Patrick Fiska: Geschichtsforschung und Geschichtsschreibung in der Kartause Gaming im 18. Jahrhundert (Abstract)

Patrick Fiska (Universität Wien): Geschichtsforschung und Geschichtsschreibung in der Kartause Gaming im 18. Jahrhundert 

Abstract des Vortrags bei der Tagung “MONASTICA HISTORIA II: Ordenshistoriographie in Mitteleuropa – Gestaltung und Wandlung des institutionalen und persönlichen Gedächtnisses in der Frühen Neuzeit”, die am 22. und 23. September 2014 im Bildungshaus St. Hippolyt in St. Pölten stattfand.

 
Die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts kann als eine geistige Blütezeit der niederösterreichischen Kartause Gaming angesehen werden. Charakterisiert ist diese Periode unter anderem durch den Bibliotheksumbau und die Ausstattung mit einem bemerkenswerten Freskenzyklus von Wenzel Lorenz Reiner (Allegorien der Wissenschaften und Künste) sowie durch zahlreiche Bücherankäufe und die Anlage eines neuen Handschriften- und Bibliothekskatalogs. Ebenso kam es auf dem Gebiet der Geschichtskultur und in der Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte zu einem Höhepunkt.

Die kulturellen Initiativen in Gaming gingen damals vielfach von Prior Joseph Kristelli von Bachau (1658–1739) aus, der ab 1720 Visitator der oberdeutschen Ordensprovinz des Kartäuserordens sowie Prälat der Landstände von Österreich unter der Enns war.

In der Kartause stand dem Prior mit dem Gelehrten, Historiker und Bibliothekar Leopold Wydemann (1668–1752) ein kongenialer bzw. überragender Partner zur Verfügung, dessen historiographische Expertise und gelehrte Tätigkeit für die repräsentativen Ambitionen Kristellis nutzbar gemacht werden konnten.

Ungeachtet seines Status als kontemplativ lebender Mönch konnte Wydemann durch seine Funktion als Bibliothekar ein weitgespanntes Korrespondenznetzwerk aufbauen. Insbesondere die Briefkorrespondenz mit den Brüdern Bernhard und Hieronymus Pez in Melk machte ihn zu einem wichtigen Mitglied der „Gelehrtenrepublik“. Bei den Editionsprojekten des Bernhard Pez (Thesaurus andecdotorum novissimus und Bibliotheca ascetica) war Wydemann einer der einflussreichsten und fleißigsten Mitarbeiter.

Der Vortrag beschäftigt sich mit drei Schwerpunkten: Zum einen wird die Korrespondenz zwischen Gaming und dem Geschichtsforscher aus dem Jesuitenorden Anton Steyerer behandelt, welcher ein bedeutendes Geschichtswerk über Herzog Albrecht II. von Österreich verfasste (Commentarii). Aus der Kartause wurde ihm dazu einschlägiges Quellenmaterial und Wissen über die Geschichte der Frühen Habsburger vermittelt.

Der zweite Abschnitt zeigt, wie die Kartause Gaming in den Kontext der Historiographiegeschichte des Kartäuserordens insgesamt eingebunden war. So erhielt etwa Leopold Wydemann vom Kartäuser Generalkapitel den Auftrag, alles wichtige historische Material der gesamten Provincia Allemanniae superioris zu sammeln und in die Grande Chartreuse zu senden. Hierbei sollen auch die Verbindungen zwischen Gaming und den Kartausen Mährens und Böhmens angesprochen werden, aus denen historische Quellen und Texte – über Vermittlung der Kartause Gaming – in die Editionswerke des Bernhard Pez Eingang fanden.

Der dritte Abschnitt des Vortrags betrachtet die Entstehung der historischen Gaminger Jubiläumsschrift Pandectae seculares von 1732, wo nun auf der bereits zuvor erschlossenen Materialbasis das Geschichtsbewusstsein der Kartäuser von Gaming seinen bislang deutlichsten Ausdruck erfuhr.

 

Patrick Fiska

Studium der Geschichte und Kunstgeschichte an den Universitäten Wien und Dijon.

