Links zur Politikgeschichte des 19. Jahrhunderts (3): Wieder zwei Blogs. Und was für welche!

Nicht direkt zu 1848 diesmal, aber es muss ja der Titel vom letzten Mal nicht wörtlich wiederholt werden, um die „3“ in der Klammer zu rechtfertigen. Ganz neu sind sie auch beide nicht, sondern feiern im Mai 2014 jeweils ihr einjähriges Bestehen. Das sei als – wenn auch etwas fadenscheiniger – Anlass genommen, gerade jetzt auf zwei erfreuliche und wichtige Blogs hinzuweisen:

Aktenkunde

Unter diesem so schlichten wie aussagekräftigen Titel begleitet Holger Berwinkel (tätig im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes) seine Arbeit an einer Monographie zum Thema, na was wohl, Aktenkunde. Wer meint, das müsse spröde und langweilig sein, hat es noch nicht gesehen. Der Autor bietet unter anderem bibliographische Hinweise zu einschlägigen Standardwerken und neu erschienenen Aufsätzen; daneben Berichte dazu, wo Aktenkunde im politischen und medialen Tagesgeschehen wichtig ist – oder wäre, wenn die Beteiligten denn etwas davon wüssten; nicht zuletzt auch eingehende Beispielanalysen zu einzelnen Schriftstücken. Einige Aufmerksamkeit erhielt er vor kurzem mit seiner Diskussion der als Beweis für eine offenbar beliebte Verschwörungstheorie gehandelten „Kanzlerakte“ (Spoiler: nicht nur ist es eine Fälschung, sondern nicht einmal eine halbwegs kompetente). Eine persönliche Empfehlung vom Verfasser dieser Zeilen ist aber dieser Beitrag, in dem Berwinkel zeigt, was auch einem auf den ersten Blick eher zum Schmunzeln verleitenden Schriftstück abzugewinnen ist.

Ganz im Ernst aber: Dass Aktenkunde selbst unter den ohnehin immer weiter zurückgedrängten historischen Grund- (nicht: Hilfs-) wissenschaften meistens eher einen Platz in der zweiten Reihe bekommt, ist umso weniger zu rechtfertigen, als Akten zu den wichtigsten Quellen der neueren und neuesten Geschichte zählen und von weit mehr HistorikerInnen regelmäßig benutzt werden als nahezu jeder andere Quellentyp. Dass es sich nicht von selbst versteht, wie mit ihnen umzugehen ist, ist das Allererste, was Lesende aus Holger Berwinkels Blog mitnehmen sollten. Das klassische discrimen veri ac falsi ist für einen (angeblichen) maschingeschriebenen Bericht von 1992 mitunter ebenso notwendig wie für eine (vorgebliche) Urkunde Ludwigs des Frommen und erfordert ebenso spezialisierte Kenntnisse1. Darüber hinaus kann und sollte eine vertiefte Erforschung amtlichen Schriftguts auch für die Kulturgeschichte des Politischen fruchtbar gemacht werden, die inzwischen schon länger weiß, dass Verwaltung auf allen Ebenen zu ihren unverzichtbaren Untersuchungsgebieten gehört. Und natürlich ist sie auch für die Edition der Akten der Provisorischen Zentralgewalt eine conditio sine qua non. Wenn diese Edition später einmal Kopfregesten hat, über die die Verfasser der Schriftstücke nicht gequält lachen müssten, wovon kann das nur kommen? Richtig: von der Aktenkunde.

