War das Ende der amerikanischen Ureinwohner Völkermord?

Von Stefan Sasse

Häuptling Spotted Elk tot am Wounded Knee, 1890
Als Kolumbus auf den mittelamerikanischen Inseln landete, die er selbst für Indien hielt und die sich später als Teil eines eigenen, den Europäern unbekannten Kontinents herausstellten, lebten mehrere Millionen Ureinwohner in Nordamerika. Benannt wurden sie, quasi um Kolumbus Irrtum bis in alle Ewigkeit zu zementieren, Indianer. Im Gegensatz zu den Spaniern, Portugiesen und Franzosen, die in den nächsten 300 Jahren alle versuchten, an den Reichtümern des neuen Kontinents teilzuhaben, gründeten die Briten Siedlerkolonien und schufen, nolens volens, einen neuen Staat: die USA. Dieser war von einem starken Sendungsbewusstsein durchdrungen und hatte es sich von Anfang an zum Ziel gemacht, seine Grenzen nach Westen zu erweitern. In diesem Gebiet der Prärien, schroffen Gebirgszüge und tiefer Wälder schien es keine Vorbesitzer zu geben, das Land gehörte also demjenigen, der es sich zu nehmen bereit war. Die Indianer, die zu dieser Zeit noch einige Millionen zählten, waren zu einem guten Teil Nomaden, insgesamt aber in den Augen der Weißen vor allem eines: rechtlos. Sie konnten keine Ansprüche auf das Land anmelden, die Amerikaner schon. Was folgte, ist aus Winnetou und Lucky Luke sattsam bekannt: gebrochene Verträge, Reservate, Vertreibungen, Aufstände, Tod. Am Ende des 19. Jahrhunderts, als die USA den Kontinent von West nach Ost komplett bedeckten und ihn halbwegs erschlossen hatten, lebte nur noch ein Bruchteil der einstigen Menge an Indianern und vegetierte in Reservaten vor sich hin. Noch heute sind die Indianer in den USA eine schlecht gestellte Minderheit und kämpfen um die Anerkennung der Verbrechen, die an ihnen begangen wurden. Die Frage, die sich hier stellt, ist aber, ob es sich dabei um Völkermord handelte, um einen Genozid der "Weißen" an den "Roten".

Dass es Verbrechen von grauenerregendem Ausmaß an den Indianern gab, ist bekannt und braucht nicht ernsthaft diskutiert zu werden. Massaker wie das am Wounded Knee sind keine Einzelfälle im langsamen Niedergang der Indianer. Die Amerikaner hatten kaum Hemmungen, ihnen ihr Land zu rauben und sie dort, wo sie Widerstand leisteten, aufs Schärfste und Härteste zu bekämpfen. Wenn es zu Indianerkriegen kam, wurden meist unterschiedlos Krieger, Alte, Frauen und Kinder getötet. Terror und Verbrannte-Erde-Taktiken waren bevorzugte Mittel der US Army, wenn sie die Indianer nicht in einer Schlacht stellen konnten (was selten geschah). Doch die Gräueltaten der Amerikaner sind nicht die Einzigen, die an den Ureinwohnern verübt wurden, sie sind lediglich die am besten überlieferten und in der Folklore lebendig gehaltenen. Bereits die Briten und Franzosen gingen rücksichtslos gegen die Ureinwohner vor; in Kanada ist ihre Lage nicht wesentlich besser als in den USA. Die Spanier und Portugiesen töteten in ihren mittel- und südamerikanischen Kolonien tausende von Ureinwohnern, vernichteten sie regelrecht durch Arbeit in Minen und Plantagen. Zehntausende starben an eingeschleppten Seuchen. 

Von Pocken infizierte Nahua (Azteken)
All das stellt für den Historiker jedoch bereits viele Probleme auf. Das erste ist der verwendete Terminus "die Indianer", als ob es sich um eine homogene Gruppe handle. Die Inuit des hohen Nordens haben aber mit den Inka Südamerikas kaum Berührungspunkte. Die Stämme der Prärie Nordamerikas bekämpften sich gegenseitig teils mit mehr Inbrunst als die weißen Neuankömmlinge, die solche Enmitäten geschickt auszunutzen verstanden. Auch waren den Indianern Grausamkeiten in großem Umgang selbst nicht fremd; selbst die nicht gerade zimperlichen spanischen Conquistadores waren entsetzt, als sie der Massenopfer der Azteken ansichtig wurden, eines Stammes, der gezielt und organisiert Menschen jagte und tötete. Die Darstellung der Indianer als unschuldige Opfer, gewissermaßen als gute Lämmer, die von reißerischen Wölfen zur Strecke gebracht wurden, ist bestenfalls fragwürdig. Treffender ist vermutlich, dass hier Wölfe andere Wölfe töteten. Dass die Kräfteverhältnisse dabei äußerst ungleich verteilt waren, lässt sich natürlich kaum leugnen. Ein weiteres Problem ist, dass die größten Massensterben von Ureinwohnern gleich in der Anfangszeit der Entdeckung, im 16. Jahrhundert, stattfanden und äußerst schlecht dokumentiert sind. Es gibt keine verlässlichen Zahlen über die Bevölkerung vor Ankunft der Europäer, und niemand führte Buch über die Toten in den Kolonien. Wir wissen aber, dass es sehr viele waren, denn den Spaniern gingen die Arbeitskräfte aus, weswegen sie den Import von Sklaven aus anderen Weltregionen begannen. 

Schätzungen besagen, dass in einigen der ersten europäischen Kolonien innerhalb weniger Jahre 90% der Bevölkerung verstarben. Es scheint sich hier um einen klaren Fall von Völkermord zu handeln, aber so eindeutig ist der Fall nicht. Es kann nämlich aller Wahrscheinlichkeit nach ausgeschlossen werden, dass die Spanier dieses Massensterben absichtlich herbeiführten. Wesentlich wahrscheinlicher ist eine verheerende Seuche, etwa die Pocken, gegen die Ureinwohner keine Abwehrkräfte besaßen. Es ist sehr gut möglich, dass die Europäer eine solche Seuche einschleppte, aber sicher ist auch das nicht. Solche Unwägbarkeiten machen eine Bewertung des Niedergangs der Indianer in der frühen Kolonialepoche sehr schwer. Sicher ist nur, dass die Opferzahlen in jener Zeit sehr hoch waren. Viele der damaligen Stämme sind bereits im 17. Jahrhundert ausgestorben gewesen. Konstituiert dies jedoch einen Völkermord? Die Spanier haben nicht gerade allzuviel Mitleid und Sympathie für die Ureinwohner gehabt, in denen sie vor allem billige Arbeitskräfte sahen. Zu Tausenden starben die mittel- und südamerikanischen Indianer in Minen und Plantagen (in Nordamerika war die Bevölkerungsdichte zu niedrig, als dass man ein lohnenswertes Feld darin hätte sehen können). Jedoch, der Tod dieser Menschen war den Spaniern zwar egal. Er war aber nicht ihre Triebfeder. Sie rotteten die indigene Bevölkerung nicht absichtlich aus. Von einem Völkermord zu sprechen scheint deswegen nicht gerechtfertigt. Es gibt meines Wissens nach kein vernünftiges Wort dafür, Menschen in Massen an schlechten Bedingungen zugrunde gehen zu lassen. Für Völkermord aber ist die Absicht, ein Volk tatsächlich zu vernichten, entscheidend. 

Sioux-Häuptling Sitting Bull
Deswegen kann auch der Niedergang der nordamerikanischen Indianer nicht als Völkermord bezeichnet werden. Trotz seiner im Vergleich geringeren Proportionen ist er deutlich bekannter und im Bewusstsein wesentlich präsenter als das Massensterben der mittel- und südamerikanischen Indianer. Dies hat viel mit der Aufladung der Indianergeschichte Nordamerikas zu tun, einer Aufladung sowohl romatisch-literarischer Art als auch politischer Natur. Nicht erst seit Karl May verkörpern "die Indianer" eine Art naturhafte Unschuld, die der anonymen Zivilisation der Weißen entgegengesetzt wurde. Sehnüchte wurden auf die Indianer projiziert, die als "edle Wilde" in Harmonie mit ihrer Umgebung lebten. Das Vordringen des "weißen Mannes" war die Entsprechung des biblischen Sündenfalls, die die Idylle vernichtete. Viele der so rankenden Legenden sind haltlos. Die Indianer lebten in keinem Einklang mit der Natur oder nahmen nur, was sie brauchten, wie es die Folklore will. Sie betrieben, wo sie es konnten, genauso Raubbau wie die Weißen auch - ihnen fehlten nur die organisatorischen Mittel, die Industrialisierung und die pure Masse, um denselben zerstörerischen Effekt zu erreichen. Die Indianer sind nicht "die Guten" in einem Konflikt gegen "die bösen" Weißen, wie es nur allzuoft im Western dargestellt wird. Es gab gute Menschen unter ihnen und böse, genauso wie in allen anderen Völkern auch. Durch die Projizierung der eigenen Schuld auf die Indianer wurden diese aber mit zivilisationskritischem Ballast beladen, der eigentlich nicht zu ihnen gehört, und wurde der Untergang ihrer Lebensräume und Lebensweise teilweise ins Mythische überhöht, während niemand den Inka oder Azteken eine Träne nachweint. 

Ein geplanter Völkermord gegen die nordamerikanischen Indianer fand entsprechend nie statt. Ihr Untergang war eine direkte Folge der assymetrischen Machtbalance. Die Weißen waren mehr, wesentlich besser bewaffnet, ausgerüstet und organisiert. Die Indianer hatten in den Verteilungskämpfen in Nordamerika keine Chance. Die Großen unter ihren Häuptlingen sahen dies bereits frühzeitig und versuchten, dem irgendwie zu entgehen - der Krieg, den Tecumseh etwa im frühen 19. Jahrhundert gegen die amerikanischen Siedlungsbestrebungen führte war der Versuch, die Appalachen als Grenze zu etablieren. Andere Häuptlinge kämpften später für vernünftige Reservate. Insgesamt aber blieben die Indianer politisch zersplittert und uneins, was den Weißen ihre Aufgabe deutlich erleichterte (obgleich die großen Indianerreiche Mittel- und Südamerikas noch schneller fielen). Die industrialisierte Zivilisation überrollte sie am Ende einfach. Es war ein Prozess, der nur friedlich hätte abgehen können, wenn die Indianer einfach aufgegeben hätten. Das war nicht zu erwarten, und im 19. Jahrhundert waren die Ideen der Menschenrechte noch nicht sonderlich ausgeprägt.

Ernte in einem Reservat, 1936
Den USA Völkermord an den Indianern vorzuwerfen ist deswegen hoch problematisch. Es gab nie ein Programm, das die Ausrottung der Ureinwohner zum Thema hatte. Ihr Verschwinden war vielmehr das natürliche Ergebnis des Ausbreitungsprozesses der USA selbst - die bereits beschriebene Machtassymetrie ließ kaum ein anderes Ergebnis zu. Wären die Indianer stärker oder politisch relevant gewesen, hätten sie vielleicht eigene, autonome Nationen innerhalb der USA gründen können. So blieben ihnen nur die Reservate. Letztere können geradezu als Verkörperungen einer ungerechten Behandlung der Indianer gelten. Schlechtes Land, keine Chancen und kaum entwickelte Infrastruktur kennzeichnen sie ebenso wie sozialer Zerfall. Von Völkermord aber ist es weit entfernt. 200 Jahre zuvor wäre noch niemand auf die Idee gekommen, Reservate einzurichten - stattdessen hätte man die Indianer einfach sich selbst überlassen, was ihrem sicheren Tod gleichgekommen wäre. Der Völkermordvorwurf wird heute gerne politisch gebraucht. Zum Einen ist es ein Zeichen von Progressivität, sich für Indianerbelange einzusetzen (in den 1970er Jahren gab es eine regelrechte Indianer-Mode), zum anderen kann der Vorwurf des Völkermords an den Indianern benutzt werden, um die moralische Glaubwürdigkeit der Amerikaner zu zerstören und die eigene Schuld zu relativieren. Es soll hier gar nicht der Versuch unternommen werden, das Verhalten der USA gegenüber den Indianern zu rechtfertigen. Es erklärt sich aber aus den Gegebenheiten und Denkweisen der damaligen Zeit. Dies reduziert die Schuld der Amerikaner, der sie sich bis heute nicht so offensiv stellen, wie das wünschenswert wäre, keinesfalls. Der Vorwurf eines Völkermords aber ist ungerechtfertigt.

Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2012/05/war-das-ende-der-amerikanischen.html

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Häuptling Spotted Elk tot am Wounded Knee, 1890
Als Kolumbus auf den mittelamerikanischen Inseln landete, die er selbst für Indien hielt und die sich später als Teil eines eigenen, den Europäern unbekannten Kontinents herausstellten, lebten mehrere Millionen Ureinwohner in Nordamerika. Benannt wurden sie, quasi um Kolumbus Irrtum bis in alle Ewigkeit zu zementieren, Indianer. Im Gegensatz zu den Spaniern, Portugiesen und Franzosen, die in den nächsten 300 Jahren alle versuchten, an den Reichtümern des neuen Kontinents teilzuhaben, gründeten die Briten Siedlerkolonien und schufen, nolens volens, einen neuen Staat: die USA. Dieser war von einem starken Sendungsbewusstsein durchdrungen und hatte es sich von Anfang an zum Ziel gemacht, seine Grenzen nach Westen zu erweitern. In diesem Gebiet der Prärien, schroffen Gebirgszüge und tiefer Wälder schien es keine Vorbesitzer zu geben, das Land gehörte also demjenigen, der es sich zu nehmen bereit war. Die Indianer, die zu dieser Zeit noch einige Millionen zählten, waren zu einem guten Teil Nomaden, insgesamt aber in den Augen der Weißen vor allem eines: rechtlos. Sie konnten keine Ansprüche auf das Land anmelden, die Amerikaner schon. Was folgte, ist aus Winnetou und Lucky Luke sattsam bekannt: gebrochene Verträge, Reservate, Vertreibungen, Aufstände, Tod. Am Ende des 19. Jahrhunderts, als die USA den Kontinent von West nach Ost komplett bedeckten und ihn halbwegs erschlossen hatten, lebte nur noch ein Bruchteil der einstigen Menge an Indianern und vegetierte in Reservaten vor sich hin. Noch heute sind die Indianer in den USA eine schlecht gestellte Minderheit und kämpfen um die Anerkennung der Verbrechen, die an ihnen begangen wurden. Die Frage, die sich hier stellt, ist aber, ob es sich dabei um Völkermord handelte, um einen Genozid der "Weißen" an den "Roten".

Dass es Verbrechen von grauenerregendem Ausmaß an den Indianern gab, ist bekannt und braucht nicht ernsthaft diskutiert zu werden. Massaker wie das am Wounded Knee sind keine Einzelfälle im langsamen Niedergang der Indianer. Die Amerikaner hatten kaum Hemmungen, ihnen ihr Land zu rauben und sie dort, wo sie Widerstand leisteten, aufs Schärfste und Härteste zu bekämpfen. Wenn es zu Indianerkriegen kam, wurden meist unterschiedlos Krieger, Alte, Frauen und Kinder getötet. Terror und Verbrannte-Erde-Taktiken waren bevorzugte Mittel der US Army, wenn sie die Indianer nicht in einer Schlacht stellen konnten (was selten geschah). Doch die Gräueltaten der Amerikaner sind nicht die Einzigen, die an den Ureinwohnern verübt wurden, sie sind lediglich die am besten überlieferten und in der Folklore lebendig gehaltenen. Bereits die Briten und Franzosen gingen rücksichtslos gegen die Ureinwohner vor; in Kanada ist ihre Lage nicht wesentlich besser als in den USA. Die Spanier und Portugiesen töteten in ihren mittel- und südamerikanischen Kolonien tausende von Ureinwohnern, vernichteten sie regelrecht durch Arbeit in Minen und Plantagen. Zehntausende starben an eingeschleppten Seuchen. 

Von Pocken infizierte Nahua (Azteken)
All das stellt für den Historiker jedoch bereits viele Probleme auf. Das erste ist der verwendete Terminus "die Indianer", als ob es sich um eine homogene Gruppe handle. Die Inuit des hohen Nordens haben aber mit den Inka Südamerikas kaum Berührungspunkte. Die Stämme der Prärie Nordamerikas bekämpften sich gegenseitig teils mit mehr Inbrunst als die weißen Neuankömmlinge, die solche Enmitäten geschickt auszunutzen verstanden. Auch waren den Indianern Grausamkeiten in großem Umgang selbst nicht fremd; selbst die nicht gerade zimperlichen spanischen Conquistadores waren entsetzt, als sie der Massenopfer der Azteken ansichtig wurden, eines Stammes, der gezielt und organisiert Menschen jagte und tötete. Die Darstellung der Indianer als unschuldige Opfer, gewissermaßen als gute Lämmer, die von reißerischen Wölfen zur Strecke gebracht wurden, ist bestenfalls fragwürdig. Treffender ist vermutlich, dass hier Wölfe andere Wölfe töteten. Dass die Kräfteverhältnisse dabei äußerst ungleich verteilt waren, lässt sich natürlich kaum leugnen. Ein weiteres Problem ist, dass die größten Massensterben von Ureinwohnern gleich in der Anfangszeit der Entdeckung, im 16. Jahrhundert, stattfanden und äußerst schlecht dokumentiert sind. Es gibt keine verlässlichen Zahlen über die Bevölkerung vor Ankunft der Europäer, und niemand führte Buch über die Toten in den Kolonien. Wir wissen aber, dass es sehr viele waren, denn den Spaniern gingen die Arbeitskräfte aus, weswegen sie den Import von Sklaven aus anderen Weltregionen begannen. 

Schätzungen besagen, dass in einigen der ersten europäischen Kolonien innerhalb weniger Jahre 90% der Bevölkerung verstarben. Es scheint sich hier um einen klaren Fall von Völkermord zu handeln, aber so eindeutig ist der Fall nicht. Es kann nämlich aller Wahrscheinlichkeit nach ausgeschlossen werden, dass die Spanier dieses Massensterben absichtlich herbeiführten. Wesentlich wahrscheinlicher ist eine verheerende Seuche, etwa die Pocken, gegen die Ureinwohner keine Abwehrkräfte besaßen. Es ist sehr gut möglich, dass die Europäer eine solche Seuche einschleppte, aber sicher ist auch das nicht. Solche Unwägbarkeiten machen eine Bewertung des Niedergangs der Indianer in der frühen Kolonialepoche sehr schwer. Sicher ist nur, dass die Opferzahlen in jener Zeit sehr hoch waren. Viele der damaligen Stämme sind bereits im 17. Jahrhundert ausgestorben gewesen. Konstituiert dies jedoch einen Völkermord? Die Spanier haben nicht gerade allzuviel Mitleid und Sympathie für die Ureinwohner gehabt, in denen sie vor allem billige Arbeitskräfte sahen. Zu Tausenden starben die mittel- und südamerikanischen Indianer in Minen und Plantagen (in Nordamerika war die Bevölkerungsdichte zu niedrig, als dass man ein lohnenswertes Feld darin hätte sehen können). Jedoch, der Tod dieser Menschen war den Spaniern zwar egal. Er war aber nicht ihre Triebfeder. Sie rotteten die indigene Bevölkerung nicht absichtlich aus. Von einem Völkermord zu sprechen scheint deswegen nicht gerechtfertigt. Es gibt meines Wissens nach kein vernünftiges Wort dafür, Menschen in Massen an schlechten Bedingungen zugrunde gehen zu lassen. Für Völkermord aber ist die Absicht, ein Volk tatsächlich zu vernichten, entscheidend. 

Sioux-Häuptling Sitting Bull
Deswegen kann auch der Niedergang der nordamerikanischen Indianer nicht als Völkermord bezeichnet werden. Trotz seiner im Vergleich geringeren Proportionen ist er deutlich bekannter und im Bewusstsein wesentlich präsenter als das Massensterben der mittel- und südamerikanischen Indianer. Dies hat viel mit der Aufladung der Indianergeschichte Nordamerikas zu tun, einer Aufladung sowohl romatisch-literarischer Art als auch politischer Natur. Nicht erst seit Karl May verkörpern "die Indianer" eine Art naturhafte Unschuld, die der anonymen Zivilisation der Weißen entgegengesetzt wurde. Sehnüchte wurden auf die Indianer projiziert, die als "edle Wilde" in Harmonie mit ihrer Umgebung lebten. Das Vordringen des "weißen Mannes" war die Entsprechung des biblischen Sündenfalls, die die Idylle vernichtete. Viele der so rankenden Legenden sind haltlos. Die Indianer lebten in keinem Einklang mit der Natur oder nahmen nur, was sie brauchten, wie es die Folklore will. Sie betrieben, wo sie es konnten, genauso Raubbau wie die Weißen auch - ihnen fehlten nur die organisatorischen Mittel, die Industrialisierung und die pure Masse, um denselben zerstörerischen Effekt zu erreichen. Die Indianer sind nicht "die Guten" in einem Konflikt gegen "die bösen" Weißen, wie es nur allzuoft im Western dargestellt wird. Es gab gute Menschen unter ihnen und böse, genauso wie in allen anderen Völkern auch. Durch die Projizierung der eigenen Schuld auf die Indianer wurden diese aber mit zivilisationskritischem Ballast beladen, der eigentlich nicht zu ihnen gehört, und wurde der Untergang ihrer Lebensräume und Lebensweise teilweise ins Mythische überhöht, während niemand den Inka oder Azteken eine Träne nachweint. 

Ein geplanter Völkermord gegen die nordamerikanischen Indianer fand entsprechend nie statt. Ihr Untergang war eine direkte Folge der assymetrischen Machtbalance. Die Weißen waren mehr, wesentlich besser bewaffnet, ausgerüstet und organisiert. Die Indianer hatten in den Verteilungskämpfen in Nordamerika keine Chance. Die Großen unter ihren Häuptlingen sahen dies bereits frühzeitig und versuchten, dem irgendwie zu entgehen - der Krieg, den Tecumseh etwa im frühen 19. Jahrhundert gegen die amerikanischen Siedlungsbestrebungen führte war der Versuch, die Appalachen als Grenze zu etablieren. Andere Häuptlinge kämpften später für vernünftige Reservate. Insgesamt aber blieben die Indianer politisch zersplittert und uneins, was den Weißen ihre Aufgabe deutlich erleichterte (obgleich die großen Indianerreiche Mittel- und Südamerikas noch schneller fielen). Die industrialisierte Zivilisation überrollte sie am Ende einfach. Es war ein Prozess, der nur friedlich hätte abgehen können, wenn die Indianer einfach aufgegeben hätten. Das war nicht zu erwarten, und im 19. Jahrhundert waren die Ideen der Menschenrechte noch nicht sonderlich ausgeprägt.

Ernte in einem Reservat, 1936
Den USA Völkermord an den Indianern vorzuwerfen ist deswegen hoch problematisch. Es gab nie ein Programm, das die Ausrottung der Ureinwohner zum Thema hatte. Ihr Verschwinden war vielmehr das natürliche Ergebnis des Ausbreitungsprozesses der USA selbst - die bereits beschriebene Machtassymetrie ließ kaum ein anderes Ergebnis zu. Wären die Indianer stärker oder politisch relevant gewesen, hätten sie vielleicht eigene, autonome Nationen innerhalb der USA gründen können. So blieben ihnen nur die Reservate. Letztere können geradezu als Verkörperungen einer ungerechten Behandlung der Indianer gelten. Schlechtes Land, keine Chancen und kaum entwickelte Infrastruktur kennzeichnen sie ebenso wie sozialer Zerfall. Von Völkermord aber ist es weit entfernt. 200 Jahre zuvor wäre noch niemand auf die Idee gekommen, Reservate einzurichten - stattdessen hätte man die Indianer einfach sich selbst überlassen, was ihrem sicheren Tod gleichgekommen wäre. Der Völkermordvorwurf wird heute gerne politisch gebraucht. Zum Einen ist es ein Zeichen von Progressivität, sich für Indianerbelange einzusetzen (in den 1970er Jahren gab es eine regelrechte Indianer-Mode), zum anderen kann der Vorwurf des Völkermords an den Indianern benutzt werden, um die moralische Glaubwürdigkeit der Amerikaner zu zerstören und die eigene Schuld zu relativieren. Es soll hier gar nicht der Versuch unternommen werden, das Verhalten der USA gegenüber den Indianern zu rechtfertigen. Es erklärt sich aber aus den Gegebenheiten und Denkweisen der damaligen Zeit. Dies reduziert die Schuld der Amerikaner, der sie sich bis heute nicht so offensiv stellen, wie das wünschenswert wäre, keinesfalls. Der Vorwurf eines Völkermords aber ist ungerechtfertigt.

Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2012/05/war-das-ende-der-amerikanischen.html

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Debatte um die Österreichische Akademie der Wissenschaft

Die Austritte von Renée Schröder und Gunther Tichy aus der Österreichischen Akademie der Wissenschaften haben in der Alpenrepublik eine Diskussion um die politische Ausrichtung dieser Forschungseinrichtung losgetreten. Anton Tantner hat dazu eine historische Notiz geschrieben, in der er die Akademie als “Sturmgeschütz der Reaktion” bezeichnet. Die Gründungsziele dieser Akademien sollte man sich vielleicht einmal genauer ansehen.

Ergänzung: Und in der aktuellen wissenschaftsinternen Debatte geht es um Mitbestimmung und transparente Mittelverteilung. Dabei wird kritisiert, dass ein Großteil der Akademiemitglieder dem Österreichischen Cartellverband angehören.  Es werden also sehr konservative Seilschaften bedient. Außerdem sind jüngere Disziplinen strukturell benachteiligt.  Eine Renée Schröder meint dann, der Gelehrtengesellschaft der ÖAW gehe es weder um die Förderung von Exzellenz noch um wissenschaftliche Erkenntnisse. Bei allem Respekt, aber ich persönlich habe ja dieses Exzellenz-Gerede echt über. Die besten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die ich kenne, haben keinen elitären Dünkel. Diese Akademien fördern aber genau das und gehören aus meiner völlig aufgelöst. Wir brauchen keine neuen “Exzellenzen”, sondern gar keine.


Einsortiert unter:Geschichtspolitik

Quelle: http://kritischegeschichte.wordpress.com/2012/05/12/debatte-um-die-osterreichische-akademie-der-wissenschaft/

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aventinus visio Nr. 1 [28.4.2012]: AI in Science-Fiction A Comparison of Moon (2009) and 2001: A Space Odyssey (1968)

http://www.aventinus-online.de/visio/neuzeit/art/AI_in_Science_f/html/ca/64165e576dc879478a599f7e3feb5409/?tx_mediadb_pi1[maxItems]=10 The purpose of this essay is to examine the different ways in which two sci-fi films approach AI in the near future – Moon (2009) and 2001 (1968) – and what their approaches tell us about the perceived consequences of AI technology during those time periods.

