Gastbeitrag von Robert Rothmann zur Videoüberwachung

Videoüberwachung reloaded von Robert Rothmann

Anhand von Zwischenfällen wie dem vereitelten Bombenattentat am Bonner Hauptbahnhof oder der Vergewaltigung einer Frau in einem Waggon der Wiener U-Bahn, keimt die Debatte rund um Videoüberwachung immer wieder auf. Diskutiert wird diesmal vor allem die präventive Ineffektivität der Maßnahme, wobei auf eine zu geringe Kameradichte sowie die nicht durchgehend in Echtzeit stattfindende Sichtung des Bildmaterials verwiesen wird. Damit wird implizit die Annahme genährt, es wäre möglich, durch genügend Überwachung auch eine Situation schaffen zu können, in der es keine derartigen Zwischenfälle gibt. Doch Sicherheit ist eine Variable ohne Obergrenze. Absolute Sicherheit kann es nie geben, auch nicht mit totaler Überwachung. Dies scheint besonders dann nachvollziehbar, wenn es sich um ideologisch motivierte (Selbstmord-)AttentäterInnen handelt oder impulsiv im Affekt oder Rausch agiert wird.

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Der französische Soziologe Émile Durkheim hat bereits 1895 festgestellt, dass eine Gesellschaft keine derart allumfassende und absolute Uniformität aufweisen kann, die ausreichend wäre, jede Überschreitung und Dissidenz zu verhindern. Als zwangsläufiger Bestandteil von Gesellschaften erfüllt Devianz mitunter auch den Zweck der Normfestigung. Um zu definieren was normal ist, braucht es das Abweichende (vgl. ebd. 1984: 156ff)1. Auch die oben zitierten Beispiele funktionieren auf diese Weise. Als markante Extremfälle generieren sie eine Art moral panic (vgl. Cohen 1987)2 und fungieren als Impuls zur Festigung eines allgemeinen moralischen Konsens. So tragen derartige Zwischenfälle auch wesentlich zur Durchsetzung und Festigung neuer Sicherheitsrichtlinien und der Konstituierung einer neuen öffentlichen Ordnung bei.

Doch ob Videoüberwachung tatsächlich die Sicherheit erhöht, kümmert offenbar niemanden. So wird zwar viel in die Installation der Systeme investiert, der wissenschaftliche Nachweis über die sicherheitstechnische Eignung bleibt aber weitgehend aus (vgl. Rothmann 2012)3. Dies ist insofern problematisch, weil Videoüberwachung nach wie vor als Eingriff in die bestehenden Grundrechte auf Privatsphäre und Datenschutz gilt und daher immer auch nach Verhältnismäßigkeit verlangt. Dies bedeutet, dass die Überwachungsmaßnahme nur dann zulässig ist, wenn sie auch nachweislich zur Zweckerfüllung geeignet ist und zudem keine andere Lösung verfügbar ist, die ein gelinderes bzw. weniger eingriffsintensives Mittel zur Zweckerfüllung darstellt.

Abseits der Lehrbücher reicht aber scheinbar aus, wenn das gespeicherte Videomaterial grundsätzlich die Option bietet, nach Indizien, Hinweisen oder Anhaltspunkten zu suchen, um TäterInnen nachträglich leichter ausforschen und überführen zu können. Bleibt nur zu klären, ob Videoüberwachung dann noch als präventive Maßnahme zur Vorbeugung von Straftaten bezeichnet werden kann (vgl. Töpfer 2009)4. Doch wieso auch nicht? Die Möglichkeit ein Delikt zu verhindern besteht. Darüber hinaus erfährt Videoüberwachung auffällig große Zustimmung und Akzeptanz. Mit zunehmender Verbreitung und Etablierung der Maßnahme steigt die Zustimmung sogar an, als würden anfängliche SkeptikerInnen ihre Scheu verlieren (vgl. Reuband 20015, Hempel & Töpfer 20046 ).

