Lesezeichen

lesezeichenschaden.klio.mommsen.2

Das aus einem hektographierten Blatt herausgerissene Lesezeichen hat bei Papier des frühen 19. Jahrhunderts einen Schaden verursacht: Säurefraß. Der Schaden erstreckt sich auf beide anliegenden Seiten sowie auf ein in einem größeren Format dahinter eingebundenes weiteres Manuskript, am oberen Bildrand erkennbar.

Die Abbildung der Schäden zeigt Seiten aus einem der zahlreichen Bände handschriftlicher Vorträge des “Altonaer Wissenschaftlichen Primanervereins Klio”, gegründet 1828. Primanervereine waren en vogue, die Schüler der Selecta des Altonaer Gymnasiums Christianeum (gegründet 1738) folgten dem Vorbild der studentischen Burschenschaften. “Klio” existierte bis 1935; dann löste sich der Verein angesichts der Vereinnahmung durch die Nationalsozialisten auf. Die gesamte Hinterlassenschaft des Vereins, neben den handschriftlichen Abhandlungen auch Satzung, Kassenbücher, Mitgliederlisten etc sowie die kleine Vereinsbibliothek, wurde dem Gymnasium übereignet und befindet sich noch heute dort im Archiv.

Die Abhandlung, mit dem Titel beginnend auf der rechten Seite, stammt von der Hand J[ohannes]. Mommsens, besser bekannt unter seinem weiteren Vornamen Tycho. Tycho (1819-1900) und sein älterer Bruder Theodor (1817-1903) waren Schüler des Chistianeums und Mitglieder des Primanervereins; sie haben in den späten 1830er Jahren zahlreiche Aufsätze in den Klio-Bänden hinterlassen. Tychos Abhandlung aus dem Jahr 1836 hat im Titel die Frage: “In welchem Verhältniße stehen unter einander politische Verbindungen, in welchem religöse?”

Der Schaden wird datierbar durch ein weiteres Lesezeichen, das an einer anderen Stelle weiter hinten im selben Band einen nahezu identischen Säurefleck verursachte, wiederum eine Abhandlung Tycho Mommsens, diesmal vom 4. November 1837, betitelt: “Unser Verein ein Staat”.

lesezeichenschaden.klio.mommsen.3

Ich vernachlässige nun allerdings die Inhalte der beiden Aufsätze; dass die jugendlichen Ideen durchaus politische Bewegung zeigen, mag aus den Titeln bereits deutlich werden. Mich interessiert vorerst das weitere Lesezeichen. Es passt in seinem Abriss genau in das erste, und es enthält ein Datum: 1963. Jemand hat sich nach 1963 ein mit dem Spiritusdrucker vervielfältigtes Blatt mit Hinweisen auf eine Publikation im “Neuen Deutschland” zur Jugend in der DDR, das er nicht mehr benötigte, zerschnitten und die Teile nochmals durchgerissen, um die Makulatur als Findehilfe zu verwenden.

Der Schaden wird 2014 entdeckt: die beiden Lesezeichen lagen exakt und unberührt in den durch die Säuerung stark gebräunten Umrissen. Die Lesezeichen werden entfernt, gesondert gesichert und nur fürs Foto nochmal hingelegt. Wann kamen sie dahin und wer hat sie hineingetan?

1967 feierte das Christianeum den 150. Geburtstag des Literaturnobelpreisträgers Theodor Mommsen. Der Festakt im Christianeum am 30. November wurde in einem Heft publiziert: “Theodor Mommsen. 1817-1967″, besorgt von Hans Haupt, Bibliothekar und Archivar des Christianeums von 1947 bis 1976. Im Anhang abgedruckt eine “Rede Theodor Mommsens am Stiftungsfeste des a. w. V. d. 15. Nov. 1837″, betitelt: “Der Altonaer Wissenschaftliche Verein – ein Staat?” Brüder arbeiten zusammen; Archivare haben herauszusuchen.

Im Jahr 2003 fand im Christianeum erneut eine Gedenkveranstaltung statt:  “Theodor Mommsen 1817-1903″,  diesmal zum100. Todestag des berühmten Eleven von einst. Wäre der Band mit den Lesezeichen vor oder in diesem Jahr konsultiert worden, hätten wir 2014 verrutsche oder gar keine Blättchen mehr darin vorgefunden; als ebenso unwahrscheinlich anzunehmen ist die Verwendung von 40 Jahre alten Zetteln als Lesezeichen Anfang der 2000er Jahre.

Wir können damit zumindest die Arbeitshypothese aufstellen, dass die Lesezeichen zwischen 1963 und 1967 in den Handschriftenband eingelegt wurden und im Lauf des folgenden halben Jahrhunderts die alten, noch geschöpften Papiere des frühen 19. Jahrhunderts durch ihren Säuregehalt angefressen haben. Die Frage nach Brüderlichkeiten im Verein, ihrem Staat, bleibt davon indes unberührt und kann in den Quellen erforscht werden, die sich nach wie vor im Archiv des Christianeums befinden.

Literatur

Niels Hansen, 100 Jahre Altonaer Wissenschaftlicher Primaner-Verein Klio. Hammerich & Lesser, Altona 1928

ders., Die Schülervereine des Christianeums. In: Heinz Schröder (Hrsg.), 200 Jahre Christianeum zu Altona 1738-1938. Hamburg 1938; S. 109-121

Gudrun Wolfschmidt (Hrsg.), Hamburgs Geschichte einmal anders. Nuncius Hamburgensis. Beiträge zur Geschichte der Naturwissenschaften. Hamburg 2009; S. 47

Theodor Mommsen. 1817-1967. Der Festakt am 30. November 1967 im Christianeum. Mitteilungsblatt des Vereins der Freunde des Christianeums mit der Vereinigung ehemaliger Christianeer. 24. Jahrgang, Heft 1, Hamburg Februar 1968

Ulf Andersen, Zum 100. Todestag Theodor Mommsens. In: Christianeum, Mitteilungsblatt des Vereins der Freunde des Christianeums in Verbindung mit der Vereinigung ehemaliger Christianeer. 58. Jahrgang, Heft 2, Hamburg Dezember 2003; S. 3-9

Fotos: Archiv des Christianeums

 

Quelle: http://histgymbib.hypotheses.org/373

Weiterlesen

Schlechtes Abschneiden der Lehrer-Bildung

Der Hochschulbildungsreport2020, die zentrale Publikation der Bildungsinitiative “Zukunft machen”) in der Verantwortung des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft (http://www.hochschulbildungsreport2020.de/),  hält fest: “Der Hochschul-Bildungs-Index erreicht nur 10 statt 20 Punkten. Besonders schlecht abgeschnitten hat die Lehrer-Bildung.” Was ist da los?

Grundsätzlich reiht sich der Befund wohl in die politische Tendenz ein, das Lehramt wieder stärker in die Universität hineinzunehmen. Ausdruck dieses Willens war schon die “Lehrer-Initiative” des Stifterverbands und der Heinz Nixdorf Stiftung (http://www.stifterverband.org/wissenschaft_und_hochschule/lehre/lehrer-initiative/index.html). Nun folgt die daten-/indikatorengestützte Feststellung eines Defizites. Aber wie zuverlässig sind diese Befunde, und was bedeuten sie? Zunächst ist der Index interessant: Der Hochschul-Bildungs-Index, mit dem Stifterverband und McKinsey arbeiten, “misst auf sechs Handlungsfeldern, ob sich bis zum Jahr 2020 ein durchlässiges, nachfrage- und bedarfsorientiertes Hochschulsystem entwickelt”. Zu diesen Handlungsfeldern gehört die Lehrerbildung, die dieses Jahr besonders schlecht abschneidet und daher im Report detailliert gewürdigt wird.