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2012/04/2725/

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Wilde Flusslandschaft oder wertvolle Kulturlandschaft? Über die Begradigung des Oberrheins (IV)

Der Oberrhein des 20. und 21. Jahrhunderts

Das heutige Oberrheingebiet

Für die Zeitgenossen des 19. Jahrhunderts bedeutete die Korrektion dennoch ein Segen.1 Aus der Sicht Alexa Geisthövels löste sie aber langfristig gravierende Umweltschäden aus.2 In Beiträgen der Landesanstalt für Naturschutz Baden- Württemberg wird die drastische Umgestaltung der Landschaftsstruktur und Naturhaushalt seit Tulla ersichtlich.3 Aus der früheren Wildstromlandschaft ist durch die starke Absenkung des Grundwasserspiegels die „Steppe am Oberrhein“ geworden.4 „Großflächig und dauerhaft breiteten sich Trockenstandorte aus.“5 Stehende Gewässer trockneten aus.6 85% der feuchten Oberrheinauen verschwanden.7 Schon im 19. Jahrhundert wurden große Flächen trocken gelegt und einer landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt.8 Mit dem Verlust an Auenwald, Sümpfen und Feuchtwiesen reduzierte sich auch die Anzahl der Pflanzen- und Tierarten, deren Platz oftmals von „eingeschleppten Arten“ übernommen wurde.9

Eine weitere Denaturierung der Rheinufer erfolgte durch den Bau der Rheintalautobahn, von Kiesgruben und einer Kreismülldeponie.10 Große Industriekomplexe sowie ein Kernkraftwerk auf elsässischer Seite vervollständigen das Bild des modernen südlichen Oberrheins.11 Im ehemaligen Überflutungsraum liegen heute etliche Gemeinden, Industrie- und Verkehrsanlagen oder Abraumhalden.12 Bei Basel und mit seinen Chemiekonzernen beginnt die Verschmutzung des Rheins, die sich mit den elsässischen Industriekomplexen, einschließlich Chemischer Großindustrie und Müllverbrennungsanlagen bei Straßburg/Kehl, fortsetzt.13

Charakteristisch für das deutsche Ufer sind seine großen Wein-, Mais- und Weizenanbauflächen.14 Blackbourn schildert die heutige Oberrheinebene als „blühender Garten“ mit reich kultivierten Feldern. 15 Er sieht aber auch, dass Düngemittel als Abfallsprodukt des „blühenden Gartens“ den Fluss zusätzlich verunreinigten.16 Die winzigen Überreste der alten Auenwälder hingegen verzaubern ihn.17

Weitere Eingriffe im späten  20. Jahrhundert

Die kultivierte Agrarlandschaft der südlichen Oberrheinebene bewegt viele deutsche Autoren zu einem wehmütigen Rückblick in die Zeit vor den Korrektionen des 19. Jahrhunderts.18 Das Gemälde Peter Birmanns gehört hierbei zum Standard jeder Oberrheinauen Beschreibung.19

Es waren aber die Eingriffe des 20. Jahrhunderts, die dem Oberrhein erst endgültig seinen Wildstromcharakter nahmen und einen enormen Verlust an Auenfläche zur Folge hatten.20

Tullas Nachfolger erreichten, dass bis Ende des 20. Jahrhunderts die Nebenarme des alten Rheins fast vollständig gesperrt waren, so dass kein Wasser in den Rhein mehr einfließen konnte.21 Zudem bauten sie die Deiche kontinuierlich aus.22 Vor allem bei der Rheinregulierung nach den Plänen Honsells wurde der Strom noch einmal eingeengt um durch eine erhöhte Fließgeschwindigkeit und Tiefenerosion eine größere Fahrtiefe zu erhalten.23 Durch so genannte Querbauten suchte man eine bestimmte Mindestbreite und –tiefe des Fahrwassers sicherzustellen.24

Die natürlichen Kräfte des Ökosystems hätten aber trotz der Eingriffe durch Tullas Korrektion und Honsells Niederwasserregulierung ein bedingt ökologisches Gleichgewicht wiederherstellen können, „was der Landschaft aber in den letzten 60 Jahren angetan worden ist, stellt das Vorhergegangene in den Schatten und hat die natürliche Landschaft zerstört.“25

Der Bau und Ausbau des „Grand Canal d’ Alsace“ als geschlossenen Rheinseitenkanal erfolgte zwischen 1928 und 1955.26 Um Elektrizität zu gewinnen, wird das Wasser aus dem Rhein in diese „Betonrinne“ geleitet und Flusskraftwerken zugeführt.27 „Der „Canal d’Alsace“ hat dem Rhein das Wesen genommen. Aus dem reißenden Strom ist ein müder Fluss geworden.“28 „Die Schalthebel der Wehre entscheiden, ob der Rhein ein Fluss, ein Bach oder ein Rinnsal ist.“29 Das ökologische Ergebnis aller Ausbaumaßnahmen ist die heutige Trockenaue.30 Das ökonomische Ergebnis ist die sehr teure Nachschüttung von Kies, die so genannte „Geschiebezugabe“, um die schon kurz nach Tullas Tod überschrittene optimale Tiefenmarke der Sohlenerosion zu stoppen, die die Fundamente der Ufer- und Strombauwerke, die Häfen sowie Land- und Forstwirtschaft gefährden.31

Weitere Bauten von Kraftwerksstaustufen nach dem Zweiten Weltkrieg im seitlich betonierten Kanal und im alten Rheinbett beschleunigten die Austrocknung des Oberrheingebiets.32 All diese „Nach- Tulla- Arbeiten“ erhöhten aber die Gefahr eines Katastrophenhochwassers am Mittel- und Niederrheingebiet um ein Vielfaches, da der Fluss am Oberrhein bei Hochwasser nicht mehr ausufern kann und das Wasser in seiner schmalen, geraden „Rinne“ eine enorme Beschleunigung erfährt, dessen Auswirkungen die Städte flussabwärts, vor allem Mannheim und Köln, vermehrt zu spüren bekommen.33

Aussicht und Fazit

Um dem Hochwasser am Mittel- und Niederrhein beizukommen, legte das Land Baden- Württemberg im Jahr 1988 sein „Integriertes Rheinprogramm“ (IRP) vor.34 In diesem Programm wurden zwei Ziele festgelegt: 1. Die Widerherstellung des Hochwasserschutzes und 2. Die Erhaltung und Renaturierung der Auenlandschaft am Oberrhein.35 Im Jahr 1997 beschlossen die verschiedenen Landesanstalten eine Tieferlegung von Vorlandflächen auf einem ca. 90 Meter breiten Streifen um Hochwasserrückhaltebecken (so genannte Polder) zu gewinnen, und eine Auenrenaturierung voranzutreiben.36

Bei allem Enthusiasmus vieler Autoren für eine Renaturierung der feuchten Auen darf man nicht vergessen, dass nennenswerte Flächenanteile von Trockenstandorten in der Wildstromaue auch schon in der „Vor-Tulla-Zeit“ vorhanden waren und der Artenbestand in der Trockenaue trotz der Ausbaumaßnahmen weitestgehend ursprünglich geblieben ist.37 Viele Schriftsteller schwärmen in ihren Darstellungen bevorzugt von den feuchten Auenbereichen vor den großen Ausbaumaßnahmen, übersehen dabei aber häufig den überragenden Wert der Flora und Fauna der trockengefallenen Rheinauen am südlichen Oberrhein, einem der wärmsten Gebiete Deutschlands.38 Die Beiträge der Landesanstalt für Umweltschutz sprechen von einem in Deutschland einmaligen Landschaftraumsraum, „der auf großer Fläche höchst seltene und wertvolle Biotypen […] und eine Fülle bemerkenswerterte Tier- und Pflanzenarten“ aufweist.39

Wertvolle Trockenbiotope sollten aus Sicht heutiger Umweltschützer nicht einfach durch Auenbiotope ersetzt werden.40 Der Schutz und die Entwicklung nicht beanspruchter Trockenauenbereiche und die Generation von Feuchtauenbiotopen müssen gleichzeitig gefördert werden.[41.Vgl. Meineke. S. 487.]

Tullas Oberrheinkorrektion kann nicht allein mit heutigen Maßstäben bewertet werden. Sein Traum war eine verbesserte Lebensbedingung der Oberrheinanwohner. Zwar haben schon einige Zeitgenossen vor den kommenden negativen Auswirkungen gewarnt, für die Menschen des 19. Jahrhunderts aber war sein Großprojekt ein Segen in schwierigen Zeiten. Unter den damaligen Bedingungen war eine umfassende Lösung „alternativlos“, ansonsten hätte man die Rheinauen als Siedlungsgebiet aufgeben müssen.

Tullas Großprojekt half außerdem mit den neuen badischen Staat entlang seiner Hauptschlagader zu integrieren. Welch ökologische Spätfolgen seine „Rectification“ mit sich brachte, konnte er zum einen noch nicht vollständig vorhersehen, zum anderen waren es erst die Ausbaumaßnahmen seiner Nachfolger und die Bauarbeiten des 20. Jahrhunderts, die den Oberrhein in einen Kanal und somit in eine Bedrohung für die stromabwärts gelegenen Städte verwandelte. Für die „Versteppung“ des Oberrheingebiets zeichnet sich Tulla ebenso nicht allein verantwortlich.

Die Kultivierung und industrielle Erschließung des Oberrheinraumes ist zudem nicht per se ein negatives Faktum. Sie ermöglichen nicht nur eine gute Versorgung mit landwirtschaftlichen Produkten, sondern schufen auch eine Vielzahl an Arbeitsplätzen. Mit der „Zivilisation“ begann zwar auch die Verschmutzung des Oberrheingebiets, aber auch die Erschließung des Verkehrswegs Fluss. Am Anfang war Tullas Idee, aber erst die weitreichenden folgenden Ausbaumaßnahmen ermöglichten die Schiffbarkeit und die Industrialisierung des Rheins mit all seinen negativen und positiven Folgen. Mit dem Ende alter Lebenswelten beginnt aber auch immer etwas Neues. Tullas Traum stand also am Anfang eines langen Prozesses der Kultivierung des Gebietes und der Kanalisierung des Rheins. Mit Tulla änderten sich Denkhorizonte. Seine „Nachfolger“ im Wasserbau setzten da an, wo Tulla aufgehört hatte. Was vorher unmöglich erschien, war denkbar geworden. Dies ist sein Verdienst aber auch die Hauptkritik an seinem Schaffen.

 

Empfohlene Zitierweise:Dembek, Christoph (2012): Wilde Flusslandschaft oder wertvolle Kulturlandschaft? Über die Begradigung des Oberrheins (IV). In: JBSHistoryBlog.de. URL: http://jbshistoryblog.de [Zugriff: DD:MM:YYYY]

 


Bibliographie:

 