Übergangsgesellschaften

Der Untertitel dieses Blogs lautet „Ländliche Politik in der europäischen Moderne – ein Forschungsprojekt“, womit im Grunde schon klar sein sollte, warum es einen Link von „Achtundvierzig“ nach dort braucht. Autorin ist Anette Schlimm, die an der Ludwig-Maximilians-Universität München tätig ist. Ihr Projekt selbst heißt „Übergangsgesellschaften. Zur Politik und Politisierung ländlicher Gesellschaften in Mitteleuropa, ca. 1850–1950“ und wird von ihr in diesem Beitrag besser beschrieben, als das hier geschehen könnte. Nur ein paar Eckpunkte: mit dem „Übergang“ ist jener von der Agrar- zur Industriegesellschaft gemeint, der „längst nicht nur die Wirtschaftsweise“ betraf, sondern „alle Bereiche des Lebens“ – allerdings „im politischen, sozialen, kulturellen und ökonomischen Bereich in unterschiedlichen Geschwindigkeiten, was zu Ungleichzeitigkeiten, Spannungen und Konflikten führte“. Das Projekt fragt nach der Mikroebene ländlicher Gesellschaften im Verhältnis zu dieser Makroebene der gesamtgesellschaftlichen Transition, und insbesondere nach der Politik ländlicher Gemeinden. Diese werden sowohl als Akteure als auch als Räume des Politischen begriffen – gleichzeitig. Das ist für den Berichterstatter besonders faszinierend, zumal er selbst schon einmal (ohne Kenntnis dieses Projekts und wohl etwas naiv) auf die Idee gekommen ist, dass sich Gemeinden im Zuge des Übergangs von der ständisch-vormodernen Gesellschaft in die moderne Staatlichkeit tendenziell von Akteuren zu Räumen gewandelt hätten2. Das war natürlich überspitzt …

Die drei Ziele des Projekts lauten:

1. Den „Einfluss von Selbstverwaltungstraditionen und -formen auf Politisierungsprozesse“ untersuchen (gespannt ist Berichterstatter darauf, wie Politisierung definiert wird!);

2. „ländliche Gemeinden als wichtige[n] Bestandteil gesamtgesellschaftlicher Mobilisierungsprozesse sichtbar“ machen (dringend nötig: Die Annahme, dass Stadt und Moderne deckungsgleich sind, ist so ubiquitär und so forschungsleitend, dass sie zu Einseitigkeiten und Ausblendungen aller Art geführt hat und es weiterhin tut);

3. Methoden der global studies auf eine europäische Region anwenden (auch das höchst lobenswert; in der Kulturgeschichte des Politischen heißt das Modewort dafür „ethnologischer Blick“, und das sollte nicht bloß immer wieder beschworen, sondern methodologisch ernst genommen werden).

Das Blog bringt unter anderem Lektüren, Veranstaltungshinweise (eine eigene Tagung „Herrschaft vor Ort3  hat auch schon stattgefunden), nicht zuletzt Berichte über Rechercheergebnisse und Rechercheerlebnisse (Kategorien „Fundstücke“, „Exkursionen“), stets in einer ansprechenden, lebendigen Schreibweise. Einen persönlichen Lieblingsbeitrag hat der Schreiber dieser Zeilen auch auf diesem Blog. Die Präferenz dürfte sich von selbst erklären.

  1. Nota bene: Es ist vermutlich kein Zufall, dass Holger Berwinkel selbst ausgebildeter Mediävist ist. Dissertiert hat er noch zu einem Thema, das ihm eher keinen Link von unserem Blog verschafft hätte: BERWINKEL, Holger: Verwüsten und Belagern. Friedrich Barbarossas Krieg gegen Mailand  (1158–1162) (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 114), Tübingen 2007.
  2. STOCKINGER, Thomas: Dörfer und Deputierte. Die Wahlen zu den konstituierenden Parlamenten von 1848 in Niederösterreich und im Pariser Umland (Seine-et-Oise) (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Ergänzungsband 57), Wien – München 2012, 358.
  3. Zwischendurch mal ein winziger Kritikpunkt: Die inflationäre Verwendung des Ausdrucks „vor Ort“ ärgert den Schreiber dieses schon seit geraumer Zeit, und er würde Lokalgeschichte zu gern einmal anders beworben sehen.

Quelle: http://achtundvierzig.hypotheses.org/560

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Neuer Wein in neuen Schläuchen

Ausnahmsweise Werbung in eigener Sache an dieser Stelle – weil das behandelte Thema im Interessen- und Aktionsradius des Arbeitskreises liegt:

Klaus Ceynowa / Lilian Landes: Neuer Wein in neuen Schläuchen. Von Wissenschaftlern, die nicht nur anders publizieren, sondern auch anders schreiben werden”, erscheint in: Bibliothek. Forschung und Praxis, 2014. Als Preprint online verfügbar (leider nur bis zur Printpublikation im Juli 2014).

Vielleicht wäre das dhmuc.-Blog ja der geeignete Ort, um die Thesen des Artikels zu diskutieren?

