Walker Evans. Ein Lebenswerk

Walker Evans: Pabst Blue Ribbon Sign, Chicago, Illinois, 1946. Das Foto erschien 1947 im Wirtschaftsmagazin Fortune in dem Artikel „Chicago. A Camera Exploration”
Ausstellung "Walker Evans. Ein Lebenswerk" im Martin-Gropius-Bau

Ausstellung „Walker Evans. Ein Lebenswerk“ im Martin-Gropius-Bau

„Du beginnst mit deiner Kamera Menschen auszuwählen. Das ist zwanghaft, und man kann es nicht stoppen. Ich denke, alle Künstler sind Sammler von Bildern.“ (Art in America, März-April 1971: Interview with Walker Evans by Leslie Katz)

Der US-Amerikaner Walker Evans (1903-1975) kam über Umwege nach einem abgebrochenen Literaturstudium Ende der 1920er-Jahre in New York zur Fotografie. Das Wirtschaftsmagazin „Fortune“ publizierte ab 1934 über 400 Bilder von Evans in 45 Artikeln und beschäftigte ihn von 1945 bis 1965 als Bildredakteur und Fotografen. Seine frühen Fotoserien zur Viktorianischen Architektur und Bilder von Auftragsreisen nach Tahiti und Kuba fanden große Beachtung, sodass 1938 die erste monografische Ausstellung des Museum of Modern Arts zu „Walker Evans: American Photographs“ in New York stattfand.

Walker Evans: Pabst Blue Ribbon Sign, Chicago, Illinois, 1946.

Walker Evans: Pabst Blue Ribbon Sign, Chicago, Illinois, 1946.

 

Walker Evans nahm eine Vorreiterrolle in der Fotografie des „dokumentarischen Stils“ ein, die sich durch Zurückhaltung und ein Gespür für nicht inszenierte Posen auszeichnet. Insbesondere viele Fotografen der 1960er- und 70er-Jahre wie Helen Levitt, Robert Frank, Diane Arbus und Lee Friedlander wurden durch ihn stark beeinflusst.

Die Ausstellung „Walker Evans. Ein Lebenswerk“ zeigt 200 Originalabzüge des Fotografen von 1928 bis 1974 und ist vom 25. Juli bis zum 9. November 2014 im Martin-Gropius Bau in Berlin zu besuchen. Sie wird im Rahmen des Europäischen Monats der Fotografie von den Berliner Festspielen gezeigt und wurde von der Photographischen Sammlung der SK Stiftung Kultur, Köln, bereitgestellt.

Der amerikanische Kunsthistoriker und ehemalige Kurator am Cincinnati Art Museum James Crump präsentiert in der Ausstellung die Anfänge und Entwicklungen in Evans Karriere und zeigt neben den Höhepunkten auch unveröffentlichte Arbeiten. Diese erste große Retrospektive von Walker Evans in Deutschland war 2013 schon in Köln, Linz und Amsterdam und ist nun in Berlin zu sehen. Der Direktor des Martin-Gropius-Baus Gereon Sievernich sprach bei der Eröffnung von einem „Traumprojekt“ und erwähnte in diesem Zusammenhang besonders die Förderung durch den Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV).

Nach Walker Evans Tod 1975 übernahmen das Metropolitan Museum of Art und das Getty Museum die Nachlassverwaltung, wozu u.a. Korrespondenzen und Sammlungen von Postkartenansichten, Werbung und Reklameschilder gehören. Die Fotos der Ausstellung stammen aus der Privatsammlung von Clark und Joan Worswick, der Sammlung Ulla und Kurt Bartenbach aus Köln sowie aus der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln und dem Ibero-Amerikanischen Institut Preußischer Kulturbesitz aus Berlin. Um sein Werk aus insgesamt 46 Arbeitsjahren zu erhalten, hat die Familie Worswick seit 1976 Evans Originalabzüge gesammelt, die bereits seit 1974 von ihm an Kunsthändler verkauft worden sind.

Walker Evans: Façade of House with Large Numbers, Denver, Colorado, August 1967

Walker Evans: Façade of House with Large Numbers, Denver, Colorado, August 1967

Die Ausstellung zeigt neben den fotografischen Anfängen in New York Ende der 1920er-Jahre auch die Fotoserie, die den Verfall der Viktorianischen Architektur dokumentiert und so einen langsam verschwindenden amerikanischen Lebensstil zeigt.

Evans sachliche Aufnahmetechnik kommt insbesondere in den Schwarz-Weiß-Aufnahmen seiner botanischen Studien, der Serie „Beauties of the Common Tool“ (1955, Fortune) und den Fotos zur „African Negro Art“ im MoMA von 1935 zur Geltung. Weitere Fotoaufträge realisierte er in den 1930ern auf einer Kreuzfahrt nach Tahiti, bei der auch sein einziger Film „Travel Notes“ entstand. Während seiner dreiwöchigen Kubareise im Auftrag des Verlegers J.B. Lippincott machte er 31 Fotos, die im Buch „The Crime of Cuba“ von Carleton Beals 1933 erschienen. Er fotografierte die Alltagskultur und Atmosphäre Havannas mit unverfälschtem Blick auf das echte Straßenleben.

Walker Evans: Girl In French Quarter, New Orleans, Februar - März 1935

Walker Evans: Girl In French Quarter, New Orleans, Februar – März 1935

Im Auftrag der Resettlement Administration, später Farm Security Administration, entstand sein umfangreichstes Werk mit über 200.000 Bildern, die zum Thema Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrise der 1930er-Jahre den Status von Ikonen erlangten. Von 1935 bis 1937 reiste Evans in den Süden der USA und fotografierte neben neuklassizistischer Architektur auch lebensnahe Porträts. Anlässlich Roosevelts „New Deal“ sollte eine fotografische Dokumentation der sozialen und wirtschaftlichen Lebensumstände gerade auf dem Land nach der „Großen Depression“ entstehen.