  1. Vgl. Geisthövel, Alexa: Restauration und Vormärz 1815-1847. Seminarbuch Geschichte, Paderborn 2008. S. 102-103.
  2. Ebenda.
  3. Vgl. Baum, Frank/ Meineke, Jörg- Uwe/ Neumann Christoph/ Schmid- Egger, Christian: Das „Trockenaueprojekt“. Vorgeschichte und Zielsetzung, in: Vom Wildstrom zur Trockenaue. Natur und Geschichte der Flusslandschaft am südlichen Oberrhein, hrsg. von der Landesanstalt für Umweltschutz Baden Württemberg, Ubstadt-Weiher 2000, S. 11.
  4. Siehe Baum, Frank/ Meineke, Jörg- Uwe/ Neumann Christoph/ Schmid- Egger, Christian: Das „Trockenaueprojekt“. Vorgeschichte und Zielsetzung, in: Vom Wildstrom zur Trockenaue. Natur und Geschichte der Flusslandschaft am südlichen Oberrhein, hrsg. von der Landesanstalt für Umweltschutz Baden Württemberg, Ubstadt-Weiher 2000, S. 11.
  5. Siehe Vgl. Baum, Frank/ Meineke, Jörg- Uwe/ Neumann Christoph/ Schmid- Egger, Christian: Das „Trockenaueprojekt“. Vorgeschichte und Zielsetzung, in: Vom Wildstrom zur Trockenaue. Natur und Geschichte der Flusslandschaft am südlichen Oberrhein, hrsg. von der Landesanstalt für Umweltschutz Baden Württemberg, Ubstadt-Weiher 2000, S. 11.
  6. Vgl. Blackbourn, David: Die Eroberung der Natur. Eine Geschichte der deutschen Landschaft, München 2006. S. 143.
  7. Ebd. S. 139.
  8. Ebd. S. 139.
  9. Vgl. Blackbourn: Die Eroberung der Natur, S. 139-140
  10. Vgl. Baum: Das „Trockenaueprojekt“, S. 11.
  11. Vgl. Baum: Das „Trockenaueprojekt“, S. 11.
  12. Vgl. Huppmann, Othmar/ Pfarr, Ulrike/ Staber, Herbert-Michael: Die Planung eines Hochwasserrückhalteraumes am südliche Oberrhein zwischen Basel und Breisach- Hochwasserschutz und Naturschutz Hand in Hand, in: Vom Wildstrom zur Trockenaue. Natur und Geschichte der Flusslandschaft am südlichen Oberrhein, hrsg. von der Landesanstalt für Umweltschutz Baden Württemberg, Ubstadt-Weiher 2000, S. 37.
  13. Vgl. Tümmers, Horst Johannes: Der Rhein. Ein europäischer Fluss und seine Geschichte, München 1994. S. 158-171.
  14. Ebd. S. 171-184.
  15. Siehe. Blackbourn: Die Eroberung der Natur, S. 129.
  16. Ebd. S. 141.
  17. Ebd. S. 139-140.
  18. Vgl. Coch, Thomas: Einführung in den Naturraum. Zur Frage primärer Trockenstandorte in der Wildstromaue des südlichen Oberrheingebietes, in: Vom Wildstrom zur Trockenaue. Natur und Geschichte der Flusslandschaft am südlichen Oberrhein, hrsg. von der Landesanstalt für Umweltschutz Baden Württemberg, Ubstadt-Weiher 2000. S. 25
  19. Ebenda S. 26.
  20. Ebenda S. 25.
  21. Vgl. Blackbourn: Die Eroberung der Natur, S. 144-145.
  22. Ebd. S. 145.
  23. Vgl. Tümmers: Der Rhein, S. 149.
  24. Schwabe, Erich: Mensch und Oberrhein. Besiedlungsgeschichte, in: Die Auen am Oberrhein. Ausmaß und Perspektiven des Landschaftswandels am südlichen und mittleren Oberrhein seit 1800, hrsg. von Werner A. Galluser und Andre Schenker, Basel/ Boston/Berlin 1992. S. 53.
  25. Siehe Tümmers: Der Rhein, S. 149.
  26. Vgl. Coch: Einführung in den Naturraum, S. 24.
  27. Vgl. Coch: Einführung in den Naturraum, S. 25.
  28. Siehe  Coch: Einführung in den Naturraum, S. 25.
  29. Siehe Coch: Einführung in den Naturraum, S. 25.
  30. Vgl. Huppmann: Die Planung eines Hochwasserrückhalteraumes am südliche Oberrhein, S. 37.
  31. Vgl. Tümmers: Der Rhein, S. 148 u. S. 154-155.
  32. Vgl. Tümmers: Der Rhein, S. 156.
  33. Vgl. Tümmers: Der Rhein, S. 156.
  34. Vgl. Huppmann: Die Planung eines Hochwasserrückhalteraumes, S. 35.
  35. Vgl. Huppmann: Die Planung eines Hochwasserrückhalteraumes, S. 35.
  36. Ebd, S. 40-45.
  37. Vgl. Meineke, Jörg-Uwe/ Ostermann, Alexander/ Jehle, Peter: Naturschutz in der Trockenaue. Erhalten und Gestalten, in: Vom Wildstrom zur Trockenaue. Natur und Geschichte der Flusslandschaft am südlichen Oberrhein, hrsg. von der Landesanstalt für Umweltschutz Baden Württemberg, Ubstadt-Weiher 2000, S. 483. Vgl. Coch: Einführung in den Naturraum, S. 15.
  38. Vgl. Coch: Einführung in den Naturraum, S. 15-18.
  39. Siehe Baum: Das „Trockenaueprojekt“, S. 11.
  40. Vgl. Meineke. S. 487.

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Wilde Flusslandschaft oder wertvolle Kulturlandschaft? Über die Begradigung des Oberrheins (III)

Die Begradigung des Oberrheins und ihre Auswirkungen im 19. Jahrhundert

Napoleon und die integrative Macht der Oberrheinkorrektion

In den letzten Jahren des Heiligen Römischen Reiches wurde die Möglichkeit einer umfassenden Lösung des Überschwemmungsproblems am Oberrhein zwar erörtert, scheiterte aber an den unterschiedlichen Interessen der vielen unabhängigen Fürstentümer, Bistümer und Reichsritterschaften am südwestlichen Rand des Reiches.1 Erst das Ende des alten Reiches und das Verschwinden der zahlreichen territorialen Gerichtshoheiten entlang des Oberrheins , herbeigeführt durch die Armeen Napoleons, schufen die Grundlagen für eine Gesamtlösung.2 Die kleine Markgrafschaft Baden war einer der großen Gewinner dieser napoleonischen Umwälzungen.3 Tullas Heimatland und Arbeitgeber eignete sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts zahlreiche Territorien rechts des Hoch- und Oberrheins an.4 Die Fläche Badens wuchs um das Vierfache und nahm nun die gesamte Flussstrecke von Konstanz bis Mannheim ein.5 Der neue Staat war ein Geschöpf Napoleons, dessen Armeen das linksrheinische Gebiet annektierten.6

Für Tulla und die Befürworter der Korrektion bedeutete die territoriale Neuordnung deshalb ein günstiger Zeitpunkt zur Verwirklichung ihres Bauvorhabens, da außenpolitische Verträge nur noch zwischen Frankreich und Baden abgeschlossen werden mussten.7

Sie erkannten aber auch die gesellschaftspolitischen Möglichkeiten, welche Arbeiten an der nun badischen Lebensader bargen. 8 Aus dem vormals kleinen Baden war zwar ein deutscher Mittelstaat geworden, doch fehlte es seiner um das Fünffache gewachsenen Bevölkerung noch an einer gemeinsamen badischen Identität.9 Dieses heterogene Kunstgebilde musste erst noch zusammenwachsen.10 Der Regierung in Karlsruhe konnte deshalb an integrativen Maßnahmen nur gelegen sein um ihre neuen Untertanen in ihrem nun entstandenen einheitlichen Territorialstaat zu integrieren.11

Im Verlauf der Rektifikation des Rheins zeigte sich, „dass die verschiedenen Beamtenapparate zusammengefasst und zentralisiert, Informationen über die neu gewonnenen Territorien gesammelt, neue Karten gezeichnet, Rechts- und Steuersysteme sowie Maß- und Gewichtseinheiten vereinheitlicht wurden.“12 Zudem warf die Flussregulierung verschiedenste finanzielle und verwaltungstechnische Fragen auf, die den gesamten neuen Staatsapparat mobilisierte.13 Die aktive Beteiligung unterschiedlichster Ministerien, Direktionen und Kammern an diesem Unternehmen förderte zusätzlich den Prozess der Staatsbildung.14

Zudem beendete die Korrektion bisherige Zwistigkeiten unter den links- und rechtsrheinischen Gemeinden. Bisher änderte der Rhein seinen Lauf fast jedes Jahr, nun bestanden sichere und stabile Verhältnisse in Gemarkungsfragen und bei Hochwassersicherungsmaßnahmen. 15 Frankreich und Baden einte zudem der Wunsch nach einem unveränderlichen und somit korrigierten Flussverlauf um ihre Grenze zu konsolidieren.16 Aus Sicht eines Straßburgers begünstigten die „staatenlosen“ Rheininseln und ihre Bewohner auch „Störungen aller Art“, welche Tulla durch seine Rektifikation „löste“.17

Der Zusammenbruch des Napoleonischen Reiches 1814 machte aber bisherige Vereinbarungen gegenstandslos, da Frankreich abgesehen vom Elsass vom linken Rheinufer zurückgedrängt wurde.18 Verhandlungen mussten jetzt mit Bayern stattfinden, dem jetzt die Pfalz auf dem linken Rheinufer gehörte.19 1817 und 1825 kam es zum Abschluss von Verträgen, in denen zusammen zwanzig Durchstiche an der badisch-bayrischen Rheingrenze vereinbart wurden.20 Es folgten weitere Abkommen zwischen den Oberrheinstaaten Baden, Hessen und Bayern.21 Erst 1840 kam es zu einem Grenzvertrag zwischen Baden und Frankreich, der unter anderem die Begradigung des Rheins zwischen Baden und dem Elsass vorsah.22 Tullas Traum des „rectificirten“ Rheins erfüllte sich zwar erst Jahrzehnte nach seinem Tod, in den Jahren als Bismarck sein neues Reich schmiedete, doch das Ergebnis spricht für seine gewaltige Dimension: Insgesamt wurde der Rhein zwischen Basel und Worms um fast ein Viertel seiner Länge, von 345 auf 273 Kilometer gekürzt; über 2200 Inseln und Halbinseln mit einer Fläche von über 1000 km² wurden abgetragen und 240 km Hauptdeiche errichtet.23 „Es war das größte Bauvorhaben, das jemals in Deutschland in Angriff genommen wurde.“24

Landgewinnung und Kultivierung

 Im 19. Jahrhundert machten sich die positiven Auswirkungen der Korrektion recht schnell bemerkbar.25 Durch die Tiefenerosion und das schnellere Abfließen des Wassers hörten Überschwemmungen und Versumpfungen im Oberrheingebiet auf.26 Die Niederungen wurden zuverlässig entwässert und das Grundwasser sank in eine für die Landwirtschaft günstige Lage.27 In diesen Jahren konnten gute Ernten erzielt werden.28 Die Entwässerung der Oberrheinauen sorgte verknüpft mit einer besseren medizinischen Versorgung auch dafür, dass die Häufigkeit der Malariafälle zurückging und das in den Rheinorten endemische Wechselfieber, Ruhr und Typhus verschwanden.29 „Die Besiedelung bisher als feucht- und gesundheitsschädlich gemiedener Flächen war möglich geworden.“30 „Die Verwirklichung von Tullas Plan brachte (also) neue Sicherheit und neues Land.“ 31  Der intensiven Besiedelung folgten mittelbar der Ackerbau sowie der Anbau von Feldfrüchten.32 Die Rückeroberung und Kultivierung der Rheinauen war umso wichtiger als steigende Bevölkerungszahlen und Landhunger, vor allem in der Pfalz, zu großen Auswanderungswellen in die USA oder nach Ungarn und Preußen führten.33 Die Kosten der Rheinkorrektion beliefen sich bis 1884 allein auf badischer Seite auf rund 30 Millionen Mark.34 Der Wertzuwachs des rechtrheinisch gewonnenen Kulturlandes bezifferte Max Honsell, der Nachfolger Tullas als Leiter der Oberdirektion des Wasser- und Straßenbaus, jedoch auf 40 Millionen Mark. 35 Die Sicherung und Neugewinnung landwirtschaftlicher Nutzflächen, worauf die Korrektion vorrangig zielte, war demnach zufrieden stellend erreicht.36 Den Zeitgenossen half sie jedenfalls verbessert zu leben und zu überleben.37 Die Einwohner einer rechtsrheinischen Gemeinde lobpreisten Tulla in einer Zeremonie überschwänglich, dass er „ dem Rhein einen Panzer […] angelegt [habe], dass er nicht mehr- wie schon lange Zeit- nicht nur unser Allmend-Land, sondern so gar manchem Bürger sein sauer erworbenes Guth hinweg rafte.“38

Industrialisierung und Schifffahrt

In der „Vor- Tulla- Zeit“ litt die Schifffahrt am südlichen Oberrhein an Uferabbrüchen, die das Anlegen und die Benutzung von Treidelpfäden oft vereitelten.39 Ständige Richtungsänderungen des Flusses erschwerten die zu dieser Zeit übliche Segelschifffahrt.40

Rheinabwärts von Basel entlang der badisch- französischen Grenze konnten zudem nur wenige Schiffe, rheinaufwärts aber gar keine fahren.41 Die Schifffbarkeit des südlichen Oberrheins war also Anfang des 19. Jahrhunderts sehr beschränkt.42 Am Oberrhein benötigte man des seichten Wassers wegen Segelschiffe mit besonders flachen Böden.43 Die Strecke Mainz- Straßburg auf dem nördlichen Oberrhein verschlang aufgrund der vielen Rheinschlingen dennoch zwanzig bis dreißig Tage.44

Tulla ging es zwar nicht vorrangig um die Schifffahrt, sondern um den Hochwasserschutz und um eine verbesserte Lebensgrundlage der Rheinanwohner.45 Sein Projekt erschwerte sogar zunächst die Segelschifffahrt, da die Boote bei Niedrigwasser nicht in Ufernähe gezogen werden konnten, weil der Rhein die Fläche zwischen den Ufern nicht ausfüllte.46 Eine gesicherte Fahrrinne und eine einheitliche Wassertiefe waren zudem noch nicht vorhanden. 47

Die Arbeiten nach Tullas Plänen schufen aber erst die Voraussetzungen für den Ausbau des Oberrheins, die so genannte Rheinregulierung zwischen 1907 und 1936.48 Die Schiffbarmachung der Hauptrinne ermöglichte nun die ganzjährige Schifffahrt von Basel bis Mannheim, das bisher der südliche Endpunkt der Rheinschifffahrt war, da die Fahrrinne südlich von Mannheim der Kiesablagerungen und Untiefen wegen bisher schlecht passierbar war. 49 Sie beschleunigte dadurch die Erschließung der Uferlandschaften, den Bau von Häfen und die Förderung von Handel und Industrie.50Die Neuhäfen Breisach und Basel konnten 1930 beziehungsweise 1936 in Betrieb gehen. 51  Tullas Werk muss auch direkt die Dampfschifffahrt erleichtert haben, da sie seit 1824 stellenweise für den Oberrhein eingeplant wurde.52 Korrektion und Regulierung erleichterten also den Einzug der Dampfschifffahrt auf dem Oberrhein, da sie den Fluss in eine schnelle und tiefere Wasserstraße verwandelten.53

