Der Tod eines Kindes…

… ist der Titel eines Kapitels in dem Buch von Ludwig Hüttl von 1976, “Max Emanuel, der Blaue Kurfürst 1679-1726; eine politische Biographie”, in dem es um die Krankheit und den Tod von Joseph Ferdinand von Bayern (1692-1699) geht. Vivien … Weiterlesen

Quelle: http://vivien.hypotheses.org/261

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„Die bedeutenden Wissenschaftssprachen müssen erhalten bleiben“

Prof. Dr. Hinnerk BruhnsInterview mit Prof. Dr. Hinnerk Bruhns, Forschungsdirektor am CNRS, Paris über die von ihm mitgegründete und herausgegebene Online-Zeitschrift „Trivium“.

Mareike König (MK): Herr Bruhns, Sie sind einer der „Väter“ von Trivium, eine elektronische Zeitschrift, die seit Herbst 2007 ausgewählte Artikel aus deutschen und französischen geistes- und sozialwissenschaftlichen Fachzeitschriften in der jeweils anderen Sprache in Übersetzung open access veröffentlicht. Wie ist die Idee zu Trivium entstanden?

Hinnerk Bruhns (HB): Die Idee zur Gründung der Zeitschrift Trivium ist in den Jahren 2005 bis 2007 entwickelt worden. Ich war damals stellvertretender Leiter der Fondation Maison des Sciences de l’Homme (FMSH). Dort gibt es seit den 1980er Jahren ein deutsch-französisches Programm für die Übersetzung von Büchern aus den Geistes- und Sozialwissenschaften[1], das mit der Unterstützung durch das Goethe-Institut (zuvor: Inter Nationes), den DAAD und das Centre National des Lettres durchgeführt wird. Die schon vor vielen Jahren gelegentlich von mir vorgetragene Idee, dieses Programm durch ein Parallelprogramm zur Übersetzung von Zeitschriftenartikel zu ergänzen, war einer der Ausgangspunkte, die zur Gründung von Trivium führten. Dahinter stand der Gedanke, dass der finanzielle Aufwand und das verlegerische Risiko bei der Übersetzung von Artikeln geringer sein würden als bei Büchern. Außerdem ließe sich durch die Übersetzung von kurzen Texten – Zeitschriftenartikel – die oft sehr lange Zeitverzögerung im Transfer und in der Rezeption der Entwicklung der Forschung im Nachbarland verringern.

Diese Überlegungen verbanden sich dann mit solchen zur Sprachenpolitik in den Geistes- und Sozialwissenschaften in Europa. Langjährige Partner der FMSH, die DVA-Stiftung und die Robert Bosch Stiftung hatten seit mehreren Jahren Untersuchungen über die wissenschaftliche Kommunikation zwischen Deutschland und Frankreich gefördert. Die Frage der Sprachen und Übersetzungen stand dabei im Mittelpunkt. In einer Studie von Fritz Nies aus dem Jahre 2002[2] werden am Beispiel verschiedener geistes- und sozialwissenschaftlicher Fächer sowohl die Intensität wie auch die Lücken in der Kommunikation, dem Transfer und der Rezeption zwischen den deutschen und französischen fachwissenschaftlichen „communities“ analysiert. Von den Ergebnissen dieser Studie ausgehend wurde von der Bosch-Stiftung und der DVA-Stiftung, dem Deutsch-französischen Institut in Ludwigsburg und der FMSH in Berlin im Jahr 2004 ein Kongress zur Sprachenfrage in der europäischen Wissenschaftskooperation organisiert, und zwar mit besonderer Blickrichtung auf die deutsch-französische Zusammenarbeit[3]. Zentrale Ergebnisse der Diskussionen waren zum einen die wissenschaftlich begründete Notwendigkeit, in den Geistes- und Sozialwissenschaften die bedeutenden Wissenschaftssprachen zu erhalten und zu fördern, und zum anderen – als Korrelat dazu – die Forderung, die transnationale Wissenschaftskommunikation verstärkt durch mehr Übersetzungen zu fördern und zu intensivieren.