Probleme sieht der Report vor allem bei den fehlenden Karrierewegen im Lehramt, die das Lehramt für ehrgeizige junge Menschen eher unattraktiv mache, und dem fehlenden Selbstbewusstsein: “Nur 16 Prozent [der Lehramtsstudierenden] schätzen Selbstvertrauen und nur 13 Prozent Durchsetzungsfähigkeit als ihre persönliche Stärke ein.” Man kann nun aus der eigenen Erfahrung mit Studierendenerhebungen einwenden, dass gerade der zweite Parameter schon durch den wohl überdurchschnittlich hohen Anteil weiblicher Studierender im Lehramtsstudium beeinflusst wird; jedenfalls würde ich aus Umfragen an der JGU eine solche Verzerrung vermuten. Das scheint mir aber vernachlässigenswert. Wichtiger ist, und zwar auch wiederaus den eigenen Erfahrungen: Nicht immer sind die 13% “Durchsetzungsfähigen” und 16% “Selbstbewussten” diejenigen, die man später im Lehramt sehen möchte. Selbstverstädnlich wollen wir selbstbewusste und durchsetzungsfähige Lehrer/innen, aber das ist nicht der springende Punkt; die Mengen der sich selbst schon im Studium für selbstbewusst und durchsetzungsfähig haltenden Studierenden und der tatsächlich selbstbewussten und durchsetzungsfähigen Lehrer sind allenfalls teilidentisch, wobei diese Teilidentität zufällig ist.

Problematisch isnd für mich auch die Handlungsempfehlungen, die allenfalls “lose” mit der Diagnose verbunden sind. Gefordert werden Unterrichtsassistenten und andere neue Kategorien an den Schulen, universitätseigene Experimentierschulen (analog zu Universitätskliniken) und stärkere Bemühungen in der Lehrerfortbildung. Den letzten Punkt teile ich. Die Analogie von Universitätsschulen zu Universitätskliniken verstehe ich jedoch nicht recht. Sie scheint mir – zumindest angesichts der Zahl von Lehramtsstudierenden an der JGU Mainz, die ich überblicke – unrealistisch, da das Land RLP schon jetzt mit der Versorgung der Studierenden mit Schulpraktika, VD und Referendariat an seine Grenzen zu kommen scheint.

Interessant ist der Punkt “Diversität”: Gefordert werden mehr Männer im Lehramtsstudium und mehr Studierende mit Migrationshintergrund. Dagegen kann eigentlich niemand etwas haben. Man kann sich höchstens fragen, wie man Männer dazu bewegen möchte, häufiger Lehramt zu studieren. Sie müssen diese Entscheidung am Ende ja freiwillig treffen. Aber vielleicht gibt es dazu ja schon gute Ideen. Propblematisch finde ich die statistische Bypass-Lösung, Studierende mit Migrationshintergrund über jene zu erfassen, die man heutzutage “Bildungsinländer” nennt. Diese Gruppe ist systematisch kleiner als die Gruppe derer “mit Migrationshintergrund” (legaldefiniert), was sinnvolle Aussagen nicht mehr zulässt.

Man könnte nun weitere Probleme der Auswertung anführen. Ärgerlich ist etwa der offenbar medien- oder hochschulpolitikgerechte Verzicht auf anspruchsvollere Statistik zugunsten klassischer “Erbsenzählerei”, also reiner Prozentangaben auf Gruppen und ähnliches. Noch ärgerlicher aber ist, dass das Thema eigentlich wichtig genug für eine ernsthafte Auseinandersetzung wäre. Es bleibt zu hoffen, dass die oben angesprochene Exzellenzinitiative Lehramt produktivere Impulse setzt.

Quelle: http://geschichtsadmin.hypotheses.org/240

Weiterlesen

Tipp: Eisige Mumien aus dem Ersten Weltkrieg, aufgetaut mit dem Klimawandel

Durch das Abschmelzen der Alpengletscher werden Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg, die in den Alpen kämpften und starben, an das Tageslicht befördert. Die Soldaten, sozusagen die kleinen Brüder des berühmten Ötzis, liegen dort, wo “Europäer [sich] die Köpfe einschlugen [und] heute zusammen den Winterurlaub [verbringen].”

In den Gletschern selber befinden sich Gänge mit Lagern und Aufenthaltsräumen. Wie in einem Iglu sind in den Gletscherhöhlen konstante 0 Grad Celsius, vergleichsweise angenehm warm, wenn draußen ein Sturm braust. Innerhalb des Höhlensystems befanden sich Materialzüge. Die Seilbahnen transportierten Nachschub an die Front. So fanden Forscher beispielsweise eine Seilbahnstation mit Überschuhen aus Stroh und Helmen.

Den ausführlichen Artikel in der Zeit zu den Gletschermumien aus dem Ersten Weltkrieg finden Sie hier.

Quelle: http://wwc.hypotheses.org/261

Weiterlesen

Petition: Save the Warburg Institute!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Ein vernetztes "Kultur-Gedächtnis" aufzubauen war das Ziel von Aby Warburgs Mnemosyne-Projekt, das im Warburg Institute seine Fortsetzung gefunden hat (Bild von http://www.mediaartnet.org/works/mnemosyne/)

Ein vernetztes “Kultur-Gedächtnis” aufzubauen war das Ziel von Aby Warburgs Mnemosyne-Projekt, das im Warburg Institute seine Fortsetzung gefunden hat (Bild von http://www.mediaartnet.org/works/mnemosyne/)

das Warburg Institute in London, eine der ungewöhnlichsten und wichtigsten Bibliotheken Großbritanniens und ein Forschungszentren von internationaler Bedeutung, steht vor dem Aus: Die Universität London droht, den Vertrag mit der Institution aufzulösen; die Bibliothek würde in die benachbarte Universitätsbibliothek (Senate House) wandern. Damit würde nicht nur das einmalige, auf Aby Warburg zurückgehende System der frei zugänglichen Themenbereiche (samt Sonderdrucken) aus dem Blickfeld verschwinden, sondern auch einer der wichtigsten intellektuellen Austauschpunkte wegfallen. Gerade für die britische Mediävistik ist das ein Ort der interdisziplinären und internationalen Vernetzung. Ich möchte Sie herzlich bitten, die Petition zum Erhalt des Warburg Institutes

http://www.change.org/en-GB/petitions/petition-save-the-warburg-institute

zu unterzeichnen. Das ist nicht nur ein symbolischer Akt, sondern ganz konkret politisch wirksam: vor zwei Monaten wurde eine ähnliche Aktion der Universität London, mit der das Institut für Anglistik innerhalb der ‘Advanced Studies’ aufgelöst werden sollte, nach weltweiten Protesten über die gleiche Plattform (change.org) zurückgenommen. Das Formular ist schnell ausgefüllt – gern in diesem Fall auch mit Titel (einfach als Teil des Vornamens hineinschreiben); dazu wenn möglich noch eine kurze Begründung – auch gern auf Deutsch, um die internationale Bedeutung zu unterstreichen.

Mit herzlichen Grüßen, Henrike Lähnemann

PS: Üblicherweise entschuldigt man sich für das ‘crossposting’, aber in diesem Fall denke ich, dass auf je mehr Wegen es die internationale wissenschaftliche Gemeinschaft erreicht, um so besser ist es. Bitte leiten Sie doch die Petition auch innerhalb Ihrer Institution weiter.

Petitioning The University of London 

Save the Warburg Institute!

Petition by Friends of the Warburg

The Times Higher Education recently reported that the University of London has taken legal action to challenge its own deed of trust concerning the care and integrity of the Warburg Institute. Possible results of this action include the dispersal of the library, or its relocation abroad.

This is not the first time the Institute has been threatened: it was relocated from Hamburg to London in 1933, endangered by Hitler’s rise to power, and although the University of London accepted the collections in 1944 (the agreement currently under review), similar action was considered in 2010.

