Die zwei Érides der Wissenschaft oder: Everett vs. Chomsky

Als ich für meine Diss über den Eristik-Begriff nachgedacht habe stieß ich – gerade in der kritischen Rekonstruktion von da Silva (2014) – auf die Ambivalenz der Gebrauchsgeschichte dieses Begriffes; und diese wechselhafte Geschichte schien mir zunächst nicht so recht passend für eine Terminologisierung dessen, worum es ging: das kooperativ-konkurrenzielle Streiten um wissenschaftliche Erkenntnisse (benannt nach Eris, der griechischen Göttin der Zwietracht und des Streits).

In Ehlichs (1993:30) eigenen Worten:

„Wir sehen in [Wissenschaftstexten] also weit mehr als das einfache „mapping“ von Wirklichkeit über mentale Verarbeitung hinein in ein Stück Sprache. Wir erleben in den sprachlichen Formen den Prozeß der Diskussion der Wissenschaft selbst. In den Texten ist die diskursive Qualität des Wissenschaftsprozesses als eines Prozesses der streitenden Auseinandersetzungen eingeschrieben. Mit anderen Worten: Der Wissenschaftsprozeß schlägt sich in der Textstruktur in einer illokutiven Vielfalt nieder, die eine Einschränkung auf Assertionsqualität illokutiv weder sinnvoll noch möglich macht. Vielmehr tragen die wissenschaftlichen Texte als ein wesentliches Strukturkennzeichen in sich ihren diskursiven Charakter, der durch die Textualität verfremdet worden ist. Die wissenschaftlichen Texte sind sozusagen Residuen und Petrefakte von diskursiven, insbesondere von eristischen Strukturen, die in den textuellen Strukturen aufgehoben sind.“



[...]

Quelle: http://metablock.hypotheses.org/1319

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Eristik des Konsens. Zur Spezifik chinesischer Rezensionen

“Wenn man eine Publikation bewertet, sollte man deshalb nicht nur an die Schwäche einer Arbeit denken, sondern vor allem an ihren zu schätzenden Wert.” (Liang 1991: 304)

Im Rahmen einer interessanten Analyse eines nachwuchswissenschaftlichen Blogeintrages habe ich einen kleinen Ausflug in linguistische Analysen wissenschaftlicher Rezensionen gemacht. Im Zug (Köln-Siegen) habe ich gerade den sprach-/kulturvergleichenden Aufsatz von Yong Liang (1991) gelesen, der deutsche und chinesische Rezensionen untersucht und spannende Spezifika der jeweiligen sprachlichen Bewertungsmuster anhand 8 deutscher und 8 chinesischer Texte herausarbeitet.

Den für mich interessantesten Punkt habe ich im obigen Zitat herausgestellt. In Liangs (1991) Untersuchung zeigt sich nämlich eine diametral entgegengesetzte Gewichtung positiver und negativer Bewertungshandlungen. Während nämlich die deutschsprachigen Rezensionen davon geprägt sind, dass kritische Auseinandersetzungen mit dem rezensierten Werk innerhalb der Besprechung einen gewichtigen Teil ausmachen und mit Bezugnahmen auf den Forschungsstand begründet werden, sind chinesische Rezensionen davon geprägt, das rezensierte Werk in seinen Leistungen zu würdigen. Daraufhin wird auch die Einordnung in den Forschungsstand funktionalisiert, die dazu dient, daran ‘das Neue und Wertvolle’ zu kennzeichnen und zu charakterisieren.

Auch in den abschließenden Resümees zeigte sich diese Gewichtungsasymmetrie. Während deutschsprachige Rezensionen vorwiegend abschließend positive Bewertungen vornehmen und diese sich pauschal und recht unbegründet auf das Gesamtwerk beziehen, nutzen chinesische Rezensenten das Resümee, um vereinzelte negative, zu kritisierende Aspekte anzusprechen, ohne diese oft allgemeinen Aspekte aber zu begründen.

“Im Chinesischen zeichnet sich die Stärke wissenschaftlichen Rezensierens vor allem dadurch aus, das Positive im Rahmen des Gültigen zu entdecken und hervorzuheben. Deshalb ist dort die Würdigung der Objektpublikation weitgehend dominant. Die Meinungsverschiedenheit spielt nur eine untergeordnete und stark eingeschränkte Rolle und kann nur dann repräsentiert werden, wenn die Harmonie dadurch nicht beeinträchtigt wird [...]. In deutschen Rezensionstexten spielt hingegen die Meinungsverschiedenheit eine dominierende Rolle.” (Liang 1991: 309)

Liang (1991: 304) begründet diese Spezifik chinesischer Rezensionen einerseits mit der traditionell auch alltäglich äußerst wichtigen “Höflichkeitsmaxime” und andererseits mit dem “Respekt vor der vertikalen akademischen Pyramide, also vor der Autorität”. So würden “kategorisch negative Bewertungen [...] das Ansehen des Rezensenten bei Fachkollegen [sogar] eher schwächen als stärken”.

Dies wirft interessante Fragen zur chinesischen Wissenschaftskultur auf. Während die europäische Wissenschaftstradition am Dissens interessiert ist, um sich der Wahrheit zu nähern, scheint das – wie Liangs (1991) Arbeit ahnen lässt – in der chinesischen Tradition ganz anders auszusehen und sich in den sprachlichen Verfahren der Erkenntnisdarstellung und -besprechung niederzuschlagen. Von dort aus ist es nicht weit, um zu ahnen, dass das auch die Erkenntnisproduktion betrifft. Ich stecke da zu wenig drin, um genaueres herauszustellen. Ich werde in nächster Zeit aber nach Überblickswerken ausschau halten, die mir die Zusammenhänge und (historischen) Hintergründe dieser Wissenschaftstradition durchsichtiger werden lassen. Für Hinweise bin ich immer offen!

Für einen zentralen Begriff meiner Dissertation, für den Begriff der Eristik nämlich, und für die Frage, wie dieser zu Konzeptualisieren ist, bin ich aber abermals in der Idee bestärkt, dass er nicht nur auf streitende, d.h. kritische Sprechhandlungen bezüglich der Geltung wissenschaftlichen Wissens beschränkt werden kann, sondern ebenso affirmative Bezugnahmen auf bestehendes Wissens umfassen muss. Es geht also nicht nur um die sprachliche Verhandlung von Dissens, sondern auch um die sprachliche Verhandlung von Konsens. Damit wird es dann möglich, ‘eristische Strukturen’ (Ehlich) nicht nur als Menge sprachlicher Mittel zu betrachten, sondern ihm einen wissenschaftsspezifischen Zweck zuzuordnen, der in der Modellierung einer forschenden Position im verfügbaren wissenschaftlichen Wissen bestünde. Liangs (1991) Arbeit zeigt eindrücklich, in welcher Weise dieser Zweck neuzeitlicher Wissenschaftskommunikation kulturvariant bearbeitet werden kann.

*

Liang, Yong (1991): Zu soziokulturellen und textstrukturellen Besonderheiten wissenschaftlicher Rezensionen. In: Deutsche Sprache 19, S. 289-311.

Quelle: http://metablock.hypotheses.org/694

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Über die Gefahr ‚unterwegs im Malfeld abzusaufen‘…

Stuhlkreis

Sinnfällige Metapher oder ironische Anspielung?

… diese Formulierung hat eine Freundin einmal gefunden, um die Schwierigkeiten zum Ausdruck zu bringen, die mit dem fünften der funktional-pragmatischen Felder einhergehen. Und in der Tat rühren diese Schwierigkeiten daher, dass dieses Feld noch wenig bestellt ist.

Ich habe mich an diese Formulierung erinnert, als ich letztens wieder einmal über die Beobachtungsgabe Erving Goffmans staunen musste. Sie geht freilich einher mit einer Gabe, zu schildern, was er beobachtete.

“First, there are overlayed “keyings.” The published text of a serious paper can contain passages that are not intended to be interpreted “straight,” but rather understood as sarcasm, irony, “words from another’s mouth,” and the like. However, this sort of self-removal from the literal content of what one says seems much more common in spoken papers, for there vocal cues can be employed to ensure that the boundaries and the character of the quotatively intended strip are marked off from the normally intended stream. (Which is not to say that as of now these paralinguistic markers can be satisfactorily identified, let alone transcribed.) Thus, a competent lecturer will be able to read a remark with a twinkle in his voice, or stand off from an utterance by slightly raising his vocal eyebrows. Contrariwise, when he enters a particular passage he can collapse the distance he had been maintaining, and allow his voice to resonate with feeling, conviction, and even passion. In sensing that these vocally tinted lines could not be delivered this way in print, hearers sense they have preferential access to the mind of the author, that live listening provides the kind of contact that reading doesn’t.” (Goffman 1981: 174f.)

Hier handelt es sich um einen Auszug aus Goffmans kursorischem Gang durch die Spezifika von Vorlesungen; und was er dort berührt, ist ein nicht uninteressanter Aspekt von Hochschul- und noch mehr von (interner) Wissenschaftskommunikation. Dabei kennzeichnet die Eingangspassage schon eine erste Schwierigkeit, die sich mit diesen Aspekten verbindet. Bei der Umsetzung in die Schriftlichkeit mögen Spuren der von Goffman beobachteten Aspekte noch übrig bleiben. Diese aber identifizieren zu können, gestaltet sich als äußerst voraussetzungsreiche Aufgabe.

Um was für Aspekte handelt es sich dabei aber? Und warum sind diese für mich, sprich für mein Promotionsprojekt1 eigentlich interessant?

Beginnen wir mit dem eingangs erwähnten Malfeld oder vielleicht besser mit der sog. Fünf-Felder-Lehre der Funktionalen Pragmatik: Karl Bühler (1934/1984) hat in seiner Sprachtheorie zwei sprachliche Aufgabenfelder unterschieden. Das Zeigfeld und das Symboldfeld. Das Zeigfeld betrifft die Organisation von Aufmerksamkeit. Indem mit verschiedenen Wörtern und anderen Zeighilfen in unterschiedlichen Verweisräumen gezeigt wird, wird die Aufmerksamkeit von Sprecher und Hörer synchronisiert. Ich, jetzt, hier, her, hinda, dort, jener, dieser, du. Das sind Beispiele für deiktische Ausdrücke. Nonverbale Deixeis spielen selbstverständlich eine ebenso wichtige Rolle (vornehmlich in der Kommunikation unter Anwesenden). Das Symbolfeld betrifft den begrifflichen Haushalt einer Sprache. Symbolfeldausdrücke sind dazu in der Lage begriffliche Gehalte im Hörer zu aktualisieren oder sie veranlassen ihn dazu, in seinem Wissen danach zu suchen. Die Substantive, Adjektive und Verben bzw. ihre Stämme sind die einfachsten Beispiele für Symbolfeldausdrücke. Hören wir diese Stämme geht es nicht darum unsere Aufmerksamkeit auf etwas im Wahrnehmungs-, Rede-, Text- oder Vorstellungsraum zu richten, sondern wir aktualisieren ein begriffliches Wissen; man könnte auch sagen: einen spezifisch strukturierten Frame mit charakteristischen Anschlussstellen (siehe z.B. Busse 2012).

In Auseinandersetzung mit Bühler hat die Funktionale Pragmatik drei weitere sprachliche Aufgabenfelder ausgemacht (vgl. überblickend Ehlich 2010). Die einzelnen sprachlichen Felder benennen dabei Zweckbereiche sprachlichen Handelns unterhalb der Ebene des Sprechakts. Auf dieser Ebene sprachlichen Handelns wird davon gesprochen, dass “Prozeduren” ausgeführt werden, um spezifische Zwecke zu bearbeiten. Bspw. deiktische Prozeduren mit sprachlichen Mitteln wie ich oder hier zum Zweck der Aufmerksamkeitssynchronisation. Prozeduren sind also Handlungseinheiten, deren Zweck sie zu einem Feld zuordenbar macht. In den verschiedenen Sprachen wurden die sprachlichen Mittel, die diese fünf Aufgabenfelder bearbeiten, jeweils unterschiedlich funktionalisiert. Mit Prozeduren werden sprachliche Akte und Handlungen, also Handlungseinheiten höherer Stufe gebildet.

Die drei weiteren Felder, die die Funktionale Pragmatik unterscheidet, sind die Folgenden: das Bearbeitungsfeld, das Lenkfeld, das Malfeld. Zum Bearbeitungsfeld werden sprachliche Mittel gezählt, die das Verhältnis anderer Ausdrücke zueinander verstehbar machen (operative Prozeduren). Damit erfüllen sie eine spezifische Funktion bei der Konstitution propositionaler Gehalte aus einfachen, aneinandergereihten Ausdrücken. Zum Lenkfeld gehören sprachliche Mittel, die einen ‘direkten’ Eingriff ins hörerseitige Handeln nehmen (expeditive Prozeduren). Hörerseitige Interjektionen beispielsweise geben auf subtile aber äußerst präzise und ökonomische Art und Weise dem Sprecher einen Eindruck davon, wie sein Gesagtes verstanden wird, das er auf diese Verstehenssignale hin anpassen kann. Vokativ und Imperativ gehören ebenso in diese Kategorie.

Was leistet nun diese Kategorie der sprachlichen Prozeduren, versammelt in unterschiedlichen sprachlichen Feldern?

“Es sind nun die sprachlichen Prozeduren, die die sprachliche Realisierung von Handlungen [...] tragen, Scharniere, in denen sich die sprachlichen Funktionen, wie sie sich in den mentalen Prozessen hörerseitig niederschlagen, formal erfassen lassen und damit den bekannten linguistischen Analyse-Instrumentarien öffnen.” (Rehbein 2001: 937)

Mit der Kategorie der Prozeduren wird es also möglich die kleinsten grammatischen Strukturen handlungstheoretisch zu begreifen und zu fragen, was diese Mittel interaktional und kommunikativ leisten. Die Feldzugehörigkeit einzelner Ausdrücke und anderer sprachlicher Mittel ist nicht zwangsläufig eine einfache, d.h. einzelne Ausdrücke können durch Aspekte zweier Prozeduren bestimmt sein und in ihrer Funktionalität gerade davon abhängen. Zudem ist die Feldzugehörigkeit, also die Funktionalität (einzelner) sprachlicher Mittel historisch (und auch subkulturell) veränderlich – wie das bei Sprache immer der Fall ist.