Quelle: http://dhmuc.hypotheses.org/121

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Digitaler Toolkasten – 04/2014

In dieser Ausgabe des “Digitalen Toolkasten”-Newsflash berichten wir wieder vom Fortgang unserer Aktivitäten am Fachbereich Sozialwesen und zur Weiterbildung “Soziale Medienbildung”. Events Der Tag des Lernens fand am 24. April an der Hochschule Fulda statt. Wir waren auch mit dabei und berichteten hier im Blog von den Vortragenden und den World Café Themen rund ums Lernen. Im Einzelnen wurde diskutiert, was beim Lernen motiviert, wie Lernen nachhaltig wird, wie Lernen im Team gut funktionieren kann, welche Bedeutung Medien beim Lernen haben und wie Lernprozess […]

Quelle: http://medienbildung.hypotheses.org/6551

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Fürst Joseph 2.0 – Netzbiographie online

Zahlreiche Blogbeiträge haben im vergangenen Jahr Schlaglichter auf das bewegte Leben des Fürsten Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck geworfen und für tiefere Einblicke auf eine entstehende Netzbiographie zu seiner Person verwiesen.

Das Redaktionsteam freut sich mitteilen zu können, dass diese multiperspektivische Netzbiographie Fürst Josephs zu Salm-Reifferscheidt-Dyck nun online erschienen ist! Vom Ancien Régime über die französische und preußische Zeit ist Fürst Joseph somit auch im 21. Jahrhundert präsent.

Wir bedanken uns bei allen, die zum Gelingen der Netzbiographie beigetragen haben und freuen uns auf Kommentare, Diskussionen und Beiträge auf historicum-eStudies.net!

Ihr Redaktionsteam

Rheinischer Adel – Ein geschichtswissenschaftlicher Forschungsblog

Quelle: http://rhad.hypotheses.org/465

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Nürnberg hilft Kriegsgeschädigten

Anfang August 1629 wandte sich der Rat von Nürnberg direkt an den Kaiser. Es war ein Hilferuf, daß die vom kaiserlichen Militär geforderten Leistungen nicht mehr zu erbringen waren. Seit zehn Jahren seien viele Regimenter, ja ganze Armeen vorbeigekommen und hätten versorgt werden müssen. Der Rat sei es nun seinen Untertanen schuldig, auf die immensen Schäden und Verluste hinzuweisen, die man mit etlichen Tonnen Gold beziffern könne (siehe Franz Ludwig Freiherr von Soden, Kriegs- und Sittengeschichte der Reichsstadt Nürnberg vom Ende des sechzehnten Jahrhunderts bis zur Schlacht bei Breitenfeld 7. (17.) September 1631, 3. Theil: Von 1629 bis 1631, Erlangen 1862, S. 18 ff.). Mit dieser Eingabe tat der Rat der Reichsstadt, was üblicherweise in einer solchen Situation getan wurde: Man brachte seine Klagen vor, berief sich auf den stets erwiesenen Gehorsam und die allzeit bereitwillig geleisteten treuen Dienste und erhoffte sich daher nun eine Erleichterung von diesen unerträglichen Belastungen.

Der Rat beließ es aber nicht dabei, sondern wurde darüberhinaus am 28. August (a.St.) seinerseits aktiv (Stadtarchiv Nürnberg B 7 Nr. 35). Er beschloß, jeden der Untertanen, der durch die Einquartierung mit Soldaten belastet worden waren war, mit einer Summe von 20 bis 25 Talern zu unterstützen, je „nach gestalt seines Gütleins“. Offenbar war dem Rat durchaus bewußt geworden, daß es allein mit einer verringerten Belastung für die Nürnberger Untertanen nicht getan war; es bedurfte einer spürbaren Erleichterung, die direkt bei den Betroffenen ankommen sollte.

Bemerkenswert ist der Hinweis, daß es nicht nur um eine Unterstützung für diejenigen ging, die für den Unterhalt des Militärs aufzukommen hatten, sondern auch für diejenigen, „welche der Religion halber betrangt“ wurden: Kriegsbelastungen und konfessioneller Konflikt verschränkten sich hier also – vielleicht kein Zufall in einer Phase, als das Restitutionsedikt gerade erlassen worden war und für erhebliche Unruhe im Reich sorgte.