Walker Evans: Barn, Nova Scotia, 1969 – 1971

Walker Evans: Barn, Nova Scotia, 1969 – 1971

Zu den Motiven gehörten Wohngebiete, Fabriken, Scheunen, Friedhöfe, einfache Behausungen der Handwerker und Bergleute, Straßenfeste, Interieurs, Siedlungen und Straßenszenen in den Bundesstaaten Louisiana, Georgia, Massachusetts, Mississippi, Alabama, West Virginia und Florida. Die Fotos vermitteln nicht nur die Not und Armut der Bevölkerung, sondern dokumentieren vorwiegend ihr Alltagsleben, die ländlichen Traditionen und die Atmosphäre, die bis heute das amerikanische Bildgedächtnis an die „Große Depression“ prägen. In diesem Zusammenhang entstanden die Buchpublikationen „Let Us Now Praise Famous Men“ (mit dem Schriftsteller James Agee) von 1941 und „Many Are Called“ von 1966.

Zu Evans weiteren Arbeiten zählen die Subway-Porträts von 1938. Walker Evans fotografierte mithilfe einer 35mm-Contax Knopflochkamera und einem Drahtauslöser am Ärmel die Passanten in der New Yorker U-Bahn. Die Motive und Fahrgäste wirken nachdenklich, introvertiert und träumerisch. Seine Polaroids aus den 1970er-Jahren sind leider nicht im Martin-Gropius-Bau ausgestellt. Sie zeigen vor allem Evans Leidenschaft für Werbe- und Reklameschilder. Walker Evans Karriere spiegelt somit neben der ständigen Präsenz bestimmter Themen, wie Arbeitslosigkeit, Architektur und Amerikas Süden, auch eine Interessenerweiterung wider, die im Martin-Gropius-Bau in drei Ausstellungsräumen neu entdeckt werden kann.

 

Pressekonferenz zur Ausstellungseröffnung "Walker Evans. Ein Lebenswerk" im Martin-Gropius-Bau

Pressekonferenz zur Ausstellungseröffnung “Walker Evans. Ein Lebenswerk” im Martin-Gropius-Bau

Ausstellung "Walker Evans. Ein Lebenswerk" im Martin-Gropius-Bau

Ausstellung “Walker Evans. Ein Lebenswerk” im Martin-Gropius-Bau

 

Kurzbiografie

1903 Geboren in St. Louis, Missouri, USA

1922-1924 Phillips Academy, Andover, und Williams College, Williamstown, Arbeit in der NY Public Library

1926 Paris-Aufenthalt, erste Fotografien

1928-1930 New York, erste Veröffentlichungen in „The Bridge“ von Hart Crane

1931 Serie über Viktorianische Häuser

1932 Schiffsreise nach Tahiti

1933/34  Reise nach Kuba und Fotos für das Buch „The Crime of Cuba“ (1933) von Carleton Beals. Erster Auftrag für das Wirtschaftsmagazin „Fortune“. Das MoMA zeigt die Ausstellung „Photographs of the 19th-Century Houses” mit 39 Evans-Fotografien

1935-1937 Kooperation mit der Resettlement Administration/Farm Security Administration (FSA)

1939 Retrospektive „Walker Evans. American Photographs“ im MoMA (nochmal 1962). Porträts von Fahrgästen in der New Yorker Subway

1940/41 Buch-Publikation „Let Us Now Praise Famous Men“ über drei Pächterfamilien in Alabama mit Texten von James Agee und Evans Fotos von 1936 aus Hale County

1945-1965 Anstellung bei dem Wirtschaftsmagazin „Fortune“

1947 Retrospektive im Art Institute of Chicago

1964/65-1972 Professur für Graphic Design, Yale University, New Haven

1966 Buch „Many Are Called“ und Portfolio „Message from the Interior“. MoMA-Ausstellung „Walker Evans. Subway Photographs“

1969 Fotografiert bei Robert Frank in Nova Scotia, Kanada

1971-1973 Retrospektive im MoMA und Wanderausstellung. Fotos mit Polaroid SX-70

1975 Verkauf der Abzüge. Tod in New Haven, Connecticut

 

 

Walker Evans. Ein Lebenswerk

Ausstellung im Martin-Gropius-Bau

25. Juli-9. November 2014

 

Veranstalter: Berliner Festspiele. Eine Ausstellung der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur, Köln, aus der Sammlung von Joan und Clark Worswick. Gefördert durch den Sparkassen-Kulturfonds des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, die Berliner Sparkasse und die Sparkasse Köln-Bonn. Im Rahmen des Europäischen Monats der Fotografie Berlin.
Kurator: James Crump

 

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/09/30/walker-evans-ein-lebenswerk/

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Zusammen sind wir trotzdem noch allein

Finding Vivian Maier USA 2013, Drehbuch & Regie: John Maloof, Charlie Siskel, Kamera: John Maloof
Finding Vivian Maier USA 2013, Drehbuch & Regie: John Maloof, Charlie Siskel, Kamera: John Maloof

Finding Vivian Maier
USA 2013, Drehbuch & Regie: John Maloof, Charlie Siskel, Kamera: John Maloof

Kairos ist ein Nebendarsteller im olympischen Spektakel griechischer Mythologie. Er ist der „Gott des glücklichen Moments“. Dargestellt mit einer unübersehbaren Stirnlocke, die es zu ergreifen gilt in dem einen, dem richtigen Moment.

