig: In der Oktoberausgabe von Konkret (S. 46) wird ein neues Werk des Schriftstellers Mark Behrens gewürdigt, der die sonst von deutschen Anwaltskanzleien verschickten Abmahnungen gleich selbst verfertigt. Sehnsüchtig kann nun Behrens' Werk "Berechnungen" erwartet werden.

Behrens, Mark: Sehr geehrter Herr Tietz. Eine Rechnung mit Ansage. Petershagen 2012, 1 Seite, 57 Euro.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/172011212/

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Kritische Literaturtage 2012 in Wien

Kommende Woche, am 26. und 27. Oktober 2012 finden in Wien die Kritischen Literaturtage 2012 statt, mit dem Motto Bücher statt Panzer, lässt doch zeitgleich das Österreichische Bundesheer am Heldenplatz sein Kriegsgerät aufmarschieren. Allzu pazifistisch geben sich die Kritischen Literaturtage aber nicht, erheben sie doch den Anspruch, die Waffen der Kritik zu schärfen.

Alle Infos unter: http://www.krilit.at

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/172010867/

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Flanderns Programm des “Centenaire” des Ersten Weltkriegs 2014-18 veröffentlicht

Das Grab des Unbekannten Soldaten unter dem Arc de Triomphe, Photo Michael Reeve, 29 Januar 2004
Im November 2011 veröffentlichte die flämische Regierung ein weit ausgearbeitetes Programm der Kommemorationsveranstaltungen zum Ersten Weltkrieg 2014-18, das hier zu finden ist.

 

 
Die „Flanders Fields“ als topografisches und ideelles Fundament

Im Zentrum des flämischen Centenaire-Programms steht eine transnationale Interpretation des Krieges bzw. des Leidens im Krieg. Dieser Interpretationsansatz verdichtet sich in dem emblematischen Ausdruck „Flanders Fields“, entnommen dem Gedicht „In Flanders Fields“ von Colonel John McCrae aus dem Jahr 1915. Als topografische Angabe bezeichnet er eine Region in Flandern als Ort kollektiv erlittenen Grauens und wichtiger Knotenpunkt im Netz der kollektiven Erinnerung. Gleichzeitig steht „Flanders Fields“ synonym für den Schrecken des Ersten Weltkriegs insgesamt.

Das flämische Gedenkprogramm leitet aus dem universellen Leiden auf den “Flanders Fields”  einerseits eine pazifistische Botschaft und eine transnationale Perspektive auf den Krieg ab. Im Zentrum der zahlreichen Bildungs- und Forschungsinitiativen des Programms steht folgerichtig als pädagogischer Auftrag die Vermittlung von Pazifismus und Völkerverständigung.

Starkes internationales Engagement

Was in den französischen und australischen Programmen noch hinter dem nationalen Interesse ansteht, rückt im flämischen klar in den Vordergrund: Die Internationalität des Gedenkens. Das flämische Engagement ist ambitioniert: So stieß die flämische Regierung nicht nur früh eine internationale Koordinierung der Gedenkveranstaltungen der 50 Staaten an, deren Soldaten auf den „Flanders Fields“ kämpften, sondern auch die „Declaration Flanders Fields“. Diese ist ein von der flämischen Regierung formulierter Text, der die im November 2012 unterzeichnenden  50 Staaten an drei gedenkpolitische Ziele binden soll: Dauerhaftes Gedenken an die Flandern-Schlachten, eine Historiografie, die eine globale Perspektive einnehmen soll und schließlich die Verpflichtung, zur „Friedenserziehung“ beizutragen. 2010/11 organisierte das Département Flamand des Affaires Etrangères ein gemeinsames Vorgehen hinsichtlich der Gedenkfeierlichkeiten mit 13 anderen Staaten und schloss bereits bilaterale Abkommen mit Neuseeland und Australien. Im November 2013 soll darüber hinaus ein „Friedenskolloquium“ veranstaltet werden, zu dem Friedensnobelpreisträger eingeladen wurden.

Absage an nationale Deutungen und „Welthauptstadt Flandern“

Das Gedenkprogramm erteilt damit einer nationalen Interpretation des Krieges eine Absage und fordert zu einem gemeinsamen Gedenken jenseits von nationalen Narrativen auf. Die Autoren des Programms appellieren damit nicht zuletzt an die belgische Gesellschaft: Die historischen Selbstwahrnehmung des noch jungen Belgiens im und nach dem Krieg beruhte auf den beiden Hauptnarrativen der Interpretation des Ersten Weltkriegs „Kriegsruhm und Martyrium“, die einen großen Einfluss auf die Identitätsbildung Belgiens ausübte.1  Außerdem müssen die Umstände der innenpolitischen Zerrüttung aufgrund der sprachlich-kulturellen Teilung Belgiens berücksichtigt werden, die in der Staatskrise 2010/11 ihren Höhepunkt erreichte. Der erste Weltkrieg verschärfte den flämisch-wallonischen Konflikt erheblich, nicht zuletzt durch die sprachlich-sozialen Diskriminierungen der flämischen Soldaten durch die frankophone Militäradministration und die „Flamenpolitik“ der Deutschen. Das Martyriums-Narrativ der belgischen Kriegsinterpretation beruht auch auf dieser deutschen Spaltungs-Politik. Im aktuellen Kontext wird es interessant sein zu sehen, wie in den einzelnen Initiativen die nationalitätenpolitischen Aspekte des Weltkrieges in Flandern und Belgien behandelt werden. Die Autoren formulieren jedenfalls Völkerverständigung als klares Ziel: „un des autres objectifs de l’organisation est de conscientiser et sensibiliser les générations actuelles et futures de Flandre à propos de tolérance, le dialogue interculturel et la compréhension internationale réciproque.“ (S. 7).