Nun zum letzten Feld, dem Malfeld. Sprachliche Mittel dieses Feldes werden ausgeführt, um expressive Prozeduren zu realisieren. Zum Malfeld heißt es an unterschiedlichen Stellen z.B.:

“Mittels der malenden Prozedur drückt der Sprecher eine affektive Befindlichkeit aus, die er so dem Hörer kommuniziert, um eine vergleichbare Befindlichkeit bei ihm zu erzeugen.” (Ehlich 2010: 541f.)

“Abgleichung der S+H-Einschätzungen” (Ehlich 2009: 435)

das Malfeld mit Ausdrücken zum Vollzug malender Prozeduren, d.h. im weiten Sinne zur expressiven Verbalisierung von Atmosphärischem und Emotionen, was im Deutschen vor allem durch  intonatorische Modulation, kaum durch einzelne Wörter geschieht” (Redder 1998: 67)

“die expressiven Prozeduren des Malfeldes wie Imitationen, geheimnisvolle oder expressive Intonation (wie Toll!), die bei H eine Bewertung bewirken” (Rehbein 2001: 937)

“Solche Prozeduren haben es mit der Kommunikation von situativer “Atmosphäre” und psychophysischer Befindlichkeit, von Stimmung und Emotion  zu tun.” (Redder 1994: 240)

Das Malfeld erweist sich in diesen Charakterisierungen wahrlich als ein weites Feld, dessen Bestimmung offenbar noch nicht präzise greifbar ist: Befindlichkeit, Einschätzung, Atmosphärisches, Emotionen, Bewertung. Das scheint mir eine äußerst heterogene Liste zu sein, die andeuten könnte, dass das Malfeld als – wie es sich bisher darstellt – Restkategorie des Subjektiven vielleicht grundlegend überdacht werden sollte.2 Dass sich das so darstellt, liegt auch daran, dass Untersuchungen dazu noch recht rar sind. Redders (1994) Analyse einer Nacherzählens stellt dazu einen ersten Schritt dar. Zu den sprachlichen Mitteln des Malfeldes schreibt sie:

“Es dominieren eindeutig Formen der Modulation. Allerdings sind auch vereinzelte lexikalische Formen verwendet, namentlich ‘ach Gott!’ [...] und das Kompositumelement ‘Riesen-’ [...]. Eine einzig syntaktisch zu nennende Form fällt auf, nämlich die rhythmische Isolierung syntaktisch ansonsten verbundener Ausdrücke [...]; ich habe sie als Parallelismus interpretiert.” (Redder 1994: 253)

Das bringt uns zurück zum obigen Zitat von Goffman, in dem er eine Reihe kommunikativer Mittel hervorhebt, mit denen bewertet, eingeschätzt, eine Befindlichkeit gegenüber dem Gesagten zum Ausdruck gebracht wird. Er beschreibt unterschiedliche intonatorische, modulatorische aber auch nonverbale Mittel der Distanzierung und der Approximation an das Gesagte. Sein Beispiel stammt selbstverständlich aus einem spezifischen Kommunikationsbereich. In der Wissenschaft besteht eine große Notwendigkeit solche Verhältnisse zum  Zitierten, um das es hier ja hauptsächlich geht, herzustellen. Genauer: Es besteht essentielle Notwendigkeit eine Positionierung zum bisherigen Forschungsstand darzustellen. Und Goffman hat hier quasi die virtuosen Mittel herausgegriffen, die diesen Zweck auf äußerst subtile und differenzierte Art und Weise bearbeiten und er hat nicht einfache Formulierungsmuster im Blick, die das Zitierte oder Referierte in bestimmter Weise qualifizieren, indem dieses in Matrixsätze wie X betont zu recht, dass oder Y hat sehr treffend herausgearbeitet, dass eingebettet wird (Steinseifer 2010: 95). Das sind gewissermaßen neuralgische Punkte, an denen sich eristische Handlungen manifestieren dürften (vgl. da Silva 2014),3 da die Qualifizierung fremder Erkenntnisse für die Konturierung der eigenen Position – ich bin geneigt zu sagen: der eigenen eristischen Origo – wesentlich ist.

Wie wir alle aus eigener Erfahrung wissen, wir die Beherrschung der Mittel, die dem Hörer oder Leser solche Hinweise geben, mit zunehmender Sozialisation im Wissenschaftsbetrieb immer zahlreicher, immer subtiler und auch (mehrfach) adressierbar.4 Und wie Goffman zeigt, geht es dabei nicht nur um Einschätzungen des Wahrheitsgehaltes vorgängiger Forschung. Wissenschaft ist ja gewissermaßen eine Lebensentscheidung. Zwangsläufig bleiben Befindlichkeiten und Emotionen nicht aus. Fraglich ist nur, wie stark sie einerseits Eingang in die traditionellen Publikationsinfrastrukturen finden DÜRFEN und andererseits, ob sie überhaupt Eingang finden KÖNNEN in diese Verdauerung wissenschaftlicher Kommunikation. Nicht ohne Grund schreibt Goffman:

“In sensing that these vocally tinted lines could not be delivered this way in print, hearers sense they have preferential access to the mind of the author, that live listening provides the kind of contact that reading doesn’t.” (Goffman 1981: 174f.)

In der Tat sind die Mittel, die Redder (1994) herausgearbeitet hat, nicht einfach in die Schriftlichkeit überführbar, ja sie scheinen nicht einmal einfach ‘übersetzbar’ zu sein, wenn man bedenkt, welche stilistischen, ja normativen Anforderungen an den wissenschaftlichen Ausdruck geknüpft sind. Nichtsdestotrotz haben wir alle schon Texte von Kolleg_innen gelesen, die wir gut und lange kennen, mit deren Auffassungen und deren Stil wir vertraut sind. Mit diesem Hintergrundwissen meint man, Spuren malender Prozeduren in einzelnen Texten ganz sicher ausmachen zu können, man ‘hört’ den_die Autor_in und seine_ihre Befindlichkeiten gewissermaßen beim Lesen selbst sprechen. Welche Mittel das sind, die uns diesen Eindruck gewinnen lassen, ist freilich nicht so ohne Weiteres zu sagen. Ist doch schließlich auch das höchst individuell.

Das Problem linguistischer Analysen diesen Zuschnitts ist, dass sie mit zunehmendem Hintergrund-, ja mit zunehmenden Feldwissen zunehmend komplex und detailliert; aber auch zunehmend idiosynkratisch werden. Gerade für das Malfeld, das in weiten Bereichen sicherlich auf gruppenspezifisches Hintergrundwissen aufbaut oder anders: das die detaillierte Kenntnis gemeinsamer oder zumindest geteilter Kommunikationsgeschichte bedarf, um umfänglich verstanden zu werden – gerade für das Malfeld also bedeutet das, dass dessen Rekonstruktion äußerst voraussetzungsreich ist. Genauso verhält es sich mit der titelgebenden Phrase und der gewählten Illustration. Es schließt sich die Frage an, ob es sinnvoll erscheint, diese Voraussetzungen für die Analyse z.B. interner Wissenschaftskommunikation restlos einzuholen. Mir scheint nicht. Sind doch die Mitglieder der akademischen Gemeinschaft, die am Diskurs teilnehmen, i.d.R. auch nicht umfänglich über die Hintergründe verständigt, die die jeweiligen Anspielungen vielleicht nur von den Mitgliedern einer Schule oder gar nur von einer kleinen Gruppe von Kollegen lesbar werden lassen.

Die illokutiven Horizonte5, die wissenschaftliche Texte bergen, weil ihre Autor_innen damit befasst sind, kontinuierlich, konkurrenziell und kooperativ um die Wahrheit zu ringen, sind also mit unterschiedlichen Wissenshintergründen auch unterschiedlich tief zu erschließen. Selbiges kennzeichnet aber auch die Situation des durchschnittlichen Wissenschaftlers, was diese hermeneutische Herausforderung nicht zu einem Spezifikum der Forschungssituation macht, sondern auch die alltägliche Situation der Akteure selbst kennzeichnet.

Literatur

Bühler, Karl (1982): Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache. Ungekürzter Nachdruck der Ausgabe von 1934. Stuttgart: Gustav Fischer.

Busse, Dietrich (2012): Frame-Semantik. Ein Kompendium. Berlin, Boston: De Gruyter.

Ehlich, Konrad (2009): Interjektion und Responsiv. In: Hoffmann, Ludger (Hg.): Handbuch der deutschen Wortarten. Berlin, New York: De Gruyter, S. 423–444.

Ehlich, Konrad (2010): Prozedur. In: Glück, Helmut (Hg.): Metzler-Lexikon Sprache. 4., aktualisierte und überarbeitete Auflage. Stuttgart, Weimar: Metzler, S. 541–542.

Goffman, Erving (1981): The Lecture. In: Erving Goffman: Forms of Talk. Philadelphia: University of Pennsylvania Press, S. 160–196.

Pohl, Thorsten (2007): Studien zur Ontogenese wissenschaftlichen Schreibens. Tübingen: Niemeyer.

Redder, Angelika (1994): “Bergungsunternehmen” – Prozeduren des Malfeldes beim Erzählen. In: Brünner, Gisela/Graefen, Gabriele (Hg.): Texte und Diskurse. Methoden und Forschungsergebnisse der funktionalen Pragmatik. Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 238–264.

Redder, Angelika (1998): Sprachbewusstsein als handlungspraktisches Bewusstsein – eine funktional-pragmatische Diskussion. In: Didaktik Deutsch 3 (5), S. 60–76.

Rehbein, Jochen (2001): Das Konzept der Diskursanalyse. In: Brinker, Klaus/Antos, Gerd/Heinemann, Wolfgang/Sager, Sven F. (Hg.): Text- und Gesprächslinguistik. Linguistics of Text and Conversation. Berlin, New York: De Gruyter (HSK, 16.2), S. 927–945.

Silva, Ana da (2014): Wissenschaftliche Streitkulturen im Vergleich. Eristische Strukturen in italienischen und deutschen wissenschaftlichen Artikeln. Heidelberg: Synchron.

  1. Wobei ich betonen möchte, dass ich nicht nur aus Promotionsprojekt bestehe! ;-) 
  2. Überdacht vor allem deswegen, weil die expressiven Prozeduren, im Vergleich zu allen anderen Prozeduren, gewissermaßen omnipräsent sind. D.h. es muss angenommen werden, dass Ausprägungen expressiver Prozeduren überall und immer in unterschiedlicher Markiertheit vorhanden sein müssen, da immer eine Befindlichkeit, Stimmung, Emotionalität in verschiedenen Graden rekonstruiert werden kann. Ein Anschluss an die Diskussionen der linguistischen Stilistik (z.B. die Arbeiten von Fix oder Sandig) erschiene hier sinnvoll.
  3. Ich bin gerade über Ana da Silvas (2014) Dissertation. Sie ist ganz frisch erschienen und ich freue mich schon auf ihre Analysen.
  4. Pohl (2007) scheint mir zum Thema der Ontogenese wissenschaftlicher Schreibfähigkeit äußerst reichhaltig und ertragreich zu sein. Dem muss ich bei Gelegenheit noch mehr Aufmerksamkeit widmen.
  5. Ana da Silva (vgl. 2014: 45f.) spricht von ‘illokutiven Strata’.

Quelle: http://metablock.hypotheses.org/645

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Problematisieren ohne Problemlösen? Zu einer Passage in Schröders (2003) “Die Handlungsstruktur von Texten”

Ich beschäftige mich zur Zeit mit der Illokutionsstruktur von Texten. Das ist eines der wichtigsten Bestimmungspunkte meiner Arbeit. Bezüglich dieses Komplexes eine begründete Position herauszuarbeiten, wird die empirische Analyse und ihren theoretischen wie auch praktischen Ertrag wesentlich prägen. In diesem Zusammenhang wurde mir vor einiger Zeit eine Monografie von Thomas Schröder empfohlen. Diese Woche bin ich endlich dazu gekommen, einen Blick in sie zu werfen. Dabei ist mir ein interessanter eristischer Zug in die Hände gefallen.

In seiner Habilitationschrift “Die Handlungsstruktur von Texten. Ein integrativer Beitrag zur Texttheorie” (2003) geht Thomas Schröder (Innsbruck) das Problem an, wie Texte in ihrer Binnenstruktur handlungstheoretisch zu rekonstruieren sind. Das ist eine wichtige und immer noch aktuelle Fragestellung der linguistischen Pragmatik.

Darin findet sich im ‘Theoriekapitel’ die folgende Passage:

“Äußerungs- und Handlungsebene werden also parallel betrachtet: Genauso wie ein Text als Äußerungseinheit ein Produkt aus Sätzen ist, wird auch die Texthandlung als ein Produkt aus „Satzhandlungen“ gesehen. Die möglichen Probleme, die mit einer solchen Parallelsetzung von Sätzen und einfachen Handlungen verbunden sind, werden an dieser Stelle bewußt ausgeklammert. Beide Kategorien, erst recht aber ihr Verhältnis, sind heftig umstritten. Diese Diskussion hier aufzunehmen, würde allzu weit vom Hauptgegenstand der Untersuchung wegführen.” (Schröder 2003, 35f.)

Zurecht weist Schröder hier auf einen Problemkomplex hin, der “heftig umstritten” ist. Dass er so “heftig umstritten” ist, hat den Grund, dass es sich hierbei um eine der zentralen Fragen linguistischer Pragmatik handelt. Und es ist wohl ziemlich normal, dass sich an solchen Fragen, die Geister scheiden.

Um das kurz zu explizieren: Was Schröder da anspricht, ist die Frage des Verhältnisses von Oberflächenstruktur und Tiefenstruktur. Oder anders: Was sehen wir (Forscher_innen), wenn wir uns die Buchstabenkombinationen eines Textes anschauen? Oder: Welche Leistung vollbringt die Medialität von Sprache? Welches Vermittlungsverhältnis liegt vor?