Von diesen Überlegungen zur Realisierung der Idee waren dann nicht nur einige Schritte nötig, sondern vor allem Partner. Einmal Institutionen: neben den eben genannten deutschen Stiftungen das französische Kulturministerium und dann vor allem die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Agence nationale de la recherche in Frankreich. Dann auch Personen mit besonderem Engagement und den mir selbst fehlenden Kompetenzen. Ich nenne hier nur Gudrun Gersmann vom DHI Paris mit ihrer langen Erfahrung im Bereich digitaler Medien und Instrumente für die Forschung. Frau Gersmann hat, damals noch von der Universität Köln aus, gemeinsam mit der FMSH den Projektantrag für Trivium in das deutsch-französische Förderprogramm von DFG und ANR eingebracht und das Unternehmen dann als Direktorin des DHI Paris gemeinsam mit mir verwirklicht.

MK : Was ist das Besondere an Trivium?

 HB: Im Vergleich zu „normalen“ wissenschaftlichen Zeitschriften ist das Besondere an Trivium, dass hier keine Originalbeiträge publiziert werden, sondern ausschließlich Übersetzungen von Texten, die schon in Zeitschriften oder auch Sammelbänden in Frankreich oder Deutschland veröffentlicht worden sind. Das Besondere besteht also einerseits in der Übersetzung, andererseits aber auch in der Zusammenstellung von französischen und deutschen Beiträgen zu einer bestimmten Thematik.

Trivium erscheint in Form von Themenheften (durchschnittlich drei pro Jahr), die in der Regel von je einem deutschen und einem französischen wissenschaftlichen Herausgeber betreut werden. Trivium wird herausgegeben von den Editions de la Maison des sciences de l’Homme in Paris, in Verbindung mit mehreren deutschen und französischen Institutionen, darunter an erster Stelle das DHI Paris. Der wissenschaftliche Beirat der Zeitschrift entscheidet mit der Redaktion und den jeweiligen Herausgebern über die Auswahl der zu übersetzenden Artikel. Die erste Ausgabe ist im Mai 2008 veröffentlicht worden; die Zeitschrift ist frei im Internet zugänglich: http://trivium.revues.org/

 MK: Was genau bedeutet denn der Name Trivium?

HB: Der volle Name der Zeitschrift ist: Trivium. Revue franco-allemande de sciences humaines et sociales / Deutsch-französische Zeitschrift für Geistes- und Sozialwissenschaften. Im Lateinischen ist Trivium der Ort, wo drei Wege zusammenstoßen, eine Wegekreuzung. In der mittelalterlichen Universität bezeichnete Trivium die drei grammatisch-rhetorischen Fächer (Dialektik, Grammatik, Rhetorik) der sieben artes liberales, also den Dreiweg zur sprachlichen Bildung, zusammen mit dem Quadrivium (Vierweg: Arithmetik, Geometrie, Astronomie, Musik) als Propädeutik für die höheren Fakultäten (Theologie, Recht, Medizin). Besser als der Name Bivium (Zweiweg) es hätte tun können, entspricht der Begriff Trivium dem, was wir mit dieser ‚zweiseitigen’, deutsch-französischen Zeitschrift tun wollen. Einerseits durch den Bezug auf die Bedeutung der Sprache in der Bildung, andererseits dadurch, dass der ‚Dreiweg’ über das rein Deutsch-Französische hinausweist.

Screenshot von Trivium

Screenshot von Trivium

MK: Warum wurde Trivium als elektronische Zeitschrift konzipiert?