Diesem jüngsten Sohn des Zeus begegnete der Immobilienmakler und Hobbyhistoriker John Maloof im Jahr 2007. Und er traf die richtige Entscheidung im unwiederbringlich richtigen Moment. Für den Preis von 380 Dollar ersteigerte er in einem Chicagoer Auktionshaus mehrere Kartons voller Negative. Erhofft hatte er sich Bilder über sein Chicagoer Stadtviertel Portage Park für eine Chronik dieses Teils der Stadt, an der er gerade arbeitete. Gefunden hat er Fotografien aus den Jahren 1950 bis weit in die 1990er-Jahre von einer ihm unbekannten Fotografin: Vivian Maier.

Maloof konnte, nachdem er festgestellt hatte, dass die Negative für seinen Zweck nicht brauchbar waren, zunächst nichts mit den Kisten anfangen. Er versuchte dennoch, die Fotografin ausfindig zu machen. Aufgrund der Professionalität der Fotos ging er davon aus, dass es sich um eine Journalistin oder eine Fotografin handeln müsse. Seine Suche blieb erfolglos, was ihn in höchstes Erstaunen versetzte: Offenbar gibt es Menschen, die in unserer durchgescannten Welt keine Spuren hinterlassen. Selbst der von ihm engagierte Genealoge fand nur dünne Einträge in Geburten- und Sterberegistern. Erst 2009 brachte ihn die Anzeige ihres Todes schließlich auf die kaum sichtbaren Spuren, die sie hinterlassen hat. Von nun an sollte der Immobilienmakler John Maloof zum obsessiven Nachlassverwalter einer völlig unbekannten Frau werden, von der lediglich Kisten voller Negative überliefert waren.

Von der akribischen Suche nach der Fotografin Vivian Maier erzählt die Dokumentation „Finding Vivian Maier“, die Maloof gemeinsam mit seinem Mitstreiter Charlie Siskel im Jahr 2013 produzierte.

Maier, die 1926 in New York geboren wurde, hatte eine französische Mutter und einen österreichischen Vater, der die Familie jedoch früh verließ. Sie sprach fließend Französisch, da es bis zu ihrem vierzehnten Lebensjahr immer wieder längere Aufenthalte in Frankreich gab. Dort lebte sie mit ihrer Mutter in jenem Ort, aus dem die Familie stammte: Saint-Bonnet-en Champsaur im Südosten des Landes. So malerisch das 250-Seelen-Dorf im Film auch erscheint, in ihrer Familiengeschichte spiegelt sich dies nicht. Die Familienmitglieder hatten keinen Kontakt untereinander. Maiers Tante vererbte ihr kleines Vermögen einer Freundin, und keinem der Verwandten, mit den testamentarisch verbrieften Worten, dass alle sicher wüssten, warum sie dies täte.

Im Jahr 1940 kehrte die Familie endgültig in die USA zurück. Maier musste früh zum Lebensunterhalt der Familie beitragen und tat dies zunächst in den kleinen Hinterhoffabriken Chicagos. Da sie jedoch das Eingesperrtsein in den stickigen Räumen der Manufakturen hasste, begann sie als junge Frau in den Mittelklassevororten der Stadt als Kindermädchen zu arbeiten – eigentlich viel zu intelligent für die Arbeit in der Küche und im Kinderzimmer. Zumindest zeitweise jedoch liebte Maier ihre Arbeit. Sie konnte sich mit den Kindern relativ frei bewegen und war, wie die nun Erwachsenen sich noch immer entnervt erinnern, immer draußen, den ganzen Tag. Wenn nicht in der Natur, so in den heruntergekommenen Vierteln der Stadt, um das zu tun, was sie, nach Aussage der Kinder, immer tat: fotografieren.

Die von ihr betreuten ehemaligen Schützlinge kommen im Film zu Wort, mit durchaus widerstreitenden Meinungen über ihre extrem eigensinnige Nanny. Die Erinnerungen reichen hier von einer Person, die, trotz aller Strenge, eine Atmosphäre von Abenteuer, Lebenslust und Freiheit verbreitete, bis hin zu jenen, die von, wenn auch zeitgemäßer, tiefschwarzer Pädagogik sprechen.

Was wir dank der leidenschaftlichen, nahezu manischen Recherche Maloofs sicher wissen, ist, dass Vivian Maier kaum je ohne Kamera anzutreffen war. Lange Zeit war dies eine Rolleiflex, mit der es gelang, bei geringstmöglicher Aufmerksamkeit der Porträtierten nah und unauffällig an ihre Objekte heranzukommen. Die „Rollei“ ermöglichte eine Form der Fotoarbeit, die heute nicht mehr vorstellbar ist: Die Fotografin schaut nach unten in das Objektiv, schaut somit nicht direkt auf den Bildausschnitt, auf die Person, die sie fotografieren will, und hat keine Kamera vor dem Gesicht. So kommt zum einen die starke Untersicht vieler ihrer Porträts zustande, zum andern lässt sich so auch die Unbefangenheit der Porträtierten erklären.

Vivian Maier selbst sorgte mit großer Energie dafür, dass sie kaum Spuren hinterließ. So verleugnete sie nicht selten ihren Namen oder änderte ständig dessen Schreibweise. Sie wechselte häufiger ihre Stelle als Kindermädchen. Mag sein, dass dies üblich war. Ihre Arbeitgeber berichten jedoch auch von ihrem exzentrischen Wesen. Davon, dass sie mit ihren Fotoboxen, von denen niemand wusste, dass es sich um Fotoboxen handelte, ganze Garagen zustellte, dass sie schwere Schlösser an ihre Privaträume anbringen ließ und sie zu verbotenen Zonen erklärte, dass sie Tonnen von Zeitungen hortete – dass sie ein Messie war. Offenbar wussten wohl meist nur die Kinder, dass sie fotografierte und dass sie dies ständig tat.

