Auf die Frage, weshalb man (wissenschaftlich) bloggen soll, gibt es viele Antworten. Eine davon – eine, die regelmäßig auftaucht – bringt mich regelmäßig zum Grübeln, weshalb ich sie hier aufgreifen will. Das Argument nämlich, dass Bloggen eine gute „Schreibübung“ gerade etwa für Nachwuchswissenschaftler sei. Sozusagen ein Experimentierfeld, eine Übung, die der Lockerung von Zunge und Finger und dem Abbau von Schreibblockaden dient.
Dasselbe Argument ließe sich auf recensio.net und das dort angebotene Konzept der „Präsentationen“ übertragen, die im Verbund mit Kommentaren eine Art „lebendige Rezension“ bilden sollen. Auch hier könnte man sagen: „Liebe Leute, übt erstmal per Kommentar zu einem Kapitel, bevor Ihr irgendwann eine „echte“ Rezension über ein ganzes Buch schreibt“.
Einerseits freue ich mich über jeden neuen Wissenschaftsblogger und mindestens ebenso sehr über jeden, der – egal aus welchem Grund – den (kommunikativen, methodischen usw.) Mehrwert partikularen Rezensierens erprobt. Andererseits aber heißt das in der Konsequenz, dass ein Blogpost der kleine, ungewaschene Bruder des Aufsatzes und der Kommentar die rotznäsige Schwester der Rezension ist. Und wenn dieser Eindruck sich durchsetzt, stellt sich das Medium selbst ein Bein. Dann sind wir ganz schnell bei jenem Geist, den die Open-Access-Bewegung seit Jahren verzweifelt in die Flasche zurückzuargumentieren versucht: Das „Medium Internet“ – das es nie gab – ist eine gute Sache für all jene Texte, die nicht ausgereift und nicht fundiert genug sind, um es auf Papier zu schaffen.
Es ist unvermeidbar, dass dieser Eindruck in jener Phase des Übergangs entsteht, die vom Nebeneinander alter Wertekriterien (Etabliertheit von Verlagen und Redaktionen als Gatekeeper) und der Erprobung neuer Qualitätssicherungsprozesse geprägt ist. Da landen die weniger guten Qualifikationsschriften ungefiltert in universitären Repositorien, während die anderen vom (bröckelnden) Ruhm alter Verlagszeiten profitieren – und dazwischen noch keine stabilen, etablierten Angebote vorliegen.
Das Argument, dass Online-Publikationen zwar tendenziell minderen Werts seien, zum Schutz der Wälder und als Ort studentischer Fingerübungen dagegen ganz brauchbar, sollten wir nicht unnötig befeuern. Vielmehr gilt es, jene durch die Existenz des Internets geborenen neuen Textgenres als solche zu definieren und ihre eigene Identität zu stärken. Ein Blogpost erfüllt (in der Regel) andere Zwecke als ein Aufsatz. Wer wissenschaftlich bloggt, sollte (in der Regel) einen anderen Schreibstil pflegen als derjenige, der einen wissenschaftlichen Aufsatz formuliert. Das Blogpost fordert von seinem Autor einen anderen Umgang ein als es ein Aufsatz tut: Einmal publiziert darf der eine von beiden ruhen, der andere sollte das nach Möglichkeit nicht, weil er auf Dialog hin formuliert wird. Die Liste ließe sich fortsetzen – und sogar ließe sich umgekehrt fragen, was denn der Aufsatz kann, das in einem zeitschriftenähnlichen Spezialblog nicht machbar wäre – aber hier empfiehlt es sich wohl, den zweiten Schritt nicht vor dem ersten zu tun.
Und all das ist problemlos auf die Rezensionen-Kommentare-Frage übertragbar. Stoff für Panel 1 und 3!
Quelle: http://rkb.hypotheses.org/267