Neue Lebenswelten am Oberrhein

Schleppdampfer ersetzten das als kostspielig, langsam und unterbrechungsanfällig geltende Schleppen der Schiffe mittels Pferde.54 Vielen Händlern und Gewerbetreibenden waren Pferde und Taue schlicht zu teuer geworden.55 Der Beginn der Dampfschifffahrt bedeutete einerseits das Ende der Segelschifffahrt und des Treidelns samt ihren Berufszweigen, förderte aber zugleich neue Arbeitsplätze auf den Dampfbooten, auf denen man nun technische Spezialisten wie Mechaniker benötigte.56  Auch viele andere alte Lebenswelten am Oberrhein gingen verloren.57 Mit dem Ende der alten Flusslandschaft verschwand auch das Fördern des Rheingolds und mit ihm der Berufszweig des Goldwäschers.58 Die Kanalisierung des Rheins ermöglichte den Bau von Brücken und großen städtischen Mühlen, die die Fährschifffahrt und Schiffsmühlen verdrängten.59 Mit den alten Tier- und Pflanzenarten verschwanden auch ältere Nutzungsformen des Schwemmlandes wie das Schilfrohrschneiden und das Vogelstellen60  Wiesen- und Felderwirtschaft verdrängt diese Erwerbsformen.61 Die Ausbaumaßnahmen und die einsetzende Industrialisierung bereiteten dem Fischreichtum am Oberrhein ein schleichendes Ende, so dass die ursprünglich erwerbsrelevante Rheinfischerei, vor allem die Lachsfischerei, verloren ging.62

 

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Empfohlene Zitierweise:Dembek, Christoph (2012): Wilde Flusslandschaft oder wertvolle Kulturlandschaft? Über die Begradigung des Oberrheins (III). In: JBSHistoryBlog.de. URL: http://jbshistoryblog.de[Zugriff: DD:MM:YYYY]Nachweis:Bibliographie:
  1. Vgl. Blackbourn, David: Die Eroberung der Natur. Eine Geschichte der deutschen Landschaft, München 2006. S. 117.
  2. Vgl. Blackbourn, David: Die Eroberung der Natur. Eine Geschichte der deutschen Landschaft, München 2006. S. 116-117.
  3. Vgl. Blackbourn, David: Die Eroberung der Natur. Eine Geschichte der deutschen Landschaft, München 2006. S. 116
  4. Vgl. Hug, Wolfgang: Geschichte Badens, Stuttgart 1992, S. 196- 199.
  5. Vgl. Hug: Geschichte Badens, S. 196- 199.
  6. Vgl. Hug: Geschichte Badens, S. 196- 199.
  7. Vgl. Blackbourn: Die Eroberung der Natur, S. 117.
  8. Vgl. Blackbourn: Die Eroberung der Natur, S. 117.
  9. Vgl. Hug: Geschichte Badens, S. 199.
  10. Vgl. Hug: Geschichte Badens, S. 199.
  11. Vgl. Blackbourn: Die Eroberung der Natur, S. 117.
  12. Siehe Blackbourn: Die Eroberung der Natur, S. 117.
  13. Vgl. Blackbourn: Die Eroberung der Natur, S. 118.
  14. Vgl. Blackbourn: Die Eroberung der Natur, S. 118.
  15. Ebd. S. 119-120.
  16. Ebd. S. 119.
  17. Ebd. S. 120.
  18. Ebd. S. 120.
  19. Ebd. S. 120.
  20. Ebd. S. 121.
  21. Vgl. Blackbourn: Die Eroberung der Natur, S. 121.
  22. Vgl. Blackbourn: Die Eroberung der Natur, S. 121.
  23. Vgl. Blackbourn: Die Eroberung der Natur, S. 121.
  24. Blackbourn: Die Eroberung der Natur, S. 121.
  25. Tümmers, Horst Johannes: Der Rhein. Ein europäischer Fluss und seine Geschichte, München 1994. S. 147.
  26. Tümmers, Horst Johannes: Der Rhein. Ein europäischer Fluss und seine Geschichte, München 1994. S. 147.
  27. Tümmers, Horst Johannes: Der Rhein. Ein europäischer Fluss und seine Geschichte, München 1994. S. 147.
  28. Tümmers, Horst Johannes: Der Rhein. Ein europäischer Fluss und seine Geschichte, München 1994. S. 148.
  29. Ebd. S. 148. u. S. 184-186.
  30. Siehe Tümmers, Horst Johannes: Der Rhein. Ein europäischer Fluss und seine Geschichte, München 1994. S. 148.
  31. Blackbourn: Die Eroberung der Natur, S. 129.
  32. Blackbourn: Die Eroberung der Natur, S. 129.
  33. Blackbourn: Die Eroberung der Natur, S. 128.
  34. Hertweck, Georg: Die Geschichte des Rheinufers von den Anfängen bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs, in: Rheinhafen Karlsruhe hrsg. von Ernst Bräuche (Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Bd. 22), Karlsruhe 2001, S. 33.
  35. Hertweck, Georg: Die Geschichte des Rheinufers von den Anfängen bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs, in: Rheinhafen Karlsruhe hrsg. von Ernst Bräuche (Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Bd. 22), Karlsruhe 2001, S. 33.
  36. Geisthövel, Alexa: Restauration und Vormärz 1815-1847. Seminarbuch Geschichte, Paderborn 2008. S. 102.
  37. Ebd. S. 103.
  38. Siehe  Blackbourn: Die Eroberung der Natur, S. 127-128.
  39. Vgl. Hertweck: Die Geschichte des Rheinufers, S. 32.
  40. Vgl. Hertweck: Die Geschichte des Rheinufers, S. 32.
  41. Vgl. Strauch, Dieter: Die Entwicklung des Rheinschifffahrtsrechts zwischen 1815 und 1868, in: Der Rhein als Verkehrsweg. Politik, Recht und Wirtschaft seit dem 18. Jahrhundert (Schriftenreihe der Niederrheinakademie Bd. 79), hrsg. von Clemens von Looz- Corswarem und Georg Mölich, Bottrop 2007, S. 67.
  42. Vgl. Strauch, Dieter: Die Entwicklung des Rheinschifffahrtsrechts zwischen 1815 und 1868, in: Der Rhein als Verkehrsweg. Politik, Recht und Wirtschaft seit dem 18. Jahrhundert (Schriftenreihe der Niederrheinakademie Bd. 79), hrsg. von Clemens von Looz- Corswarem und Georg Mölich, Bottrop 2007, S. 67.
  43. Vgl. Von Looz- Corswarem, Clemens: Der Rhein als Verkehrsweg im 18.Jahrhundert, in: Der Rhein als Verkehrsweg. Politik, Recht und Wirtschaft seit dem 18. Jahrhundert (Schriftenreihe der Niederrheinakademie Bd. 79), hrsg. von Clemens von Looz- Corswarem und Georg Mölich, Bottrop 2007, S. 25.
  44. Vgl. Von Looz- Corswarem, Clemens: Der Rhein als Verkehrsweg im 18.Jahrhundert, in: Der Rhein als Verkehrsweg. Politik, Recht und Wirtschaft seit dem 18. Jahrhundert (Schriftenreihe der Niederrheinakademie Bd. 79), hrsg. von Clemens von Looz- Corswarem und Georg Mölich, Bottrop 2007, S. 25.
  45. Vgl. Hertweck: Die Geschichte des Rheinufers, S. 34.
  46. Vgl. Hertweck: Die Geschichte des Rheinufers, S. 34.
  47. Vgl. Hertweck: Die Geschichte des Rheinufers, S. 34.
  48. Vgl. Tümmers: Der Rhein, S. 148.
  49. Vgl. Tümmers: Der Rhein, S. 148.
  50. Vgl. Tümmers: Der Rhein, S. 148.
  51. Vgl. Tümmers: Der Rhein, S. 149.
  52. Vgl. Weber- Brosamer, Bernhard: „Die Weltordnung will weder Stillstand noch Rückschritt“. Zur Einführung der Dampfschifffahrt auf dem Rhein, in: Der Rhein als Verkehrsweg. Politik, Recht und Wirtschaft seit dem 18. Jahrhundert (Schriftenreihe der Niederrheinakademie Bd. 79), hrsg. von Clemens von Looz- Corswarem und Georg Mölich, Bottrop 2007, S. 95.
  53. Vgl. Borscheid, Peter: Das Tempo-Virus. Eine Kulturgeschichte der Beschleunigung, Frankfurt a. M. 2004, S. 134.
  54. Vgl. Borscheid: Das Tempo-Virus, S. 134.
  55. Vgl. Borscheid: Das Tempo-Virus, S. 134.
  56. Vgl. Weber- Brosamer: „Die Weltordnung will weder Stillstand noch Rückschritt“, S. 99.
  57. Vgl. Blackbourn: Die Eroberung der Natur, S. 130.
  58. Vgl. Tümmers: Der Rhein, S. 143.
  59. Vgl. Blackbourn: Die Eroberung der Natur, S. 130.
  60. Ebd. S. 131. u. S. 137-138.
  61. Ebd. S. 131.
  62. Ebd. S. 132-135.

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Eine kurze Geschichte des Kommunismus, Teil 1/2

Von Stefan Sasse

Karl Marx 1875
Bei der Begriffsdefinition von "Kommunismus" darf nicht der beliebte Gegensatz des Ost-West-Konflikts zwischen (sozialer) Demokratie und (kommunistischer) Diktatur sowie Marktwirtschaft und Planwirtschaft bemüht werden, da dieser ein Produkt der Zeitgeschichte ist. Sie spielten bei der Schaffung des Kommunismus keine Rolle. Die Anfänge des Kommunismus liegen noch vor 1848, um 1840. Die Entwicklungen begannen in Frankreich mit den damals grassierenden Problemen des Pauperismus (extreme Armut bis zur Grenze des Verhungerns). Durch die einsetzende Industrialisierung waren viele Menschen gezwungen, ihre reine Arbeitskraft unter Aufgabe der Individualität an denjenigen zu verkaufen, der gerade den entsprechenden Hungerlohn bezahlte. Die Zeitgenossen sahen im Kommunismus das Programm für einen sozialrevolutionären Umsturz; sie wollten Revolution und Anarchie, um das noch handwerklich geprägte Umfeld auseinander nehmen zu können und damit auch die fest gefügten Strukturen des Bestehenden in Frage zu stellen und zu beseitigen. Dadurch bekam Kommunismus von Anfang an eine pejorative Bedeutung.

Erste Ansätze wurden mit der Gütergemeinschaft gemacht, die ihre Anhänger gerne als System der Zukunft sahen. Der Kommunismus war dabei vom Start weg ebenso radikale Alternative wie Absage an den fortschrittlich-humanen Liberalismus (letzteres zumindest aus Sicht der Liberalen). Der Liberalismus wurde auf Individualität und Eigentum des Einzelnen gegründet. 

Das Kommunistische Manifest wurde quasi als „Begleitmusik“ zur Revolution von 1848 geschrieben, von Marx und Engels von England aus. Durch die Formulierung der Überschrift „Manifest der kommunistischen Partei“ wird gleich auch der Anspruch eines nicht existierenden Organisationsgrades der Kommunisten erhoben. Dies zeigt sich bereits im berühmten ersten Satz des Manifests: „Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst des Kommunismus.“ Ebenso bekannt der letzte Satz: „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“ Das zeigt, dass der Kommunismus nicht auf ein spezielles Land bezogen ist, sondern einen internationalen Anspruch in sich vereint. Damit stellt der Kommunismus einen internationalistischen Anspruch in einer Phase dar, die von den krassesten Auswüchsen des Nationalismus beherrscht ist, dessen große Zeit mit 1848 ja erst beginnt. Nach Moses Hess ist der Kommunismus ein „in sich stringentes, geschlossenes, logisches System zur Vertretung allein des Proletariats“, verbunden mit einer Aufhebung des Privateigentums. Die eine deutliche Mehrheit der Paulskirche stellenden Liberalen beschäftigten sich mit dem Randphänomen "Kommunismus" dabei nur als Schreckgespenst für das Absichern des Privateigentums im Verfassungsentwurf. 

Dabei stellte der Kommunismus dem Individualitätsanspruch der Liberalen den Gleichheitsanspruch aller Menschen gegenüber, strebte also eine Homogenität der Gesellschaft an. Deswegen wurde er auch immer deutlich schärfer bekämpft als der Sozialismus. Die kommunistischen Visionen lassen sich nicht mit reformerischer Politik durchführen. Sie erfordern stattdessen entweder eine Revolution oder den Bürgerkrieg, in jedem Fall aber Gewalt. Damit provoziert der Kommunismus mit seinem eigenen Vernichtungswillen eine Gegenkraft, quasi einen Vernichtungswillen der Bourgeoisie (Ernst Nolte).

Marxismus

Marx 1882
Marxismus und Kommunismus können nicht einfach identifiziert werden. Marx die Verantwortung für die Gewalt des 20. Jahrhunderts anzudichten ist dumm. Der Marxismus überwölbte als sozial stringenteste Ausrichtung des 19. Jahrhunderts Kommunismus wie Sozialismus. Er beinhaltete ein Vernichtungspostulat für Gesellschaftszustände; das heißt aber noch lange nicht, die menschlichen Vertreter dieses Systems umzubringen. Marx geht es um die Vernichtung der stark steigenden Ungerechtigkeit des kapitalistischen Systems. Für Marx lässt sich die bestehende Ungerechtigkeit jedoch nur beseitigen, wenn man die Vertreter des Systems mit der Vernichtungsdrohung konfrontiert und diese auch durchzuführen bereit ist.

Marx und Engels

Marx wie Engels weilten in den 1840er Jahren in London, um der Verfolgung durch den Deutschen Bund zu entgehen. Marx wirkte dabei als Theoretiker, während Engels mit deutlich einfacherer und verständlicherer Sprache als Verbreiter der Theorien wirkte. Er war in der Lage, sich geradezu kongenial in Marx’ Gedankenwelt hineinzuversetzen und wirkte außerdem selbst als Literat, besonders in der Beschreibung der Lage der englischen Arbeiterklasse. 

