Was Sie schon immer über “research technologists” wissen wollten und nie zu fragen wagten

Vom 11. bis 12. März fand am Corpus Christi College in Oxford ein Workshop zum Thema “Recognising Research Technologists in Research: an Action Plan” statt. Der Workshop wurde von JISC (UK) gemeinsam mit SURF (NL) und dem CSC (FIN) organisiert und fand im Rahmen des e-Infrastructure Policy Forums statt. Zwei kurze Tage lang diskutierten Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen und europäischen Ländern darüber, was “research technologists” definiert, welche Rolle sie im Forschungsprozess insbesondere im Kontext der Digitalisierung haben, und wie man ihren Status und ihre Karrierepfade, ihre Ausbildung und ihre Anerkennung verbessern könnte. Einige Ergebnisse des Workshops sollen hier in Form von Frage & Antwort berichtet werden.

1. Was sind “research technologists” überhaupt?

Torsten Reimer, "Old Tunnel, New Light"

Licht am Ende des Tunnels? (Keller der Bodleian Library, Oxford) – Torsten Reimer, “Old Tunnel, New Light”. Mit freundlicher Genehmigung, all rights reserved, Quelle: http://www.flickr.com/photos/torstenreimer/8554250760/sizes/h/in/photostream/.

Der Begriff “research technologist” (je nach Kontext auch “scientific programmer” oder “data technologist” genannt) bezeichnet kurz gesagt eine Personengruppe, die technisch-informatische Kompetenzen und Lösungen in den wissenschaftlichen Forschungsprozess einbringt. Dabei kann man sie in einem Kontinuum verorten, das zwischen zwei Polen aufgespannt ist: auf der einen Seite die rein auf ihre disziplinäre Forschung fokussierten Wissenschaftler (von denen heute allerdings zumindest eine gewisse technische Expertise erwartet wird); auf der anderen Seite die reinen technischen oder informatischen Dienstleister, die generische Standard-Lösungen für bestimmte Probleme (wie Datenspeicherung, Datenmanagement, Retrieval-Lösungen, etc.) anbieten können. Zwischen diesen beiden Polen sind einereits, näher am wissenschaftlichen Pol, die “digital humanists” oder “e-scientists” angesiedelt, die zwar primär ihren eigenen Forschungszielen verpflichtet sind, diese Ziele aber unter Einsatz individuell angepasster technologischer Lösungen zu erreichen suchen; andererseits, und näher am technologischen Pol angesiedelt, gibt es eben die research technologists, die einen primär technisch-informatischen Hintergrund mit einem tieferen Verständnis für Forschungsfragen verbinden und die forschungsgetriebene, individuell angepasste technologische Lösungen entwickeln und umsetzen.

2. Warum sind “research technologists” wichtig?

Im Kontext der zunehmenden Digitalisierung des kulturellen Erbes in den Geisteswissenschaften, der evidenzbasierten Sozialwissenschaften und der datengetriebenen Naturwissenschaften ist innovative Forschung ohne spezifische technisch-informatische Kompetenzen, die über generische Standard-Lösungen hinaus gehen, kaum noch denkbar. Die Europäische Kommission und das eIPF haben jedenfalls formuliert, dass ohne eine gut aufgestellte community von research technologists wettbewerbsfähige Forschung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zunehmend schwieriger sein wird. Die Spezialisierung und Arbeitsteilung in der Wissenschaft macht es zunehmend unmöglich, dass ein/e einzelne/r Wissenschaftler/in alle im engeren Sinne forschungsgetriebenen und alle technologischen Aspekte seiner/ihrer Forschung selbst beherrschen, anpassen und neu entwickeln kann. Zugleich sind “research technologists” mit meist informatischem Hintergrund in der Industrie und dem Service-Sektor gefragte Arbeitskräfte, sodass es für die Wissenschaft oft schwierig ist, geeignete Mitarbeiter/innen zu finden und zu halten. Viele Projekte in den digitalen Geisteswissenschaften sind davon betroffen.

3. Warum ist der Status von research technologists derzeit problematisch?

Zur Zeit haben “research technologists” keinen klar definierten Status; den meisten Wissenschaftlern ist der Begriff selbst unbekannt. Da sie nicht selbst disziplinär verankerte Forschungsprojekte leiten oder eine solche Leitungsposition anstreben, steht ihnen anders als “normalen” Wissenschaftlern keine akademische Karriere offen. Da sie andererseits nicht zum festen Personal von Rechenzentren gehören, die überwiegend nicht für so forschungsnahe und projektgetriebene Forschungsprojekte zuständig sind, haben sie auch hier keine konkreten Aufstiegschancen. Weil sie überwiegend projektbasiert eingestellt werden, sind sie zumindestens in den Geistes- und Sozialwissenschaften häufig befristet und unsicher beschäftigt. Und weil sie zu oft als Dienstleister gesehen werden, und nicht als vollwertig am Forschungsprozess beteiligte, sind sie häufig nicht Ko-Autoren wissenschaftlicher Artikel über ihr Forschungsprojekt und bekommen demnach nicht einmal symbolisches akademisches Kapital für ihre Arbeit.

4. Was können verschiedene Akteure unternehmen?

Es wurden verschiedenste Lösungsansätze diskutiert, vier davon scheinen mit aber besonders wichtig. Erstens sollte der genuine, forschungsorientierte Beitrag, den “research technologists” zum Forschungsprozess beitragen dadurch gewürdigt werden, dass sie mit Bezug auf ihre Gehaltsstufe als Wissenschaftler eingestuft werden oder zumindest besser gestellt werden, als dies derzeit oft der Fall ist. Zweitens und kurzfristig sollten sie aus dem gleichen Grund am Verfassen und Publizieren von wissenschaftlichen Artikeln beteiligt werden, was möglicherweise die Inhalte ebenso beeinflussen würde wie die geeigneten Publikationsorte. Drittens und mittelfristig sollten veränderte Publikationsgewohnheiten es “research technologists” erlauben, durch die Publikation von Tools und Code ebenfalls “academic credit” zu erwerben. Viertens (und das scheint mir der Bereich zu sein, wo am deutlichsten eine win-win-Situation hergestellt werden könnte), sollten an den Universitäten idealerweise auf Fakultätsebene “Research Technology Centers” oder “Digitale Forschungszentren” eingerichtet werden, die “research technologists” dauerhaft eingerichtete Stellen anbieten können. Das würde den RTs eine dauerhafte Perspektive eröffnen und es Projekten zugleich erlauben, zeitweise und flexibel Expertise ins Projekt zu holen, ohne dass die RTs nach Abschluss des Projekts auf der Straße stehen, und ohne dass der Universität wertvolle Expertise verloren geht.

Klar wird auf jeden Fall, dass die Entwicklung in der Forschungspraxis nicht haltmacht, während die kulturellen und institutionellen Gegebenheiten nur langsam reagieren. Hier sind in der Tat individuelle Forscher/innen ebenso gefragt wie Entscheider/innen auf institutioneller Ebene! Auch Input aus der Community ist hier gerne gefragt: Welche (vielleicht abweichende) Erfahrungen haben Sie in Ihren Projekten mit “research technologists” gemacht? Sind Sie vielleicht selbst eine/r? Was sehen Sie als dringlichste Probleme?

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1487

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