HB: Wollte man die Arbeitsschwerpunkte dieser Zeitschrift nicht auf eine Disziplin einschränken, sondern den doch sehr weiten Bereich der unterschiedlichen Wissenschaftsgebiete abdecken, in denen die Begrifflichkeit und das Denken vorwiegend durch die Nationalsprachen geprägt sind, dann konnte diese Zeitschrift vom wirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen nicht mit einem festen Abonnentenkreis rechnen, der die erheblichen Kosten für die Übersetzungen, die Redaktion, den Druck und den Vertrieb getragen hätte. Daher bot sich als einzige Möglichkeit die einer rein elektronischen, frei zugänglichen Zeitschrift an. Die durch private und öffentliche Zuwendungen zu deckenden Kosten des Unternehmens ließen sich allein durch den erwarteten Nutzen für die Wissenschaft rechtfertigen. Die Zeitschrift musste also als eine Art Instrument oder Infrastrukturelement entwickelt werden, dessen sich die Wissenschaftler, insbesondere die an der deutsch-französischen Kooperation interessierten, bedienen und – im besten Sinne – bemächtigen würden. Diese deutsch-französische Initiative sollte zugleich als Modell für analoge Übersetzungsinitiativen zwischen andere Sprachgemeinschaften dienen können.

MK: Wie positioniert sich Trivium in der deutschen und französischen Fachcommunity? Wen möchte Trivium ansprechen, Studierende, Doktoranden, Forscher?

HB: Dem ursprünglichen Konzept entsprechend wendet Trivium sich in erster Linie an Studenten, Hochschullehrer und Wissenschaftler, die aufgrund mangelnder oder unzureichender Kenntnisse des Deutschen, bzw. des Französischen, Publikationen in diesen Sprachen nicht oder nur selten, da mit großer Mühe verbunden, lesen. Man denkt dabei spontan wohl zunächst an das akademische Publikum in Frankreich und Deutschland, und in zweiter Linie an Leser in anderen deutsch- und französischsprachigen Ländern. Trivium richtet sich jedoch darüber hinaus an Wissenschaftler und Studenten in – potentiell – allen Ländern der Welt, die zumindest eine der beiden Sprachen lesen, in denen die Zeitschrift ihre Übersetzungen veröffentlicht. Die Zugriffsstatistiken zeigen, dass die Leserschaft von Trivium weit über die Welt verteilt ist. Auch hat sich gezeigt, dass Trivium durchaus auch regelmäßig von Wissenschaftlern und Studenten konsultiert wird, die beider Sprachen mächtig sind. Das liegt nicht nur daran, dass die von unserer Zeitschrift publizierten Texte im Internet direkt zugänglich sind. Entscheidender ist wohl, dass Trivium forschungsrelevante thematische Dossiers anbietet, die nach wissenschaftlichen Kriterien zusammengestellt und von den jeweiligen Herausgebern mit einer ausführlichen Einleitung in den Themenschwerpunkt versehen werden. Themenhefte von Trivium werden, wie der Redaktion bekannt worden ist, auch in der Lehre an Universitäten eingesetzt.

MK: Einmal ketzerisch gefragt: warum sind Übersetzungen in den Geisteswissenschaften auch heute noch so wichtig?

HB: Die Konzeptualisierung in den Geistes- und Sozialwissenschaften, deren Gegenstand Mensch und Gesellschaft sind, ist (insbesondere in den bedeutenden Wissenschaftsgemeinschaften) eng verknüpft mit der jeweiligen Nationalsprache. In ihr kommen Denken und Erfahrung des Einzelnen wie der Gesellschaft zum Ausdruck, in ihr formuliert der Forscher seine Hypothesen, Analysen und Erklärungen, und in ihr stellt er sie den Fachwissenschaftlern wie auch einem breiteren Publikum vor.