Dass es sich bei Videoüberwachung um einen Eingriff in Persönlichkeitsrechte handelt, die auch für Verhalten in der Öffentlichkeit gelten (vgl. König 2007: 114)7, ist angesichts der Mediatisierung und Virtualisierung eines Großteils unserer Lebenswelten kaum mehr verständlich. In Alltagsdiskussionen vermischen sich dann Akzeptanz und Grundrechtsverzicht mit einem autoritären Ruf nach law & order. Zugleich wird Anonymität als sicherheitsgefährdendes Übel abqualifiziert (vgl. Sennett 1983)8 und der datenschutzrechtliche Anspruch auf Geheimhaltung personenbezogener Informationen zunehmend illegitim und mitunter verdächtig. Doch wohin führt uns diese Entwicklung? Wieviel Grundrechts-Erosion verträgt eine liberale demokratische Gesellschaft? Haben wir es vielleicht mit einem Paradigmenwechsel zu tun? Stehen wir gar am Beginn einer Post-Privacy Ära?

  1. Durkheim, Emile (1984): Die Regeln der soziologischen Methode. Herausgeben und eingeleitet von Rene König. suhrkamp taschenbuch wissenschaft 464.
  2. Cohen, Stanley (1987): Folk Devils and Moral Panics: The Creation of the Mods and Rockers. Oxford. Basil Blackwell.
  3. Rothmann, Robert (2012): Zur Evaluation der Sicherheitstechnischen Eignung von Videoüberwachung. Regionale Defizite, internationale Standards, methodische Herausforderungen, in: juridikum, zeitschrift für kritik ǀ recht ǀ gesellschaft. 4/2012. S. 481-493.
  4. Töpfer, Eric (2009): Videoüberwachung als Kriminalprävention? Plädoyer für einen Blickwechsel. In: Kriminologisches Journal, Heft 4/2009, S. 272-282.
  5. Reuband, Karl-Heinz (2001): “Videoüberwachung. Was die Bürger von der Überwachung halten”, in: Neue Kriminalpolitik, Vol. 13, No. 2, S. 5-9
  6. Hempel, Leon; Töpfer, Eric (2004): On the Threshold to Urban Panopticon? Analysing the Employment of CCTV in European Cities and Assessing its Social and Political Impacts. Berlin.
  7. König, Gregor (2007): Videoüberwachung und Datenschutz – Ein Kräftemessen. In: Jahnel, Dietmar; Siegwart, Stefan; Fercher, Natalie (Hg.) Aktuelle Fragen des Datenschutzrechts. Facultas, Wien. S. 109-147.
  8. Sennett, Richard (1983): Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität. Berliner Taschenbuch Verlag.

Quelle: http://www.univie.ac.at/identifizierung/php/?p=5290

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Veröffentlichung in: Video Surveillance – Practices and Policies in Europe

Mein Artikel The thinking eye is only half the story: High-level semantic video surveillance ist jetzt auch in dem Sammelband Video Surveillance – Practices and Policies in Europe bei IOS Press erschienen.

Musik, Christoph (2012): The thinking eye is only half the story: High-level semantic video surveillance. In: Webster, C. William R. / Töpfer, Eric / Klauser, Francisco R. / Raab, Charles D. (eds.) (2012): Video Surveillance – Practices and Policies in Europe. Vol. 18 of Innovation and the Public Sector. Amsterdam, Berlin, Tokyo, Washington D.C.: IOS Press. pp. 37-51.

Quelle: http://www.univie.ac.at/identifizierung/php/?p=4041

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Teilnahme am Tag des SOWI-Doktorats

Am Donnerstag den 04. Oktober 2012 werden wir am Tag des SOWI-Doktorats teilnehmen und ein Poster präsentieren. Der „Tag des SOWI-Doktorats“, bei welchem die Forschung von rund 30 sozialwissenschaftlichen NachwuchswissenschafterInnen präsentiert wird, veranstaltet das Graduiertenzentrum der Fakultät für Sozialwissenschaften in Zusammenarbeit mit dem DoktorandInnenzentrum der Universität Wien. Darüber hinaus werden im Rahmen von Panels mit ExpertInnen die Themen “Karriereperspektiven in den Sozialwissenschaften” sowie “Wissenschaftskommunikation in Theorie und Praxis” (u.a. mit Armin Wolf und Klaus Taschwer) diskutiert. Die Veranstaltung findet in der Aula am Universitätscampus statt und beginnt um 14 Uhr.