Der Film zeigt, wie viel Maloof daran liegt, die Person Maiers zu entschlüsseln, derjenige zu sein, dem es gelingt, und sei es postum, die Frau kennenzulernen, die nach Meinung einiger Kunstkritiker zu den ganz Großen der Street Photography gehört. In zum Teil atemberaubenden Schnitten stellt Maloof Arbeitgeber und Bekannte Maiers mit völlig widersprüchlichen Erzählungen zu ihrer Person gegenüber. So beschämt uns beispielsweise die Arroganz des Linguisten, bei dem Maier Abendkurse besuchte, wenn er behauptet, Maier hätte ihren französischen Akzent nur gefakt. Andere erklären, Maier sei mindestens zwei Meter groß gewesen, sie hätte sich gekleidet, wie es in den zwanziger Jahren Mode war, und den Stechschritt eines „german nazi“ gehabt. Mit Wärme sprach kaum jemand über sie, mit Respekt ihrer Exzentrik und Eigenheit gegenüber alle. Einig war man sich darin, dass sie ein unfassbar einsamer Mensch gewesen sein muss. Einsam meint: keine Freunde, keine Verwandten, keinen Liebhaber, kein Kind – keinen Anruf.

Von den Einsamen geht eine Faszination aus, vor allem dann, wenn diese Einsamkeit frei gewählt und mit Vehemenz verteidigt wird – diese Faszination steigert sich ins Mythische, wenn die Einsamen ein Werk hinterlassen, das uns staunen lässt. So wie es die Bilder Maiers tun. Die Sammlung ihrer Werke, die Maloof sukzessive aufgekauft hat, umfasst schätzungsweise 100.000 Negative, 20.000 Farbdias, 3000 Abzüge, Film- und Tonaufnahmen.[1]

Ausstellung der Werke Vivian Maiers in München, 2011 (Foto: Thomas Leuthard/flickr)

Ausstellung der Werke Vivian Maiers in München, 2011 (Foto: Thomas Leuthard/flickr)

Wenn heute von ihren Arbeiten die Rede ist, fällt regelmäßig der Name Cartier-Bresson und sein Credo vom „richtigen Moment“. Denn das ist es, was Maiers Bilder so besonders macht und sie in eine Reihe mit Helen Levitt, Diane Arbus, Alfred Eisenstaedt oder Elliott Erwitt stellt, die Fähigkeit den richtigen Moment zu erwischen.[2]

Der Film von Maloof und Siskel ist, wie Bert Rebhandel in der FAZ[3] treffend feststellte, nicht der richtige Ort, um über den Rang und die Bedeutung der Fotografin Vivian Maier zu urteilen. Die Bilder laufen zu ungestüm über den Bildschirm, es bleibt kaum Zeit, sie zu betrachten. Aber dass Vivian Maier eine begnadete Fotografin war, deren Unsichtbarkeit weitaus umfassender war als nur ein verheimlichter Name und ein verschlossenes Zimmer, dies wird im Film sehr deutlich.

Sieht man sich ihre Bilder genauer an – der von Maloof im Jahr 2011 herausgegebene Bildband[4] macht dies möglich –, erkennt man zunächst, dass sie in der Tat das war, was der Kunsthistoriker im Film behauptet: „She was a genuine shooter“ und „She had a great eye“. Auf den zweiten Blick erkennt man ein imaginäres Wasserzeichen auf fast jedem ihrer Bilder. Der Subtext dieses Zeichens lautet: Egal wie groß die Stadt ist, in der wir uns bewegen, egal wie viele Menschen neben uns sind, selbst wenn jemand unsere Hand nimmt – es nützt nichts, der Mensch ist ein einsames Tier.

 

Finding Vivian Maier
USA 2013, Drehbuch & Regie: John Maloof, Charlie Siskel, Kamera: John Maloof,
100 Minuten, Farbe & Schwarz-Weiß

[1] Christoph Gunkel, Das Kindermädchen mit der Kamera, in: Spiegel-online, 25.1.2011 (30.6.2014).

[2] Andrea Diener, Von ihrem Leben blieb nur ihr Blick auf die Welt, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.8.2010, Nr. 187, S. Z3 (Bilder und Zeiten).

[3] Bert Rebhandel, Das Kindermädchen mit der Kamera. Der Regisseur John Maloof kauft auf dem Flohmarkt eine Schachtel Negative, macht sich auf die Suche nach der Fotografin und findet Vivian Maier: eine Frau, die noch immer Rätsel aufgibt, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 22.4.2014, Nr. 25, S. 42.

[4] John Maloof, Vivian Maier. Street Photographer, München 2011.

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/07/08/zusammen-sind-wir-trotzdem-noch-allein/

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Bilderkrieger, oder: Wer fotografiert den Krieg?