We call on the University of London to withdraw their legal action and keep the Warburg Institute just as it is, for three reasons:

1. To keep the Warburg Institute’s collections intact. In over 50 years since the library’s resettlement in London, it has grown from 80,000 to 350,000 volumes, 40% of which are unique and not held in the British Library.

2. To preserve Aby Warburg’s intellectual legacy. The Institute’s collections are organised unlike any other in the world – according to a system  developed by Warburg as a product of his own research. Dispersal is tantamount to destroying one of Warburg’s greatest works of scholarship – the library itself.

3. To maintain the vibrant intellectual community the Warburg fosters. A one-of-a-kind collection both in content and form, the Warburg has drawn together a world-class scholarly community for decades. Taking the collections outside of the space of the Institute would displace that community of researchers.

 

 

Prof. Henrike Lähnemann

Chair of German Studies | School of Modern Languages, Old Library Building, Newcastle University, GB – NE1 7RU Newcastle upon Tyne
office number: 0044 191 2087513, emailTwitter,  pinterest  * Medingen project * WiGS * Follow SML on Twitter and Facebook * For recent publications and and digital pre-prints cf. my website

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/7501

Weiterlesen

(Klein-)Mariazell in Österreich – Mythos und Wirklichkeit: Video online

FILM: (Klein-)Mariazell in Österreich – Mythos und Wirklichkeit
20. Juni 2014, Klein-Mariazell

Für alle, die nicht dabei sein konnten, es aber trotzdem interessiert, und jene, die dabei waren und es nochmals sehen möchten: der Film zur Veranstaltung letzte Woche:

Video: Robert Reiter

Vielen Dank an Robert Reiter und alle Mitwirkenden und viel Spaß beim Anschauen!

Um das ehemalige Benediktinerkloster (Klein-)Mariazell in Österreich ranken sich zahlreiche Mythen, entstanden aus mündlicher Überlieferung und direkter, unreflektierter Nacherzählung der historischen Quellen. Zweifellos machen sie aber auch einen großen Teil der Faszination aus, die dieser Ort heute auf viele Menschen ausübt.
Was verbirgt sich aber hinter diesen Mythen und wie kamen sie zustande? Wie weit halten sie einem Realitäts-Check stand? Wer oder welche Absichten ließen diese Geschichten entstehen?
Diese und noch mehr spannende Fragen sollen anhand der Gründungsgeschichte und der Baugeschichte des zwischen 1964 und 1967 abgebrochenen Klostergebäudes von einem Expertenteam erörtert werden.
Es wird ein Bogen gespannt von Mönchen des Mittelalters, die in ihren Schreibstuben Fälschungen fabrizierten, die bis heute Verwirrung stiften – bis hin zu Computeranimationen, die das alte Klostergebäude virtuell wieder auferstehen lassen.

Mitwirkende:
Dr. Thomas Aigner (Diözesanarchiv St. Pölten),
Univ.-Doz. Dr. Barbara Schedl (Universität Wien),
Prof. P. DDr. Alkuin Schachenmayr (Stift Heiligenkreuz) und
Univ.-Doz. Dr. Andreas Zajic (Österreichische Akademie der Wissenschaften)

Mariazell Multimediapräsentation

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/7493

Weiterlesen

Sektion 6 – Kollaborative Archivalienerschließung im Digitalen Historischen Archiv Köln

Manuel Hagemann M.A. spricht über das Projekt, durch online gestellte Digitalisate eine Benutzung des Historischen Archivs der Stadt Köln zu ermöglichen. Er sieht hier nicht nur die Institutionen untereinander als Kooperationspartner, sondern auch die Nutzer.

Herr Hagemann erläutert zunächst, dass der Einsturz des Historischen Archivs Köln (HAK) den Anstoß für das Projekt des digitalen Historischen Archivs Köln (DHAK) gegeben habe; es sollte eine Ersatzüberlieferung geschaffen werden. Die ursprüngliche Zielsetzung des Portals sei es gewesen, Kopien und Exzerpte von Kölner Archivalien aus Privatbesitz der Nutzer zusammenzutragen und langfristig auch für das Archiv wieder nutzbar zu machen. Seit 2011 würden auch Digitalisierungen von Sicherungsverfilmungen sowie von geborgenen und restaurierten Archivalien eingespielt. Langfristiges Ziel sei es, die gesamten Bestände des HAK digital verfügbar zu machen. Das Portal befinde sich noch im Testbetrieb.

Anschließend stellt Herr Hagemann die Funktionsbereiche des Portals vor:

1) Lesesaal  (Tektonik, Volltextsuche u.a.)

2) Mein Archiv (persönlicher Speicherort für den einzelnen Nutzer)

3) Forum (Nutzerkommunikation, sowohl der Nutzer untereinander als auch mit Archivaren bzw. Projektmitarbeitern)

4) Identifizierung (Archivgut sei teilweise nach dem Einsturz des HAK nicht eindeutig identifizierbar gewesen. Auch hier sollten die Nutzer und ihre Bereitschaft zur Mithilfe eingebunden werden. Die Archivmitarbeiter entschieden dann, welche Identifizierungserfolge sie in ihrer Verzeichnung sichtbar machten.)

Dann veranschaulicht Herr Hagemann die Funktionalitäten des Portals an einigen Bespielen: Die hinterlegten Digitalisate würden immer durch einen Findmitteleintrag ergänzt, der nicht durch Nutzer bearbeitet werden könne, sowie u.a. durch einen Kommentarbereich, die Kumulierung der einzelnen Digitalisate und persönliche Notizen. Diese Einträge könnten durch Nutzer bearbeitet werden.

Ein wichtiger Aspekt sei die Transkription der Archivalien, wie Herr Hagemann weiter ausführt. Die Nutzer könnten in den Transkription durch eine Volltextsuche recherchieren, Studenten könnten sie als Transkriptionsübungen nutzen und für ungeübte Nutzer seien sie eine Lesehilfe.

Bei der Erschließung sei man abhängig von der Beteiligung und Fähigkeiten der Nutzer, d.h. die Erschließung werde auf die archivische Erschließung als Angebot aufgesetzt, um die Arbeit mit den Archivalien zu erleichtern. Herr Hagemann betont, dass es sich nicht um eine archivische Erschließung im eigentlichen Sinne handelt, sondern um den Versuch, die Nutzer in die Tiefenerschließung einzubinden.  Das Projekt sei langfristig angelegt, es erhöhe die Nutzbarkeit der Archivalien und diene am Ende auch dem Archiv selbst.

Auf Fragen aus dem Plenum hin, erläutert Herr Hagemann, dass man sich als Nutzer registrieren könne, z.B. um die Funktionen wie „Mein Archiv” nutzen zu können. Der Nutzername werde bei Kommentaren o.ä. angezeigt. In der Testphase könne man aber noch ohne Registrierung alle Bereiche ausprobieren.

Das HAK leite momentan Digitalisate an den technischen Anbieter weiter, der sie dann einspeise. Zukünftig werde das HAK die Digitalisate aber selbst hochladen.

Auf die Frage nach der Qualitätssicherung und Kontrolle, führt Herr Hagemann aus, dass das „Wikipediaprinzip” angestrebt werde, d.h. dass Nutzer sich gegenseitig helfen und verbessern. Die Redaktion sollte dort gar nicht allzu tief eingreifen, unsachgemäße Kommentare würden aber entfernt werden.

Die Web 2.0-Funktionaliäten seien noch gar nicht technisch umgesetzt, die Zugriffzahlen seien schwankend und lägen bei aktuell 1000-3000 Zugriffe pro Monat.

Die Schutz- und Sperrfristen würden natürlich eingehalten.