Angesichts dieser programmatischen Auslassungen erscheint es einigermaßen paradox, dass es nicht gelungen ist, ein regionenübergreifendes, Wallonen und Flamen zusammenbringendes Programm zu entwickeln. Das bislang außerordentlich  souveräne Agieren Flanderns auf der internationalen Bühne stellt jedenfalls andere belgische Initiativen bis jetzt tendenziell in den Schatten. Die mise en scène Flanderns als Zentrum, ja als ‘Welthauptstadt” des Weltkriegsgedenkens gehorcht durchaus auch politischen Repräsentationsinteressen. Dass Belgien mit Paul Breyne und die flämische Region mit Pierre Ruyffelaere eigene Koordinatoren für den Centenaire haben – die wallonische Regierung wird sicher zu gegebener Zeit nachziehen – ist sicherlich einerseits schlichtweg Konsequenz der föderalen Verfassung Belgiens; darüber hinaus mag man darin jedoch auch einen Beleg für eine latente Deutungskonkurrenz sehen. In diesem Sinne erfolgen die postnationale Deutung des Weltkriegs und die Absage an nationale Narrative nicht ohne Hintergedanken.

„Friedenstourismus“

Anstatt auf Opfer- oder Heldendiskurse konzentriert sich das Programm auf die „Friedenserziehung“ und den ökonomischen Aspekt des “Centenaires” als Gelegenheit für Investitionen in touristische Infrastruktur. Beide Ziele verweben die Autoren emblematisch in dem Neologismus „Friedenstourismus“, „tourisme de la paix“ (S. 7).

Die infrastrukturell-touristischen Investitionen werden in großem Rahmen vorgenommen: 44 Projekte werden mit 37 Mio. Euro finanziert. Dazu zählen das Museum In Flanders Fields und die Öffnung des Beffroi von Ypern; „die Verbesserung der Infrastrukturen für den Gästeempfang auf dem ehemaligen Schlachtfeld von Passchendaele in Zonnebeke, die Schaffung von Gedenkstätten in Poperinge, die Umsetzung einer neuen Dauerausstellung im Turm „Tour de l‘Yser“ in Dixmude, die Renovierung des Denkmals von König Albert I. und abschließend der Aufbau eines historischen Themenzentrums über die  Hochwasserkatastrophe der Yser in Nieuport.“ Das Projekt Patrimoine de la Grande Guerre soll sich im Hinblick auf das Verschwinden sichtbarer Zeugnisse des Krieges der Aufgabe annehmen, die sichtbaren Spuren des Krieges in der Landschaft, auch solchen, die durch Grabungen zutage getreten sind, Dauerhaftigkeit zu verleihen.

Eine internationale Gedenkregion

Das Ziel ist die Schaffung einer touristisch vermarkteten „internationalen Gedenkregion“, die durch die umgesetzten Projekte räumlich abgesteckt und mit der gewünschten Bedeutung aufgeladen wird. Die Initiatoren des Programms planen, sich um eine gemeinsame Aufnahme der “Flanders Fields” und der Schlachtfelder in Frankreich (Verdun, Somme) in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes zu bewerben. Ein Erfolg würde die beschriebene Internationalität des Programms und die transnationale Deutung des Krieges zementieren.

Das flämische Centenaire-Programm zeichnet sich durch seine transnationale Sinngebung des Krieges aus: Es verneint den nationalen Interpretationsrahmen, setzt auf Pazifismus und Völkerverständigung, ersetzt „Kriegsruhm und Martyrium“ durch den Geist der „Flanders Fields“. Im Hinblick auf das bisherige Fehlen einer internationalen Gedenkpolitik zum Ersten Weltkrieg ist dieser transnationale Ansatz wegweisend. Es bleibt abzuwarten, welche Früchte diese Internationalität der „Welthauptstadt Flandern“ für die Entwicklung eines internationalen Weltkriegsgedenkens tragen wird.

 

1Laurence van Ypersele: Belgien. Enzyklopädie des Ersten Weltkriegs.

Quelle: http://grandeguerre.hypotheses.org/745

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