Friedrich Engels
Engels, der praxisnähere der beiden, wurde 1820 in Wuppertal-Barmen geboren und starb 1895 in London. Er entstammt einer industriellen Familie, die väterlicherseits wohlhabende Textilfabrikanten waren. Er absolviert ab 1835 eine kaufmännische Lehre und ist 1844 in Barmen, Bremen und Manchester zuhause, wo der Vater weitere Unternehmen hat. Die Lehrzeit wird durch Militärdienst unterbrochen, er unternimmt außerdem Studienreisen. Das alles finanziert das reiche Elternhaus. Ab 1841 gehört Engels zur radikalen Hegel’schen Linken, die den Staat als ethisch übergeordnetes Prinzip ansieht. Dort findet er Kontakt zu Karl Marx. Diese Gruppe bildete im Deutschen Bund intellektuelle Avantgarde. 1845 publiziert Engels sein bahnbrechendes Werk „Zur Lage der arbeitenden Klasse in England“ und schloss sich dem „Bund der Gerechten“ an, der bald zum „Bund der Communisten“ umbenannt wird. In dessen Auftrag verfassen Marx und Engels 1847/48 das „Kommunistische Manifest“. 1850 trat Engels in den väterlichen Betrieb ein und wurde 1860 durch das Erbe nach dem Tod des Vaters finanziell unabhängig. Marx wird später hauptsächlich von Engels ausgehalten. Nach Marx Tod 1883 übernimmt es Engels, das noch unfertige „Kapital“ zu publitzieren. 

Marx indessen wurde 1818 in Trier geboren. Sein Elternhaus ist eine altetablierte Rabbinerfamilie; er selbst studierte Staatswissenschaften (in etwa Jura und VWL) sowie Philosophie und Geschichte, hauptsächlich in Bonn, habilitierte jedoch 1841 in Jena, wo er mit den Linkshegelianern Kontakt hatte. Er betätigte sich bald in der Neuen Rheinischen Zeitung. 1845 wurde ihm die preußische Staatsbürgerschaft entzogen („Entlassung aus dem preußischen Untertanenverband“). Damit war er ein staatenloser und quasi vogelfrei. Er ging nach Brüssel, wo er abermals auf Engels traf und sich den Themenschwerpunkt der ökonomischen Theorie zu Eigen machte. Nach der Arbeit am Manifest floh er 1849 nach London, wo er seine publizistische Arbeit fortsetzte. 1859 schrrieb er „Zur Kritik der politischen Ökonomie“. Am Ende entsteht das theoretische Hauptwerk „Das Kapital“, dessen erster Band 1867 publiziert wird, die anderen beiden 1887 und 1894 postum durch Engels. 

Marx-Denkmal in Moskau
Marx’ Verdienst war, dass er der existierenden sozialistischen Bewegung ein umfangreiches theoretisches Hauptwerk zur Verfügung stellt. Dazu gehören die „Arbeitswerttheorie“, die „Mehrwerttheorie“, die „Verelendungstheorie“, die "Konzentrationstheorie“ oder die „Krisentheorie“. Aus der Menge dieser Theorien resultierte dann „der Kommunismus“. Besonders in der Nazi- und Kalten-Kriegs-Propaganda wurde gerne vergessen gemacht, dass der Marxismus eine immanent humane Bedeutung trägt. Nach Marx’scher Auffassung muss die Phase der Feudalherrschaft von der Demokratie abgelöst werden, wodurch die Stimmen derer, die nichts anderes als ihre Arbeitskraft zu verkaufen haben so viel zählen, so dass die Diktatur des Proletariats darauf unmittelbar folgen wird.

Differenzierung Sozialismus und Kommunismus und Innenleben des Kommunismus

Bei Marx entwickelte sich die Vorstellung vom Kommunismus ab 1847 so, dass man das Phänomen sowohl historisch als auch ökonomisch zu verstehen. Unter "historisch" ist eine vollständige Einbettung in die Geschichte und den Prozess der Geschichte zu verstehen. Was die Liberalen als „Fortschritt“ sehen, ist für die Kommunisten die Einbettung in die geschichtliche Determination. Dieser Prozess soll die vollständige Aufhebung des Privateigentums erreichen, die Überwindung der Entfremdung des Menschen durch verschiedene Zugangsarten zu Eigentum, entweder durch Umverteilung (sozialdemokratisch) oder Abschaffung des Privateigentums (kommunistisch). 

Der ökonomische Prozess ist die Voraussetzung für den historischen Prozess, die Staatlichkeit also nachrangig. Das ist auch das Avantgardistische an Marx. Er fragt, welche Art des Wirtschaftens welche Gesellschaft hervorruft („historischer Materialismus“). Dabei ist die Zielvorstellung die klassenlose Gesellschaft, die sich wiederum über den Klassenkampf erreichen lässt. Deshalb sehen die Kommunisten die Grundlagen des Kommunismus’ auch als Tatsache, nicht als Theorie oder Ideologie. Aus der Perspektive des 19. Jahrhunderts ist Kommunismus nicht das Ende, sondern der Prozess selbst. Dieser Prozess wurde von Marx revolutionär begriffen. Damit gemeint ist ein Umsturz, und so etwas schafft Gegengewalt ebenso wie Angst. Im Fall des Kommunismus wurde hauptsächlich eine Gegenkraft geschaffen, die im Faschismus ihre extremste Ausprägung fand, ohne dass ein kausaler Zusammenhang bestehen würde.

Lenin

Lenin
Wladimir Iljitsch Uljanow kam zum ersten Mal in seiner Gymnasialzeit mit Marx in Berührung. 1887 wurde sein Bruder Alexander wegen Verwicklung in ein Zar-Attentat verhaftet und gehängt, was Lenins Orientierung endgültig auf die Stürzung des zaristischen Regimes hin beeinflusste. Er absolvierte ein kurzes Jurastudium und praktizierte als Anwalt (bis 1893). In St. Petersburg kam er mit führenden Sozialdemokraten in Berührung (die linke Elite Russlands war sozialdemokratisch orientiert). 1895 gründete Lenin den „Kampfbund zur Befreiung der Arbeiterklasse“. Diese Fraktion umschloss die späteren Menschewiki ebenso wie die späteren Bolschewiki. Die Menschewiki strebten eine Partei mit Massenbasis an und waren tendenziell demokratisch ausgerichtet. Die Bolschewiki unter Lenin orientierten sich am Prinzip der Kaderpartei mit einer Gruppe von speziell ausgewählten Funktionären, was eine tendenziell diktatorische Ausrichtung beinhaltet. Von 1895 bis 1900 war Lenin wegen seiner politischen Tätigkeit im Gefängnis und in sibirischer Verbannung; danach ging er ins westeuropäische Exil, wo er sich den Decknamen Lenin zulegte. 

1912 erfolgte die Gründung der Prawda und die Trennung der Bolschewiki und Menschewiki. Die kommunistische Partei gründete sich als Kaderpartei mit Zentralkomitee, dem auch Josef Stalin angehörte. Die Februarrevolution 1917 brachte Lenin mit Deutschlands Hilfe die Rückkehr nach Russland, was im Radikalisierungsschub mit der Oktoberrevolution im November 1917 mündete. Die Bolschewiki errangen damit die Macht und riefen die Räterepublik aus; 1918 wurd die „Diktatur des Proletariats“ begründet, in dem die Verwaltung und Herrschaft der Kaderpartei der Bolschewiki unterstellt wurden. Opposition wurde unterdrückt; die Menschewiki und damit auch die demokratischen Tendenzen verschwinden. Die Kommunistische Internationale beschloss übereinstimmend, dass in der Situation nach dem Ersten Weltkrieg Deutschland das ideale Land für das Vorantreiben der Revolution ist. Daraus ergab sich ein kompliziertes Wechselspiel mit Russland. Die Geschäftssprachen der Komintern waren demzufolge auch Deutsch und Russisch, während die des Völkerbundes Englisch und Französisch waren. Die imperialistischen Ansprüche beider Seiten, Westen wie Osten, überlagerten sich in Mitteleuropa, was zu einem Erklärungsmuster für die Aggression des deutschen Faschismus’ gegen West wie Ost führt. Lenin hatte 1922 mehrere Schlaganfälle und war ab 1923 handlungsunfähig; 1924 starb er. Stalin seinerseits wurde der Nachfolger. Stalin herrschte bis 1953, als er eines wahrscheinlich natürlichen Todes starb.

Teil 2 hier.


Dieser Artikel basiert auf der Vorlesung "Politisch-Ideologische Hauptströmungen des 20. Jahrhunderts" von Prof. Dr. Anselm-Doering Manteuffel.
Bildnachweise: 
Marx 1 - John Mayall (gemeinfrei)
Marx 2 -unbekannt (gemeinfrei)
Denkmal - Graham Colm (GNU 1.2)
Lenin - Моисей Соломонович Наппельбаум (gemeinfrei)

Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2012/02/eine-kurze-geschichte-des-kommunismus_13.html

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Wilde Flusslandschaft oder wertvolle Kulturlandschaft? Über die Begradigung des Oberrheins (II)

Die Stunde Johann Gottfried Tullas

Viele Siedlungen zu beiden Seiten des Oberrheins waren jedoch zu Nahe am Wasser gebaut.1 Ihre große Vertrautheit mit den Gewohnheiten des Stromes und ihre Kenntnisse im Wasserbau schützten die Rheinanwohner mit Beginn der Frühen Neuzeit nicht mehr vor dessen Naturgewalten.2 Im 16., 17., und 18. Jahrhundert kam es zum Untergang von ganzen Ansiedlungen durch unverhältnismäßig heftige Überschwemmungen am Oberrhein.3 Vor allem in der Mäanderzone zwischen Karlsruhe und Speyer bedrohte das viele Wasser zunehmend das menschliche Leben am Fluss.4 Aber auch weiter stromaufwärts mussten einige Dörfer und sogar Handelsstädte, wie Neuenburg am Ende des 15. und Rheinau im 16. Jahrhundert, aufgegeben werden.5 Zudem waren große Flächen fruchtbaren Bodens versumpft, der Verkehr mit den Rheinorten war durch die ständigen Überschwemmungen erschwert und die Bewohner litten fast überall unter Fieberkrankheiten wie Malaria, Ruhr und Typhus.6 Versumpfungen und  Überflutungen hatten also neben wirtschaftlichen, hygienischen auch ernste gesundheitliche Folgen, ausgelöst vor allem durch „Insektenplagen“.7 Selbst Johann Wolfgang von Goethe soll beim Anblick dieser Schnakenschwärme in den Rheinauen an der Gütigkeit und Weisheit Gottes gezweifelt haben.8

Die Menschen am Oberrhein kannten Hochwassersicherungs- und Landgewinnungsmaßnahmen schon vor dem 19. Jahrhundert.9 Schon seit dem hohen Mittelalter befestigten sie Dämme mit Weidenfaschinen um Rheinaltarme abzuschnüren und Rheininseln zu verbinden und legten Deiche und Gräben zur Umleitung des Wassers an.10Auf großer Fläche konnte der Wildstrom jedoch nicht gezähmt werden“.11 Der Fluss stellte seit Beginn des 18. Jahrhunderts eine mit herkömmlichen Mitteln kaum mehr abzuwendende Bedrohung dar.12 Eine Hauptursache hierfür war eine „Kleine Eiszeit“ zwischen 1550 und 1850.13 Die Ursache hierfür ist strittig, jedenfalls erlebte Mitteleuropa kältere Winter mit mehr Schneefall sowie niederschlagsreichere Sommer.14 In den Jahrzehnten nach 1735 führten größere Mengen der Schneeschmelze und schwere Regenfälle zu ungewöhnlich starken Hochwassern und zu einem Anstieg des Flusswasserpegels.15 Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts traten alle drei Jahre, zwischen 1799 und 1808 sogar jährlich, die Ufer über.16  Gerade während die Bevölkerungszahlen im 18. Jahrhundert rapid stiegen, mussten oftmals ganze Dörfer umgesiedelt werden.17

Die großflächige Übernutzung der Auenwälder in Form zunehmenden Kahlschlags begünstigte weitere Hochwasserkatastrophen, weil die Fluten immer mehr Angriffsflächen fanden.18 Der Auenwald lieferte den Rheinbewohnern wichtige Bau- und Brennstoffe.19 Anfälliges Weide- und Ackerland verdrängte zunehmend wasserabsorbierende Waldgebiete und resistentes Unterholz.20  Schon Forstwissenschaftler des 18. Jahrhunderts kritisierten die planlose Waldnutzung in Deutschland, die sich in Form gravierender Abholzungen und Umforstungen bemerkbar machte.21 Die Situation verschärfte sich noch als die jährlichen Hochwasser zu einer Anhebung des Flussbettes führten, da Sediment und Geschiebe vom Hochrhein flussaufwärts transportiert wurde und sich am Oberrhein ablagerten.22 Infolgedessen verbreiterten sich die überfluteten Gebiete immer mehr.23 Betrachtet man alle Faktoren ist es nicht verwunderlich, dass der Fluss in diesen Jahren 300 km² Auengebiete überschwemmte. 24