Quelle: http://lvrafz.hypotheses.org/1595

Weiterlesen

Erschließung von Beziehungsgeflechten mit MidosaXML – Teil 3: Der Verzeichnungsvorgang

Im dritten Teil des Beitrags geht es um den Verzeichnungsprozess in der Praxis, also um den Anleitungsteil in den Erschließungsrichtlinien. Ein vierter Teil wird abschließend die Findmittel als Erschließungsprodukte behandeln und eine zusammenfassende Beurteilung geben.

IV. Verzeichnung

1. Metadaten der Archivgutbeschreibung

1. Objekte der Beschreibung sind die Bestandsbildner, ihre Funktionen, ihr Schriftgut und die untereinander und zu anderen Akteuren und Beständen existierenden Beziehungen.

2. Metadaten der Verzeichnungsstufen (Pflichtfelder, wenn Eintrag möglich, sind fett gedruckt) bei der Beschreibung von Archivgut:

a. Verzeichnungsstufe Bestand:

i. Bestandsbezeichnung

ii. Bestandssignatur

iii. Bestandslaufzeit

iv. Zusammenfassung zum Inhalt des Bestands

v. Provenienz

vi. Bestandsgeschichte

vii. Entstehungsgeschichte oder Biographie und / oder Normdatei nach ISAAR-CPF

viii. Information über den Erschließungsprozess

ix. Benutzungsbeschränkungen

x. Bereitstellendes Archiv

xi. Erläuterung der Ordnung und Ordnungsmaßnahmen

xii. Sprache des Archivguts

xiii. Verweis auf ähnliches Material im eigenen und in fremden Archiven

xiv. Verweis auf einen Aktenplan

xv. Verweis auf andere Findmittel

xvi. Zitierempfehlung

xvii. Akzessionsnummer und Jahr

xviii. Beschreibung der Zugänge

b. Verzeichnungsstufe Klasse:

i. Titel

ii. Zusammenfassung des Inhalts

iii. Benutzungsbedingungen

iv. Laufzeit (sofern von Software erlaubt, in MidosaXML nicht möglich)

c. Verzeichnungsstufen Serie, File (Akte) und Vorgang / Einzelstück:

i. Titel

ii. Enthält/Darin

iii. Laufzeit

iv. Bestellnummer (bei Serie Sammelbestellnummer, bei Vorgang / Einzelstück Referenzierung auf File, nicht auf Bestand (Schema „1 in [Filenummer]“)!

v. Kompositionsform (Archivalientyp)

vi. Alte Signaturen (einzutragen ins Feld „Alte Signatur“ mit zusätzlicher Erläuterung (falls möglich) und in ein Sortierfeld)

vii. Provenienz (einzutragen ins Provenienzfeld und in ein Sortierfeld; bei mehrgliedrigen Provenienzangaben nach dem Muster: „Provenienz;Organisationseinheit“, z.B. „Universität Bayreuth;Abteilung I;Referat I/1“ (keine Leerzeichen einfügen!))

viii. Verwaltungsgeschichte bzw. Biographie (MidosaXML: Entstehungsgeschichte)

ix. Bestandsgeschichte

x. Bewertungsinformation

xi. Information zum Erschließungsvorgang

xii. Benutzungsbeschränkungen

xiii. Lagerungsort

xiv. Verweis auf ähnliches Material

xv. Verweis auf einen Aktenplan

xvi. Umfang (bei Schriftgut in Blättern, abgekürzt „fol.“)

xvii. Korporationsindex

xviii. Geographischer Index

xix. Personenindex

xx. Sachindex

xxi. Materialindex

xxii. Kompetenzindex

3. Für die einzelnen Erschließungsvorhaben werden Richtlinienspezifikationen erstellt, die die allgemeinen Erschließungsrichtlinien konkretisieren.

4. Für die Nutzung des Index siehe Abschnitt VII!

2. Grundsätze der Titelbildung

1. Der Nutzer soll anhand des Titels entscheiden können, ob die Durchsicht der beschriebenen Unterlagen für sein Vorhaben nützlich ist oder nicht. Sind bereits Titel aus der vorarchivischen Bearbeitung überliefert, sollen diese entweder übernommen oder an geeigneter Stelle als vorarchivische Titel vermerkt werden. Präzisierungen und Korrekturen sind dann mittels der Enthältvermerke vorzunehmen (s.u.). Sofern auf einen Aktenplan verwiesen werden kann, soll der vorarchivische Titel in MidosaXML als Erläuterung zur Altsignatur (= Aktenplannummer) vermerkt werden.

2. Ist eine Unterlage mittels einer Titelvergabe nicht hinreichend zu beschreiben, sind zusätzliche Vermerke anzubringen („Enthältvermerke“).

3. Titel sind kurz und prägnant im Nominalstil parataktischer Wortgruppen zu formulieren. Grammatische Sätze und durch Pronomina oder Konjunktionen eingeleitete Nebensätze sollen vermieden werden.

4. Die Titel sind sach- und betreffsbezogen zu formulieren, sofern damit der Entstehungsgeschichte der Unterlage entsprochen werden kann und die Ablageprinzipien der Provenienzstellen dem nicht entgegenstehen. Ist eine sach- und betreffsbezogene Titelbildung nicht möglich, soll eine inhaltsbezogene Konkretisierung in einem Enthältvermerk und ggf. eine Erläuterung der Unterlagenstruktur in einer Zusatzinformation zur Erschließung {processinfo} oder Bestandsgeschichte {custodhist} hinzugefügt werden.

5. In Titeln sollen Abkürzungen vermieden werden. Sind sie nicht zu umgehen, sollen nur allgemein gebräuchliche Formen verwendet werden. Wenn Abkürzungen verwendet werden, ist für das Findbuch ein Abkürzungsverzeichnis zu erstellen.

6. Der Enthältvermerk ist ein fakultatives Element eines Beschreibungsdatensatzes. Er dient der Erläuterung und Ergänzung des Titels oder / und zur Bezeichnung der Unterlagen- oder Schriftstücktypen, wie z.B. „Listen, Briefe, Manuskripte“ usw. Angaben zu Unterlagentypen sind zudem im Feld „Archivalientyp“ {genreform} zu vermerken, soweit das möglich ist.

7. Zum Einsatz kommen die folgenden Arten von Enthältvermerken in der folgenden verbindlichen Reihenfolge ihrer Aufnahme:

a. „Enthält:“ Die darauf folgende Angabe präzisiert den Titel oder erläutert den Inhalt vollständig. Die Angaben erstrecken sich auf die gesamte Verzeichnungseinheit.
b. „Enthält v.a.:“ „Enthält vor allem“ meint den inhaltlichen, betreffsmäßigen oder unterlagentypbezogenen Schwerpunkt einer Verzeichnungseinheit.
c. „Enthält u.a.:“ „Enthält unter anderem“ macht auf hervorhebenswerte inhaltliche, betreffsmäßige oder unterlagentypbezogene Teile einer Verzeichnungseinheit aufmerksam, deren Vorhandensein aus dem Titel nicht mit hinreichender Sicherheit hervorgeht.
d. „Enthält auch:“ Die darauf folgende Angabe weist auf Teile einer Verzeichnungseinheit hin, die auf der Grundlage des Titels nicht zu erwarten wären.
e. „Enthält nur:“ Die darauf folgende Angabe engt einen weiter gefassten Titel auf den tatsächlichen inhaltlichen Umfang einer Verzeichnungseinheit ein.

8. Eine weitere Form präzisierender Beschreibung drückt sich in der Verwendung des „Darinvermerks“ aus („Darin:“). Er bezeichnet Inhalte besonderer oder auffällig abweichender physischer Beschaffenheit (z.B. Fotos, Karten, Pläne in Akten) und wesentlich abweichende Dokumentationsformen (z.B. dreidimensionale Gegenstäde, Artefakten usw.), die sich in der Verzeichnungseinheit befinden.