Quelle: http://www.univie.ac.at/identifizierung/php/?p=4038

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Veröffentlichung: Personen identifizieren – Eine Geschichte von Störfallen

In der neuesten Ausgabe des Kriminologischen Journals ist gerade unser gemeinsamer Artikel Personen identifizieren – Eine Geschichte von Störfallen erschienen. Es handelt sich dabei um einen Kommentar zu Raul Gschreys künstlerischem Beitrag “Der typische Deutsche” oder “Automatisierte Erkennung erfordert indivduelle Charakteristika – sei durchschnittlich.”

Ausgehend von Gschreys Arbeit gehen wir in diesem Kommentar auf einige Aspekte der Geschichte und Entwicklung, Ausverhandlung und Implementierung von Identifizierungstechniken und ihrer Störfälle ein.

 

Gruber, Stephan/Meßner, Daniel/Musik, Christoph (2012): Personen identifizieren – Eine Geschichte von Störfallen. Kriminologisches Journal, Heft 3 (2012), S. 219-224.

Quelle: http://www.univie.ac.at/identifizierung/php/?p=4023

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IBM ‘Smarter Planet’ TV-Spots

Im Rahmen der IBM Initiative ‘Smarter Planet’, welche ihren Ausgang laut Wikipedia Eintrag wohl im November 2008 in einer Rede des IBM Vorsitzenden, CEO und Präsidenten Sam Palmisano nahm, kann man im deutschsprachigen Raum schon seit einiger Zeit mehrere IBM Werbespots im Internet und Fernsehen sehen. Hier zwei Beispiele, die verdeutlichen wie sich die International Business Machines Corporation (kurz: IBM) einen “smarten” Planeten vorstellt:

Smarter Planet TV-Spot – Verhinderte Verbrecher

Smarter Planet TV-Spot – Süße Daten

Die beiden Spots zeigen, dass in IBM’s Vision eines smarten Planeten Datenanalyse und Mustererkennung als Entscheidungsgrundlage eine zentrale Rolle spielen. Im ersten Video wird ein bereits erfolgreich geführter Kampf gegen Kriminalität, welcher insbesondere durch Prävention erreicht wurde, dargestellt, im zweiten Beispielvideo wird eine bereits erreichte Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in einem Unternehmen aufgrund der neu gewonnenen Kenntnis eines “versteckten Zusammenhangs”, welcher erst durch die Datenanalyse zu Tage getreten ist, gezeigt. Im ersten Spot wird gleichzeitig auch ein scheinbar stattfindender Wandel in der Polizeiarbeit präsentiert: Weg von “Gangsterjagd” und “Verhaftung” hin zu smarter Datenanalyse und Prävention. Immerhin wird der vermeintliche Verbrecher am Ende des Spots nicht gleich verhaftet, sondern wird sich wahrscheinlich in der Folge ein anderes, weniger geschütztes, schwächeres und bisher noch nicht in den Daten vorkommendes Überfallsobjekt oder -subjekt aussuchen (vgl. dazu ‘Verdrängungseffekte’ u.a. in Kaiser 19961 und Helsley & Strange 20052).

Was mich an der Initiative außerdem besonders interessiert ist die (Omni-)Präsenz des Wortes ‘smart’ auch im deutschsprachigen Raum: Wenn es am Ende der Werbespots heißt “Machen wir den Planeten ein bisschen smarter”, so geht das einher mit der Assoziation von dutzenden Dingen, die im Laufe der letzten Jahre das Beiwort ‘smart’ erhalten haben: Smartphones, Smart CCTV, Smart Homes, Smart Cities oder auch Smart Meter. Mit Hilfe des sicherlich smarten Datenanalysetools Ngram Viewer von Google, einem Tool, um die Häufigkeit von Wörtern und Phrasen in digitalisierten Büchern im Verlauf der Zeit zu analysieren, kann man feststellen, dass das Wort “smart” in deutschsprachigen Büchern seit etwa Anfang der 1990er Jahre einen nahezu exponentiellen Anstieg bis in das Jahr 2008 (hier endet die verfügbare Zeitreihe) erlebt hat. Bleibt abzuwarten, inwiefern Initiativen wie IBM’s “Smarter Planet” diesen Anstieg noch verstärken werden und inwiefern sich die Welt verändert, indem sie immer smarter wird.