Schröder beantwortet diese Frage mit einem Abbild- oder Repräsentationsverhältnis. Was wir sehen/hören ist die Handlung: “Äußerungs- und Handlungsebene werden also parallel betrachtet”, kurz darauf spricht er von “Parallelsetzung”. Das ist strenggenommen kein Identitätsverhältnis, wie ich es mit “ist” ausgedrückt habe. Es ist sogar ein spezifisches Differenzverhältnis, dass sich auch in seinen Illokutionsstruktur-Schemata niederschlägt. Zwischen der Handlungs- und der Äußerungsebene ist immer ein weißer Graben gezogen, der zwei formgleiche Seiten trennt: Auf der einen steht Satz, auf der anderen Satzhandlung, Teiltext – Teiltexthandlung, Text – Texthandlung. Was dieser gezogene Graben genau bedeuten soll, wird nicht erklärt. Die Formgleichheit auf beiden Seiten impliziert aber, dass es sich um das parallelgeführte Vermittlungsverhältnis von Oberfläche und Tiefe handelt, was durch die Formgleichheit als Abbildungsverhältnis identifizierbar wird. Die Tiefenstruktur schlägt sich 1:1 in der Oberflächenstruktur nieder. So kann der gezogene Graben zwischen Beiden nur die Vermittlung, die Medialisierung zwischen Mentalem und Medialem meinen, der aber als weißes, unentdecktes Land diagrammatisch einfach übersprungen wird.

Was aber ist eigentlich damit gemeint, wenn von Tiefenstruktur gesprochen wird. Es ist freilich eine konzeptuelle Metapher, die unterstellt, hinter oder unter der wahrnehmbaren Oberfläche der Phänomene gibt es eine wirkende Kraft, die bestimmt, wie die Oberfläche sich ausformt. Nun meinen Linguist_innen, wenn sie von Tiefenstrukturen sprechen, keine metaphysischen Wirkkräfte aufzufinden. Wenn wir von Tiefenstrukturen sprechen, meinen wir gesellschaftliches oder zumindest gemeinschaftliches Sprachwissen, dass anhand der empirischen Oberfläche begrifflich rekonstruiert werden kann. Die sprachliche Oberfläche erscheint in diesem Zuschnitt als Mittelarrangement, dass im sozialen Austausch durch wiederkehrende Handlungskonstellationen zweckadäquat geformt wird. Das ist die Position, wie sie die Funktionale Pragmatik seit den späten 1970er Jahren kontinuierlich entfaltet hat, um eine ganzheitliche, linguistische Perspektive auf sprachliches Handeln herauszuarbeiten: sowohl theoretisch, wie auch empirisch (vgl. z.B. Ehlich 1991; 2007b; Rehbein 2001; Redder 1998).

Arbeiten von Rehbein, Redder und Hoffmann finden sich auch in Schröders Habil. Die Funktionale Pragmatik hat nun den Standpunkt herausgearbeitet, dass kein “Homomorphie”-Verhältnis zwischen Oberflächen- und Tiefenstruktur herausgearbeitet werden kann (Rehbein 2001, 933; Ehlich/Rehbein 1986, Kap. 6) und beziehen damit eine deutliche Position bezüglich des im Zitat problematisierten Sachverhalts.

Mit dem Begriff der Illokution werden nun die Zwecke sprachlicher Handlungen “mittlerer Größenordnung” benennbar: die Zwecke der Sprechhandlungen (Redder 1998, 64). Wie die Sprachakttheorie gezeigt hat, sind diese Benennungen nur selten in der sprachlichen Oberfläche auffindbar oder anders: eine empirische Handlung findet in ihrem Vollzug nur selten eine Explizierung ihres Zwecks durch die Handelnden selbst. In den meisten Fällen ist es also eine hermeneutische Analyseleistung, welche Illokution hinter einer Äußerung verborgen liegt. Diese müssen die Wissenschaftler_innen, wie die Interaktanten gleichermaßen leisten, um zu verstehen; gleichwohl die Interaktanten dies im höheren Maße routiniert leisten, weil sie beim Verstehen freilich ganz andere Interessen verfolgen als ein_e Linguist_in.

Schon diese wenigen Ausführungen reichen aus, um zu verdeutlichen, dass ein einfaches abbildhaftes Parallelisieren von Satz und Handlung nicht ausreichend zu sein scheint, um deren Verhältnis zu bestimmen. Zieht man nun das Verhältnis von Illokution und Handlungsmuster heran (vgl. Ehlich/Rehbein 1979; 1986), wird das noch einmal deutlicher. Denn damit wird ersichtlich, dass Illokutionen nicht einfach in sich selbst aufgehen, sondern zentrale Einheiten im interaktiven Vollzug von Handlungsmustern darstellen (vgl. Ehlich 2007a, 33f.). Ohne die jeweilige Rekonstruktion der Position der einzelnen Sprechhandlung im dazugehörigen Handlungsmuster ist ihre Handlungsqualität nicht ausreichend bestimmbar und damit lässt sich eigentlich erst sinnvoll rekonstruieren, wie einzelne Sprechhandlungen im Text verkettet werden, ohne nur auf “indem”- und “und dann”-Relationen1 zurückgreifen zu müssen. Das möchte ich im Folgenden aber nicht weiter ausführen.

Vielmehr möchte ich noch einen kurzen Blick auf das obige Zitat werfen. Wie wir gesehen haben, wir ein zentrales Problem aufgeworfen, mit dem eine Untersuchung der Handlungsqualität von Texten befasst sein muss, ja mindestens eine Position begründet beziehen muss, um davon ausgehend gewissermaßen erst starten zu können. Schröder geht dabei – wie ich finde – einen recht eigenwilligen Weg. Er problematisiert diesen forschungspraktischen Entscheidungsknoten sehr stark, indem er ihn als “heftig umstritten” kennzeichnet. Ebenso weist er auf “mögliche Probleme” hin, “die mit einer solchen Parallelsetzung von Sätzen und einfachen Handlungen verbunden sind”, um sie gleich darauf “bewußt auszuklammer[n]“.

Schauen wir uns dazu den Kontext (hier kursiviert) des Zitates an:

Im Mittelpunkt der Handlungsstrukturbeschreibung steht somit der Zerlegungszusammenhang, der zwischen der Texthandlung und ihren Bestandteilen, den Teil-Handlungen, besteht. Als kleinste Einheiten werden dabei die einfachen sprachlichen Handlungen gesehen, denen auf der Äußerungsebene in der Regel die Einheit des Satzes entspricht. Äußerungs- und Handlungsebene werden also parallel betrachtet: Genauso wie ein Text als Äußerungseinheit ein Produkt aus Sätzen ist, wird auch die Texthandlung als ein Produkt aus „Satzhandlungen“ gesehen. Die möglichen Probleme, die mit einer solchen Parallelsetzung von Sätzen und einfachen Handlungen verbunden sind, werden an dieser Stelle bewußt ausgeklammert. Beide Kategorien, erst recht aber ihr Verhältnis, sind heftig umstritten. Diese Diskussion hier aufzunehmen, würde allzu weit vom Hauptgegenstand der Untersuchung wegführen. „Satzhandlungen“ werden deshalb im folgenden ohne weitere Problematisierung als kleinste Bausteine der Handlungsstruktur aufgefaßt (vgl. dazu beispielsweise Motsch/Viehweger 1981, 131 ff. bzw. Motsch 1983 oder, aus anderer Perspektive, Fritz/Muckenhaupt 1981, 17 ff.)” (Schröder 2003, 35f.)

Wie jetzt ersichtlich wird, hat Schröder die Problematisierung des Verhältnisses von Oberfläche und Tiefe eingebettet in die analysepraktische Frage des Zerlegens eines Textes bzw. einer Texthandlung in Einzelhandlungen, deren Zusammenwirken dann als “Handlungsstruktur von Texten” beschrieben werden kann. Die – geradezu schon mechanistisch metaphorisierte – Analysearbeit (‘das Zerlegen’) und ihre Begründung soll bei Schröder nicht weiter diskutiert werden, zu weit führe sie “vom Hauptgegenstand der Untersuchung” weg. Das ist ein legitimer und oft anzutreffender rhetorischer Zug. Ebenso verhält es sich mit dem, was Schopenhauer (1830/2009, 71) vielleicht ein “argumentum ad verecundiam” nennen würde. Das ‘Appellieren an die Ehrfurcht’; hier: vor den früheren Leistungen von Autoritäten. Wobei gerade in dieser gesammelten Platzierung der Literaturverweise an das Ende das Absatzes ihre Rolle innerhalb des Handlungsmusters, dessen Niederschlag sie bilden, veruneindeutigt wird. Dienen Motsch & Co hier dazu, die Lösung des Problems darzustellen, an die er “ohne weitere Problematisierungen” anschließen kann? Oder haben Motsch & Co sich auch ‘nur’ für eine “Parallelsetzung” von Oberfläche und Tiefe entschieden?

Die ambige Setzung der Literaturverweise und die Einbettung einer Problematisierung in eine analysepraktische Entscheidung, ist hörerseitig ganz unterschiedlich zu verstehen – je nach Kenntnis von Motsch & Co. Die musterbezogene Rolle von Motsch & Co variiert dadurch hier zwischen ‘Lösungsversuch’ innerhalb eins Problematisieren-Problemlösen-Musters (vgl. Ehlich/Rehbein 1986, Kap. 2; Wiesmann 2003; Petkova-Kessanlis 2009) und ‘Begründungsversuch’ innerhalb eines Begründen-Musters (vgl. Trautmann 2004; Tzilinis 2011), das zur Anwendung kam, weil (besonders nach diesem Absatz) hörerseitig antizipierbare Einwände zu bearbeiten waren.2

So wird auch hierin noch einmal deutlich, in welcher Weise die Bestimmung illokutiver Qualität von Sprechhandlungen in Texten hochgradig abhängig ist von ihrer Musterbezogenheit und dem vorhandenen Muster- wie Sachwissen.3 Im vorliegenden Fall kann die Vereindeutigung der möglichen Musterposition von Motsch & Co4 darüber geleistet werden, indem man sich diese Forschungsliteratur anschaut und dann einschätzt, zu welcher Musterposition die angegebenen Stellen taugen.

Die besprochene Passage erweist sich mithin als interessanter und äußerst komplexer Fall wissenschaftlichen Streits, der immer auch das Beziehen einer Position bedeutet und dessen Rekonstruktion sich nicht nur im Beschreiben der linearen Oberflächenstrukturen erschöpft.

 

Literatur

Brinker, Klaus (2000): Textfunktionale Analyse. In: Brinker, Klaus/Antos, Gerd/Heinemann, Wolfgang/Sager, Sven F. (Hg.): Text- und Gesprächslinguistik. Linguistics of Text and Conversation. Berlin, New York: De Gruyter (HSK, 16.1), S. 175–186.

Ehlich, Konrad (1991): Funktional-pragmatische Kommunikationsanalyse. Ziele und Verfahren. In: Flader, Dieter (Hg.): Verbale Interaktion. Studien zur Empirie und Methodologie der Pragmatik. Stuttgart: Metzler, S. 127–143.

Ehlich, Konrad (2007a): Funktionale Pragmatik – Terme, Themen und Methoden. Jochen Rehbein sexangenario. Erstveröffentlichung in: Deutschunterricht in Japan 4 (1999), S. 4-24. In: Konrad Ehlich: Sprache und sprachliches Handeln. Band 1: Pragmatik und Sprachtheorie. Berlin, New York: De Gruyter, S. 29–46.

Ehlich, Konrad (2007b): Sprachmittel und Sprachzwecke. In: Konrad Ehlich: Sprache und sprachliches Handeln. Band 1: Pragmatik und Sprachtheorie. Berlin, New York: De Gruyter, S. 55–80.

Ehlich, Konrad/Rehbein, Jochen (1979): Sprachliche Handlungsmuster. In: Soeffner, Hans-Georg (Hg.): Interpretative Verfahren in den Sozial- und Textwissenschaften. Stuttgart: Metzler, S. 243–274.

Ehlich, Konrad/Rehbein, Jochen (1986): Muster und Institution. Untersuchungen zur schulischen Kommunikation. Tübingen: Narr.

Petkova-Kessanlis, Mikaela (2009): Musterhaftigkeit und Varianz in linguistischen Zeitschriftenaufsätzen. Sprachhandlungs-, Formulierungs-, Stilmuster und ihre Realisierung in zwei Teiltexten. Frankfurt a.M. etc.: Lang.

Redder, Angelika (1998): Sprachbewusstsein als handlungspraktisches Bewusstsein – eine funktional-pragmatische Diskussion. In: Didaktik Deutsch 3 (5), S. 60–76.

Rehbein, Jochen (2001): Das Konzept der Diskursanalyse. In: Brinker, Klaus/Antos, Gerd/Heinemann, Wolfgang/Sager, Sven F. (Hg.): Text- und Gesprächslinguistik. Linguistics of Text and Conversation. Berlin, New York: De Gruyter (HSK, 16.2), S. 927–945.

Schopenhauer, Arthur (1830/2009): Die Kunst, Recht zu behalten. Hamburg: Nikol.

Schröder, Thomas (2003): Die Handlungsstruktur von Texten. Ein integrativer Beitrag zur Texttheorie. Tübingen: Narr.

Trautmann, Caroline (2004): Argumentieren. Funktional-pragmatische Analysen praktischer und wissenschaftlicher Diskurse. Frankfurt a.M. etc.: Lang.

Tzilinis, Anastasia (2011): Sprachliches Handeln im neugriechischen Wissenschaftlichen Artikel. Ein Beitrag zur Komparatistik der Wissenschaftssprachen. Heidelberg: Synchron.

Wiesmann, Bettina (2003): Problemlösen, Kategorisieren, Einschätzen – Zur Konzeptualisierung von Wissenschaft in deutsch- und spanischsprachigen Texten. In: Ehlich, Konrad/Steets, Angelika (Hg.): Wissenschaftlich schreiben – lehren und lernen. Berlin, New York: De Gruyter, S. 289–304.