9. Mehrere gleichartige Enthältvermerke werden zu einem zusammengefasst, so dass pro Verzeichnungseinheit jede Art von Enthältvermerk maximal einmal vorkommt. Mehrere Einträge innerhalb eines Enthältvermerks werden untereinander nach Spiegelstrich gesetzt. Hinter jedem Eintrag soll nach Möglichkeit eine auf den jeweiligen Eintrag bezogene Laufzeitangabe stehen.

10. Titel und Enthältvermerke schließen ohne Satzzeichen ab. Hat ein Titel oder Enthältvermerk ausnahmsweise satzähnliche Gestalt, ist er mit einem Punkt, im mehrgliedrigen Enthältvermerk an nicht letzter Stelle mit Semikolon abzuschließen.

3. Laufzeitbestimmung

1. Die Laufzeit beginnt mit dem ältesten und endet mit dem jüngsten Schriftstück einer Verzeichnungseinheit.

2. Bei Verwaltungsschriftgut umfasst die Laufzeit den Bearbeitungszeitraum. Sie beginnt mit dem Datum des ersten Eingangsvermerks (-stempels) oder alternativ mit dem Datum des ersten Entwurfs eines ausgehenden Schreibens, mit dem die Stelle einen Vorgang eröffnete, und endet mit dem Datum der letzten Bearbeiterverfügung. Sie soll grundsätzlich jahrgenau, erforderlichenfalls präzise mit Tag und/oder Monat angegeben werden. Bei der Verwendung von bloßen Jahresangaben steht zwischen Zahl und Bindestrich kein Leerraum, andernfalls ist vor und nach dem Bindestrich ein Leerzeichen zu setzen.

 

Muster: 1977-1987, 1977 – 1.4.1987, 13.11.1977 – 1.4.1987

 

3. Wichtige Datumsangaben, auf die sich der Inhalt des Archivguts bezieht (Bezugslaufzeit), sind in geeigneter Weise im Titel oder Enthältvermerk unterzubringen (z.B. „Jahresbericht für 1976“, während seine Entstehung und damit die Laufzeit das darauf folgende Jahr 1977 ist).

4. Ist ein Datum nicht ermittelbar, wird die Abkürzung „o.J.“ für „ohne Jahr“ eingetragen. Bei Schätzungen wird vor das Datum ein „ca.“ gesetzt. Ist ein Datum nur erschlossen, wird es in eckige Klammern gesetzt.

5. Datierungen von Schriftgut, das der Unterlage beigefügt, aber nicht im Bearbeitungsprozess bei einer der beteiligten Parteien entstanden ist, werden ggf. in runden Klammern vermerkt. In fast allen Fällen spielt dies nur eine Rolle, wenn solches Material beigefügt wurde, das vor dem Beginn der Bearbeitung entstanden ist oder nach Beendigung der Bearbeitung ablagetechnisch noch hinzugefügt wurde (i.d.R. Dokumentationsmaterial).

 

Muster: (1971) 1977-1987: Hier konnte z.B. eine zum Vorgangsbetreff passende Festrede, ein Bericht oder ein Zeitungsausschnitt von 1971 als Informationsmaterial für den Bearbeiter hinzugegeben worden sein, während die Vorgangsbearbeitung selbst (Eingangsstempel) erst 1977 begann.

 

6. Unterbrechungen oder längere Pausen der Bearbeitung können als unterbrochene Laufzeiten verzeichnet werden (z.B. 1977-1982, 1985-1987). Ob Unterbrechungen vermerkt werden sollen, liegt im Ermessen des Bearbeiters, soweit es nicht durch Richtlinienspezifikationen geregelt wird.

4. Indexierung

1. Kompetenzindex:

Im Kompetenzindex werden Funktionen im Sinne des ICA-Standards ISDF indexiert. Dafür stehen Funktionen erster und zweiter Ordnung zur Verfügung. Darüber hinaus ist derzeit keine weitere Vertiefung möglich. Indexiert wird nach folgendem Schema: Funktion-Semikolon (ohne Leerzeichen)-Subfunktion (Bsp.: „Studium;Graduierung“). Eine Funktion ist ein Wirken oder eine Aufgabe mit Entstehungsursächlichkeit für das betroffene Archivale. Dadurch unterscheidet sich der Kompetenzindex deutlich vom Sachindex, wo der inhaltliche Bezug ausschlaggebend ist.

Folgende Funktionen und Subfunktionen stehen für die Indexierung zur Verfügung (Indexierungsbegriff in Klammern, falls von Funktionsbezeichnung abweichend aufzunehmen!):

    • Forschung und Innovation

      • Strategische Entwicklung [Strategisches]
      • (Eintragungsform: „Forschung und Innovation;Strategisches“)
      • Wissenschaftliche Durchführung
      • Forschungsmanagement (Administration)
    • Lehre
      • Strategische Entwicklung [Strategisches]
      • Durchführung der Lehre
      • Evaluation
      • Studentische Beiträge
      • Angebote der Weiterbildung [Weiterbildung]
    • Studium
      • Anwerbung, Auswahl, Zulassung
      • Studierendenverwaltung und -betreuung
      • Studienberatung und Studiengestaltung
      • Schaffung und Bereitstellung von Lernumgebungen
      • Prüfungen, Examinierung, Graduierung [Graduierung]
    • Verwaltung
      • “Körperschaftlichkeit” (Existenzgrundlagen) [Körperschaftlichkeit]
      • Personalverwaltung
      • Administration (“Maintaining”, allg. Verwaltung)
      • Finanzierung und Drittmitttelförderung
      • Geographische Positionierung, Liegenschaften [Geographische Positionierung]
    • Sozialisation
      • Extrakurrikulare Aktivitäten
      • Schaffung und Bereitstellung sozialer Einrichtungen für Studierende [soziale Einrichtungen]
      • Beziehungen zu studentischen Gruppen
      • Alumni-Beziehungen
    • Kulturelles Engagement
      • Pflege wissenschaftlicher Sammlungen
      • Kulturelle Aktivitäten
      • Musische, sportliche und sonstige kulturelle Förderung der Studierenden
    • Außenbeziehungen
      • Lokale und regionale Vernetzung
      • Überregionale Vernetzung
      • Kontakte zu universitätsbezogenen Gruppen / Vereinen
      • Kooperation mit der Wirtschaft

2. Materialindex:

In den Materialindex werden abweichende und besondere Überlieferungsformen indexiert, die auch in den Darinvermerken erscheinen können (s. Definition dort, Abschnitt IV.2.8!).

3. Korporationsindex:

Körperschaften, juristische Personen, Firmen u.ä. Es ist auf die Verwendung der korrekten offiziellen Bezeichnungen sowohl bei der Titelbildung als auch bei der Indexierung zu achten!

4. Personenindex:

Personennamen, aufzunehmen nach dem Muster: Nachname, Vorname, (ggf. Titel oder Adelsprädikat)

5. Sachindex:

Sachen, Betreffe, Inhalte, zu denen das indexierte Archivgut in einer nicht unmittelbar entstehungsursächlichen Beziehung steht. Die Begriffe sollen in Titel oder Enthältvermerk bereits genannt sein.

6. Geographischer Index:

Orte, die in Titel oder Index genannt werden, Orte die ggf. auf Grund einer Richtlinienspezifikation darüber hinaus zu erfassen sind. Orte sind Städte und Gemeinden, Landschafts- und Regionsbezeichnungen, Ländernamen.
Über die Anwendung von Deskriptoren entscheiden die jeweiligen Richtlinienspezifikationen.