  1. G. KAISER. Kriminologie. Ein Lehrbuch. 3., völlig neubearb. und erweiterte Auflage. Heidelberg, C.F. Müller großes Lehrbuch, 1996.
  2. R.W. HELSLEY und W.C. STRANGE. Mixed markets and crime. Journal of Public Economics 89, pp.1251-1275, 2005.

Quelle: http://www.univie.ac.at/identifizierung/php/?p=3987

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Universitätskurs ‘Technologie und Gesellschaft’

In diesem Wintersemester 2012/2013 werde ich am Institut für Wissenschaftsforschung der Universität Wien im Rahmen eines Erweiterungscurriculums den Universitätskurs (UK) Technologie und Gesellschaft lehren. Das Erweiterungscurriculum kann voraussetzungsfrei besucht werden.

Termin: montags 09.30-11.30 Uhr, ab 08.10.2012

Ort: Seminarraum STS, NIG Universitätsstraße 7/Stg. II/6. Stock, 1010 Wien

Anmeldung zur LV über UNIVIS von 10. September 2012, 08:00 Uhr bis 25. September 2012, 23:59 Uhr

Inhalte: Technologische Entwicklungen und Innovationen prägen Gesellschaften und gesellschaftliche Ordnungen. Technologien wie das Internet, Smartphones oder Tablet-PCs werden zu einem integralen Bestandteil unseres alltäglichen Lebens. Sie gestalten und leiten gesellschaftliches Handeln und sind aus vielen Arbeitsbereichen nicht mehr wegzudenken.
Aber wie und warum entstehen neue Technologien eigentlich? Die Wissenschafts- und Technikforschung hat gezeigt, dass Technologien nicht von außen deterministisch auf unsere Gesellschaft einwirken, sondern vielmehr innerhalb von gesellschaftlichen Prozessen entstehen. Damit sind Technologien bzw. Artefakte wie Brücken, Sicherheitsgurte, Software, automatische Gesichtserkennung oder Google untrennbar verbunden mit sozialen und politischen Werten, Normen und Moralvorstellungen, die in sie ‘eingeschrieben’ und damit (auf Dauer) stabilisiert werden.
Der Universitätskurs setzt sich grundlegend mit dem Verhältnis und den Schnittstellen von Technologie und Gesellschaft auseinander. Die Studierenden lernen auf Basis gemeinsamer Lektüre die Perspektiven zentraler AutorInnen (Bijker, Winner, Latour etc.) aus dem Feld der Wissenschafts- und Technikforschung kennen und wenden die erworbenen Erkenntnisse auf konkrete Beispiele, insbesondere aus den Informations- und Kommunikationstechnologien (z.B. Suchmaschinen, Gesichtserkennung) an.

Quelle: http://www.univie.ac.at/identifizierung/php/?p=3980

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TV-Serie ‘Person of Interest’ auf RTL

Ab heute Abend, Donnerstag 13.09.2012 läuft die von uns bereits erwähnte US TV-Serie Person of Interest auf RTL mit dem Pilot an. RTL zeigt alle 23 Episoden der ersten Staffel immer donnerstags um 21.15 Uhr in deutscher Free TV Erstausstrahlung. Zuvor lief die Serie bereits auf RTL Crime an. Hier der Trailer auch auf deutsch:

Quelle: http://www.univie.ac.at/identifizierung/php/?p=3991

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Neue Erkenntnisse zur Vorratsdatenspeicherung

Wie in den österreichischen Medien jetzt auch krone.at (“Vorratsdaten nicht zur Prävention von Terror geeignet”) und zuvor derstandard.at (“Vorratsdatenspeicherung kein Mittel gegen Terrorismus”) berichten, veröffentlichte die Technische Universität Darmstadt pünktlich zum 11. Jahrestag von 9/11 in einer Presseaussendung Ergebnisse einer Untersuchung zur umstrittenen Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten. Die Kernaussage darin ist, dass die Vorratsdatenspeicherung womöglich kein geeignetes präventives Mittel ist, um terroristische Anschläge zu verhindern. In der Aussendung heißt es:

„Das hierzulande vorgebrachte Hauptargument, dass Terroristen schon vor einer Straftat identifiziert werden könnten – also rein präventiv –, ist nach unserer Studie fraglich“, bringt es der Bioinformatiker Prof. Kay Hamacher vom Fachgebiet Computational Biology and Simulation, auf den Punkt. „Entgegen bisheriger Vermutungen haben unsere Simulationen gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit, Terroristen ausfindig zu machen, praktisch nicht steigt“, konkretisiert Hamacher, der die Studie gemeinsam mit Prof. Stefan Katzenbeisser, Security Engineering Group der TU Darmstadt, leitete.