 

  1. Diese Relationen spezifiziert Schröder (2003, 42-49) freilich noch und macht – was ich für sehr wichtig halte – Maximen deutlich, auf deren Basis es zu illokutionären Interrelationen kommt. Dass diese Maximen aber weitestgehend aus einem interaktionalen Zusammenspiel zwischen Sprecher und disloziertem Hörer sich ergeben, bleibt bei ihm nur angedeutet.
  2. Deutlich wird hier ebenso, dass Illokutions- und thematische Struktur nicht losgelöst voneinander betrachtet werden können, wie Brinker (2000) das macht, wenn er eine Illokutionsstruktur von Texten ganz verneint.
  3. Natürlich liegen im ausgewählten Abschnitt auch noch andere und kleinräumigere Muster und den dazugehörigen Illokutionen vor, deren Verhältnis zu den übergeordneten ebenso beschrieben werde muss.
  4. Was ebenso deutlich wird, ist, dass die Einheit ‘Satz’ keineswegs als die kleinste illokutionstragende Einheit verstanden werden kann. Vielmehr scheint es domänenspezifisch ganz unterschiedliche zu sein, welche sprachlichen Mittel Illokutionen unterschiedlichster Art zum Ausdruck bringen können.

Quelle: http://metablock.hypotheses.org/454

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Was ist eigentlich (alles) Eristik? oder: Weblogs as Academic Communication Practices

Am 18.07.2013 habe ich im Rahmen der internationalen Summer School Situating Media. Ethnographic Inquiries into Mediation (15.-19. Juli 2013) von Locating Media mein Dissertationsprojekt vorgestellt (Vortragstext und PPP auf Seite 2). Die anschließende Diskussion stieß einige Überlegungen zu meinem zentralen Untersuchungsgegenstand, den eristischen Kommunikationshandlungen, an. Die grundlegende Frage ist: Was ist eigentlich (alles) Eristik?

Schaut man in die funktional-pragmatische Literatur hinein, findet man da – so weit ich das zur Zeit überblicken kann – nur bedingt die Präzision, die man sonst gewohnt ist. Die konzeptuelle Gründungsurkunde zur ‘Eristik’ wissenschaftlicher Kommunikation wurde 1993 von Konrad Ehlich vorgelegt: Was er darin in ersten wenngleich fundamentalen Überlegungen durchsichtig macht, ist die Komplexität wissenschaftlicher Text, die nicht als bloße Assertionsverkettungen verstanden werden können. Zwei Aspekte sind dabei wesentlich: (1) – und das gilt nicht nur für wissenschaftliche Texte – sind Texte in ihrer Abgeleitetheit von Gesprächen zu rekonstruieren. (2) sind wissenschaftliche Texte von spezifischen Gesprächen abgeleitet, die ihr Gepräge vom – wenn man so sagen will – Funktionssystem der Wissenschaft bekommen und damit zu spezifischem verdauerndem/tem Kommunikationshandeln  führen.

Ehlichs Beobachtungen gehen dabei aus von einer Auffälligkeit sprachlicher Mittel in wissenschaftlichen Texten und er bindet diese Auffälligkeit zurück an eine allgemeine Zweckbestimmung wissenschaftlicher Kommunikation nämlich der Einbringung eines (neuen) Wissens in den wissenschaftlichen Diskurs (im Foucaultschen Sinne). Ausgehend von der damals vorherrschenden Auffassung, Wissenschaftskommunikation sei aufgrund der “Weltwiedergabe-Funktion” von Assertionen/Aussagen (in Form von Aussagesätzen) durch Assertionsverkettung gekennzeichnet, die eine “Weitergabe von Wissen bzw. [...] dessen Expansion zu neuem Wissen” ermöglichten (Ehlich 1993, 24), macht er in exemplarischen wissenschaftlichen Texten eine Reihe von sprachlichen Mitteln aus, die die vermeintlichen Aussagesätze illokutiv modifizieren. Eines seiner Beispiele ist folgendes:

“Die Oberrheinische Tiefebene ist streng genommen nur teilweise eine Ebene.” (aus: Semmel, Arno: Geomorphologie der Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden: Steiner 1972, 38; zitiert nach Ehlich 1993, 36; Typografie von mir)

“Dieses ‘strenggenommen’ ist [...] kein Teil einer einfachen Assertion, die dadurch illokutiv einen ganz anderen Stellenwert erhält, eine andere Charakterisierung bekommt.” (ebd., 26) Es handelt sich vielmehr um eine Modalisierung, deren Funktionalität nicht im Rahmen einer ‘bloßen’ Aussage erklärt werden kann, da diese Modalisierung ein spezifisches Wissen des wissenschaftlichen Diskurses und damit Auffassungen anderer Wissenschaftler der entsprechenden Provenienz fokussiert und eine differenziertere Haltung dazu einnimmt bzw. ankündigt, als das bisher offenbar der Fall war.

Und selbst für die Assertion im Allgemeinen stellt sich schon die Frage, wie sie in Texten – und das heißt für Ehlich (z.B. 1984) in verdauerter/gespeicherter, Raum und Zeit überwindender Kommunikation – prozessiert werden kann. Ist die Assertion doch aufs engste mit dem Handlungsmuster Frage-Antwort verknüpft.

“Aufgrund der engen Verknüpfung von A s s e r t i o n und F r a g e als über ihre Zwecke miteinander wesentlich verkoppelten Sprechhandlungen stellt sich für die illokutive Qualifizierung von Wissenschaftstexten die Frage nach dem interaktionalen Verbleib dieser F r a g e n.” (Ehlich 1993, 24)

Ein anderes Beispiel aus dem oben schon zitierten geomorphologischen Fachbuch:

“Die Rheinaue soll vom holozänen Rhein in das Hochgestade eingeschnitten worden sein (so z.B. STÄBLEIN 1968, 11).” (zitiert nach Ehlich 1993, 36; Typografie von mir)

Auch hier wieder eine Modalisierung und eine direkte Adressierung/Adresse dieser Modalisierung. Die sprachlichen Mittel, die hier an der kommunikativen Oberfläche sichtbar werden, sind

“Teil eines komplexen Prozesses, der in der sprachlichen Formulierung aufscheint, und zwar eines Komplexes der Urteilsbildung in bezug auf Gewährsleute, die aber sozusagen gerade keine Authentizität und Verläßlichkeit haben.” (ebd., 26)

“Es finden sich immer wieder Passagen, in denen der Autor in einen imaginären Diskurs [= Gespräch; MM.] eintritt mit anderen Autoren, also zum Beispiel in der Qualifizierung als ‘zunächst’, in der Bestimmung des ‘gilt nur’ oder des ‘bietet sich dazu an’.” (ebd., 28)

Ehlich resümiert aus den oben angedeuteten und anderen Beobachtungen wie folgt:

“Wir finden also als illokutive Qualität neben der a s s e r t i v e n Struktur eine weitere Grundstruktur, nämlich eine Struktur der E r i s t i k.” (ebd., 29)

Um die Frage nocheinmal zu stellen: Was ist nun eigentlich (alles) Eristik? Das letzte Zitat fährt wie folgt fort (für das Verständnis sind die hervorgehobenen Passagen ausreichend):

Wenn dem aber so ist, dann sind wissenschaftliche Texte selbst gleichsam immer auch Ausdruck einer Streitkultur. Ich verwende den Ausdruck ‘Streit’ dabei in einem durchaus positiven Sinn. Streit hat nichts mit Gezänk zu tun, sondern Streit ist, wie es in verschiedenen wissenschaftstheoretischen Positionen, etwa bei Popper, sehr explizit ausgearbeitet wurde, für den Wissenschaftsbetrieb als eine wissenschaftssoziologisch erfaßbare Größe insgesamt gekennzeichnet. Dies gilt bereits für die Wissenschaft vor der neuzeitlichen, wenn auch dort in einer ganz anderen Weise hinsichtlich dessen, was die Entscheidungsgründe für den Streit ausmachte. Diese Streitkultur als diskursive Struktur findet sich keineswegs nur in Texten, die den sozialen Wissenschaften nahestehen, sie findet sich ganz genauso in Texten der Naturwissenschaften oder der Mathematik. [...]

Wenn wissenschaftliche Texte also in diesem Sinne Kombinationen von einerseits Sachverhaltswiedergaben in der Familie der a s s e r t i v e n illokutiven Typen, andererseits ein Niederschlag von jeweils wissenschaftshistorisch und wissenschaftstheoretisch spezifisch geprägten und ausgeprägten Streitkulturen sind, dann, denke ich, erweisen sich diese Texte als außerordentlich komplexe Einheiten, Einheiten, die praktisch das schwierige Verhältnis von Diskurs [= Gespräch; MM.] und Text in der textuellen Oberfläche abbilden [...].

Wir sehen in diesen Texten also weit mehr als das einfache ‘mapping’ von Wirklichkeit über mentale Verarbeitung hinein in ein Stück Sprache. Wir erleben in den sprachlichen Formen den Prozeß der Diskussion der Wissenschaft selbst. In den Texten ist die diskursive Qualität des Wissenschaftsprozesses als eines Prozesses der streitenden Auseinandersetzung eingeschrieben. Mit anderen Worten: Der Wissenschaftsprozeß schlägt sich in der Textstruktur in einer illokutiven Vielfalt nieder, die eine Einschränkung auf Assertionsqualität illokutiv weder sinnvoll noch möglich macht. Vielmehr tragen die wissenschaftlichen Texte als ein wesentliches Strukturkennzeichen in sich ihren diskursiven Charakter, der durch die Textualität verfremdet worden ist. Die wissenschaftlichen Texte sind sozusagen Residuen und Petrefakte von diskursiven, insbesondere von eristischen Strukturen, die in den textuellen Strukturen aufgehoben sind.” (ebd. 29f.; Herv. als fett von mir)

Diese doch etwas redundanten Passagen können pointiert zu den zwei Aspekten vom Anfang zusammengefasst werden: (1) die illokutive Qualität von Texten ist ein Schlüssel zum Verhältnis von Gespräch und Text im Allgemeinen und (2) für das Verhältnis von wissenschaftlichem Gespräch und wissenschaftlichem Text im Besonderen. Die sprachhandlungsorientierte Rekonstruktion von Ehlich, die hier referiert wurde, legt es nahe, ein Verhältnis des Abgeleitet-Seins oder des Hineinwirkens des Einen vom Anderen oder des Einen ins Andere anzunehmen. Für dieses Verhältnis von Gespräch und Text zueinander als Grundformen menschlicher Kommunikation verwendet Ehlich die folgenden Ausdrücke und Prädikationen:

Ausdruck sein, findet sich, Niederschlag, Verhältnis abbilden, eingeschrieben sein, schlägt sich nieder, tragen in sich, verfremdet sein, Residuen und Petrefakte sein, aufgehoben sein (dem letzten Zitat entnommen)

Wenngleich ich die Annahme des phylo- und ontogenetischen Primäts der gesprochenen Sprache für sinnvoll halte, stellt sich hier doch die Frage des präzisen Verhältnisses zwischen diesen Grundformen und damit unmittelbar die Frage, welchen Einfluss bei diesem Transpositionsprozess die spezifische Medialität von flüchtiger und verdauerter Kommunikation haben. Was die beiden Aspekte (1) und (2) unmittelbar miteinander verknüpft. Ich werde auf diesen Komplex unten zurückkommen.

Zuvor soll die Frage der Extension und Intension des Eristikbegriffs angesprochen werden, womit wir wieder beim Ausgangsimpuls zu diesem Blogeintrag ankommen, der auf der eingangs erwähnten Summer School angestoßen wurde.

Zusammenfassend gesagt (und da ist die Wortbildung ‘Eristik’ irreführend) sind eristische Strukturen eine Menge von sprachlichen oder allgemeiner kommunikativen Mitteln, die für den Zweck gesellschaftlich erarbeitet wurden bzw. sich herausgebildet haben, ein (neues) Wissen in den bestehenden und aktuellen Diskurs (Foucault) einzubringen. Entsprechend dieser (sehr) allgemeinen und übergreifenden Zweckbestimmung wissenschaftlicher Kommunikation ist auch die Menge der Mittel, die diesen Zweck bearbeiten quasi (noch) nicht eingegrenzt, wie da Silva (2010)1 mit ihrem Konzeptualisierung eristischer Strukturen zeigt. Sie hat quasi (fast) alle  genuin linguistische Analyseebenen im Blick (Morphem, Wort- und Phrasenebene, Satz und Satzfolge, Textabschnitte, Kapitel, ganze Texte, nicht aber Textverbünde), wenn sie die Funktionalität sprachlicher Mittel im Hinblick auf den ‘eristischen Zweck’2 mit den Faktoren “Gradualität”3 und vor allem “Komulativität” charakterisiert (ebd., 130ff.). Beim ersten Faktor geht es kurz gesagt um Perspikuität vs. Opazität, also um die “Erkennbarkeit auf der sprachlichen Oberfläche” von eristischen Handlungen (ebd., 130). Beim zweiten Faktor geht es um die Kombinatorik einzelner Mittel im ‘Verlauf’ der wissenschaftlichen Texte und wie diese den ‘eristischen Zweck’ zusammen/im Zusammenwirken/im Verbund: eben kombinatorisch und komulativ bearbeiten (vgl. ebd., 133f.). Die Sprachhandlungsqualität, also die Vermittelung zwischen Sprecher und Hörer/zwischen Produzent und Rezipient kommunikativer Handlungen ist in dieser Konzeptualisierung bzw. diesem Konzeptausbau nicht bzw. nur indirekt fokussiert. Die Differenzierung des Ehlichschen Begriffes trifft eher seinen strukturellen und weniger seinen pragmatischen Anteil.

Eine handlungs- bzw. handlungsmusterbezogene Differenzierung dessen was alles Eristik ist, fehlt – soweit ich das momentan überblicken kann, aber noch. Für eine Rekonstruktion des oben angesprochenen Verhältnisses zwischen Gespräch und Text wäre diese Differenzierung aber unerlässlich. Dafür könnte sich die Arbeit von Trautmann (2004) zum Argumentieren als äußerst fruchtbar erweisen. In ihrer Dissertation nimmt sie ausgehend vom Handlungsmuster Begründen (vgl. Ehlich/Rehbein 1986) eine empirisch angeleitete Bestimmung des Musters Argumentieren vor,4 das im Kontrast zum Begründungsmuster nicht von einem Nicht-Verstehen, sondern von einem divergierenden Verstehen konstitutiv abhängt.