5. Personen- und Körperschaftsbeschreibungen

Abgebende Stellen und Provenienzstellen sollen in Form eines verwaltungsgeschichtlichen oder biographischen Abrisses in einer Zusatzinformation zur Entstehungsgeschichte kurz beschrieben werden. Soweit das Archiv einen ISAAR(CPF)-Beschreibung vorhält, soll zusätzlich auf diese verwiesen werden. Weitere Normdateien, insbesondere die GND-Datensätze, sollen ebenfalls berücksichtigt und referenziert werden.

Eintrag aus dem Akzessionsverzeichnis; die Verzeichnungseinheit entspricht hier der Gesamtheit einer Akzession von einer Abgabestelle.

6. Ordnung der Verzeichnungseinheiten

Mit dem Ordnungsvorgang ist die Bildung einer Klassifikation gemeint. Die Grundlagen für die Ordnung sollen in den Feldern „Alte Signatur“, „Kompetenzindex“ und den Sortierfeldern so weit gelegt sein, dass aus ihnen eine Bestandsgliederung abgeleitet werden kann. Die Gliederung wird am Ende der Verzeichnung manuell in einer Kopie der Findbuchdatenbank erstellt und ist die Grundlage zur Generierung eines Onlinefindbuchs. Bei umfassenderen Verzeichnungen kann die Gliederung auf oberster Ebene zur Abgrenzung mehrerer Findbücher voneinander dienen. Bei der Generierung von Findbüchern werden die Verzeichnungseinheiten innerhalb der Gliederungspunkte chronologisch sortiert.

7. Dokumentation des Erschließungsprozesses

Über die Erschließungsarbeiten führt jeder daran Beteiligte ein Arbeitsprotokoll. Gegliedert nach Verzeichnungseinheiten, sind Auffälligkeiten inhaltlicher Art, Besonderheiten im Erschließungsprozess, vorgenommene Ordnungsarbeiten, Bemerkungen über den konservatorischen Zustand usw. zu vermerken. Die Arbeitsprotokolle bilden eine Grundlage für die spätere Erstellung der Abschnitte über die Verwaltungsgeschichte bzw. Biographie, die Bestandsgeschichte, die Erläuterungen der Ordnung und des Erschließungsprozesses und für Normdateien, die mit dem Findbuch verlinkt werden sollen. Die gewissenhafte Führung des Arbeitsprotokolls ist daher von großer Bedeutung für eine qualitativ hochstehende Erschließung. Sofern ein Formular für das Arbeitsprotokoll bereitgestellt wird, ist dieses zu benützen.

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/1796

Weiterlesen

Projekt: Übersetzung der Chronik des sanktblasianer Priorats Bürgeln

Für Mittelalter am Oberrhein übersetze ich in den kommenden Monaten kapitelweise das sogenannte Chronicon Bürglense, Gründungsbericht und Traditionsbuch des sanktblasianer Priorats Bürgeln.  Kürzlich wurde das erste Kapitel mit lateinischem Text und deutscher Übertragung, einer kurzen Einordnung der Quelle sowie einem Kommentar zum ersten Kapitel veröffentlicht. Ende des 12. Jahrhunderts entstanden, ist das Chronicon Bürglense ein Beispielfall für eine Hybridform aus Gründungsbericht und Traditionsbuch, die im  Umfeld südwestdeutscher, von Hirsau oder Sankt Blasien reformierter Klöster häufiger auftritt:

Ähnlich wie die wesentlich prominenteren Zwiefalter Chroniken (1, 2) beschreibt das Chronicon Bürglense die Gründung eines, wenn auch deutlich kleineren Klosters, durch eine Adelsfamilie. Im Falle des zwischen Basel und Freiburg, unweit von Schliengen gelegenen Bürgelns, [1] war dies die nach Ausweis des Chronicons die im Breisgau, Burgund und Rhätien begüterte Familie der Herren von Kaltenbach. Anders als die Gründer von Zwiefalten, die Grafen Liutold von Achalm und Kuno von Wülflingen, traten Werner von Kaltenbach und seine Frau Ita aber bereits anlässlich der initialen Schenkung in das Kloster St. Blasien ein, ein Schritt, den  – teilweise vor, teilweise nach den Eltern – auch zwei Söhne und zwei Töchter vollzogen. [2] Damit traten alle Mitglieder der Familie ins Kloster St. Blasien und dessen Priorate ein, [3], ein in seiner Totalität durchaus ungewöhnlicher Fall. [4]

Der im Blog abgedruckte lateinische Text  entstammt einem Druck des 18. Jahrhunderts, den der sanktblasianer Mönch Rusten Heer besorgte.

Dieser stützte sich dabei zwar hauptsächlich auf eine Abschrift des Chronicons, die 1494 der Notar Ulrich Buck anfertigte und zudem ins Deutsche übersetzte, [5]) konnte aber auch noch auf das heute verlorene Autograph zurückgreifen, nach Angabe Bucks ein ungefähr handbreiter und sieben Ellen langer Rodel, der heute wohl verloren ist. [6] Heer notierte gelegentlich Variationen aus dem Autograph hielt sich aber sonst an die Abschrift Bucks, der nach Heer auch die zusammenfassenden Kapiteltitel verfasste. [7]

 

Notarszeichen-und-Schriftproben

Notariatszeichen des Notars Ulrich Buck und Schriftproben aus dem heute verlorenen Autograph sowie der Handschrift GLA Karlsruhe 65/139, gedruckt Chronicon Bürglense, S. 384

 

Die deutsche Übertragung des ersten Kapitels, sei im Folgenden zitiert: Den ganzen Artikel, inklusive lateinischem Text und Kommentar, gibt es hier. Für Hinweise zu Einleitung, Übersetzung und Kommentar bin ich äußerst dankbar.

Kap. 1: Wie das Kloster am Berg Bürgeln begonnen sein soll und wem der Berg zuvor gehörte? [8]

Man zweifelt nicht an, dass alles, was verkündet oder geschrieben wird – sofern es am Grundsatz der Wahrheit mangelt – leer und unnütz ist. Deshalb, um die dunkle Finsternis des schändlichen Vergessens zu vertreiben und um das Licht der wahrhaften Erkenntnis zu erhellen, hielten wir es für angemessen zum Nutzen der Nachwelt zu erzählen, wie am Berg Bürgeln der Dienst an Gott nach klösterlicher Gewohnheit seinen Anfang nahm. Der besagte Berg gehört – erbrechtlich von einer Vorfahrensippe herrührend – nämlich, mit allem seinem Zubehör zur Herrschaft einer Verwandtengruppe, die von Kaltenbach genannt wird; er war ihrer Herrschaft gegeben und ihrer Obhut unterworfen. Dort soll vor langer Zeit eine alte Kirche erbaut und ihr durch die Emsigkeit eines einzelnen Klerikers Gestalt gegeben worden sein. Nun aber ist sie dank der Hilfe und der Gnade des Herrn mit der klugen Fürsorge der Mönche versehen worden (wie es derzeit zu sehen ist).