Auch wenn wissenschaftliche Kommunikation und wissenschaftlicher Austausch in Europa und international auf eine lingua franca – heute Englisch – nicht verzichten können, ist für eine wirkliche wissenschaftliche Kommunikation und Kooperation zwischen Forschern aus unterschiedlichen Sprachgemeinschaften der systematische Rückgriff auf eine dritte Sprache nicht ausreichend und im Grunde nur ein – häufig allerdings unumgänglicher – Notbehelf. Im Rahmen der internationalen Kooperation hängt die Qualität der Forschungsarbeit in den Geistes- und Sozialwissenschaften in einem nicht zu vernachlässigenden Umfang ab zum einen von guten Kenntnissen in der Sprache des Partners, zum anderen von der (streng wissenschaftlichen Kriterien genügenden) Qualität der Übersetzungen. Heute ist die Qualität der Forschung, und damit auch der Lehre, durch den verhängnisvollen Trend bedroht, dass viele meinen, man brauche nicht mehr zur Kenntnis zu nehmen, was nicht auf Englisch publiziert ist. Übersetzungen sind ein Gegenmittel, die Mehrsprachigkeit zur Voraussetzung für die Zulassung zum Promotionsstudium (spätestens!) zu machen wäre ein anderes.

MK : Welche Themenschwerpunkte wurden bisher bei Trivium behandelt und wie werden diese ausgewählt? Kann jeder einen Vorschlag machen?

HB : Wir haben bisher neun Themenhefte veröffentlich, jedes Mal mit einem anderen Schwerpunkt. Die Spannweite reicht von den „orientalischen“ Religionen in der griechisch-römischen Antike (Nr. 4) bis zu Max Webers Soziologie der Bürokratie (Nr. 7), dem iconic turn in den Sozialwissenschaften (Nr. 1), oder, um ein anderes Beispiel zu nennen, bis zu der in Frankreich entwickelten Soziologie der Konventionen (Nr. 5). Andere Themen waren die subjektiven Rechte und die Menschenrechte (Nr. 3), die Formen symbolischer Kommunikation im Mittelalter (Nr. 2), das Verhältnis von Ästhetik und Kunstwissenschaft (mit einer ganzen Reihe von Texten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts) (Nr. 5), der Wissenstransfer als ein Aspekt der Beziehungen zwischen lateinisch-christlicher und arabisch-islamischer Welt zwischen dem 9. und dem 15. Jahrhundert (Nr. 8) und zuletzt das Problem der Zeit und der Zeitwahrnehmungen in den Sozialwissenschaften (Nr. 9).

Vorschläge können von jedermann gemacht werden; natürlich müssen die Vorschläge dem besonderen Format und der Zielsetzung der Zeitschrift entsprechen. Hinweise dazu gibt es auf der Homepage von Trivium.

Blog der Zeitschrift TriviumMK: Wie lauten die Themen für die nächsten Hefte bei Trivium?

HB: Die beiden nächsten Nummern behandeln das Thema der „Lesbarkeit/Lisibilité“ (Nr. 10) und dann „Flaubert orientalischen Realismus“ (Nr. 11). Danach geht es einmal um Emile Durkheim, dann um Forschungen zum Alten Reich und danach um die Entwicklung der Kultursoziologie.

MK: Gibt es einen Newsletter mit der Ankündigung der neuesten Nummer oder wie kann man von den neuen Ausgaben erfahren?

HB: Ja, es gibt einen Newsletter. Unter folgender Adresse kann man ihn abonnieren: http://trivium.revues.org/?page=lettre

Außer dem gibt es ein Blog, und Trivium ist auch auf Facebook präsent.

MK: Herr Bruhns, vielen Dank für das Interview.

 

Hinnerk Bruhns hat die Fragen schriftlich beantwortet.