Konstitutiv ist dabei für das Argumentieren – und Trautmann (vgl. 2004, 123ff., 187ff.) arbeitet das nicht nur für wissenschaftliche Gespräche heraus5, sondern nimmt auch erste Analysen für wissenschaftliche Texte vor -, dass aufrund eines divergierenden Verständnisses beider systematischer Interaktantenpositionen S und H bezüglich einer Sprechhandlung C von Sprecherseite (S) vorliegt. Dies setzt auf Hörerseite (H) einen mentalen Einschätzungsprozess voraus, der auf Basis hörerseitigem Wissen zu dem Schluss führt, dass eine Divergenz vorliegt, was wiederum H eine Äußerung (Prä-E) tun lässt, die diese Einschätzung verbalisiert, um eine Synchronisierug zwischen dem Wissen von S und H ermöglichen soll. Eine Einschätzung der Prä-E-Äußerung auf Sprecherseite löst dann Äußerungen (D) aus, die diesen Versuch der Wissens(um/neu)strukturierung durch H bearbeitet, indem weitere Wissenselemente von S geliefert werden, um C zu stützen oder auch die Einwände, Vorschläge, Zweifel etc. von H zu bearbeiten, zu bewerten, zu übernehmen und dergleichen mehr. Dies kann wieder zur Prä-E-Äußerungen führen und so weiter. Das Argumentieren in Texten ist durch die spezifische Medialität von verdauerter Distanzkommunikation nun durch spezifische Bedingungen geprägt.

“Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass Texte generell aus dem oben genannten Gründen für das Argumentieren eher schlecht geeignet sind: Es gibt – außer im Brief – meist keinen persönlich bekannten Adressaten; der Text ist eine in sich geschlossene Verkettung von Sprechhandlungen miteinander, in die der Leser nicht eingreifen kann – allenfalls kann er mit einem eigenen Text darauf antworten.” (Graefen 22003, 49)

Als “(protracted) dialogues” oder “quasi-dialogues” (Dascal 1989, 147), die als ”activity” dadurch charakterisiert sind, umgehen zu müssen mit “uncertainty regarding the opponent’s reactions”, machen wissenschaftliche Texte es notwendig “[to] anticipate [these reactions] to some extent” (Dascal 1998, Abs. 16). Und ‘some’ ist dabei noch eine zu schwache Formulierung – basiert doch jede Form zerdehnter Kommunikationssituationen (vgl. Ehlich 1984) konstitutiv auf der Antizipation von depräsenter Hörertätigkeit, um überhaupt eine verstehbare Handlungsverkettung möglich zu machen. Davon ist das wissenschaftliche Argumentieren in seiner dargestellten Musterhaftigkeit im selben Maße geprägt, wenn es “aus dem Bereich des persönlichen Streitens herausgenommen und zu öffentlich beachteten Vorgängen” wird (Graefen 22003, 50).

Hier wird nun auch – wie an manch anderen Stellen andeutungsweise (Ehlich/Graefen 2001, 369; kursiv von mir) – die Verbindung deutlich, die Eristik als “Praxis des wissenschaftlichen Argumentierens” ausweist und somit die Möglichkeit aufscheinen lässt, eristische Kommunikationshandlungen einerseits musterbezogen und illokutionsbezogen zu konzeptualisieren. Gerade durch das Fort- und Hineinwirken dialogischer Kommunikationsformen der Wissenschaft in ihre monologischen Kommunikationsformen, wie es oben mit Bezug auf Ehlich (1993) dargestellt wurde, muss die Annahme aber wohl korrigiert werden, es können zwei Arten des Argumentierens in Texten unterschieden werden (die für Trautmann (2004) analyseleitend gewesen sind): nämlich ein Argumentieren erster Stufe und ein Argumentieren zweiter Stufe (vgl. Graefen 22003, 50).

“Unterscheidungskriterium ist dabei die zugrundeliegende Aktantenstruktur, ob nämlich der Schreiber eine eigene Position bezieht, die er gegenüber einem Leser durchsetzen bzw. plausibel machen will, oder ob er die Position Dritter wiedergibt, die ihrerseits argumentieren.” (Trautmann 2004, 188)

In ihrer Analyse begeht Trautmann (vgl. 2004, 197ff.) dann meines Erachtens aber den Fehler, den Schreiber eines wissenschaftlichen Textes in der Sprecherposition halten zu wollen und somit zu unplausiblen Rekonstruktionen von Musterpositionen im analysierten Text kommt. Wird aber – wie in ihrem analysierten Beispiel auf S. 200 – ein Zitat eines anderen Wissenschaftlers argumentativ bearbeitet, begibt sich der Autor des Textes in Bezug auf das Handlungsmuster Argumentieren in die Hörerrolle und bringt Prä-Es bezüglich C (dem Zitat) vor. So stellt sich das Verhältnis von Gesprächsstrukturen und Textstrukturen im Falle des wissenschaftlichen Schreibens als (noch) komplexer heraus, als die Unterscheidung von Graefen (s.o.) es deutlich macht. Die allgemeine, kommunikationsstrukturelle Verteilung von S als Schreibenden und H als depräsenten Lesenden wird – so ist wohl anzunehmen und empirisch zu prüfen – durch die allgemeine Verfahrensweise kooperativer und gleichsam konkurrenzieller dialogischer Wissensproduktion der neuzeitlichen Wissenschaft überlagert von musterbezogen (stellenweise) vertauschten S-H-Positionen, die “sozusagen Residuen und Petrefakte” des dialogischen Streitprozesses im monologischen Text darstellen.

Wenn eristisches Kommunikationshandeln also vom Muster des Argumentierens wesentlich bestimmt ist, stellt sich die Frage, welche Illokutionen (typischerweise) für die Prä-E- und die D-Äußerungen getätigt werden, um ein (neues) Wissen in den wissenschaftlichen Diskurs einzubringen. Gefragt werden könnte dann, ob diese gruppierbar sind in z.B. offensive und defensive Züge des streitenden Positionierens eines Wissens im Diskurs. Damit könnte die ‘Eristik’ in ihrer Funktionalität und Qualität detaillierter herausgearbeitet werden.

Durch die angesprochene Verschränkung von kommunikationsstruktureller Beteiligungsstruktur (1:n) und musterbezogener Beteiligungsstruktur (S:H) im wissenschaftlichen Text kommt man nun nicht umhin sich differenzierter mit den Medialitäten der Kommunikationsformen (vgl. Holly 2011, Meiler 2013) der Wissenschaft auseinanderzusetzen. Und da scheint mir die einzige von Ehlich (1984) in seinem Textbegriff angelegte Unterscheidungskategorie Ko/Depräsenz als Einfluss nehmend auf den (wissenschaftlichen) Kommunikationsprozess zu kurz zu greifen.

Ebenso wie der Kommunikationsformenbegriff hebt auch Ehlichs (1984) Bestimmung von Text und Diskurs auf die Möglichkeitsbedingungen von Kommunikation ab, wobei sein Erkenntnisinteresse ausschließlich auf sprachliche Kommunikation beschränkt ist. Die Kommunikationsformenkategorie wendet sich dieser Analyseebene umfassender zu (zuerst Ermert 1979, später Holly 1996, aktuell Domke z.B. 2013), indem sie die unterschiedlichen Möglichkeitsbedingungen jeglicher Kommunikation als Kontinua begreift, die für die einzelnen Ausformungen (wie etwa F2f-Gespräch, Veranstaltung (wie Seminar und Vorlesung), Brief, Buch, Zeitschrift, graue Literatur, Weblog, …) in ihrer kommunikationsprägenden Spezifik charakterisierbar sind. Ich habe an anderer Stelle den Versuch unternommen die bisher noch weitgehend statisch und strukturell konzeptualisierte Kategorie pragmatisch/praxeologisch zu rekonzeptualisieren (vgl. Meiler 2013). Dabei habe ich drei Prozedurengruppen (durchaus im funktional-pragmatischen Sinne) unterschieden:

  • semiologische Prozeduren unterschiedlicher kommunikative Zeichenarten (bearbeitende, nennende, zeigende, lenkende, malende Prozeduren),
  • mediale Prozeduren (linien-, flächen-, und raumbezogene Herstellung von Wahrnehmbarkeit der Kommunikation),
  • adressierende Prozeduren (Temporalisierung, Lokalisierung und Identifizierung der Adressanten und Adressaten durch die Origo des Kommunikats).

Dabei sind es nicht unbedingt nur die Medialitätsspezifika im engeren Sinne

  • technische Medien mit ihrer speichernden, übertragenden, verstärkenden Funktionsweise
  • sowie Kommunikationsrichtung und Beteiligungsstruktur,
  • Wahrnehmungsmodalität, Materialität, Zeichen- und Transkriptionspotenzial,
  • Raum-, Zeit- und Ortsgebundenheit (vgl. Domke 2010),

die systematischen Einfluss auf das Sprachhandeln in diesen Kommunikationsformen haben, sondern gerade die Aspekte

  • des sozialen Status (öffentlich vs. nicht-öffentlich) und
  • der Institutionalisierung und Organisation (Infrastrukturen) der Kommunikationsformen in einzelnen Domänen wie der Wissenschaft,

die von prägendem Einfluss auf die Spezifik der darin vollzogenen Kommunikationshandlungen, Handlungsmuster und Gattungen haben.6 

Nimmt man nun das oben angesprochenen Verhältnis der Kommunikationsformen Gespräch und Text im Hinblick auf die Verschiebungen in den Blick, die vom (phylo- und ontogenetischen) Wechsel des Sprachhandelns von einer in die andere Kommunikationsform wirksam werden, darf die Frage nach diesem Verhältnis nicht mehr dichotomisch (im Ehlichschen Sinne Diskurs vs. Text) gestellt werden, sondern im Hinblick auf die Vielfalt von Kommunikationsformen entsprechend der verfestigten Ausprägungen der Kontinua von Möglichkeitsbedingungen für Kommunikation.

Wissenschaftliche Weblogs, wie ich sie untersuche, scheinen wesentlich davon bestimmt zu sein, noch keine feste institutionalisierte und organisationale Position im Wissenschaftsbetrieb gefunden zu haben. Andererseits stehen sie aufgrund der Internetmedialität dem Open-Access-Paradigma nahe und erleben dadurch einen gewissen Aufschwung nicht nur in den Natur-, sondern auch den Kulturwissenschaften. Als Kommunikationsform der internen Wissenschaftskommunikation erfreuen sie sich einer gewissen Popularität (nicht nur) unter den Nachwuchswissenschaftlern, die sich auch versprechen mit einer solchen Internetpräsenz größere Aufmerksamkeit im wissenschaftlichen Diskurs zu erlangen. Der Interimszustand, in dem sich (wissenschaftliche) Weblogs und die Gattungen, die in ihnen kommuniziert werden, zweifelsfrei noch befinden, zieht – so ist zu erwarten – eine veränderte Art innerwissenschaftlich zu kommunizieren nach sich.

Welche Maßstäbe gelten für Blogs? Wie präzise muss zitiert werden? Sollten wissenschaftliche Weblogs zitierfähig sein? Welches Wissen kann bei den Lesern vorausgesetzt werden? Wie ‘fertig’ sollten die Texte sein? Wird es als Work-in-progress-Plattform verwendet? Als Arbeits- und Schreibwerkzeug? Für wissenschaftliche Kleinformen? Als Diskussionsplattform?

Diese und andere Fragen, die sich unweigerlich – auch aus meiner eigenen Perspektive – stellen und die Tatsache, das das doch nicht zeitunaufwändige Bloggen quasi neben dem ‘normalen’ Wissenschaftsbetrieb unternommen wird, wirken direkt hinein in das eristische Handeln also in die Art und Weise, wie mit anderen und dem eigenen Standpunkt und dem darauf bezogenen (neuem) Wissen in den Weblogtexten umgegangen wird.

Neben der breiteren und erleichterten Sichtbarkeit und Findbarkeit und den kurzen Zeiträumen, die zur Publikation führen (per Klick), stellt die viel beschworene Kommentarmöglichkeit ebenso einen interessanten Untersuchungsapekt dar, der eristisches Argumentieren in einen ‘neuen’ kommunikativen Aggregatzustand überführt, der als Hybrid zwischen Text und Gespräch nur unzureichend charakterisiert ist.

Allgemeiner sollten folgende Fragen für die empirische Untersuchung vorgehalten werden: Wie wird – entsprechend der dargestellten Musterpositionen des Argumentierens – mit C-, Prä-E- und D-Äußerungen umgegangen? Wie sind sie positioniert? Was für eine propositionale Reichweite haben sie? Welche Illokutionen realisieren diese Musterpositionen? Wie verschiebt oder verändert sich das Muster in verdauerter Dialogizität unbestimmter zeitlicher Zerdehnung (wie sie in der Kommentarfunktion gegeben ist)?

In diesem Licht bekommen Ehlichs (1993, 31; kursiv von mir) Ausführungen noch eine weitere Ebene, die als vinculum alle anderen Ebenen zusammenhält…

“Der Zusammenhang zwischen Wissenschaftstext, wissenschaftlichem Diskurs [= Gespräch?; MM.], Wissenschaftssprache und den Grundlagen des wissenschaftlichen Handelns als einer spezifischen Form gesellschaftlicher Praxis ist intensiver und deutlicher miteinander vermittelt, als üblicherweise angenommen wird.”

… die Ebene der kommunikationsermöglichenden Medialität.