  1. Nicht wie Kastner, Historiae S. 45 fälschlicherweise meint Bürglen in der Schweiz.
  2. Vgl. zur Chronologie der Eintritte Adolf Schmidt-Clever: Die Gründung der Probstei Bürgeln. Mit einem Nachwort von Friedrich Pfaff, in: Alemannia 40 (1912), S. 47-80, hier S. 76f., online einsehbar mit US-Proxy.
  3. Ein im Chronicon genannter dritter Sohn ist sonst nicht historisch greifbar und könnte früh verstorben sein, vgl. Conradi de S. Blasio Chronicon Bürglense, hg. von Rusten Heer, in: Ders.: Anonymus Murensis denudatus et ad locum suum restitutus seu acta fundationis principalis Monast. Murensis denuo examinata, et auctori suo adscripta…, Freiburg i. Br. 1755, Appendix II, S. 365-84, Digitalisat bei der Bayerischen Staatsbibliothek, hier Kapitel 2, S. 367.
  4. Vgl. als Parallelbeispiel den Fall der Grafen von Cappenberg, die ihre Burg in ein Stift umwandelten, Norbert Bewerunge: Der Ordenseintritt des Grafen Gottfried von Cappenberg, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 33, 1981, S. 63-81.
  5. Heute GLA Karlsruhe 65/139, vgl. zu dieser Handschrift den Eintrag im Katalog: Die Handschriften der Staatsarchive in Baden-Württemberg, Bd. 2: Die Handschriften 65/1-1200 im Generallandesarchiv Karlsruhe beschrieben von Michael Klein, Wiesbaden 1978, hier S. 61 (online einsehbar bei Google Books); ebenfalls zu dieser und weiteren davon abhängigen Handschriften, UB St. Blasien, Nr. 130 (Vorbemerkung
  6. Vgl. Chronicon Bürglense, S. 383
  7. Chronicon Bürglense, S. 365.
  8. Für Hilfe bei der Übersetzung bin ich Dr. Tobie Walther, Mark Wittlinger M. A. und Albert Stoer zu großem Dank verpflichtet

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/7481

Weiterlesen

Interview zur Tagung “Offene Archive 2.1″ beim ICARUS-Meeting, 16. – 18. Juni 2014, Kopenhagen, Dänemark

Beim letzten ICARUS-Meeting, das vom 16. – 18. Juni 2014 in Kopenhagen (Dänemark) veranstaltet wurde, wurde das Stadtarchiv Speyer über die Tagung “Offene Archive 2.1″ interviewt, die von 3. – 4. April 2014 im Hauptstaatsarchiv Stuttgart stattfand.

10514705_665889296826679_4040769461921958651_n

Elisabeth Steiger: The conference „Open archives 2.1“

  • What means „open archives“?

The term “Open Archive” can first of all be understood quite literally. If you hear the word “open” you first think of open doors, the archive opens its doors to anyone who is interested to learn something about it. In relation to the conferences “Open Archives” the meaning even goes one step further: Not only analog doors are opened, but also digital doors.

The “Open archive” introduces itself to the virtual audience on different channels, for example on social media platforms like Flickr, Twitter or Facebook. Also crowdsourcing belongs to an open archive. The user should be given the opportunity, to participate actively in the archival happenings and to get an overview over the archival content.

In this sense the conference planning was designed: All preparation steps were published on a conference blog. By the way, the access-numbers to the blog increased particularly before the meeting extremely! During the conference Twitter and Facebook have been continuously updated. There was a life stream and the presentations were filmed and made available gradually on YouTube. There is also a Flickr album of the conference with lots of impressions.

  • How do you use these „different channels“ you spoke of?

This happens in several ways: It can be done using short Tweets that describe the followers what is happening in the archives at the moment, but also through larger projects such as virtual exhibitions that are shown on social networks like Flickr or Pinterest. Or by small “appetizers” on Facebook, a beautiful photo or a short statement. Even videos on YouTube are now used by archives, to make themselves known. Also crowdsourcing is currently a popular topic in the European archives: Photos will be put online on a particular platform and viewer theoretically from all over the world can comment on the photo and open it up. This is very practical.

But these are just a few examples. There are many more ways to actively pursue public relations.

  • Back to the conference: Was it a conference only for archivists?

No. Sure there were essentially representatives of the archival sector as guests. But we pay attention already with the selection of our speakers that there is certain diversity within the themes and also the represented institutions. And so we also experience some variety among the guests. This topic is so interesting and in demands that also completely different career fields are interested, for example journalists or computer scientists. Both the speakers and the guests so were a “mixed bag”.

  • From which cultural area came the speakers?

Our speakers came from the fields of archives, gaming, university, museum and church. This gave us not only a variety of topics, but also different perspectives on the same subject. The church for example operates in a different way with social media platforms, in our special case Twitter, than we in our archives. In this way we see clearly what others do and what is possible. Thus, the conference provides many different ideas and approaches for your own use of new platforms and offers.

  • Which countries were represented?

Not only in the subjects, but also in the choice of countries of origin of our speakers we try to achieve the greatest possible variety. So we reach more prospects and a larger number of demands. Our speakers of “Open Archives 2.1” came from Denmark, the USA, Austria, the Netherlands, Great Britain, Spain, Poland, Switzerland and of course Germany. Our guests also came partly from abroad. There were visitors from Italy and Switzerland.

  • Which topics have been addressed?

There have been addressed many different topics:

  • The use of archives, both digital and analog
  • Gaming in archives
  • Blogs
  • Social Networks
  • Web 2.0 concepts
  • Crowdsourcing
  • Digital Archives

In summary we can say that all areas of the new “open” archives were touched and discussed. This was an overview to see what currently is going on in the modern archives.

  • What do you think, is the development in Web 2.0-issues in the European area on a good way?

Yes, I think so. As we heard at the meeting, the archives are currently massively on the move and on the rise towards new, open archives, which are available for everyone through various channels. Unfortunately, we must say that this movement has only just really begun in Germany and unfortunately there are comparatively still a few archives that have joined this movement. But as we saw, the colleagues abroad are a step ahead us in many ways. They use new platforms, they elaborate again and again new concepts and they take new paths. So I would say, in general European archives are on the right track. Sure there is still a lot to do because an open archive takes a lot of work! However, as we have clearly seen at the meeting: It is worth! The user WANTS this offer, better still, he EXPECTS it!

It remains to hope that this innovative way will be used continuously and that all opportunities that present themselves will be used as good as possible.

  • Will there be a further continuation of „Open archives“?

Yes! It is planned that the meeting will be held in the district of Siegen-Wittgenstein towards the end of 2015. The district archive of Siegen-Wittgenstein was a Co-organizer at the last two meetings.

 

Und es gibt auch eine deutsche Fassung! :-)

Elisabeth Steiger: Die Konferenz „Offene Archive 2.1“

  • Was bedeutet „Offene Archive“?

Der Begriff „Offene Archive“ kann zunächst einmal ganz wortwörtlich verstanden werden. Bei dem Wort „Offen“ denkt man an geöffnete Türen, das Archiv öffnet seine Türen jedem, der daran interessiert ist, etwas darüber zu erfahren.

Bezogen auf die Konferenzen „Offene Archive“ geht die Bedeutung sogar einen Schritt weiter: Nicht nur analoge Türen werden geöffnet, sondern auch digitale.

Das „Offene Archiv“ stellt sich dem virtuellen Publikum auf verschiedenen Kanälen, beispielsweise auf Social-Media-Plattformen wie Twitter, Flickr oder Facebook vor. Auch Crowdsourcing gehört zu einem offenen Archiv. Der Nutzer soll die Möglichkeit erhalten, zu jeder Zeit am Geschehen im Archiv auch aktiv teilzunehmen und einen Überblick über die Inhalte des Archivs zu bekommen.

In diesem Sinne wurde auch die Tagungsplanung gestaltet: Alle Vorbereitungsschritte wurden auf einem Tagungsblog veröffentlicht, während der Tagung wurden Facebook und Twitter ständig aktualisiert. Es gab einen Lifestream und alle Vorträge wurden gefilmt und werden nach und nach auf Youtube gestellt. Außerdem gibt es ein Flickr-Album zur Tagung mit vielen Impressionen.

  • Wie werden diese verschiedenen Kanäle, die Du angesprochen hast, genutzt?