Bilderkrieger Cover

 

„Mein Arbeitsplatz ist sicher, denn diese Typen – sie werden niemals aufhören zu kämpfen. Ich würde aufhören, wenn das nur ein Job wäre. Aber es ist eine Art zu leben.“

 

Michael Kamber, Bilderkrieger. Von jenen, die ausziehen, uns die Augen zu öffnen. Kriegsfotografen erzählen, Ankerherz Verlag 2013

Michael Kamber, Bilderkrieger. Von jenen, die ausziehen, uns die Augen zu öffnen. Kriegsfotografen erzählen, Ankerherz Verlag 2013

Was der französische Kriegsfotograf Patrick Chauvel hier zum Ausdruck bringt, würden viele seiner Kollegen sicher unterschreiben. Wer einmal angefangen hat, Krieg zu fotografieren, kommt davon oft nicht mehr los – so zumindest berichten es viele der in diesem Band vertretenen Fotografinnen und Fotografen. Der von Michael Kamber zusammengestellte Band enthält 21 Gespräche mit 15 Männern und fünf Frauen, die in Kriegen von Vietnam bis Afghanistan fotografierten (Joao Silva ist mit zwei Gesprächen vertreten).

Eingeteilt sind die Gespräche in die Komplexe „Mission“, „Krieg“ und „Narben“. Überwiegend handelt es sich dabei um bereinigte Transkriptionen von Interviews, in zwei Fällen (Francesco Zizola und Don McCullin) um Erinnerungsprotokolle von Gesprächen, die nicht aufgezeichnet wurden. Die hier besprochene Ausgabe ist eine Übersetzung des bei University of Texas Press ebenfalls 2013 erschienenen Buches  Photojournalists on War – The Untold Stories from Iraq. Die einzelnen Beiträge sind zwischen 5 und 12 Seiten lang und schließen jeweils mit einer einzelnen doppelseitigen Abbildung aus dem Werk des Fotografen. Am Ende findet sich zudem ein visueller Epilog, der aus neun Fotografien von Personen besteht, die im Interviewteil nicht vertreten sind.

Aus den Interviews geht hervor, wie unterschiedlich die einzelnen Kriegsfotografen arbeiteten und noch arbeiten. Gleichwohl bilden sich auch bestimmte Muster heraus, die immer wiederkehren und so dazu beitragen, einen „idealtypischen“ Kriegsfotografen entstehen zu lassen, den man etwa so beschreiben könnte: Am Anfang steht zwar keine Ausbildung, aber die Überzeugung, dass es eine moralische Verpflichtung gibt, das vom Krieg verursachte Leid zu dokumentieren und der Weltöffentlichkeit zu zeigen, und zwar unabhängig davon, ob sich die Weltöffentlichkeit dafür auch interessiert oder nicht – letzteres sei nämlich häufig der Fall. Partei ergreifen die Fotografen selten für einen Krieg führenden Staat oder eine Gruppe im Bürgerkrieg; Partei ergreifen sie aber sehr wohl für die leidende Zivilbevölkerung. Dass sie selbst sich dabei in Lebensgefahr begeben, nehmen sie billigend in Kauf. Angst empfinden sie, fühlen sich jedoch entweder verpflichtet, diese in den Griff zu bekommen, oder genießen auch den Adrenalinkick, den die Gefahrensituation auslöst. Sie sind extrem genügsam, untereinander gut vernetzt und haben entweder keine Familie oder sind geschieden.

So weit bestätigen sie frühere Aussagen von Kriegsfotografen, die es in großer Zahl gibt und die stets um die gleichen Themen kreisen. Dennoch sind die Interviews spannend zu lesen und da besonders eindrücklich, wo die Protagonisten ihre eigene Verstrickung in das Geschehen beschreiben: Manche leiden, wie Soldaten, unter posttraumatischem Stresssyndrom, manche haben Schuldgefühle, weil sie Mitmenschen in Gefahr bringen oder befürchten, dass die Präsenz der Kamera Gewalttaten auch auslösen (statt verhindern) kann.

Zudem kommen auch einige Fotografen zu Wort, die nicht den Krieg selbst, sondern seine Folgen dokumentieren, sei es im Zusammenhang mit der Benachrichtigung der Angehörigen von gefallenen Soldaten, sei es im Kontext der Rehabilitation Schwerverletzter, die von der Öffentlichkeit gern vergessen werden. Diese Fotografen bilden ein gutes Gegengewicht zum Typ Gefahrensucher, als der die meisten Kriegsfotografen erscheinen – mitunter allerdings wohl auch zu Unrecht. Schließlich erklären alle hier vertretenen Fotografen, dass Vorsicht, Erfahrung, vernünftiges Abwägen von Risiken und eine gute Vernetzung ausschlaggebender für den Erfolg seien als blindes Draufgängertum.

Eine historische Einordnung der Kriegsfotografie in die Geschichte des 20. Jahrhunderts nimmt der Herausgeber nicht vor – und das ist auch gut so, gibt es doch schon reichlich Literatur zum Thema. Besonders beeindruckend ist indes die Auswahl der im Band abgedruckten Fotografien, die zum Teil schon durch die Medien gingen, darunter Anja Niedringhaus’ Foto eines U.S. Marine im Irak, der eine GI Joe Figur – also eine Art militärischen Ken – im Rucksack trägt; dieses Bild gewann als Teil einer Serie einen Pulitzer-Preis für Fotografie. (Anja Niedringhaus wurde am 4. April 2014 – weniger als ein Jahr nach Erscheinen des Buches – bei der Ausübung ihrer journalistischen Tätigkeit in Afghanistan erschossen; eine kanadische Kollegin überlebte schwer verletzt.) Andere Fotografien – wie das von Ashley Gilbertson aus einem Hubschrauber aufgenommene Bild des Camp Lima im Irak, in dem polnische Soldaten eben ein Sonnenbad nehmen, sind vielfach unbekannt. Angesichts der Tatsache, dass im Textteil eher wiederholt eine Inflation der Bilder als ein Mangel an Bildern beklagt wird, ist die Zurückhaltung bei der Bildauswahl und die Beschränkung auf einige herausragende Aufnahmen ebenso konsequent wie überzeugend. Das Buch ist mit Fadenheftung, Lesebändchen und guter Druckqualität handwerklich sehr schön gemacht. Aktuell wird es wohl noch lange bleiben.