Dascal, Marcelo (1989): Controversies as Quasi-Dialogues. In: Weigand, Edda/Hundsnurscher, Franz (Hg.): Dialoganalyse II, Bd 1. Tübingen: Niemeyer. S. 147-159.
Dascal, Marcelo (1998): Types of Polemics and Types of Polemical Moves. In: Cmejrkova, S./Hoffmannova, J./Mullerova, O. /Svetla, J. (eds.): Dialogue Analysis VI, Bd. 1. Tubingen: Niemeyer, S. 15-33. (zitiert nach der Online-Fassung, gezählt nach Absätzen)
Domke, Christine (2010): Texte im öffentlichen Raum: Formen medienvermittelter Kommunikation auf Bahnhöfen. In: Bucher, Hans-Jürgen/Gloning, Thomas/Lehnen, Katrin (Hg.): Neue Medien – neue Formate. Ausdifferenzierung und Konvergenz in der Medienkommunikation. Frankfurt a.M., New York: Campus. S. 256–281.
Domke, Christine (2013): Ortsgebundenheit als distinktives Merkmal in der Textanalyse. In: Zeitschrift für Germanistische Linguistik 41/1, S. 102-126.
Ehlich, Konrad (1984): Zum Textbegriff. In: Rothkegel, Annely/Sandig, Barbara (Hg.): Text – Textsorten – Semantik. Hamburg: Buske. S. 9–25.
Ehlich, Konrad (1993): Deutsch als fremde Wissenschaftssprache. In: Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 19. S. 13–42.
Ehlich, Konrad/Graefen, Gabriele (2001): Sprachliches Handeln als Medium diskursiven Denkens. Überlegungen zur sukkursiven Einübung in die deutsche Wissenschaftskommunikation. In: Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 27, S. 351-378.
Ehlich, Konrad/Rehbein, Jochen (1986): Muster und Institution. Untersuchungen zur schulischen Kommunikation. Tübingen: Narr.
Ermert, Karl (1979): Briefsorten. Untersuchungen zu Theorie und Empirie der Textklassifikation. Tübingen: Niemeyer.
Graefen, Gabriele (22003): Schreiben und Argumentieren. Konnektoren als Spuren des Denkens. In: Perrin, Daniel/Böttcher, Ingrid/Kruse, Otto/Worbel, Arne (Hg.): Schreiben. Von intuitiven zu professionellen Schreibstrategien. 2., überarbeitete Auflage. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. S. 47-62.
Holly, Werner (1996): Alte und neue Medien. Zur inneren Logik der Mediengeschichte. In: Rüschoff, Bernd/Schmitz, Ulrich (Hg.): Kommunikation und Lernen mit alten und neuen Medien. Beiträge zum Rahmenthema „Schlagwort Kommunikationsgesellschaft“ der 26. Jahrestagung der Gesellschaft für Angewandte Linguistik GAL e.V. Frankfurt a. M. et al.: Lang. S. 9–16.
Holly, Werner (2011): Medien, Kommunikationsformen, Textsortenfamilien. In: Habscheid, Stephan (Hg.): Textsorten, Handlungsmuster, Oberflächen. Linguistische Typologien der Kommunikation. Berlin, New York: de Gruyter. S. 144–163.
Meiler, Matthias (2013): Kommunikationsformenadressen oder: Prozeduren des Situationsvollzugs am Beispiel von Weblogs. In: Zeitschrift für Angewandt Linguistik 59/2. S. 51-106.
da Silva, Ana (2010): Überlegungen zum Stellenwert und zur Konzeptualisierung eristischer Strukturen in wissenschaftlichen Texten. In: Heller, Dorothee (Hg.): Deutsch, Italienisch und andere Wissenschaftssprachen – Schnittstellen ihrer Analyse. Frankfurt a.M. et al.: Peter Lang. S. 125–136.
Trautmann, Caroline (2004): Argumentieren. Funktional-pragmatische Analysen praktischer und wissenschaftlicher Diskurse. Frankfurt a.M. et al.: Lang.

  1. Ich freue mich sehr auch ihre hoffentlich bald erscheinende Dissertation.
  2. Hier ad hoc gebildete Phrase, die den gesellschaftlichen Zweck komprimiert benennen soll, ein (neues) Wissen in den bestehenden und aktuellen Diskurs (Foucault) einzubringen.
  3. An einer Stelle ‚übersetzt‘ sie Gradualität als „Körnigkeit“ (da Silva 2010, 132), was Granularität besser getroffen hätte. Für die Beschreibung, dass eristische Strukturen „unterschiedlich deutlich erkennbar“ seien, trifft eine Terminologie, die auf Grade und graduelle Abstufungen abhebt freilich schon.
  4. Ob Argumentieren aufgrund häufiger Musterdurchläufe und -rekursionen aber systematisch nicht als Muster sondern als Verfahren zu bezeichnen ist, bin ich mir nicht sicher.
  5. Bezüglich der gesprochenen Sprache untersucht Trautmann (vgl. 2004, 65ff.) auch nicht-wissenschaftliche Kommunikation.
  6. Auf prozeduraler Ebene ist scheinen vor allem, was Weblogs betrifft, die Digitalität und die Hypertextualität unmittelbare Verschiebungen der semiologischen Prozeduren vorzunehmen, was z.B. Phorik und Textdeixis betrifft (am Beispiel des Links Meiler 2013, 77).

Quelle: http://metablock.hypotheses.org/166

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Projektvorstellung (Exposé)

ARBEITSTITEL:
Wissenschaftskommunikation und Kommunikationsformengeschichte: 
ein kommunikationshistorischer Vergleich zwischen Zeitschriften und Weblogs der wissenschaftlichen Öffentlichkeit

Einleitend

Wie jüngst anhand der „Groebner-Kontroverse“ (Hodel 2013) oder, wie sie auch genannt wurde: der „Masturbations-Debatte“[1] (Graf 2013a, 1) deutlich wurde, ist die Rolle des Internets im Allgemeinen und die Rolle von Weblogs im Besonderen für die Wissenschaft in ihrer erkenntnisstiftenden und Erkenntnisse kommunizierenden Funktion noch nicht erkennbar verfestigt. Die Auseinandersetzung von wissenschaftlichen Bloggern mit dem „Buch-Fetischisten“ (Graf 2013b, 12) Valentin Groebner nahm ihren Anfang in einem Vortrag auf der Münchener Konferenz „Rezensieren – Kommentieren – Bloggen: Wie kommunizieren Geisteswissenschaftler in der digitalen Zukunft“[2] und wurde durch seinen FAZ-Artikel vom 06.02.2013 „Muss ich das lesen? Ja, das hier schon. Wissenschaftliches Publizieren im Netz und in der Überproduktionskrise“ wesentlich befeuert. Was in diesem Diskurs deutlich wurde, ist etwas Typisches: Das sind die Vorbehalte einerseits gegen die Qualität und Haltbarkeit von Online-Publikationen und es sind die Hoffnungen andererseits auf einen Wandel des wissenschaftlichen Publikationssystems, dessen Heil im Open-Access-Bereich gesehen wird (vgl. z.B. Graf 2003).[3] Es sind die typischen Kennzeichen eines Interims sich etablierender Kommunikationstechnologien und der Frage nach ihrer Nutzbarkeit für domänenspezifische Zwecke.

Die erwähnten Konferenzen und Workshops, aber auch die bloggenden Wissenschaftler selbst sind Ausdruck dieses Interims und der mehr oder weniger reflektierten und tastenden Suche danach, was Weblogs für die (Kultur-)Wissenschaft zu versprechen und einzulösen vermögen, nachdem sie vor allem in der englischsprachigen (Natur-)Wissenschaft scheinbar zu einem festen Bestandteil der Wissenschaftskommunikation geworden sind (vgl. Fischer 2012).

Trotz des Interimszustands gibt es aber genügend verfestigte Vorstellungen und Ratgeber darüber, was Weblogs für die Wissenschaft zu leisten vermögen und wie gutes wissenschaftliches Bloggen auszusehen habe. Der Impetus der Ratgeber liegt dabei häufig auf der nötigen Blogspezifik wissenschaftlicher Weblogs und nicht auf ihrer möglichen Wissenschaftsspezifik (vgl. z.B. Scheloske 2012a). Damit einher gehen untersuchungsleitende Erwartungen in Bezug auf die Möglichkeiten der Popularisierung wissenschaftlichen Wissens durch Weblogs: Sie seien heute das geeignete Mittel der externen Wissenschaftskommunikation (vgl. Mahrt/Puschmann 2012, Scheloske 2012b). Nicht oder nur selten gerät in den Blick, welche Rolle Weblogs in einer veränderten, da zunehmend digitalisierten internen Wissenschaftskommunikation spielen können (vgl. Fritz 2011) und das, obwohl genau diese Kommunikationen in ebenso starkem Maße (auch) in den (deutschsprachigen) Weblogs und der Blogosphäre zu beobachten sind.

Diese Engführungen sind einerseits Ausdruck der blogosphäreninternen Selbstbeschreibung, aber andererseits Ausdruck einer Weblogforschung, die – vor allem in genretheoretischer Tradition (vgl. Puschmann 2013) – einzelne Ausprägungen von Webloggattungen hypostasiert (vgl. Schmidt 2006, 172), damit aber übersieht, dass Weblogs als Gattung(en) nicht widerspruchsfrei zu beschreiben sind (vgl. Miller/Shepherd 2009). Die in der Forschung oft beklagte Heterogenität von Weblogs ergibt sich aus ihrer „Multifunktionalität“ (Brinker 1985/62005, 148). Damit sind Weblogs selbst nicht als funktional bestimmte Gattungen zu begreifen, sondern als „Kommunikationsformen“ (Holly 2011), die als kulturelle Praktiken die Bedingungen der Möglichkeit für Kommunikation immer simultan zum Vollzug der Kommunikation (i.d.R. im Gepräge diverser Gattungsmuster) herstellen (vgl. Meiler i.V.).

Die Frage nach der Rolle von Weblogs im Wissenschaftsbetrieb ist also sekundär eine gattungsbezogene Frage und primär die Frage nach der Kommunikationssituation, die mit Weblogs  hergestellt wird und wie sich diese von anderen Kommunikationssituationen der wissenschaftlichen Öffentlichkeit unterscheidet. Diese Fragerichtung erlaubt eine Einschätzung des Bloggens als Teil der Wissenschaftskommunikation, indem sie die Gattungsspektren aufzeigt, die Weblogs im wissenschaftlichen Zweckgefüge verorten. Dies wurde im Rahmen einer Pilotstudie an vier Weblogs unternommen (s.u.). Diese Studie bereitet damit das Fundament für die spezifischere komparative Fragestellung nach den kommunikationsformenabhängigen Charakteristika der Darstellung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und der interaktiven Auseinandersetzung mit diesem strittigen Wissen, also einem Kernbereich der Wissenschaft: der Eristik (Ehlich 1993).

Es gehört zudem zu den institutionellen Tatsachen der Wissenschaft, dass Universitäten einer „Ökonomisierung“ und damit einer „Quantifizierung von Forschungsleistungen“ unterworfen wird (Kieser 2010, 347), die den (früheren) „Wettbewerb um Reputation“ partiell transformieren (ebd., 356). Die diversen Rankings haben dabei steigenden Einfluss auf das Publikationsverhalten. Folgt man Kieser (ebd., 358), so verdrängt eine „extrinsische Motivation“, „Punkte für Ranglisten“ zu sammeln, die  „intrinsische“ Motivation zu forschen. Auch in diesem Lichte müssen (die Potenziale von) Weblogs betrachtet werden gerade, weil sie außerhalb dieses ver-rank-ten Publikationsbetriebs stehen.[4]

Es ergeben sich damit für das Projekt die folgenden, zu bearbeitenden Fragen:

  • Welche Möglichkeiten wissenschaftlichen Streitens bringen Weblogs hervor und in welcher Weise werden diese Möglichkeiten im Rahmen sich verändernder institutionalisierter Wissenschaft genutzt?
  • Wie gestaltet sich das prinzipiell dialogische, wissenschaftliche Streiten, wenn es sich von unidirektionalen in potenziell bidirektionalen aber ebenso verdauernden Kommunikationsformen bewegt?
  • Erweitert das medientechnisch und damit semiologisch veränderte Dispositiv der Weblogs (im Vergleich zu wissenschaftlichen Zeitschriften) auch die Mittel wissenschaftlichen Streitens?
  • In welcher Art werden Weblogs zur wissenschaftlichen Gemeinschafts(ab)bildung genutzt?

Forschungsstand: Wissenschaftssprache und Wissenschaftskommunikation

Das kooperative Unterfangen, Wissen d.h. Erkenntnisse über die „als befragbar“ gesetzten „Instanzen der Wirklichkeit“ hervorzubringen (vgl. Thielmann 1999, 371), ist nur eine Seite des Kerngeschäftes der Wissenschaft (vgl. Graefen 1997, 85ff.). Das zweite, fast wesentlichere Kerngeschäft ist das des Streitens um die adäquatere Erkenntnis, die richtigere Erklärung, den geeigneteren Ansatz, letztendlich des Streitens um die Wahrheit (im Sinne Foucaults z.B. 1977). Diesen Zweckbereich der Wissenschaft wurde Anfang der 1990er Jahre unter dem Begriff Eristik[5] zusammengefasst (vgl. Ehlich 1993), benannt nach der griechischen Göttin der Zwietracht und des Streites: Eris. Diese Erkenntnis, dass Wissenschaftssprache wesentlich nicht durch das Assertieren von Erkenntnissen, sondern von illokutionsmodifizierenden, eristischen Streitstrukturen bestimmt ist (vgl. da Silva 2010, 125f.), emanzipierte die Linguistik der Wissenschaftssprachen wegweisend von der hauptsächlich terminologieorientierten Fachsprachenforschung (vgl. Ehlich 1994, 339f.).

Neben den allgemeineren gemeinschaftsstiftenden Aspekten der wissenschaftlichen Communitys wie einer gemeinsamen Zweckorientierung auf Wissen bzw. Erkenntnis hin und spezifischen allgemeineren kommunikativen Prämissen (vgl. Graefen 1997, 82f.) ist es gerade die Eristik (in einem weit gefassten Sinne) wissenschaftlicher Auseinandersetzung, die die wissenschaftlichen Gemeinschaften, Lager, Schulen stiftet und sichtbar macht. Dazu ein Beispiel:

Assertive Struktur: Aussagen
Eristische Struktur: Streiten
(1) „Durch eine Explikation des mit dem Verb gegebenen elementaren Charakteristikums wird eine komplexe Prädikation aufgebaut, es entsteht in der Form eine Verbalphrase.“
(Hoffmann 2003, 34)

(2) „Syntax gilt als Kern der Grammatik, als Zentrum formorientierter Sprachanalyse. Sinn und Gegenstandsbereich werden allerdings kaum diskutiert.“
(ebd., 18)

Während in (1) eine komplexe, aber allgemein beschreibende Aussage über Verbalphrasen getätigt wird, verbergen sich in (2) hinter dem unscheinbaren „gilt als“ und dem „allerdings kaum“ massive Vorwürfe gegen eine strukturalistische Syntaxforschung, die weder genau wisse, was sie untersucht, noch warum. Hoffmann (2003) markiert damit eine Position im wissenschaftlichen Diskurs, die es im Verlauf seines Artikels gegen zu antizipierende Einwände vor allem aus einer bestimmten Community zu verteidigen gilt. Es zeigen sich hier also in der monologischen Form des wissenschaftlichen Artikels verdauerte sprachliche Handlungen eines prinzipiell dialogischen Streitens.