Dies geschieht auf verschiedene Art und Weise: Es kann mittels kurzer Tweets erfolgen, die dem Follower beschreiben, was im Archiv gerade passiert, es geschieht aber auch durch größere Projekte, beispielsweise virtuelle Ausstellungen, die über Netzwerke wie Pinterest oder Flickr gezeigt werden. Oder durch kleine „Appetithäppchen“ auf Facebook, ein schönes Foto oder ein kurzes Statement. Selbst Filme auf Youtube werden mittlerweile von Archiven genutzt, um sich bekannt zu machen.

Auch Crowdsourcing ist momentan ein beliebtes Thema im europäischen Archivwesen: Fotos werden online gestellt auf einer bestimmten Plattform und Betrachter, theoretisch von überall auf der Welt, können das Foto kommentieren und erschließen. Das ist sehr praktisch.

Doch dies sind nur einige Beispiele. Es gibt viel mehr Möglichkeiten, aktiv Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben.

  • Zurück zur Tagung: War es eine Tagung nur für Archivare?

Nein. Sicher waren im Wesentlichen Vertreter der Archivbranche zu Gast. Doch wir achten schon bei der Auswahl unserer Referenten darauf, dass eine gewisse Vielfalt innerhalb der Themen und damit auch der vertretenen Einrichtungen vorhanden ist. Und so erleben wir auch unter den Gästen eine gewisse Vielfalt.

Dieses Thema ist so interessant und gefragt, dass sich auch ganz andere Berufsfelder dafür interessieren, beispielsweise Journalisten oder Informatiker. Sowohl die Referenten als auch die Gäste ergaben also eine bunte Mischung.

  • Aus welchen kulturellen Bereichen kamen die Referenten?

Unsere Referenten kamen aus den Bereichen Archiv, Gaming, Universität, Museum und Kirche. Damit erreichten wir nicht nur eine Themenvielfalt, sondern auch verschiedene Blickwinkel auf das gleiche Thema. Die Kirche arbeitet beispielsweise anders mit Social Media-Plattformen, in unserem konkreten Fall Twitter, als wir im Archiv. Es wird also auf diese Weise nicht nur deutlich, was andere machen, sondern auch, was überhaupt alles möglich ist. Die Tagung bietet also viele verschiedene Impulse und Ansätze zur eigenen Nutzung neuer Plattformen und Angebote.

  • Welche Länder waren vertreten?

Nicht nur bei den Themen, sondern auch bei der Wahl der Herkunftsländer unserer Referenten versuchen wir, eine möglichst große Vielfalt zu erzielen. Damit erreichten wir mehr Interessenten und werden einer größeren Anzahl von Ansprüchen gerecht. Unsere Referenten kamen bei „Offene Archive 2.1“ aus Dänemark, den USA, Österreich, den Niederlanden, Großbritannien, Spanien, Polen, der Schweiz und natürlich Deutschland. Auch unsere Gäste kamen zum Teil aus dem Ausland. Es kamen Besucher aus Italien und der Schweiz.

  • Welche Themen wurden angesprochen?

Es wurden viele verschiedene Themen angesprochen:

  • Die Nutzung von Archiven, sowohl digital, als auch analog
  • Gaming in Archiven
  • Blogs
  • Soziale Netzwerke
  • Web 2.0-Konzepte
  • Crowdsourcing
  • Digitale Archive

Zusammengefasst kann man sagen, dass alle Bereiche des neuen, „offenen“ Archivs angerissen und erwähnt wurden. Dies diente einem Überblick, zu sehen, was im modernen Archivwesen momentan überhaupt vor sich  geht.

  • Was meinst Du, ist die Entwicklung in Web 2.0-Dingen im Europäischen Raum auf einem guten Weg?

Ich denke schon. Wie wir auf der Tagung hörten, ist das Archivwesen momentan massiv in Bewegung und auf dem Vormarsch in Richtung auf ein neues, offenes Archivwesen, das für jedermann über verschiedene Kanäle zugänglich ist. Leider muss man dazu sagen, dass diese Bewegung in Deutschland gerade erst richtig angefangen hat und es nach wie vor leider noch verhältnismäßig wenige Archive sind, die sich dieser Bewegung angeschlossen haben. Doch wie wir sahen, sind uns die Kollegen im Ausland in vielerlei Hinsicht in Stück voraus. Es werden neue Plattformen genutzt, immer wieder neue Konzepte ausgearbeitet und neue Wege beschritten. Ich würde also sagen, ganz allgemein sind die europäischen Archive auf einem sehr guten Weg. Sicher gibt es noch jede Menge zu tun, denn hinter einem offenen Archiv steckt sehr viel Arbeit. Doch wie wir auf der Tagung ebenfalls ganz deutlich sehen konnten: Es lohnt sich! Der Benutzer WILL dieses Angebot, besser noch, er erwartet es. Es bleibt also zu hoffen, dass dieser innovative Weg auch weiter beschritten wird und dass alle Möglichkeiten, die sich bieten, genutzt werden.

  • Wird es eine weitere Fortsetzung von „Offene Archive“ geben?

Ja. Es ist geplant, dass die Tagung gegen Ende des Jahres 2015 im Kreis Siegen-Wittgenstein stattfinden wird. Das Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein war bei den beiden vergangenen Tagungen Mitorganisator.

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/1806

Weiterlesen

Unterschiede zwischen Nord und Süd (II)

Im ersten Teil dieser losen Serie (Unterschiede zwischen Nord und Süd (I)) wurden Differenzierungen zwischen Nord- und Süchina betrachtet, die in der chinesischen Sprache gleichsam zu stehenden Wendungen geworden sind.

Der chinesische Literaturwissenschaftler Jiang Kanghu 江亢虎 (1883-1954), der unter anderem 1930-1933 an der kanadischen McGill University tätig war, widmete sich in seiner 1935 erschienenen Einführung in die Geschichte der chinesischen Kultur[1] den Unterschieden zwischen Nord- und Südchina. Jiang schrieb, dass diese Unterschiede schon im Wesen der Menschen deutlich zutage treten würden. Während die Bevölkerung Nordchinas als „dull, slow, conservative, and stubborn“ charakterisiert werden könne, wären die Südchinesen „clever, quick, more radical, but less stable.“ Auch im Zusammenhang mit der äußeren Erscheinung der Menschen sah er deutliche Unterschiede: die Nordchinesen wären „usually tall, heavy, and strongly built“, während man die Südchinesen als „comparatively small in size“ bezeichnen könnte. Der Norden habe mehr Gelehrte hervorgebracht, aus dem Süden dagegen wären eher die Literaten („more belles lettres writers“) gekommen. Einer eher materialistischen Philosophie im Norden stehe eine mehr idealistische Philosophie im Süden Chinas gegenüber. Für den Bereich der traditionellen chinesischen Kampfkunst (wushu 武術) nannte Jiang folgende Unterschiede: im Norden eher „offensive and active“, im Süden eher „defensive and passive“. Im Hinblick auf die Herkunft von Persönlichkeiten in Geschichte und Politik formulierte Jiang das folgende Modell: während die Mehrheit der Dynastiengründer aus dem Norden stammte, kamen die bedeutenden Staatsmänner überwiegend aus dem Süden – eng damit verknüpft und in diesem Sinne auch logisch erscheint seine letzte Gegenüberstellung: während Nordchina „more military leaders“ hervorgebracht habe, stammten aus dem Süden Chinas „more political leaders“. [2].

Offen bleibt, auf welche Quellen Jiang für diese Zusammenstellung zurückgegriffen hat: handelte es sich dabei ausschließlich um in der chinesischen Tradition fest etablierte Zuschreibungen oder griff er zur Veranschaulichung der Unterschiede auch auf “westliche” Darstellungen zurück?

  1. Kiang Kang-hu [Jiang Kanghu]: Chinese Civilization. An Introduction to Sinology (Shanghai: Chung Hwa Book Co. Ltd., 1935) 94.
  2. Alle Zitate ebd.

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/1197

Weiterlesen