Studium Geschichtsforschung, Archivwissenschaften und Historische Hilfswissenschaften am Institut für Österreichische Geschichtsforschung (Mitglied des Instituts seit 2009)

Mitarbeit am FWF-Forschungsprojekt „Bühne der Fürsten“ – über Herzog Rudolf IV. von Österreich (2005–2008)

Mitarbeit am FWF-START-Projekt „Monastische Aufklärung und die Benediktinische Gelehrtenrepublik“ (2008–2011)

[Mitarbeit im Archiv des Parlaments: Erschließung der Reichsratsakten 1867– 1918] (2011–2012)

Derzeit: Mitarbeit am OeNB-Jubiläumsfondsprojekt „Die virtuelle Bibliothek der Kartause Gaming“ – Rekonstruktion des ehemaligen Handschriftenbestandes der 1782 aufgelösten Kartause. http://www.geschichtsforschung.ac.at/?q=node/469

[Außerdem: Privates Kleinunternehmen Rechercheagentur – Rechercheaufträge, Transkriptionen, Hilfestellungen bei Editionstätigkeit, Kuratierung der Ausstellung „Ohne Klimt“ im Künstlerhaus (2012)]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/8172

Weiterlesen

Neuerscheinung: Melk in der barocken Gelehrtenrepublik

Als zweiter Band in der von P. Gottfried Glaßner für das Stift Melk herausgegebenen Reihe „Thesaurus Mellicensis“, die der wissenschaftlichen Publikation von Quellen und Forschungsergebnissen aus den reichen Bibliotheks- und Archivbeständen des Klosters gewidmet ist, liegt nun vor: Melk in der barocken Gelehrtenrepublik. Die Brüder Bernhard und Hieronymus Pez, ihre Forschungen und Netzwerke, hg. von Cornelia FAUSTMANN–Gottfried GLASSNER–Thomas WALLNIG (Thesaurus Mellicensis 2, Melk 2014). Die MitarbeiterInnen des Wiener START-Projekts „Monastische Aufklärung und die benediktinische Gelehrtenrepublik“ sowie weitere ForscherInnen bieten hier in kurzen Beiträgen, von […]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/7072

Weiterlesen

Datenbank: Der digitalisierte Nachlass der Brüder Bernhard und Hieronymus Pez

Der schriftliche Nachlass der Benediktiner Bernhard (1683–1735) und Hieronymus (1685–1762) Pez ist in Archiv und Bibliothek des Benediktinerstifts Melk in elf Archivkartons und 58 Handschriften überliefert. Er beinhaltet neben Arbeitsmaterialien aus ihrer „Werkstätte“ (z.B. bio-bibliographischen Notizen, Druckvorlagen, Exzerpten aus Druckwerken und Handschriften, Konzepten und Abschriften) auch Einsendungen ihrer Korrespondenten (hauptsächlich Schriftsteller- und Handschriftenkataloge einzelner Klöster, kleinere Hausgeschichten von Klöstern und Kongregationen). Das gesamte Material wurde von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des FWF-Start-Projekts „Monastische Aufklärung und die benediktinische Gelehrtenrepublik“ (Y-390) für die Onlinebereitstellung bearbeitet. Die Erschließung [...]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/1726

Weiterlesen

Irene Rabl: Frobenius Forster und die Brüder Pez

Frobenius Forster und die Brüder Pez. Abstract des Vortrags von Irene Rabl (Wien) bei der Tagung “Netzwerke gelehrter Mönche. St. Emmeram im Zeitalter der Aufklärung”, Regensburg, 21./22. September 2012