Als Forschungsbereich ist die Linguistik der Wissenschaftssprache und allgemeiner die Analyse von Wissenschaftskommunikation ein noch recht junger Teilbereich der – grob zusammengefasst – kommunikationsbezogenen Wissenschaften. Und gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden internationalen Mobilität, der zunehmenden Angloamerikanisierung und der zunehmenden Digitalisierung können u.a. die Fragen der Erforschung und Didaktisierung der deutschen Wissenschaftssprache für (nicht-muttersprachliche) Studierende, Fragen der Wissenschaftssprachenkomparatistik und Fragen die digitale Wissenschaftskommunikation betreffend nicht ungestellt und unbeantwortet bleiben.

Den ersten beiden Bereichen widmet sich vor allem die Linguistik der Wissenschaftssprachen, wie sie seit den 1990er Jahren federführend unter Anregung von Konrad Ehlich betrieben wird. Die Emanzipierung von der Fachsprachenlinguistik, eine konsequent handlungstheoretische Konzeptualisierung von grammatischen bis hin zu institutionellen Zusammenhängen (Ehlich 1986/1991; Rehbein 2001), die Entdeckung der wissenschaftlichen Alltagssprache (Ehlich 1994) und eine große Bandbreite (auch kontrastiver) Untersuchungen traditioneller wissenschaftlicher Offline-Gattungen (z.B. Thielmann 2009) sowie ihr Fruchtbarmachen für die (Fremd-)Sprachen-lehre (Graefen/Moll 2011) können als das Verdienst dieser Forschungsrichtung angesehen werden.[6]

Mit den Möglichkeiten der Wissenschaftskommunikation im Internet befasst sich aktuell u.a. der von der Volkswagenstiftung geförderte Forschungsverbund „Interactive Science“, der zwar die Forschungsergebnisse der deutschen Wissenschaftssprachenforschung nicht zur Kenntnis nimmt, aber mit medienwissenschaftlich m.E. ausreichend adäquaten Unterscheidungen arbeitet, um Anknüpfungspunkte bereitzustellen (vgl. Gloning/Fritz Hg. 2011). Die vorwiegend explorativen, inventarisierenden und oft quantitativen Ergebnisse geben einen guten Überblick über die aktuelle, wenn auch schwerpunktmäßig englischsprachige Situation. „Kontroversen“ scheinen aber im Gegensatz zur „Kooperation“ (Dascal 2006, 19) im 2011er Sammelband des Forschungsverbundes nicht als alltägliches Geschäft der Wissenschaft begriffen zu sein, sondern als ein Sonderfall wissenschaftsinterner Auseinandersetzung (vgl. Fritz 2011, 195): So lassen einige Untersuchungen dieses Sammelbandes die Wissenschaftsspezifik ein wenig vermissen.

Daneben gibt es Untersuchungen aus den Bereichen der Kommunikationswissenschaft (z.B. Tokar et al. 2012; Robertson-von Trotha/Morcillo 2012; Voigt 2012; Donk 2012), der Bibliotheks- und  Informationswissenschaft (z.B. Stempfhuber 2006; Ball 2007; Kjellberg 2009, 2010; Bukvova et al. 2010; Ockenfeld et al. 2012), der Informatik (z.B. Seidenfaden 2007) und der Technikfolgenabschätzung (z.B. Nentwich 2009; Nentwich/König 2011). Das jüngst erschienene Handbuch Wissenschaftssoziologie (Maasen et al. 2012) wiederum geht auf das Internet gar nicht ein. Die anderen Disziplinen sind an qualitativen Analysen von Kommunikationshandeln i.d.R. nicht interessiert und untersuchen größere Zusammenhänge mit Befragungen zu und Nutzungsstatistiken und Inhaltsanalysen von u.a. Twitter, Weblogs und Social Network Sites, den Zusammenhang von Open Access und traditionellem Verlagswesen (vgl. auch Hedlund/Tonta 2010) und zu einem großen Teil externe Wissenschaftskommunikation (vgl. auch Dernbach et al. 2012). Dies aufgreifend verspricht ein kommunikationslinguistischer Blick auf interne Wissenschaftskommunikation eine präzise Positionierung und Qualifizierung von Weblogs im Gefüge institutionalisierter Wissenschaft.

Weblogs: Kommunikationssituation – Kommunikationsform

Seitdem sich die Linguistik mit Kommunikation beschäftigt, also mit Sprache als einem wesentlichen Teil kommunikativen Handelns, arbeitet sie an einer tragfähigen Beschreibung unterschiedlicher Kommunikationssituationen (vgl. Heinemann 2000, 530f.). Die Textlinguistik und die Gesprächslinguistik sind die etablierten Subdisziplinen, die die analytische Relevanz einer Unterscheidung von Kommunikationssituationen zum Ausdruck bringen. Die 2001 gestellte Preisfrage des GAL e.V. „Brauchen wir einen neuen Textbegriff?“ (Fix et al. 2002) ist zudem ein Schlaglicht der fortdauernden Auseinandersetzung mit dieser Unterscheidung v.a. auch im Hinblick auf den medialen Wandel. Diese Auseinandersetzungen machen aber ebenso deutlich, dass eine Dichotomisierung von Text und Gespräch durch den Parameter ±Kopräsenz: also (aufgrund von materialer oder mentaler Verdauerung) zerdehnte Kommunikationssituation vs. geteilte Kommunikationssituation, wie sie einflussreich von Ehlich (z.B. 1984; 2007) rekonstruiert wurde, nicht hinreichend ist. Zur Überwindung dieser simplifizierenden Dichotomie hat sich die Kategorie der Kommunikationsform (erstmals Ermert 1979, federführend Holly 1996; 2011, aktuell Domke 2010; Meiler i.V.) als produktiv erwiesen: ist sie doch in der Lage, das ausgeblendete Kontinuum medialer Qualität zwischen Kopräsenz und Depräsenz mit ihrem flexiblen gegenstandssensitiven Beschreibungsapparat auf den Begriff zu bringen. Damit erlaubt sie es, die Praktiken[7] und Prozesse medialer Situierung[8] (sowohl im technischen wie im vortechnischen Sinne) in ihrem unterschiedlichen dispositiven Zusammenwirken zu rekonstruieren. Die „Transkriptionspotenziale“ (Holly 2011, 159) also die Potenziale intra- und intermedialer Semantisierungs-handlungen einzelner Kommunikationsformen (vgl. z.B. Jäger 2008) können damit im Hinblick auf ihre die Kommunikationen strukturierende Eigenlogik (historisch) komparativ herausgearbeitet werden, um damit eine „Kommunikationsgeschichte unter dem Aspekt der Kommunikationsformen“ schreiben zu können (Holly 2011, 160).

Wie einleitend schon bemerkt, sind Weblogs (ebenso wie Zeitschriften) erst einmal als Kommunikationsformen zu begreifen, die mit ihren je eigenen Medialitäten aufwarten, die von min. zwei Akteuren als eine spezifische, soziokulturell geprägte Kontaktqualität – als Kommunikationssituation – zwischen ihnen konstituiert wird. Erst in einem zweiten Schritt ist es dann sinnvoll, unterschiedliche Gattungen in den Blick zu nehmen, für die diese Kommunikationssituationen adäquat erscheinen. Die Kommunikationsform Weblog zeichnet sich vor allem über zweierlei strukturierende Qualitäten aus: (1) Die Akteure produzieren periodisch (oft unregelmäßig) und können demgemäß nur periodisch rezipieren. Diese Zeitgebundenheit stellt eine sowohl historisch als auch aktuell weit verbreitete Praktik der Adressenkonstitution dar. (2)  Zu dieser – man kann sagen: persistenten – Praktik tritt kommunikationshistorisch rekombinant die Inter-netmedialität hinzu (vgl. Schönberger 2005),[9] die bei Weblogs die Vernetzung mit der sog. Blogosphäre, aber auch mit anderen Kommunikationsformen des Internets oft unweigerlich zur Folge hat (vgl. Meiler i.V.). Und obwohl die Möglichkeit zur Dialogizität für Blogs nicht konstitutiv zu sein scheint, werden die u.a. mit der Kommentarfunktion einhergehenden Möglichkeiten der Rückkopplung als der entscheidende Mehrwert dieser Kommunikationsform diskutiert (vgl. z.B. Domke 2007; Schmidt 2006). Selbiges gilt für Wissenschaftsblogs (vgl. Mahrt/Puschmann 2012).

Mit Blick auf das Dissertationsvorhaben sind es also – so die These – gerade die unterschiedlichen Kommunikationssituationen: Zeitschrift und Weblog, die den Unterschied in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit strittigem Wissen machen. Dabei scheinen es vor allem die folgenden Kommunikationsformenbeschreibungsaspekte zu sein, die von Relevanz sind:

  • unterschiedliche Grade zeitlicher Zerdehnung zwischen Produktion und Rezeption,
  • unterschiedliche (mediale, institutionelle) Produktions- und Rezeptionsbedingungen,
  • unterschiedliche Möglichkeiten der Rückkopplung,
  • unterschiedliche Sicherheit der Verdauerung der Kommunikate,
  • unterschiedliche Transkriptionspotenziale der verfügbaren semiologischen Ressourcen,
  • unterschiedliche institutionelle Prägungen der Kommunikationsformen,
  • unterschiedliche Grade von Öffentlichkeit.

Pilotstudie: Gattungsspektrum wissenschaftlicher Weblogs

Für die Pilotstudie wurden vier Weblogs herangezogen, die aus unterschiedlichen Disziplinen herkommend und in unterschiedlicher Weise institutionell eingebunden unterschiedliche Formen wissenschaftlichen Bloggens aufzeigen können. Sie verorten sich selber unterschiedlich stark und unterschiedlich klar in den Bereichen der internen und externen Wissenschaftskommunikation (vgl. Hagendoff et al. 2007, 4ff.). Die leitende Frage für den sondierenden Blick der Studie war: Welchen Schluss lässt das Gattungsspektrum wissenschaftlicher Blogs auf die kommunikationsgeschichtliche Verwandtschaft zu historisch älteren, z.B. auch periodischen Kommunikationsformen zu? Daran schließt sich die Frage an, welche Zwecke des institutionalisierten Wissenschaftsbetrieb Weblogs bearbeiten (vgl. Graefen 1997, 79)?

Weblog Blogger Disziplin Institution
geoberg.de
http://www.geoberg.de/
Diplom-Geologe Lutz Geißler Geo- & Montan-wissenschaft privat
SOZBLOG
http://soziologie.de/blog/
ProfessorInnen der Soziologie (zweimonatlich wechselnd) Soziologie Deutsche Gesellschaft für Soziologie
LIBREAS.Library Ideas
http://libreas.wordpress.com/
Gemeinschaftsblog Bibliotheks- & Informations-wissenschaft Weblog der gleich-namigen elektron. Zeitschrift
Archivalia
http://archiv.twoday.net/
Gemeinschaftsblog, Leitung von Dr. Klaus Graf (Universität Freiburg) Geschichts-wissenschaft privat

Wie zu erwarten war, hat allein der Blick in diese vier unterschiedlichen Weblogs ein großes Maß an Heterogenität ans Licht gebracht. Nicht nur lassen sich eine große Menge unterschiedlicher Gattungen feststellen, ebenso lässt sich auch beobachten, dass strikte Gattungsgrenzen aufgehoben sind und neue, auch blogspezifische Gattungen sich zu konstituieren scheinen. Diese Befunde können einerseits ein Reflex auf die Multifunktionalität sein, die Kommunikationsformen immer eingeschrieben ist, andererseits scheinen sie ebenso Ausdruck des Interimszustandes, der (noch?) keine verfestigten Nutzungsformen hervorgebracht hat, die sich im kommunikativen Haushalt der Wissenschaftsgemeinschaft durchgesetzt hätten (vgl. Luckmann 1988).

Das Spektrum erstreckt sich also von der internen bis zur externen Wissenschaftskommunikation und ist schon allein deswegen aber auch im Bereich der internen Wissenschaftskommunikation durch ganz unterschiedliche Punkte in den Handlungsmustern des institutionalisierten Betriebs der Wissenschaft, aber auch des individuellen Forschungsprozesses vertreten, die natürlich über unterschiedliche Kommunikationsinteressen charakterisiert sind (vgl. Ehlich/Rehbein 1972/ 21975; 1994). Es erscheint sinnvoll die Kommunikationen an diesen unterschiedlichen (Entscheidungs-)Punkten als boundary objects zu begreifen (Star/Griesemer 1989), sofern man deren Medialität und ihre historische Veränderbarkeit im Blick hat. In dieser Weise kann die Institutionsspezifik von Weblogs bzw. dem Blogging als „cooperative work in the absence of consensus“ (Star 2010, 604) im Vergleich zu Zeitschriften und anderen wissenschaftlichen Kommunikationsformen aufscheinen. Nicht nur verschieben sich die Quantität und Qualität der am boundary object (d.h. hier am Kommunikat) Anteil habenden Parteien, auch die „several obligatory points of passage“ (Star/Griesemer 1989, 390), die die „Inskriptionen“ durchlaufen müssen (Latour 2002, 68), bis sie an die (wissenschaftliche) Öffentlichkeit gelangen, werden von anderen Infrastrukturen getragen,[10] die (noch?) eine differente institutionelle Einbettung von Weblogs in den wissenschaftlichen Betrieb bedingen und sie z.B. nur in Ausnahmefällen zitierbar machen.[11]

Für den hier interessierenden Bereich der internen Wissenschaftskommunikation zeigten sich durch die Rekonstruktion der zentralen kommunikativen Funktion der Weblogeinträge also die folgenden Gattungen: Hinweise auf andere Webseiten/Weblogs, Hinweise auf Empirie, Beschreibung von Empirie, Synopsen, Forschungsberichte, Essays, Artikel, Peer-Review-Publikationen von Artikeln, Rezensionen, Ankündigung von Neuerscheinungen und Tagungen, Formen von Tagungsberichten, Bitten um Mitarbeit (an Projekten unterschiedlichster Art), (kritische) Berichte über institutionelle Entscheidungen. Die „pragmatische Nützlichkeit“ eines Teils dieser Gattungen (Hausendorf/Kesselheim 2008, 23) – das zeigt schon dieser kurze Einblick – ist wesentlich an die (veränderte) Kommunikationssituation des Weblogs angepasst: Sind sie doch abhängig von der Kommunikationsumgebung des Internets, von der einfachen hypertextuellen Einbindung von (u.U. multikodalen) Inhalten, der Aktualität und geringen Zeitverzögerung der Publikation.