Die Bewohner des Oberrheins versuchten dem Hochwasser zu begegnen indem sie ständig versuchten die Wälle zu erhöhen und neue Uferabschnitte einzudeichen um damit den Rhein in ein schmaleres Bett zu zwingen.25 Das erhöhte aber nur das Zerstörungspotenzial des Hochwassers, da das Wasser bei einem Deichbruch nicht mehr so schnell abfließen konnte.26 Allein in den Jahren 1801 und 1802 brachen zwischen Kehl und Philippsburg sechsundzwanzig Dämme.27 Von den Rheinanwohnern durchgeführte Durchstiche einzelner Flussschlingen,  die den Zweck hatten den Druck an einer Stelle zu verhindern, erhöhten nur die Hochwassergefahr an einer anderen Stelle.28 Beispielsweise unternahm die Gemeinde Hördt Mitte des 18. Jahrhunderts einen Durchstich, der bewirkte, dass die Felder des auf der anderen Rheinseite gelegenen Dorfes Dettenheim überflutet wurden und der folglich den Niedergang Dettenheims bedeutete.29 Blackbourn schließt sich Tullas zeitgenössischem Standpunkt an, dass die lokalen Bemühungen um die Zähmung des Flusses planlos, wirkungslos und oft kontraproduktiv waren.30

Die Lage war Anfang des 19. Jahrhunderts jedenfalls unhaltbar geworden, viele Landschaften versumpften und Ortschaften mussten aufgegeben und verlegt werden.31 Besonders in den Jahrzehnten nach 1740 geriet fast jedes Dorf in der Mäanderzone mindestens einmal in große Gefahr vom Hochwasser verschluckt zu werden.32 Die großen Überschwemmungen und Zerstörungen 1816 und 1817 beschleunigten sodann die Umsetzung der Arbeiten nach Tullas Plänen, die mit dem ersten Durchstich bei Neupfotz 1817 begannen.33 Nach Meinung Tümmers war die Stunde Tullas gekommen, weil man schlicht vor der Wahl stand, ob „man entweder die Auen als Kulturlandschaft aufgab und sie wieder dem Rhein überließ, oder aber es musste eine tiefgreifende Verbesserung der Lage am Oberrhein eintreten“.34

Tullas großer Plan

Johann Gottfried Tulla

Ein 1822 formulierter Leitgedanke zeigt, wie Tulla sich den zukünftigen Wasserbau und die Gestalt der Flusslandschaften in Deutschland vorstellte: „In der Regel sollten in kultivierten Ländern die Bäche, Flüsse und Ströme Kanäle sein und die Leitung der Gewässer in der Gewalt der Bewohner sein.“35 Eine ungebändigte natürliche Flusslandschaft hatte nach den Vorstellungen Tullas im fortschrittsliebenden Deutschland des frühen 19. Jahrhunderts nichts mehr verloren, und die deutschen Gewässer sollten keinen Naturgewalten mehr unterworfen sein. In einem „Zwischenspiel“ in der Schweiz 1809 verstärkte er den Wunsch in großem Maßstab zudenken, und erarbeitete erstmals einen Entwurf einer durchgehenden „Rektifikation“ des ungebärdigen Rheins.36

Das technische Wissen der deutschen Wasserbauingenieure war zu diesem Zeitpunkt bereits auf einem sehr hohen Stand.37 Schon vor Tullas großen Plänen hatte man erfolgreich Flüsse der Norddeutschen Tiefebene, die Oder und Warte sowie Teile des Niederrheins mit seinen Nebenflüssen verkürzt, umgelenkt oder durch Schleusen unterbrochen.38 Ab dem 19. Jahrhundert konnten deutsche Fachleute ohne Hilfe holländischer Spezialisten diese Arbeiten verrichten, was sich beispielhaft an der Regulierung der Elbe unter der Mitwirkung Reinhard Woltmanns, den Tulla in Hamburg kennen lernte, zeigte.39 Norddeutschland war führend auf dem Gebiet des Wasserbaus, dennoch hatte man auch schon in Baden seit Jahrhunderten Deiche gebaut, Ufer befestigt und Durchstiche an Rhein und Murg vollzogen.40 „Viele der Durchstiche in Tullas letztendlicher Rektifikation des Rheins waren (bereits) früher als Einzelmaßnahmen vorgeschlagen worden“.41 Doch mit Tulla erstarkte das Bewusstsein das weitere und weitreichende Verbesserungen nötig waren und damit eine ganzheitliche Begradigung dieses Rheinabschnitts.42 „Es war (also) ihr Umfang und nicht diese oder jene besondere Neuerung die Tullas Pläne zu etwas Außergewöhnlichem, ja Aufsehen erregendem machte.“43

Skizze vom Plan der Rheinbegradigung im 19. Jhr.

Tulla verfasste 1812 eine Denkschrift, in der er generalsplanmäßig „die Grundsätze nach welchen die Rheinbauarbeiten künftig zu führen seyn möchten“  festlegte.44 Die darin enthaltenen Ziele liefen auf eine völlige Neugestaltung des Flussverlaufes hinaus.45 Tulla plante eine Korrektion des gesamten Oberrheins, der sich von Basel bis zur hessischen Grenze bei Worms auf 354 Kilometern erstreckt.46 Der Strom sollte nun in einem ungeteilten, zwischen 200 und 250 Metern gleichmäßig breiten Bett fließen.47 Das Flussbett würde mittels Durchstiche begradigt und durch Seitendämme derart eingeengt werden, so dass ein verkürzter und schneller fließender Strom sich selbst ein tieferes Bett graben würde.48 Die Tiefenerosion sollte den Grundwasserspiegel senken und somit die Oberrheinniederungen entwässern.49 Tullas Wunsch war es auf diese Weise die Rheinufergemeinden vor Überschwemmungen zu schützen, allgemein die Bewohnbarkeit des Rheintales zu sichern und zu verbessern und aus bisherigem Sumpfland wertvolles Kulturland zu gewinnen.50

Befürchtungen und Widerstände Preußens und der Niederlande, Länder mit großen Erfahrungen im Wasserbau, verwarf Tulla ebenso wie die Bedenken badischer Abgeordneter und anderer Fachleute.51 Ein zeitgenössischer Kritiker sprach von einem „gewagten Plan“, der „Katastrophen herbeiführen“ werde, als er auf die Gefahr schwerer Überschwemmungen an Mittel- und Niederrhein als Folgeerscheinung der Oberrheinkorrektion hinwies.52

Tulla verteidigte seine Rektifikation als „das einzige Rettungsmittel für die Rheinuferbewohner“. 53 Seine Kritiker waren „nicht vom Fach“, hatten „beschränkte Ansichten“ und einer war darunter „welcher vom Strombau nichts versteht“. 54 Einige Gemeinden am Rhein widersetzten sich dem Projekt in seinen Anfangsjahren, da sie befürchteten in Zeiten häufiger Missernten wertvolle Acker- und Waldflächen zu verlieren, so dass die Baumaßnahmen durch Soldaten geschützt werden mussten.55 Tulla warf den Verweigerern Ignoranz und engstirniges Eigeninteresse vor.56

Demnächst geht es weiter im Teil III  über die Begradigung des Rheins und ihre Auswirkungen im 19. Jahrhundert

 

Empfohlene Zitierweise:

Dembek, Christoph (2012): Wilde Flusslandschaft oder wertvolle Kulturlandschaft? Über die Begradigung des Oberrheins (II). In: JBSHistoryBlog.de. URL: http://jbshistoryblog.de [Zugriff: DD:MM:YYYY]

 

Nachweis:

Bildquelle: Johann Gottfried Tulla, in: Der Große Herder, Band 11, 1931 und auf Wikipedia

Bildquelle: Skizze vom Plan der Rheinbegradigung im 19. Jhr., auf Wikipedia

 

Bibliographie:

 

  1. Vgl. Blackbourn, David: Die Eroberung der Natur. Eine Geschichte der deutschen Landschaft, München 2006. S. 102.
  2. Vgl. Blackbourn, David: Die Eroberung der Natur. Eine Geschichte der deutschen Landschaft, München 2006. S. 102-103.
  3. Vgl. Blackbourn, David: Die Eroberung der Natur. Eine Geschichte der deutschen Landschaft, München 2006. S. 99-103.
  4. Vgl. Blackbourn, David: Die Eroberung der Natur. Eine Geschichte der deutschen Landschaft, München 2006. S. 103.
  5. Vgl. Blackbourn, David: Die Eroberung der Natur. Eine Geschichte der deutschen Landschaft, München 2006. S. 99.
  6. Tümmers, Horst Johannes: Der Rhein. Ein europäischer Fluss und seine Geschichte, München 1994. S. 140.
  7. Vgl. Meurer, Rolf: Wasserbau und Wasserwirtschaft in Deutschland. Vergangenheit und Gegenwart, Berlin 2000, S. 76.
  8. Vgl. Meurer, Rolf: Wasserbau und Wasserwirtschaft in Deutschland. Vergangenheit und Gegenwart, Berlin 2000, S. 76.
  9. Vgl. Coch, Thomas: Einführung in den Naturraum. Zur Frage primärer Trockenstandorte in der Wildstromaue des südlichen Oberrheingebietes, in: Vom Wildstrom zur Trockenaue. Natur und Geschichte der Flusslandschaft am südlichen Oberrhein, hrsg. von der Landesanstalt für Umweltschutz Baden Württemberg, Ubstadt-Weiher 2000. S. 23.
  10. Vgl. Coch, Thomas: Einführung in den Naturraum. Zur Frage primärer Trockenstandorte in der Wildstromaue des südlichen Oberrheingebietes, in: Vom Wildstrom zur Trockenaue. Natur und Geschichte der Flusslandschaft am südlichen Oberrhein, hrsg. von der Landesanstalt für Umweltschutz Baden Württemberg, Ubstadt-Weiher 2000. S. 23 ; Blackbourn, David: Die Eroberung der Natur. Eine Geschichte der deutschen Landschaft, München 2006. S. 103.
  11. Vgl. Coch: Einführung in den Naturraum, S. 23.
  12. Vgl. Blackbourn: Die Eroberung der Natur., S. 103.
  13. Vgl. Blackbourn: Die Eroberung der Natur., S. 103.
  14. Ebd. S. 104.
  15. Ebd. S. 104.
  16. Ebd. S. 104.
  17. Ebd. S. 99-103.
  18. Vgl. Tümmers: Der Rhein, S. 143.
  19. Vgl. Geisthövel, Alexa: Restauration und Vormärz 1815-1847. Seminarbuch Geschichte, Paderborn 2008, S. 103.
  20. Vgl. Blackbourn: Die Eroberung der Natur, S. 104.
  21. Vgl. Geisthövel: Restauration und Vormärz, S. 103.
  22. Vgl. Tümmers: Der Rhein, S. 144.
  23. Vgl. Tümmers: Der Rhein, S. 144.
  24. Vgl. Blackbourn: Die Eroberung der Natur, S. 104.
  25. Vgl. Tümmers: Der Rhein, S. 144.
  26. Vgl. Tümmers: Der Rhein, S. 144.
  27. Vgl. Hertweck, Georg: Die Geschichte des Rheinufers von den Anfängen bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs, in: Rheinhafen Karlsruhe hrsg. von Ernst Bräuche (Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Bd. 22), Karlsruhe 2001, S. 32.
  28. Vgl. Blackbourn: Die Eroberung der Natur, S. 104.
  29. Ebd. S. 104-105.
  30. Vgl. Blackbourn: Die Eroberung der Natur, S. 104-105. Vgl. Tümmers: Der Rhein, S. 145.
  31. Vgl. Hertweck: Die Geschichte des Rheinufers, S. 31-32.
  32. Vgl. Blackbourn: Die Eroberung der Natur, S. 105.
  33. Vgl. Tümmers: Der Rhein, S. 145.
  34. Tümmers: Der Rhein, S. 144.
  35. Siehe Tümmers: Der Rhein, S. 144.
  36. Vgl. Blackbourn: Die Eroberung der Natur, S. 111.
  37. Ebd. S. 111-112.
  38. Ebd. S. 111.
  39. Ebd. S. 112.
  40. Ebd. S. 113.
  41. Ebd. S. 113.
  42. Ebd. S. 113.
  43. Ebd. S. 113.
  44. Ebd. S. 113.
  45. Ebd. S. 114.
  46. Ebd. S. 113.
  47. Ebd. S. 113-114.
  48. Vgl. Schwabe, Erich: Das große Werk der Rheinkorrektion, in: Die Auen am Oberrhein. Ausmaß und Perspektiven des Landschaftswandels am südlichen und mittleren Oberrhein seit 1800, hrsg. von Werner A. Galluser und Andre Schenker, Basel/ Boston/Berlin 1992, S. 50.
  49. Vgl. Schwabe: Das große Werk der Rheinkorrektion, S. 50.
  50. Vgl. Meurer: Wasserbau und Wasserwirtschaft, S. 76-77.
  51. Vgl. Tümmers: Der Rhein, S. 147. Vgl. Blackbourn: Die Eroberung der Natur, S. 125-126.
  52. Vgl. Blackbourn: Die Eroberung der Natur, S. 143.
  53. Ebd. S. 125.
  54. Ebd. S. 125.
  55. Vgl. Blackbourn: Die Eroberung der Natur, S. 123-124.
  56. Vgl. Blackbourn: Die Eroberung der Natur, S. 124.

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Quelle: http://jbshistoryblog.de/2012/02/wilde-flusslandschaft-oder-wertvolle-kulturlandschaft-uber-die-begradigung-des-oberrheins-ii/

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Wilde Flusslandschaft oder wertvolle Kulturlandschaft? Über die Begradigung des Oberrheins (I)

Dieser Artikel widmet sich der Frage, in welchem Maße menschliche Eingriffe in vormals natürliche Flusslandschaften positive Auswirkungen aber langfristig auch negative Begleiterscheinungen hervorgerufen haben. Schon im 18. und 19. Jahrhundert fochten deutsche Wasserbauingenieure ihren Kampf um die Umsetzung ihrer Großprojekte und schon zu ihren Lebzeiten hatten sie mit Widerständen zu rechnen. Die Kritik an solchen Baumaßnahmen ist kein ein modernes Phänomen.