 

Kontakt:

Trivium
Fondation Maison des Sciences de l’Homme
190, avenue de France
75013 Paris

trivium@msh-paris.fr

bruhns[at]msh-paris.fr

 


 

  1. http://www.editions-msh.fr/info/?fa=text56 und http://www.editions-msh.fr/collections/?collection_id=574
  2. Die wichtigsten Beiträge zu dieser Veranstaltung sind in einem Sammelband veröffentlicht worden: Fritz Nies (Hrsg.), unter Mitwirkung von Erika Mursa, Europa denkt mehrsprachig. Exemplarisch: deutsche und französische Kulturwissenschaften / L’Europe pense en plusieurs langues. Exemplaires: les Sciences de l’Homme en France et en Allemagne, Tübingen, Gunter Narr Verlag, 2005.((Fritz Nies (Hrsg.): Spiel ohne Grenzen? Zum deutsch-französischen Transfer in den Geistes- und Sozialwissenschaften, Gunter Narr Verlag, Tübingen 2002; französische Übersetzung: Fritz Nies (dir.), L’enjeux scientifiques des traductions : échanges franco-allemandes en sciences humaines et sociales, Paris, Editions de la Maison des sciences de l’homme, 2004.
  3. Die wichtigsten Beiträge zu dieser Veranstaltung sind in einem Sammelband veröffentlicht worden: Fritz Nies (Hrsg.), unter Mitwirkung von Erika Mursa, Europa denkt mehrsprachig. Exemplarisch: deutsche und französische Kulturwissenschaften / L’Europe pense en plusieurs langues. Exemplaires: les Sciences de l’Homme en France et en Allemagne, Tübingen, Gunter Narr Verlag, 2005.

Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/726

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Psychoanalyse einer Gesellschaft

Schon 1990 diagnostizierte Hans-Joachim Maaz den “Gefühlsstau”. Das gleichnamige Buch beschäftigte sich früh mit den psychischen Folgen sowohl der DDR als auch mit denen des Umbruchs von 1989/90 – und das auf einem Fundament von vielen Jahren psychotherapeutischer Berufserfahrung. Im MONTAGSRADIO 01/2012 sprechen Markus Heidmeier und Jochen Thermann mit dem Autor und Psychotherapeuten über die Geschichte seines Buchs, über die Gültigkeit der Befunde und die Möglichkeiten und Grenzen, eine ganze Gesellschaft zu psychoanalysieren.

Mit  ”Gefühlsstau” bezeichnete Hans-Joachim Maaz die Repression von Gefühlen in einem auf Kontrolle ausgerichteten System, das jede intellektuelle, aber auch emotionale Abweichung registrierte. Dem kurzen Aufbrechen aus systemischen Zwängen mit Flucht, Demonstrationen und Mauerfall im Jahre 1989 folgte bald für viele Ostdeutsche Ernüchterung in einer wirtschaftlich schwierigen Lage, die verschärft wurde durch Gefühle der Unterlegenheit gegenüber einem ökonomisch und kulturell dominantem Westen.

Und hier gehts direkt zum MP3.

Quelle: http://www.montagsradio.de/2012/01/23/psychoanalyse-einer-gesellschaft/

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Buchbesprechung: Dietmar Herz – USA verstehen

Von Stefan Sasse

USA verstehenDie USA sind auch 20 Jahre nach Ende des Kalten Krieges immer noch die mächtigste und wichtigste Nation der Welt. Ohne sie lässt sich kaum etwas durchführen. Gleichzeitig sind die Amerikaner, trotz der Ähnlichkeiten in Kultur und Sprache, ein Volk mit einer anderen Mentalität als die Europäer. Nur wenige Europäer können verstehen, warum die Amerikaner so sensibel auf das Recht auf Waffenbesitz reagieren, wie sie ernsthaft Abtreibungsrechte verweigern oder die Stars-and-Stripes überall wehen sehen wollen können. Dietmar Herz, der sich als Journalist bereits seit langem mit den Amerikanern, ihrer Geschichte und ihrer Politik innen wie außen beschäftigt, versucht nun mit „USA verstehen“ diese Lücke zu füllen.