Michael Kamber, Bilderkrieger. Von jenen, die ausziehen, uns die Augen zu öffnen. Kriegsfotografen erzählen, Hollenstedt: Ankerherz 2013, 287 Seiten mit zum Teil farbigen Abbildungen, ISBN 978-3-940138-44-6, € 29,90 (D); € 30,70 (A); CHF 45,00

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/06/30/bilderkrieger-oder-wer-fotografiert-den-krieg/

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Hans Richter im Martin-Gropius-Bau

Hans Richter: Vormittagsspuk, 1928
Hans Richter: Vormittagsspuk, 1928

Hans Richter: Vormittagsspuk, 1928
s/w, 35mm, ca. 7 Min.

Hans Richters (1888-1976) künstlerisches Lebenswerk ist unglaublich vielfältig. Er war Expressionist, Dadaist, Konstruktivist, Filmpionier und vor allem Avantgardist, und er gilt damit als einer der bedeutendsten Protagonisten der Moderne. Vor allem beeindruckt seine die einzelnen Disziplinen übergreifende Arbeitsweise sowie die Zusammenarbeit mit internationalen Künstlern. Darin sah Richter überhaupt das größte künstlerische Potenzial. Der Berliner Hans Richter war ein Multimedialist und „Networker“, bevor diese Begriffe überhaupt erfunden wurden.

Hans Richter, Sergei Eisenstein und Man Ray, Paris, 1929

Hans Richter, Sergei Eisenstein und Man Ray, Paris, 1929

Ohne Zweifel gehört Hans Richter zu den größten Avantgardisten des 20. Jahrhunderts. Die Verbindung von Film und Kunst ist sein großes Thema. Geboren 1888 in Berlin, studiert er anfangs an der Hochschule der Künste in Berlin und später in Weimar. In den 1910er-Jahren wendet sich Hans Richter zunächst dem Kubismus und Expressionismus zu, bevor er schließlich 1916 nach Zürich geht und zusammen mit Tristan Tzara, Hans Arp und anderen zu den Begründern der Dada-Bewegung wird. Einschneidend geprägt durch die eigenen Kriegserlebnisse, entstehen ab 1918 zusammen mit Viking Eggeling erste filmische Experimente. Beide Künstler träumen von einer universalen Filmsprache, um pazifistisches Denken in die menschliche Gesellschaft zu bringen.

In den folgenden Jahren arbeitet Hans Richter sehr viel im Bereich des damals neuen Mediums Film. Er experimentiert weiter und veröffentlicht einige bedeutsame Werke. Sein Film „Rhythmus 21“ aus dem Jahre 1921 gilt heute als Klassiker des abstrakten Films. Richter fungiert auch als Kurator der Filmsektion bei der berühmten Ausstellung FiFo (Film und Foto), die 1929 im Martin-Gropius-Bau (damals ehemaliges Kunstgewerbemuseum Berlin) gezeigt wird. Mit über 60 Stummfilmen und mehr als 1000 Fotos gehört diese Ausstellung zu den Meilensteinen der Film- und Fotogeschichte.

Zum Zeitpunkt der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten befindet sich Hans Richter aufgrund von Filmarbeiten in Moskau, sodass er die Verwüstung seiner Berliner Wohnung nicht miterleben muss. Er kehrt nicht mehr nach Deutschland zurück und flüchtet über die Niederlande und die Schweiz schließlich in die USA. Während dieser Zeit dreht Richter diverse Werbefilme, um sich finanziell über Wasser zu halten. In Deutschland verfemt – seine Kunstwerke sind Teil der Ausstellung „Entartete Kunst“ –, beginnt der Künstler in den Vereinigten Staaten ein neues Leben. 1942 wird Richter Lehrer am „Institute of Film Techniques“ in New York. Etwa zur gleichen Zeit fängt er nach 15 Jahren wieder an zu malen. Seine großen Rollbilder, „Stalingrad“, „Invasion“ und „Befreiung von Paris“, sind mittlerweile Ikonen der Kunstgeschichte. Seine erste große Ausstellung in den USA kann Hans Richter 1946 im Guggenheim Museum zeigen. Sein vielleicht berühmtestes Werk, der Episodenfilm „Dreams that Money can buy“, entstand in den Jahren 1944 bis 1947. Außer Richter selbst wirken darin fünf weitere Künstlerikonen des 20. Jahrhunderts mit: Man Ray, Marcel Duchamp, Max Ernst, Fernand Léger und Alexander Calder.

Hans Richter: Stalingrad (Sieg im Osten), 1943-1946 Tempera, Collage auf Papier über Leinwand, 94 x 512 cm

Hans Richter: Stalingrad (Sieg im Osten), 1943-1946
Tempera, Collage auf Papier über Leinwand, 94 x 512 cm

In den 1950er-Jahren reist Richter erstmals wieder nach Europa und Deutschland. Teile seiner von den Nationalsozialisten geraubten Kunstsammlung erhält er zurück, und das Werk Richters bekommt nun die ihm gebührende Aufmerksamkeit auch in Europa. Zahlreiche Ausstellungen spiegeln die Produktivität des Künstlers in den fünfziger und sechziger Jahren wider. In dieser Zeit entstehen vor allem Collagen durch eine ihm ganz eigene Technik. Darüber hinaus veröffentlicht er einige Schriften wie zum Beispiel „Dada – Kunst und Antikunst: Der Beitrag Dadas zur Kunst des 20. Jahrhunderts“. Dem Künstler werden in Deutschland nun einige Ehren zuteil. 1971 wird er Mitglied der Berliner Akademie der Künste, und er erhält das Filmband in Gold. 1976 stirbt Hans Richter in der Schweiz. Drei Jahre vor seinem Tod entsteht sein Buch mit Briefen, Dokumenten und Erinnerungen „Begegnungen von Dada bis heute“.