Es ist die Suche nach der Nadel im Heuhaufen

Um terroristisches Verhalten erkennen zu können, müssen Telekommunikationsmuster erkannt werden, die von “normalen” Mustern abweichen. Die Forscher erklären es für problematisch,  “dass auch unverdächtige und gesellschaftlich gewollte Organisations- und Kommunikationsstrukturen auf diese Weise funktionieren” und führen die Organisation einer Hochzeit als Beispiel an.  Es ist also nicht möglich, als terroristisches Verhalten definierte Muster von “normalen”, nicht terroristischen Mustern zu unterscheiden. Außerdem sei es für Terrorgruppen ohne weiteres möglich, die “Ermittler auf falsche Spuren zu locken”, etwa durch die Bildung einer Art “Zwillings-Gruppe”, die durch ihr Verhalten die Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Auch potentielle Bankräuber verhalten sich “normal”

Sehr ähnliche Ergebnisse präsentiere ich in meinem Paper “The thinking eye is only half the story: High level semantic video surveillance”: Um Vorbereitungshandlungen von möglichen Banküberfällen (z.B. Ausspionieren der Örtlichkeit) präventiv verhindern zu können, gibt es die Möglichkeit, mit Hilfe von Kameras und Bildverarbeitungsalgorithmen Bewegungsmuster von Personen automatisiert zu analysieren.

Bei den Beobachtungen in Bankfilialen hat sich aber ergeben, dass das Verhalten von “normalen” Bankkunden so unterschiedlich und divers ist, dass das Erkennen und Herausfiltern von ungewöhnlichen oder sogar verdächtigen Bewegungsmustern nicht mehr möglich ist. Wenn man also nur diejenigen herausfiltern würde, die vom Durchschnittsverhalten abweichen (z.B. eine Person, die in aller Ruhe ein Überweisungsformular ausfüllt und anschließend in einer Schlange vor dem Schalter wartet), würde es mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit immer die Falschen, nicht aber potentielle Bankräuber treffen. Auch hier habe ich den Vergleich mit der Suche nach der Nadel im Heuhaufen gebracht: Denn z.B. im Verhältnis zu geschätzten 70 Milionen Personen, die pro Jahr die 512 Bankfilialen in Wien pro Jahr betreten und verlassen, ereigneten sich etwa im Jahr 2008 in Wien “nur” 63 Banküberfälle  (Musik 2011: 348f.).

Quelle: http://www.univie.ac.at/identifizierung/php/?p=3966

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Veröffentlichung: The thinking eye is only half the story

In den letzten Tagen des alten Jahres 2011 ist mein erster peer-review Artikel ‘The thinking eye is only half the story: High-level semantic video surveillance1  im Special Issue ‘Revisiting the surveillance camera revolution: Issues of governance and public policy‘ im Journal Information Polity erschienen.

Abstract

An increase in video surveillance systems, paired with increased inquiry for efficiency, leads to the need of systems which are able to process and interpret video data automatically. These systems have been referred to as ‘algorithmic video surveillance’, ‘smart CCTV’, or ‘second generation CCTV surveillance’. This paper differentiates and focuses on ‘high-level semantic video surveillance’ by referring to two case studies: Facial Expression Recognition and Automated multi-camera event recognition for the prevention of bank robberies. Once in operation these systems are obscure, therefore, the construction process of high-level semantic VS is scrutinized on the basis of a ‘technology in the making’ approach.