Eine Einschränkung machte der Ratsbeschluß aber insofern, als er verfügte, daß diese Gelder „vff ein geringe Zeit vor[zu]strecken“ seien: Es handelte sich also nicht um eine Erstattung der Schäden, sondern um eine Art Darlehen. Von Zinsen war hier nicht die Rede, immerhin. Trotzdem wird man der Stadt den Willen, soziale Härten abzufedern (um es modern auszudrücken), nicht absprechen wollen. Dabei sah sich die Reichsstadt in dieser Zeit mit einer wachsenden Zahl von Religionsflüchtlingen konfrontiert, die in der lutherischen Reichsstadt Zuflucht suchten. Nürnberg nahm viele von ihnen auf und unterstützte sie auch finanziell (Soden S. 44 f.).

Daß sich Nürnberg den von Einquartierungen belasteten Untertanen direkt zu helfen bemühte, war aber auch insofern eine kluge Maßnahme, als die Eingabe am Wiener Hof keine wirkliche Erleichterung brachte. Wallenstein beharrte ohnehin darauf, daß für seine Truppen kontribuiert wurde. Die andere, auch nicht geringe Belastung rührte von einquartierten Reitern des ligistischen Regiments Schönberg. Seit Ende 1628 hätten diese Truppen mehr als 88.000 Gulden gekostet, dazu wären noch Sachleistungen gekommen – so wiederum die Supplik an den Kaiser im August 1629. Doch auch auf dem Ligatag zu Mergentheim Ende 1629 wurden weiterhin Eingaben vorgebracht, die die Exzesse der ligistischen Reiterei bei Nürnberg beklagten (siehe Briefen und Akten, Bd. 2,5, S. 209 Anm.).

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/437

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Die Phantomphase zu Lorsch oder was Archäologie mit Pythagoras zu tun hat

Kennen Sie Stille Post? In einer unterhaltsamen Runde erzählt einer der Anwesenden eine Geschichte und am Ende des Abends ist diese nicht mehr wiederzuerkennen? Ob Sie es glauben oder nicht, so etwas ähnliches gibt es manchmal auch in der Archäologie.

Ab dem 19. Jahrhundert begann in Lorsch die leidenschaftliche Suche nach dem Gründungskloster Lorsch, dem Altenmünster. An einem der zwei „verdächtigen“ Fundorte wurden insgesamt 4 Ausgrabungen durchgeführt: 1883 durch Friedrich Kofler, 1906 durch Heinrich Giess, 1935 durch Friedrich Behn und schließlich noch einmal 1983 durch das Landesamt für Denkmalpflege in Darmstadt.

Der publizierte Befundplan Friedrich Koflers zeigt Gebäude, die um einen quadratischen Hof herum gruppiert sind. Im Süden liegen die Fundamente eines Kirchenbaues und an den anderen Seiten des Hofes  befinden sich die Gebäude, die in einem seltsamen Winkel angebaut sind. Diese Schiefwinkligkeit in Bezug auf die anderen Befunde erwähnt der Ausgräber in seinem Bericht in keiner Silbe, obwohl das dem Betrachter zuallererst auffällt.

Der Ausgrabungsplan der zweiten Untersuchung 1906 unterscheidet sich von dem ersten Plan durch eine höhere Befunddichte. Das liegt vor allem daran, dass Heinrich Giess ein sehr erfahrener Ausgräber war und ein guter Beobachter vor Ort, was aus seinen Beschreibungen auch deutlich herauszulesen ist. Wir sehen auch auf diesem Plan einen quadratischen Hof, mit einem Kirchenbau im Süden. Anders als beim Vorgänger sind jetzt aber Gebäude in Westen und Osten angebaut, die in einem rechten Winkel zum Hof errichten worden sind. Die schiefwinkligen Gebäude aus dem Koflerschen Plan wurden mit einer Strichellinie eingetragen.

Abb. 1 Übersichtspläne der Ausgrabungsbefunde auf der Kreuzwiese. von links F. Kofler, mitte H. Giess, rechts F. Behn

Im Folgenden wurde es ruhig um die Archäologie in Lorsch. Der erste Weltkrieg kam und die turbulente Zeit während der Weimarer Republik ließen die Problematik: „Wo wurde das Kloster Lorsch gegründet“ in den Hintergrund treten.