Hans Richter: Nicht Hand noch Fuß (Neither Hand nor Foot), 1955/56

Hans Richter: Nicht Hand noch Fuß (Neither Hand nor Foot), 1955/56
Farbe und Collage auf Holz (mit Türklingel) 41,9 x 46,4 cm

Einen passenderen Titel hätten die Verantwortlichen der Ausstellung im Martin-Gropius-Bau kaum wählen können. Richter selbst sah die Entfaltungsmöglichkeiten seiner Kunst am stärksten in der Zusammenarbeit mit anderen kreativen Wegbereitern seiner Zeit gegeben. In diesen Begegnungen manifestierte sich der Wunsch vieler Künstler der Moderne, gemeinschaftlich an der Entwicklung einer besseren Gesellschaft zu arbeiten. Während seiner fast 70 Jahre andauernden künstlerischen Tätigkeit übernahm Hans Richter viele unterschiedliche Funktionen – er war Maler, Regisseur, Mitarbeiter, Organisator, Ideengeber und Vermittler. Richter wechselte ständig zwischen den Medien Zeichnung, Grafik, Malerei und Film. Manchmal griff er Ideen und Lösungen eines Mediums auf, übertrug sie auf ein anderes und formte dieses somit wieder neu.

Seine Heimatstadt Berlin widmet diesem großen Künstler nun erstmals seit den 1980er-Jahren wieder eine Ausstellung. Der Martin-Gropius-Bau hat in Zusammenarbeit mit dem Los Angeles County Museum of Art und dem Centre Pompidou Metz eine Ausstellung konzipiert, welche die gesamte Bandbreite des künstlerischen Schaffens Hans Richters präsentiert. In zehn Kapiteln stellt die Ausstellung das umfangreiche künstlerische Werk vor: frühe Porträts, Krieg und Revolution, Dada, Richter und Eggeling, Zeitschrift „G“, Malewitsch und Richter, Film und Foto (FiFo), Malerei, Serien, Auseinandersetzung mit dem Gegenstand.

Viking Eggeling, John Cage, Marcel Duchamp, Sergej Eisenstein und viele andere arbeiteten mit Richter zusammen, und so sind in der Ausstellung auch 50 Arbeiten von Weggefährten beziehungsweise Künstlern, die von Hans Richter beeinflusst wurden, zu sehen. Kuratiert wurde sie von Timothy Benson, der auf der Pressekonferenz zur Ausstellungseröffnung, wie auch der Direktor des Gropius-Baus Gereon Sievernich, die ausgesprochen gute und fruchtbare Kooperation betonte. Das Ergebnis dieser internationalen Zusammenarbeit, die wohl ganz im Sinne Hans Richters gewesen wäre, ist noch bis zum 30. Juni 2014 im Martin-Gropius-Bau in Berlin zu bewundern.

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/04/28/hans-richter-im-martin-gropius-bau/

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Aby Warburg und die Bilder

Eva Schmidt (Hg.): Lieber Aby Warburg, was tun mit Bildern? Vom Umgang mit fotografischem Material. Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung, Heidelberg: Kehrer Verlag, 2012, 15,5 x 23 cm, 380 Seiten, broschiert, 192 Abb. in Farbe., Deutsch/Englisch, 36 Euro
Eva Schmidt (Hg.): Lieber Aby Warburg, was tun mit Bildern? Vom Umgang mit fotografischem Material. Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung, Heidelberg: Kehrer Verlag, 2012, 15,5 x 23 cm, 380 Seiten, broschiert, 192 Abb. in Farbe., Deutsch/Englisch, 36 Euro

Eva Schmidt (Hg.): Lieber Aby Warburg, was tun mit Bildern? Vom Umgang mit fotografischem Material. Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung, Heidelberg: Kehrer Verlag, 2012, 15,5 x 23 cm, 380 Seiten, broschiert, 192 Abb. in Farbe., Deutsch/Englisch, 36 Euro

 

Um die Frage nach Funktion und Rolle von Bildern für kollektive Gedächtnisse beantworten zu können, muss die Frage nach Bildtraditionen und deren Deutung gestellt werden. Aby Warburgs Theorie des sozialen Bildgedächtnisses gewann in der Visual History daher in den vergangenen Jahren an Bedeutung.

„Lieber Aby Warburg, was tun mit Bildern?“, fragte eine Ausstellung im Sommer 2013 im Museum für Gegenwartskunst in Siegen. Im Dezember-Heft 2013 der  Zeitschrift Fotogeschichte beleuchtet eine Rezension den Begleitband zur Ausstellung.

 

 

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/04/07/aby-warburg-und-die-bilder/

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Vor einem Jahr starb Diethart Kerbs

Diethart Kerbs (19.8.1937-27.1.2013)
Diethart Kerbs (19.8.1937-27.1.2013)

Diethart Kerbs (19.8.1937-27.1.2013)

Manche Menschen widmen sich einem einzigen Lebenswerk, andere erschließen sich rastlos immer neue Themen. So gesehen hatte Diethart Kerbs mehrere Leben, die doch immer zwischen zwei Polen oszillierten: verändern und bewahren. Bisweilen ging es dabei turbulent zu.