 

Im Editorial2 des Journals wird mein Artikel vorgestellt:

Christoph Musik’s article, ‘The Thinking Eye is Only Half the Story: High-level Semantic Video Surveillance’, looks at the evolution of the technological capabilities of surveillance systems, especially in relation to the need to interpret video images quickly and accurately. Two case studies are examined in detail – ‘facial expression recognition’ and ‘automated multi-camera event recognition for the prevention of bank robberies’ – through which he demonstrates how the computerization of video surveillance is leading to a ‘second generation’ of ‘intelligent’ systems. As Musik notes, ‘the thinking eye is only half the story’ and such developments raise issues about the design of these systems and who shapes their intelligence, and consequently their use.

 

  1. Musik, Christoph (2011): The thinking eye is only half the story: High-level semantic video surveillance. Information Polity 16/4: 339-353.
  2. Revisiting the surveillance camera revolution: Issues of governance and public policy. Introduction to part one of the Special Issue. Information Polity 16/4: 297-301

Quelle: http://www.univie.ac.at/identifizierung/php/?p=3829

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Stellungnahme zum Feldversuch Gesichtserkennung in Karlsruhe

Wir haben im September bereits über die Absage eines Feldversuches für ein Verfahren zur Gesichtswiedererkennung (face recognition) im Karlsruher Fußballstadion Wildpark berichtet (Feldversuch Gesichtserkennung im Fußballstadion Wildpark gestoppt).

Seit 04. Oktober 2011 gibt es in dieser Angelegenheit vom Innenministerium des deutschen Bundeslandes Baden-Württemberg eine Antwort auf eine sog. “Kleine Anfrage” der Grünen Landtagsabgeordneten Alexander Salomon und Wilhelm Halder. Die gesamte Kleine Anfrage und Antwort kann hier eingesehen werden.

Bei Dursicht der Antwort kommt u.a. heraus, dass bisher noch nicht geklärt sei, wie es  im mit 1,2 Millionen Euro vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im KMU-innovativ-Programm gefördertem Forschungsprojekt „Parallele Gesichtserkennung in Videoströmen“, an welchem maßgeblich die öffentliche Einrichtung  Karslruher Institut für Technologie (KIT) beteiligt ist, weitergehen soll. Die beteiligten Projektpartner würden derzeit Alternativen für das weitere Vorgehen im Rahmen des Projektes prüfen, insbesondere unter welchen Rahmenbedingungen entsprechende Videoaufnahmen durchgeführt werden können. Möglicherweise solle auch gänzlich auf Feldversuche verzichtet werden, ohne dadurch den Projekterfolg zu gefährden.

Gerade dieser letzte Punkt erscheint mir vollkommen rätselhaft,  die Innovation dieses Projekts würde ich aus technischer Sicht gerade darin sehen, dass ein solches Verfahren in der Praxis getestet wird. Unter kontrollierten und  standardisierten Laborbedingungen mag Gesichtswiedererkennung teilweise ja funktionieren, aber unter realen Feldbedingungen gibt es doch erhebliche Mängel. Deshalb finde ich es auch unverständlich, dass das Innenministerium von BaWü die Frage, wie sie den Einsatz von Gesichtserkennungstechniken im Zusammenhang mit “halböffentlichen” Orten wie Fußballstadien bewerte, folgendermaßen beantwortet:

Die Kombination von Videotechnik und automatisierter Gesichtserkennung eignet sich in besonderer Weise zur Identifizierung von Personen.

Markant ist, dass jegliche Begründung, wieso sich automatisierte Gesichtserkennung in besonderer Weise zur Identifizierung von Personen eignet, gänzlich fehlt. Auf wen oder was beruft sich hier das Innenministerium? Das Funktionieren der Technik Gesichtswiedererkennung wird ohne Hinterfragen vorausgesetzt, obwohl erst geklärt werden müsste, ob es überhaupt ein geeignetes Instrumentarium darstellen würde. Immerhin wird in der Beantwortung angeführt, dass es beim Einsatz solcher Techniken einer (bisher im Polizeigesetz fehlenden) Rechtsgrundlage und der Einwilligung der Betroffenen bedarf.

Interessant wären desweiteren Einblicke in ein Rechtsgutachten, welches scheinbar zu Beginn des Projektes zur datenschutzrechtlichen Bewertung der geplanten Aufzeichnung durch einen Projektpartner erfolgte.

Quelle: http://www.univie.ac.at/identifizierung/php/?p=3793

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