Aber ein großer Teil dieser Gattungen bestimmt bis heute auch noch die wissenschaftlichen Zeitschriften, die – über die Akademien als ihre Herausgeber – im 17. und 18. Jh. wesentlich an der Konstitution der wissenschaftlichen Öffentlichkeit, wie wir sie heute kennen, beteiligt waren (vgl. Graefen 1997, 53ff.). Im Zuge der Etablierung der Zeitschrift[12] als Mittel wissenschaftlicher Kommunikation, gab es „nicht nur praktische“, die Handhabung und Bewältigung der nicht mehr zu überschauenden Publikationsmengen betreffende, „sondern auch symbolische Fragen darüber […], ob dem gewaltigen, auseinanderlaufenden Sortiment an spezialisierten Reihen alle jene Verwendungszwecke anvertraut werden könnten, die ihm jetzt auferlegt wurden, ob zur Ergänzung dieser Publikationen neue synthetisierende Gattungen (synthesizing genres) erforderlich sein könnten und sogar, ob die wissenschaftlichen Publikationspraktiken von Grund auf zu erneuern seien“ (Csiszar 2012, 22). Eine neuerliche „Zeitschriftenkrise“ zeitigt mittlerweile ihre Folgen immer umfangreicher (vgl. Hagendoff et al. 2007, 10ff.) und ähnliche Vorbehalte wie die gegen die „ephemerische Existenz“ von Zeitschriften (Campe 1788, 34) artikuliert heute u.a. Groebner (vgl. 2012, 26ff.) gegenüber dem Internet/Weblogs.

Mit dem ‚Schritt‘ dieser Gattungen von einer Kommunikationsform in eine andere, also von der Medialität des Drucks in die Internetmedialität beginnt sich das Transkriptionspotenzial vom Internet im Allgemeinen und von Weblogs im Speziellen in den Kommunikationshandlungen der wissenschaftlichen Kommunikation Geltung zu verschaffen. Wirken einerseits verfestigte Gattungsmuster fort, verspricht andererseits die digitale Verfasstheit jeglicher, am Kommunikationsprozess beteiligter Zeichen eine vereinfachte Nutzbarmachung für die jeweiligen Zwecke einer Gattung. Und es ist durchaus ein extensiver Bild- und Videogebrauch in allen obigen Weblogs zu beobachten. Spricht man im Wesentlichen mit Blick auf die Medialität des Drucks von einer konstitutiven Handlungsverkettung (im Vergleich zur Handlungssequenzierung des Gesprächs; vgl. z.B. Rehbein 2001, 929; Schegloff 2012, 248ff.), wenn Kommunikationshandlungen verdauert werden, so scheint spätesten mit Blick auf das Internet der Begriff der Verkettung nicht mehr angemessen. Wenngleich die grundlegende Linearität nicht unterlaufen werden kann, so scheint doch eine Multilinearität der Transkriptionshandlungen innerhalb eines Textes aber auch zwischen verlinkten Texten ausschlaggebender für die semiologische Konstitution eines Kommunikats und damit der Begriff der ‚Handlungsvernetzung‘ vielleicht der treffendere zu sein. Die Ausschöpfung dieser Möglichkeiten einer internettypischen semiologischen Vernetzung scheint – mit Blick auf das Korpus – gerade für das wissenschaftliche Streitgeschäft noch an einem Anfang zu stehen. Auf diesen, notwendigerweise weiter geöffneten Blick auf eristische Strukturen im Gesamtkommunikat neben dem fokussierten Blick auf grammatische Prozeduren weißt auch Ana da Silva (vgl. 2010, 133f.) hin.

Mit dem ‚Schritt‘ in die Weblogs kommt den Zwecken wissenschaftlicher Kommunikation aber aufgrund der Erweiterung der erreichbaren Öffentlichkeit über die wissenschaftliche hinaus die verstärkte Aufgabe differenzierter Adressierung zu. In den beobachteten Blogs geschieht dies hauptsächlich implizit bzw. thematisch, obwohl auch eindeutig externe Wissenschaftskommunikationen intendiert sind und betrieben werden. Durch das Zusammenkommen sowohl wissenschaftlicher wie auch populärwissenschaftlicher Einträge in den untersuchten Blogs schien sich Adressierung dort oft rezipientenseitig vollziehen zu müssen: Findet der nichtwissenschaftliche Leser im Kommunikat nicht ausreichend Anschlussfähiges vor, kann er nicht gemeint sein. Explizite Adressierungen fanden sich in keinem der Blogs. Strukturen eristischer Adressierung, wie es das obige Beispiel aus Hoffmann (2003) zeigte, werden im Bereich interner Wissenschaftskommunikation auf Weblogs wie erwartbar ungebrochen übernommen und werden z.B. mit Verlinkungen unterstützt. Aber die wechselseitige streitende Bezugnahme aufeinander in Kommentaren scheint noch interimstypisch unsicher zu sein: Spricht man zueinander (sequenziell dialogisch) oder spricht man zur wissenschaftlichen Öffentlichkeit übereinander (sequenziell monologisch)? Weitere Untersuchungen müssen hier – neben Detailanalysen – zeigen, ob sich hier schon blogspezifische Typiken herausgebildet haben, die mit diesem schmalen Blick noch nicht sichtbar wurden, oder ob hier auch andere internettypische Muster greifen. Ebenso über die Pilotstudie hinausgehen, muss die Frage nach weblogspezifischen Um- und Neuprägungen der vorfindbaren Gattungsmuster.

Vorhaben: Weblogs und Zeitschriften

Wie die Pilotstudie gezeigt hat, ist ein kommunikationsgeschichtlicher Vergleich der beiden Kommunikationsformen Zeitschrift und Weblog in ihrer Nutzung für wissenschaftliche Zwecke ein begründeter Ansatz für eine komparative Untersuchung von Wissenschaftskommunikation. Um dabei die Wissenschaftsspezifik im Fokus zu halten, wird das Dissertationsprojekt sich auf Gattungen (interner) wissenschaftlicher Kommunikation beschränken, die mit der Weitergabe, Kritik und Durchsetzung wissenschaftlichen Wissens im Diskurs der jeweiligen Disziplin beschäftigt sind. Das schließt Gattungen wie Hinweise auf andere Webseiten, Hinweise auf Empirie, Synopsen, Ankündigung von Neuerscheinungen und Tagungen, Bitten um Mitarbeit, Berichte über institutionelle Entscheidungen aus dem Korpus der interessierenden Daten aus, sofern sie nicht in den Kommentaren zum strittigen Gegenstand gemacht werden.

Die Vorstudie hat ebenso gezeigt, dass es aus kulturwissenschaftlicher Perspektive in einem solchen Projektzuschnitt mir nicht möglich ist, die Streitkultur einer Naturwissenschaft (geoberg.de) und ihren wissenschaftlichen Unterbau in dem Umfang zu rekonstruieren, dass eine adäquate kommunikationslinguistische Analyse komparativ geleistet werden kann. So werden für die Dissertation fünf Weblogs kulturwissenschaftlicher Provenienz herangezogen werden, die für interne Wissenschaftskommunikation Verwendung finden, um sie entsprechend der darin auffindbaren Daten/Blogeinträgen über eine Paralleltextanalyse mit (deutschsprachigen) wissenschaftlichen Zeitschriften der jeweiligen Disziplinen zu vergleichen. Was sich einer Paralleltextanalyse entziehen sollte wie z.B. Gattungen, die sich nicht in Zeitschriften finden, chat-artige Kommunikationsstrukturen in den Kommentaren, audiovisuelle Präsentationsformen u.Ä., kann im Rahmen des Projekts nicht kommunikationshistorisch erschlossen werden, sondern nur im Lichte der verfügbaren Forschungsliteratur untersucht werden.

Dem ist selbstverständlich eine Kommunikationsformenanalyse für Weblogs und Zeitschriften nebengelagert,[13] die die historisch gewachsenen Möglichkeitsbedingungen von Kommunikation in diesen Formaten herausarbeitet, um sie mit den konkreten Kommunikationsanalysen und den institutionellen Rahmenstrukturen in Beziehung setzen zu können. Dafür ist auch ein Blick auf andere, quasi paratextuelle Gattungen dieser wissenschaftlich geprägten Kommunikationsformen sinnvoll (vgl. Genette 42001), um deren institutionsspezifische Position bzw. Rolle zu erfassen.

Es wird sich dann u.a. zeigen lassen, wie und in wie weit Weblogs ihre Sonderstellung außerhalb oder am Rande einer (sich zunehmend ökonomisierenden) universitären Wissenschaft einnehmen und gestalten. Vor allem aber wird eine Medialitätsvarianz wissenschaftlichen Streitens, seiner Mittel und deren Strukturierung sichtbar, die bisher noch Desiderat ist, und damit wird eine Einschätzung davon möglich, welches Potenzial Weblogs und anderen, vergleichbaren Kommunikationsformen in der internen Wissenschaftskommunikation kommen kann

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[1] Groebner (2013a) beschrieb das Bloggen in seinem Münchener Vortrag als ‚einsame, aber rastlose Masturbation‘, die nur der Selbstdarstellung diene und keine leserorientierte Vermittlungsfunktion im wissenschaftlichen Diskurs übernehmen könne.

[2] Die gleiche Frage nach einer Selbstbestimmung der deutschen Digital Humanities stellte auch der Würzburger Workshop „Wissenschaftliches Bloggen in Deutschland: Geschichte, Perspektiven, praktische Umsetzung“ (vgl. Meiler 2013).

[3] Zu bedenken ist, dass Weblogs strenggenommen mit dem Open-Access-Paradigma nichts zu tun haben.

[4] Wenngleich zu bemerken ist, dass auch Weblogs über (auch sichtbare) Quantifikatoren verfügen, die als Reputations-, Qualifikations- aber auch Legitimationsinstrumente zu betrachten und zu untersuchen sind.

[5] Negativ bzw. ironisch kommt der Begriff der Eristik bei Platon, Aristoteles, Schopenhauer mit dem Tenor des „Um-jeden-Preis-recht-haben-Wollens“ zur Anwendung, was für die Übertragung auf die Wissenschaftssprache manchmal nicht unbedingt als ganz unpassend erscheint.

[6] Mit didaktischen Aspekten beschäftigt sich z.B. auch Feilke/Lehnen (2012). Mit Kontroversen im Hinblick auf ihre Vermittlung an die nicht-wissenschaftliche Öffentlichkeit ist Liebert/Weitze (2006) befasst. Eine oft an Foucault anschließende diskursorientierte Perspektive auf wissenschaftliche Kontroversen, wie sie darin zu finden ist (vgl. z.B. Keller 2006; aber auch Latour 2006b; Latour/Mauguin/Teil i.Dr.), abstrahiert von den kommunikativen Einzelhandlungen und rekonstruiert im Wesentlichen epistemische Strukturen und Verläufe einzelner Diskurse/Kontroversen. Sie ist daher für das Erkenntnisinteresse dieses Projekts weniger relevant.

[7] Gerade die konsequente Konzeptualisierung von Kommunikationsformen als Praktiken des Situationsvollzugs steht dabei noch an einem Anfang, der auch einer kritischen Überprüfung der Kategoriengeschichte bedarf (vgl. Meiler i.V.).

[8] In interaktionstheoretischer Perspektive rekonstruiert Hausendorf (2010, 169) „Situierung als Interaktionsaufgabe“, für die die aus der Medialität der Kopräsenz erwachsenden Praktiken der Situationskonstitution herausgearbeitet werden (vgl. Kesselheim/Hausendorf 2007; mit Perspektive auf verdauerte Kommunikation vgl. Meiler 2012). In erweiterter Perspektive ist Situierung immer auch Kommunikationsaufgabe und so mit einer praxeologischen Konzeptualisierung von Kommunikationsformen systematisierbar.

[9] Hier ist freilich noch zu prüfen, welche medien- bzw. kommunikationshistorischen Modelle, die weder sozial- noch technikdeterministisch argumentieren, für den Kommunikationsformenvergleich produktiv sind.

[10] Für Zeitschriften werden hier z.B. relevant: allgemeine Herausgeber, Herausgeber von Sonderheften, das Peer-Review-Verfahren und schließlich das umfangreiche Verlags-, Vertriebs- und Bibliothekswesen. Mit Blick auf Weblogs fallen dabei augenscheinlich natürlich in jedem Falle Verlage, Vertrieb und Bibliotheken weg, deren Positionen u.a. von Weblog- und/oder Serveranbieter und den individuellen Kommunikatoren ausgefüllt werden und vollkommen andere Kommunikationsbedingungen schaffen.

[11] Hier zeigt sich die konzeptuelle Verwandtschaft der OPPs mit den Latourschen (2009, 137) „Rechen-(schafts)zentren“. Die konzeptuelle Konvergenz zwischen der Kommunikationsformenkategorie und dem Konzept der Inskriptionen bzw. der immutable mobiles kann an dieser Stelle nicht dargestellt werden, wird aber u.a. in Latours (2006a, 285ff.) Ausführungen in Drawing Things Together deutlich: Ausführungen, die eine Heranziehung der ANT für die Institutionsanalyse im Kommunikationsformenzusammenhang fruchtbar erscheinen lassen (vgl. dazu auch Callon 2006), gerade weil darin die Flexibilitäten gegenüber den Verfestigungen betont werden, die gerade für eine rezent-historische Perspektive wichtig sind.

[12] Wissenschaftliche Zeitschriften können sogar als Pioniergattung bzw. -gattungsfamilie erachtet werden, die wesentlich zur „Entwicklung des Zeitschriftenwesens in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts“ beigetragen hat (Straßner 1997, 4) und im Wissenschaftsbetrieb zunehmend Monografien und Briefwechsel verdrängte (vgl. Franzen 2011, 38ff.).

[13] Diese ist für die Kommunikationsform Weblog zum großen Teil schon in Meiler (i.V.) geleistet.

Quelle: http://metablock.hypotheses.org/123

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