Nun stellt sich natürlich die Frage, was die Ursache für diese seltsamen Befunde sein könnten. Der Kunsthistoriker Weise schreibt in seinem Buch über frühmittelalterliche Architektur

Nach dem Plan, den Gieß auf Grund der Aufzeichnungen Koflers gibt, scheinen jene Mauerzüge teilweise von den Resten der festgestellten Klosteranlage überschnitten zu werden, sind also deutlich älteren Ursprungs, teilweise mit ihr im Zusammenhang zu stehen. Hier hätte Gieß mit seinen Grabungen vor allem einsetzen müssen, um das Verhältnis dieser verschiedenen Reste zueinander festzustellen, hier wären für die Baugeschichte dieser Anlage wichtige Ergebnisse zu erwarten gewesen.”[1]

Er greift den Ausgräber Heinrich Giess direkt an, er hätte diese offensichtliche Fragestellung nicht erkannt und auf der Grabung geklärt. Der dritte Ausgräber vor Ort, Friedrich Behn, will diese Frage nun seinerseits während einer Untersuchung klären und schreibt bevor die Grabungen stattfanden:

„Es kam darauf an, das Verhältnis der beiden übereinander liegenden Baukomplexe sowie das Verhältnis des ältesten Klosters zum gräflichen Landgut und unter Umständen zu einem diesem vorangegangenen römischen Gutshofe zu klären; auch durfte erwartet werden, mit den Mitteln neuzeitlicher Grabungstechnik dem Boden noch weitere Aussagen abzuringen. Es mußte ferner geprüft werden, ob die früheren Untersuchungen das Objekt wirklich in seiner vollen räumlichen Ausdehnung erschöpft hatten.”[2]

Er geht also gesichert davon aus, dass es sich um zwei getrennt voneinander anzusprechende Bauphasen handelt, wobei die ältere im Vorfeld schon mal als „gräfliches Landgut“  angesprochen wird, die zweite Phase sei das Kloster Altenmünster. Schaut man sich jetzt den Befundplan Friedrichs Behn an, so erkennt man gar keine schiefwinkligen Gebäude.

Was war passiert?

Friedrich Behn und seine Zeitgenossen gingen in der Betrachtung des Plans von Heinrich Gieß davon aus, dass zwei übereinanderliegende Bauphasen bei den vorrangegangen  Ausgrabungen freigelegt und dokumentiert worden sind. Allerdings, wenn man sich den Plan Friedrich Koflers betrachtet, sind hier nur schiefwinklige Fundamente zu sehen und die rechtwinkligen fehlen. Wie ist das zu erklären?

Es ist durchaus möglich, dass es sich hier um eine Phantomphase handelt. Jeder Archäologe kennt die Situation während einer Ausgrabung, wenn eine schnurgerade Mauer auf dem Papier auf einmal krumm wird, oder eine rechtwinklige Mauerwerksecke auf dem Papier plötzlich spitzwinklig ist. In einem solchen Fall liegt ein Fehler in der Vermessung vor und das passiert sehr schnell. Jedem Archäologen wird deswegen auf Lehrgrabungen beigebracht, wie man schnell und unkompliziert mit Schnur und Maßband einen rechten Winkel auf dem freien Feld festlegt. Und das geht natürlich mit dem Satz des Pythagoras am einfachsten: a2+b2=c2 So können drei Mitarbeiter sehr schnell einen rechten Winkel konstruieren, wenn sie mit Maßbändern ein Dreieck mit den Seitenlängen von 3, 4 und 5m bilden. Diese Faustformel wird jedem Archäologen von Anfang an mitgegeben, aus gutem Grund. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass den Mitarbeitern der ersten Ausgrabung Friedrich Koflers so ein Winkelfehler passiert ist. Kofler selbst ließ den falschen Plan nicht mehr ändern und publizierte das so, ohne dies in seinem Text zu erwähnen. Friedrich Gieß, bemerkte den Fehler und zeichnete dies vollständigkeitshalber ein. Die nachfolgenden Forscher hielten es für eine zweite Bauphase, die der dritte Ausgräber logischerweise nicht vorfand. So kam es zur Phantomphase zu Lorsch, die mit der korrekten Anwendung des Satz des Pythagoras vermeidbar gewesen wäre.