So diskutieren Wissenschaftler unterschiedlichster Fachrichtungen auch noch heutzutage über die Vor- und Nachteile eines schon lange umgesetzten Wasserbauprojekts, der so genannten Oberrheinkorrektion, die im 19. Jahrhundert nach den Plänen und durch die Tatkraft des badischen Wasserbauingenieurs Johann Gottfried Tulla1 erfolgte und die den Flusslauf und damit auch die Oberrheinlandschaft nachhaltig veränderte. Der Wunsch aller Kritiker an diesem Großprojekt läuft auf eine Umkehrung der damals begonnen Prozesse hinaus. Horst Tümmers vermerkt hierzu in seinem Buch „Der Rhein. Ein europäischer Fluss und seine Geschichte“: „Die Lage, die ‚vor Tulla’ bestand, die Tulla hatte bessern wollen, sucht den Oberrhein‚ nach Tulla’ wieder heim.“2 Es ist das Ziel dieses Artikels zu überprüfen, ob und inwieweit diese Kritik gerechtfertigt ist.

Erste Schritte einer „Renaturierung“ sind zwar bereits erfolgt, doch die Meinungen differieren bei den Fragen, inwieweit diese Korrektion wieder rückgängig gemacht und welche Folgeerscheinungen mit welchen Mitteln korrigiert werden sollten. Der Artikel beschäftigt sich dennoch nicht nur mit den zahlreichen Kritikpunkten am Werk Tullas, sondern auch mit den sich aus der Oberrheinbegradigung ergebenen Möglichkeiten und Errungenschaften. Sein Großprojekt soll vor dem Hintergrund weiterer Ausbaumaßnahmen und langfristiger Veränderungen der oberrheinischen Kulturlandschaft bewertet werden.

Eine wertvolle Auenlandschaft oder unkultiviertes Sumpfgebiet?

Ein Zitat Friedrich Schillers aus dem Jahre 1801 belegt, dass Deutsche schon in Zeiten vor Tullas Oberrheinkorrektion die Schönheit einer natürlichen Landschaft preisen, wohingegen eine gezähmte, der Natur entrissene Landschaft jedenfalls von Schiller als geistlos und trostlos beschrieben wird:

 Wer verweilt nicht lieber bei der geistreichen Unordnung einer natürlichen Landschaft als bei der geistlosen Regelmäßigkeit eines französischen Gartens? Wer bestaunt nicht lieber den wunderbaren Kampf zwischen Fruchtbarkeit und Zerstörung in Siciliens Fluren, weidet sein Auge nicht lieber an Schottlands wilden Katarakten und Nebelgebirgen […] als dass er in dem schnurgerechten Holland den sauren Sieg der Geduld über das trotzigste der Elemente bewundert?3

 Besonders die Kultivierung der vormals „wildschönen“ holländischen Wasser- und Sumpflandschaften scheint Schiller gestört zu haben. Negative Bemerkungen über menschliche Eingriffe in ein natürliches Ökosystem  lassen sich also schon Jahrzehnte vor der Begradigung des südlichen Rheins feststellen. Aber die unberührte Schönheit ihrer Rheinniederungen kann nicht das Hauptanliegen der Oberrheinbewohner des 19. Jahrhunderts gewesen sein.

Die Oberrheinniederungen vor der Flusskorrektion

Der Rhein
Der Rhein

Bis zur Bändigung durch Tulla floss der Oberrhein nicht durch ein einziges, festgelegtes Bett.4 Der südliche Teil der Oberrheinebene, der Abschnitt von Basel bis nach Straßburg, bildete aufgrund seiner mehrfachen Gabelung und des verästelten Flusslaufs eine Furkationszone.5 Ein Hauptarm des Flusses ist nicht zu erkennen.6  Hier grub sich der Fluss unzählige Rinnen, die durch Kies- und Sandbänke voneinander abgetrennt waren. 7 Ein Zyklus von Hoch- und Niedrigwasser schuf in Jahrtausenden ein Labyrinth von Wasserarmen und bewaldeten Inseln. 8 Insgesamt befanden sich im heutigen badischen Rheinabschnitt 2200 Inseln, die große Mehrheit zwischen Basel und Straßburg.9 Der Rhein des frühen 19. Jahrhunderts erinnert Blackbourn beim Betrachten des zeitgenössischen Gemäldes von Peter Birmann „Blick vom Isteiner Klotz rheinaufwärts gegen Basel“ an „eine Serie von Lagunen, eine ausgedehnte, verwirrende Wasserlandschaft“.10

Zwischen Straßburg und Karlsruhe ging die Furkationszone des Oberrheins langsam in eine Mäanderzone über, in der der Fluss sich in großen Schlingen und Schleifen gemächlich durch seine Ebene wand.11 „Er floss hier (zwischen Karlsruhe und Speyer) wie ein einziger Strom, doch immer noch nicht in einem einzigen Bett.“12  Sein Hauptbett wurde von beiden Seiten von den Windungen früherer Hauptrinnen flankiert, den so genannten Altwassern oder Altrheinarmen.13 Blackbourn erinnert dieses Panorama an das „wilde Haupt der Medusa“.14 An manchen Stellen und zu manchen Zeiten erstreckte sich das Flusstal in einer Breite von bis zu 40 Kilometern.15

Das Oberrheingebiet war vor den Eingriffen im 19. Jahrhundert in seinen Flussniederungen eine feuchte Auenlandschaft. 16  Diese Auen wurden periodisch überschwemmt, waren aber erfüllt von einer Vielfalt an Pflanzen- und Tierarten. 17 Die Auen wiesen Wasser-, Wald- und Sumpfgebiete auf, in denen üppig wuchernde Schlinggewächse, etliche Baumsorten, eine reiche Vogelwelt und großer Fischreichtum das Bild bestimmten.18 „Zur Besiedelung taugte das Gebiert der Rheinniederungen, der periodischen, weiträumigen Überschwemmungen wegen, (eigentlich) wenig.“19Tümmers führt kritisch an, dass der Mensch den Lebensbedingungen an den Flussniederungen eigentlich nicht gewachsen ist und trockene Standorte besiedeln sollte.20 „Solange er sich diesen Gesetzen fügte (bis zur Verwirklichung von Tullas Rheinkorrektion), blieb die Natur im Gleichgewicht und beschenkte ihn mit ihrem Reichtum“.[21.Vgl. Tümmers: Der Rhein, S. 155-156.] Aber der vom Rheinschlick bedeckte Boden ist sehr fruchtbar, und sein Fischreichtum und sein reiches Schwemmland verlockte Menschen immer wieder dazu diesen Landstreifen zu besiedeln.21 Besonders im Hochmittelalter kam es zu einer zunehmenden Besiedlung der  Rheinauen.22 Die Bevölkerungszahlen stiegen, die Siedlungsdichte nahm zu und Rodungen verschafften zusätzliches Kulturland.23 Aus kleineren Hauen- und Straßendörfern entwickelten sich Mittel- und Kleinstädte wie Breisach und Neuenburg, die sich in unmittelbarer Nähe zum Fluss befanden.24 Bedeutende mittelalterliche Städte wie Basel, Straßburg, Speyer, Worms oder Mainz liegen  am Oberrhein.25 Das oberrheinische Tiefland profitierte von seiner günstigen Lage inmitten der großen Handelsströme des Hoch- und Spätmittelalters.26 Rheinschiffer, Fuhrleute sowie die aufstrebenden Handelsstädte waren die großen Gewinner dieser Entwicklungen.27

 

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Empfohlene Zitierweise:

Dembek, Christoph (2012): Wilde Flusslandschaft oder wertvolle Kulturlandschaft? Über die Begradigung des Oberrheins (I). In: JBSHistoryBlog.de. URL: http://jbshistoryblog.de [Zugriff: DD:MM:YYYY]

 

Nachweis:

Bildquelle: Die Karte wurde erstellt von Daniel Ullrich (Threedots) und ist auf Wikipedia zu finden.

Bibliographie:

  1. Geboren 1770 in der kleinen Markgrafschaft Baden- Durlach. Studierte Mathematik, Trigonometrie und Geometrie in Karlsruhe mit praktischen Grundlagen in Mechanik, „Feldmesskunst“ und Zeichnen von Baurissen. Studierte auch Wasserbau und Hydrologie. Reiste viel, u.a nach Hamburg und Skandinavien um sich im Auftrage Badens Wissen über Wasserbauprojekte (Schleusen, Uferbefestigungen, Pumpenanlagen) anzueignen. Zudem war er noch im „Mekka aller künftiger Wasserbauingenieure“, der Niederlande. 1797 wurde er zum markgräflichen Ingenieur ernannt, zuständig für Wasserbauten am Rhein. Ab 1803 Oberingenieur; ein Jahr später war er für den gesamten Flussbau in Baden zuständig. „Bändiger des wilden Rheins“. Gestorben 1828 in Paris. Siehe hierzu: Blackbourn, David: Die Eroberung der Natur. Eine Geschichte der deutschen Landschaft, München 2006, S. 105-115.
  2. Tümmers, Horst Johannes: Der Rhein. Ein europäischer Fluss und seine Geschichte, München 1994, S. 158.
  3. Schiller, Friedrich: Kleinere prosaische Schriften von Schiller. Aus mehreren Zeitschriften vom Verfasser selbst gesammelt und verbessert, 3. Teil, Leipzig 1801, S. 27.
  4. Vgl. Blackbourn, David: Die Eroberung der Natur. Eine Geschichte der deutschen Landschaft, München 2006. S. 100.
  5. Vgl. Blackbourn, David: Die Eroberung der Natur. Eine Geschichte der deutschen Landschaft, München 2006. S. 100.
  6. Vgl. Blackbourn, David: Die Eroberung der Natur. Eine Geschichte der deutschen Landschaft, München 2006. S. 100.
  7. Vgl. Blackbourn, David: Die Eroberung der Natur. Eine Geschichte der deutschen Landschaft, München 2006. S. 100.
  8. Vgl. Blackbourn, David: Die Eroberung der Natur. Eine Geschichte der deutschen Landschaft, München 2006. S. 100.
  9. Vgl. Coch, Thomas: Einführung in den Naturraum. Zur Frage primärer Trockenstandorte in der Wildstromaue des südlichen Oberrheingebietes, in: Vom Wildstrom zur Trockenaue. Natur und Geschichte der Flusslandschaft am südlichen Oberrhein, hrsg. von der Landesanstalt für Umweltschutz Baden Württemberg, Ubstadt-Weiher 2000, S. 26.
  10. Siehe Blackbourn, David: Die Eroberung der Natur. Eine Geschichte der deutschen Landschaft, München 2006. S. 100.
  11. Vgl. Schenker; Andre: Naturraum und Auenökologie: Naturräumliche Gegebenheiten am Oberrhein, in: Die Auen am Oberrhein. Ausmaß und Perspektiven des Landschaftswandels am südlichen und mittleren Oberrhein seit 1800, hrsg. von Werner A. Galluser und Andre Schenker, Basel/ Boston/Berlin 1992, S. 5.
  12. Siehe Blackbourn: Die Eroberung der Natur, S. 100.
  13. Vgl. Blackbourn: Die Eroberung der Natur, S. 100-101.
  14. Siehe Blackbourn: Die Eroberung der Natur, S. 100-101.
  15. Ebd. S. 101.
  16. Vgl. Tümmers: Der Rhein, S. 140.
  17. Ebd. S. 140-141.
  18. Ebd. S. 141.
  19. Ebd. S. 139.
  20. Vgl. Tümmers: Der Rhein, S. 155-156.
  21. Ebd. S. 139-141.
  22. Vgl. Schwabe, Erich: Mensch und Oberrhein. Besiedlungsgeschichte, in: Die Auen am Oberrhein. Ausmaß und Perspektiven des Landschaftswandels am südlichen und mittleren Oberrhein seit 1800, hrsg. von Werner A. Galluser und Andre Schenker, Basel/ Boston/Berlin 1992, S. 43.
  23. Vgl. Schwabe: Mensch und Oberrhein. Besiedlungsgeschichte, S. 43.
  24. Ebd. S. 43 u. S. 46.
  25. Ebd. S. 43.
  26. Ebd. S. 46.
  27. Ebd. S. 46.

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Quelle: http://jbshistoryblog.de/2012/02/wilde-flusslandschaft-oder-wertvolle-kulturlandschaft-uber-die-begradigung-des-oberrheins-i/

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H-Soz-u-Kult Chancen-Digest Nr. 3/2011: Ausgewählte Job- und Stipendienangebote 01.10.-31.10.2011

From: Edvin Pezo Date: 17.10.2011 Subject: Job: 0,5 Wiss. Mitarb. "Migrationen in Südost- und Osteuropa" (SOI Regensburg) Südost-Institut, Regensburg, 01.11.2011 Bewerbungsschluss: 14.11.2011 http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/chancen/type=stellen&id=6554 :::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::: From: Brigitte Flug Date: 28.10.2011 Subject: Job: 0,5 Lehrkraft für bes. Aufgaben "Alte Geschichte" (Univ. Bochum) Ruhr-Universität Bochum, Bochum, 01.04.2012-31.03.2014 Bewerbungsschluss: 18.11.2011 http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/chancen/type=stellen&id=6592 :::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::: From: Harriet Rudolph Date: 28.10.2011 Subject: Job: [...]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2011/10/2018/

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