Das Buch umfasst 413 eng beschriebene Seiten in solidem, schön gestaltetem Hardcover. In chronologischer Reihenfolge führt Herz den Leser ausführlich durch die Geschichte der USA, bevor er kurz Regierungs- und Wirtschaftssystem sowie die Medien- und Universitätslandschaft skizziert. Genau hier aber liegt das Problem des Buchs: wer darauf hofft, danach einen besseren Blick auf die oben aufgeworfenen Verständnisprobleme gewonnen zu haben dürfte enttäuscht werden. Denn letztlich liegt der Fokus auf einer umfassenden Darstellung der amerikanischen Geschichte, der einige grundlegende Strukturinformationen zum besseren Verständnis nachgestellt werden. Mentalitäts- oder kulturgeschichtliche Aspekte finden allenfalls am Rande statt. 

Damit keine Missverständnisse auftauchen: die Geschichte der USA in Herz‘ Darstellung ist kompetent geschrieben, kompakt und gut recherchiert auf vergleichsweise aktuellem Stand. Auch die Einführungen am Ende des Buchs sind kompakt, verständlich und flüssig geschrieben. Trotzdem wirkt die Verteilung letztlich, als ob der Autor sich nicht recht habe entscheiden können, was er eigentlich schreiben wollte. Zu 90% liest das Buch sich nicht wie „USA verstehen“, sondern wie eine „Einführung in die Geschichte der USA“. Wer sich hier nicht bereits sehr gut auskennt, wird von Herz viele neue Informationen geliefert bekommen und danach eine Rundum-Bildung auf diesem Gebiet haben. Dies kann nicht bezweifelt werden, und Herz‘ Schreibe macht das Buch unter diesem Aspekt auch interessant genug. 

Allein, hat man die erste Enttäuschung über die inhaltlichen Leerstellen für das Thema „USA verstehen“ überwunden, so bleiben zwei Kritikpunkte zurück. Der erste ist die arge Knappheit der Zusatzinformationen im letzten Viertel des Buchs (die ersten 300 Seiten umfassen die Geschichte, nur die letzten hundert den Rest). Hier wäre etwas mehr durchaus mehr gewesen. Die Themen werden nur sehr eingeschränkt angerissen, und besonders bei den Medien- und Universitätssystemen merkt man den beschränkten Platz sehr deutlich, da die einzelnen Bundesstaaten hier deutlich divergieren. Zusätzliche hundert Seiten hätten hier sicherlich geholfen, die Einführung über die reine Skizze hinaus zu gestalten. 

Der andere Kritikpunkt betrifft die Geschichtsdarstellung selbst. Obwohl umfangreich recherchiert und flüssig geschrieben und dabei durchaus kompakt, konzentriert sie sich allzu stark auf die Präsidenten und ihre Handlungen und lässt etwa Gesellschafts-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte größtenteils außen vor. Dies fällt besonders in jenen Epochen auf, in denen die Präsidenten besonders schwache Figuren waren, etwa n der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Während für die Zeit des Ost-West-Konflikts eine solche Darstellung durchaus Sinn macht und Verständnis fördernd ist, fällt sie hier deutlich zu kurz. 

Mit diesen Einschränkungen ist Herz‘ Buch jedoch trotz allem zu empfehlen. Als Einführung für den bisher unkundigen Leser oder auch als Auffrischung für auf dem Feld erfahrenere Zeitgenossen hat es deutliche Tugenden. Nur ist man nach der Lektüre noch lange nicht beim „USA verstehen“ angelangt - dafür braucht es doch noch mehr. 

Rezension im Auftrag des Roten Dorn. Mit freundlicher Genehmigung. 

Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2012/01/buchbesprechung-dietmar-herz-usa.html

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Vorgänger von Maurice Quentin de La Tour

Rund 20 Jahre nach seinem Tod wurde Vivien von Jacques Lacombe im  “Dictionnaire portatif des Beaux-Arts, ou abregé de ce qui concerne l’Architecture, la Sculpture, la Peinture, la Gravure, la Poésie & la Musique; avec La définition de ces Arts, l’explication … Weiterlesen

Quelle: http://vivien.hypotheses.org/255

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