Zwischen den Benediktinerklöstern St. Emmeram in Regensburg und Melk in Niederösterreich herrschte in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein steter wissenschaftlicher Austausch, der anhand noch erhaltener Gelehrtenkorrespondenz nachweisbar ist. Der erste Kontakt der Melker Benediktiner Bernhard (1683–1735) und Hieronymus (1685–1762) Pez mit dem Kloster St. Emmeram entstand 1709, als Bernhard Pez Enzykliken zum Zweck der Beschaffung von Informationen zu Schriftstellern für seine geplante Bibliotheca Benedictina an einzelne Klöster verschickte. Abt Johann Baptist Hemm reagierte zwar grundsätzlich positiv, jedoch übermittelte erst Kaspar Erhardt 1715 erste Materialien an Pez. 1717 besuchten die Melker Benediktiner auf ihrer Klösterreise schließlich auch St. Emmeram. Im Itinerarium Bavaricum et Suevicum (StiB Melk, Cod. 1850) haben sich bis heute ihre auf der Reise gesammelten Bibliotheksnotizen erhalten. Als weiterer St. Emmeramer antwortete Subprior und Bibliothekar Augustin Tröster 1732 auf eine Anfrage von Bernhard Pez nach den Inschriften und Grabsteinen in der Stiftskirche. Zumindest der erste der beiden erhaltenen Tröster-Briefe geht auf die zeitgleich stattfindende barocke Ausgestaltung der Kirche durch die Brüder Asam ein. Schließlich sind von Frobenius Forster fünf Briefe an Hieronymus Pez aus 1756 und 1757 im Melker Stiftsarchiv überliefert. Vor allem im Zuge seiner Tätigkeit als Bibliothekar begann Forster sich verstärkt mit mittelalterlichen Handschriften zu beschäftigen und entschloss sich Anfang der 1750er Jahre, angeregt durch Oliver Legipont, die Werke Alkuins neu (nach André Duchesne 1617) zu edieren. Die gelehrten Briefe Forsters an den bereits greisen Hieronymus Pez enthalten hauptsächlich Anfragen diese Edition betreffend. Forster stand einige Jahre später auch mit Martin Kropff, Bibliothekar in Melk, in Kontakt, ein kurzer Briefwechsel ist erhalten. Schließlich sind in diesem Zusammenhang auch die Briefe Forsters an Legipont aus der Zeit zwischen 1747 und 1757 in dessen Metzer Nachlass interessant, da Forster als „unermüdlicher Förderer der benediktinischen Akademiebestrebungen“ in seinen Briefen als geduldiger Ratgeber und scharfer Kritiker Legiponts in Hinblick auf die Gründung und Weiterführung der Societas litteraria Germano-Benedictina auftrat, sich jedoch von Legipont auch Unterstützung bei seiner Alkuinedition erhoffte. Darüber hinaus setzt die Korrespondenz zwischen den beiden Benediktinern ungefähr zu einem Zeitpunkt ein, als Forster von der Universität Salzburg, wo er seit 1745 eine Professur für Philosophie und Experimentalphysik inne hatte, in sein Kloster zurückgekehrt war. In seiner Salzburger Zeit (und auch noch danach) publizierte Forster einige (natur)philosophische Abhandlungen, in denen er sich kritisch vor allem mit Leibniz und Wolff auseinandersetzte.

Frobenius Forster wurde am 24. Juli 1762 – wenige Monate vor dem Tod Hieronymus’ Pez am 14. Oktober und 27 Jahre nach dem Tod Bernhards – zum Fürstabt von St. Emmeram gewählt und lebte noch fast drei Jahrzehnte als Vorsteher seines Klosters. Etliche gelehrte Benediktiner scheinen sein Leben geprägt zu haben, was man, zumindest in Ansätzen, an der noch erhaltenen Gelehrtenkorrespondenz u.a. mit Hieronymus Pez und Oliver Legipont erkennen kann. Interessant erscheint die Bearbeitung der hier erwähnten Korrespondenzen St. Emmeram – Melk sowie Forster – Legipont vor dem Hintergrund der tiefgreifenden Veränderungen rund um Gelehrsamkeit und Wissenschaft, die während des hier behandelten Zeitrahmens innerhalb der europäischen Gelehrtenwelt stattgefunden haben.

MMag. Irene Rabl

MMag. Irene Rabl ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des FWF-Start Projektes „Monastische Aufklärung und die benediktinische Gelehrtenrepublik“ an der Universität Wien sowie Archivarin im Zisterzienserstift Lilienfeld in Niederösterreich. Rabl arbeitet an einer Dissertation über Abt Chrysostomus Wieser (Abt 1716–1747) von Lilienfeld, u.a. in Zusammenhang mit der Lilienfelder Erzbruderschaft zum Hlg. Joseph.

Link zum Publikationsverzeichnis: http://www.univie.ac.at/monastische_aufklaerung/de/arbeitsgruppe/irene-rabl-publikationen.html

Quelle: http://frobeniusforster.hypotheses.org/196

Weiterlesen