Von der Nachkriegs-Jugendbewegung ebenso wie von der Studentenbewegung geprägt, organisierte Kerbs Mitte der Sechziger Jahre das Festival Chanson Folklore International auf Burg Waldeck im Hunsrück. Hier wurde das Genre des deutschen Chansons als „kritisches Lied“ begründet, Liedermacher wie Walter Mossmann oder Reinhard Mey begannen hier ihre Karrieren. Auch in seiner akademischen Arbeit interessierte sich der Kunstpädagoge für soziale Bewegungen.

Er schrieb ein Standardwerk über Fidus, den Maler der Lebensreform um 1900, und gab ein Handbuch der deutschen Reformbewegungen heraus. Bisweilen verschmolzen Aktivismus und Analyse: Nach einem Sonderheft über politischen Widerstand in der Gegenwart, das Piratensender propagierte, warf man ihn 1981 aus der Herausgeberrunde der Zeitschrift „Kunst + Unterricht“ heraus.

Bleibende Verdienste erwarb sich Kerbs um die noch junge Disziplin der Fotogeschichte. An die Hochschule der Künste berufen, erforschte und editierte er die Ikonographie des 20. Jahrhunderts. Mit seinen Bildbänden zur Arbeiterfotografie oder zu den revolutionären Kämpfen im Berliner Zeitungsviertel begründete Kerbs die heute boomende Visual History. Dabei musste er auch Rückschläge einstecken: Als er Anfang der Neunziger die Initiative zur archivarischen Erschließung der DDR-Fotografie ergriff, war die Zeit noch nicht reif dafür – die Fotografen plagten Zukunftssorgen. Erfolgreich hingegen war die Bergung bedeutender Vorkriegs-Nachlässe, etwa des Berliner Fotografen Willy Römer.

Die Berliner Kulturlandschaft verdankt Kerbs viel: Er war Mitinitiator des Werkbundarchivs und der Berliner Geschichtswerkstatt sowie Gründungsmitglied der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst, er organisierte Ausstellungen zur Pressefotografie und gestaltete aktiv das kulturelle Leben. Nach seiner Emeritierung begann er, verfallende Gutshäuser in Mecklenburg-Vorpommern fotographisch zu dokumentieren. Er setzte sich für ihren Erhalt ein und knüpfte so an sein Engagement für die Berliner Instandbesetzungsbewegung der achtziger Jahre an.

In den vergangenen Jahren pendelte Kerbs zwischen Mecklenburg und Berlin. Seine Charlottenburger Altbauwohnung war ein wohnliches Archiv, in dem er Zettelkästen und Fotoschachteln hortete, stets bereit, ein neues Kulturprojekt tätig helfend zu unterstützen. Wer den 76-Jährigen im Wilmersdorfer Pflegeheim Katharinenhof besuchte, traf auf einen geistig wachen und interessierten Zuhörer. Das Sprechen war ihm nach einem Schlaganfall vor zwei Jahren nicht mehr möglich. Am 27. Januar ist mit Diethart Kerbs nicht nur ein selten gewordener Vertreter des aktivistischen Akademikers gestorben. Sondern auch ein ungewöhnlich offener, jung gebliebener und warmherziger Mensch.

Dieser Nachruf von Bodo Mrozek erschien in der Druckausgabe des Tagesspiegels vom 7.2.2013.

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/03/07/vor-einem-jahr-starb-diethart-kerbs/

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Capa, Hajas und/oder Lorant?

Fotograf, Bildredakteur, Ausbilder, Dozent, Jurymitglied, Leiter des ungarischen Fotografenverbandes ... – Tamás Féner war und ist seit Ende der 1950er-Jahre in den verschiedensten Funktionen in der ungarischen Fotografie zugegen.

Tamás Féner, der 75-jährige Fotograf und Träger des Kossuth-Preises, der höchsten ungarischen Auszeichnung in den Bereichen Kunst und Kultur, ist eine wirkliche Herausforderung. Wenn er erzählt, kommt man auch als Muttersprachler kaum hinterher. Féner verschluckt meist die letzten Silben der Wörter, die Geschwindigkeit seiner Sprache zwingt die Zuhörenden zur Konzentration. Er beginnt einen Satz, und noch bevor er diesen beendet, nuanciert er sogleich seine Aussage mit einem neu begonnenen Gedanken. Die Leidenschaft gegenüber der Fotografie, ihrer Entstehung, Präsentation, Geschichte und Theorie ist in seinen Antworten deutlich zu spüren. Die jiddischen Begriffe, die er in seine Erzählung mit einflechtet, der aufscheinende jüdische schwarze Humor, die Witze aus der Zeit des Sozialismus und die Zitate aus der Weltliteratur – gelegentlich in deutscher, mal in ungarischer Sprache – machen die Gespräche mit ihm zu einem dichten Geflecht. Das folgende Gespräch mit Féner über das neue Robert Capa Zentrum für zeitgenössische Fotografie, den ersten Fotowettbewerb des Zentrums und die großen ungarischen Fotografen ist ein Versuch, dieses dichte Geflecht zu entwirren.

 

Eszter Kiss: Herr Féner, inwiefern war es für Sie eine besondere Situation, in der Jury des Wettbewerbs „Zeitgenössische Bildprojektionen“ („Kortárs vetített képek“), der ersten Ausschreibung des Robert Capa Zentrums für zeitgenössische Fotografie, zu sitzen?

[...]

Quelle: https://www.visual-history.de/2013/12/19/capa-hajas-undoder-lorant/

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