Dieser Blogpost beruht auf meiner Magisterarbeit mit dem Titel: „Altenmünster – Seehof – Kreuzwiese. Neue Betrachtungen zum Siedlungsraum Lorsch von der Spätlatènezeit bis zum Ende des Hochmittelalters“.

Exkurs an den Oberrhein: Die Gründung des Klosters Lorsch aus archäologischer Sicht

Wo wurde das Kloster Lorsch gegründet?

Abb 1: F. Kofler, Lorscher Ausgrabungen. Quartalsbl. Hist. Ver. Hessen, 1983, S. 17. H. Giess, Lorscher Ausgrabungen. 1910. Kreuzwiese, in: Vom Rhein, 1911, Beilage. F. Behn, Die karolingische Klosterkirche von Lorsch an der Bergstraße (Berlin/ Leipzig 1934) Plan 1.

[1] G. Weise, Untersuchungen zur Geschichte der Architektur und
Plastik des Frühen Mittelalters (Leipzig/ Berlin 1916) 48

[2] F. Behn, Neue Ausgrabungen in Lorsch. Denkmalpflege. 1933,
161.

Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/1032

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Webressourcen aus Nordeuropa – Fundstücke April 2014

Unsere Fundstücke aus dem April beinhalten für Dänemark Neues zum Thema “1864″, während aus Norwegen und Schweden inhaltlich breit gestreut neue Webressourcen vorgestellt werden.

Dänemark

Statens Arkiver hat 2400 Kriegsbilder (Fotografien, historische Gemälde, Postkarten, Zeichnungen und Holzschnitte) aus den Sammlungen der Königlichen Bibliothek, des Riksarkivets und des Schlosses Christiansborg digitalisiert und auf seiner Homepage veröffentlicht. Weitere Bildersammlungen des Archivs zum Thema finden sich auf Flickr: 1864 – Soldaterbilleder, 1864 – Krigen i billeder, Krigen 1864 – To hundrede træsnit, Skanserne efter stormen på Dybbøl und Krigsdeltagere 1864, 1. infanteriregiment.

Eine weitere umfangreiche Sammlung von Bilder, die den Krieg dokumentieren, stellt das Museum Sønderjylland in seiner Bilddatenbank zur Verfügung.

Eine private Seite zur Ahnenforschung stellt eine Liste mit Namen von Gefallenen bereit: Register over faldne – Liste baseret på V. Cohns “krigene 1848-1864 og de faldnes Minde”.  Auf Cohens Aufzeichnungen basierend wird zusätzlich unter slaegtsalbum.dk derzeit eine Datenbank mit Informationen zu den Gefallenen aufgebaut.

Schweden

Das schwedischen Repository Diva, das Forschungspublikationen von derzeit 34 Hochschulen, Museen und Forschungseinrichtungen beinhaltet, bietet jetzt eigene Portal-Seiten für die beteiligten Institutionen an, wie beispielsweise für das schwedische Nationalmuseum, das Naturhistorische Reichsmuseum sowie die schwedische Polarbibliografie des Polarforskningssekretariates. Neu hinzugekommen ist gerade das Portal des Nordischen Ministerrats mit 3000 Publikationen über den Norden und das Verhältnis der nordischen Staaten untereinander.

Norwegen

In Absprache mit der norwegischen Rundfunkanstalt NRK hat die norwegische Nationalbibliothek historische Radioprogramme im Netz zugänglich gemacht. Nun sind mehr als 2700 Radioprogramme aus dem Zeitraum von 1933 bis 1945 und über 25000 Nachrichtensendungen von 1935–2013 abrufbar.

Die norwegische Nationalbibliothek digitalisiert das Flugfotoarchiv Widerøes skråfotoarkiv. Aus diesem Bestand wurde nun auf Flickr als Erstes die Flugfotosammlung der Kommune Kvinesdal ins Netz gestellt. Auch in den skandinavischen Nachbarländern Schweden und Dänemark sind Flugfotos online zugänglich.

Das Archiv der Hilfsorganisation Blå Kors Norge, das 33 Regalmeter und den Zeitraum 1893 – 2008 umfasst, hat das Stadtarchiv Oslo geordnet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Zu den Beständen gehört eine umfangreiche, teilweise digitalisierte, Fotosammlung, die auf dem archiveigenen Fotoportal Oslobilder eingestellt worden ist.

Quelle: http://nordichistoryblog.hypotheses.org/2266

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