Gesundheit als Argument. Der Gemeindevorsteher auf dem Dorf

Im Jahr 1896 schrieb Dr. Heribert Rau an den brandenburgischen Regierungspräsidenten Robert Graf Hue de Grais. Er bat ihn darum, ein gutes Wort für ihn einzulegen bei diversen Landräten in Brandenburg, denn Rau war auf der Suche nach einer „Stellung als Amts- oder Gemeinde Vorsteher in einer Wald- und Wasserreichen [sic] Gegend“. Dr. Heribert Rau war aber nicht nur einfach auf der Suche nach einer neuen Tätigkeit. Die wald- und wasserreiche Gegend war ihm besonders wichtig, wie auch aus seinem Lebenslauf hervorgeht. Er war zunächst als Volkswirt und Jurist im Banken- und Versicherungssektor tätig gewesen. Doch dieser Karriereweg hatte sich ihm jäh verschlossen – in dem Moment, als ein modernes Phänomen in sein Leben trat: „Infolge schädlicher Einwirkung des bei den Banken eingeführten grellen elektrischen Lichtes mußte Rau auf ärztlichen Rath seine Stellung aufgeben, und auf dem Lande Wohnung nehmen.“

Elektrizität im Allgemeinen und das elektrische Licht im Besonderen wurden als Symbole des Neuen und der sauberen Moderne interpretiert.

[...]

Quelle: https://uegg.hypotheses.org/327

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(6) Münz- und Hoffaktoren im Dienste Preußens

Bis zum 18. Jahrhundert gab es an den europäischen Höfen „Hofjuden“ oder auch „Münzjuden“, die zum einen Luxusgüter für den Hof und wichtige Waren für das Heer beschafften, zum anderen Silber für die Münze und wichtige ausländische Münzen besorgten (vgl. Battenberg 2001, S. 32; ebenso Scheiger 1990, S.  173). So konnte sich ein historisch bedingtes Spezialwissen ausprägen, das die Tür zu Berufen im Geldhandel sowie in der Kapital- und Kreditwirtschaft öffnen sollten und half, Schutz- und Handelsrechte zu erwerben (vgl. Scheiger 1990, S. 208). Jüdische Münz- und Hoffaktoren an den verschiedenen Hofstaaten hatten zudem die wichtige Funktion in Krisenzeiten für ausreichend Vermögen zu sorgen, in dem sie wertvolle Münzen beschafften oder auch Münzverschlechterungen durch Ausprägungen von Silber vornahmen (vgl. Jersch-Wenzel 1978, S. 183f.). Dabei hatten sie den Vorteil, dass sie für ihre Geld- und Warenbeschaffung auf ein europaweites Netz aus Händlern und Gemeinden zurückgreifen konnten, zu denen jedoch immer auch besondere Machtbeziehungen bestanden, da der „Hofjude“ über jüdische Neuansiedlungen und die Höhe der Abgaben der jüdischen Gemeinden meist mitbestimmen durfte (vgl. Battenberg 2001, S. 41f.).

Auch wenn es unter Friedrich II. keinen umfangreichen Hofstaat mehr gab, machte er sich die Kompetenzen von jüdischen Münz- und Hoffaktoren zu Nutzen (vgl. Stern 1971a, S. 233): Im Rahmen seiner Inflationspolitik während des 7-jährigen Krieg spielten jüdische Münzfaktoren für den preußischen Staat eine besondere Rolle. Sie halfen diesem durch Münzmanipulationen dabei, die Staatskasse aufzubessern und so den Krieg überhaupt finanzieren zu können (vgl. Schenk 2010, S. 97). Christlichen Kaufleuten war oftmals das Risiko dabei zu hoch, sodass sie ihre Mitarbeit verweigerten. Die Münzmanipulationen sollen dabei nach Schenk und Jersch-Wenzel rund 17 Prozent, nach Kunisch 20,5 Prozent und nach Stern mit bis zu 25 Prozent an den Gesamtkosten für den Krieg eingebracht haben (vgl. Stern 1971a, S. 252; vgl. ebenso Schenk 2010, S. 99).

Zu den Währungsmanipulationen gehörte das Nachprägen sächsischen, russischer, österreichischer und anderer Münzsorten der Kriegsgegner sowie die Fälschung von Münzen des neutralen Polens (vgl. Schenk 2010, S. 98). Dazu beschlagnahmte Preußen nach der Besetzung Sachsens die Münzstätten in Dresden und Leipzig und konnte damit den sächsischen Prägestempel nutzen.

In den neuen Münzen wurde der Silberanteil entfernt und durch minderwertige Metalle vermischt, ohne dass der Nennwert geändert wurde. Diese Münzen wurden auch als „Scheidemünzen“ bezeichnet (vgl. Stern 1971a, S. 228; vgl. dazu Jersch-Wenzel 1978, S. 184). Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es zum einen kein einheitliches Münzsystem und somit viele Währungen gab, zum anderen aber gleiche Münzen ganz unterschiedliche Qualitäten der Ausprägung haben konnten und sich ihr Nenn- vom Verkehrswert unterschieden.

Der Anteil des Silbers in einer Münze war dabei staatlich reguliert und wurde je nach Finanzbedarf verringert. So wurde in einem Vertrag von 1756 für den Staat erst einmal nur ein Bedarf in Höhe von 200.000 Reichstalern, 1759 schon in Höhe 5,65 Millionen und 1760 sogar von rund 9 Millionen Reichstalern gefordert. Dabei wurde auch beschlossen, dass die manipulierten Münzen in Preußen selbst nicht vertrieben werden durften (vgl. Stern 1971a, S. 239 und S. 241).

Der 7-jährige Krieg wurde durch britische Subsidien, die Kontributionen besetzter Staaten, wie beispielsweise aus Sachsen, den eigenen Staatsreserven und regulären Einnahmen finanziert. Das reichte jedoch nicht aus um die Heereszüge zur finanzieren und hätte die vorzeitige Kapitulation bedeutet (vgl. Kunisch 2004, S. 355). Die Inflationspolitik während des Krieges war verantwortlich für die Finanzkrise und Bankrottwelle in den 1760er Jahren, die Banken und Unternehmen in ganz Europa erfasste und eine große Arbeitslosigkeit bis in die 1770er Jahren bewirkte.(vgl. Schenk 2010, S. 109). Nach dem Krieg wurde sogar versucht, die Münzen wieder aufzuwerten, was wiederum zu Deflationskrisen führte.

Für Preußen standen im 7-jährigen Krieg die jüdischen Unternehmer Daniel itzig, Moses Isaac und Herz Moses Gumperts auf der einen Seite sowie Veitel Ephraim & Söhne auf der anderen Seite als Pächter einzelner Münzstätten sowie als Münz- und Hoffaktoren im Dienst des Staates, die dadurch zu wohlhabenden Unternehmerfamilien aufstiegen. Außerdem erhielten sie umfangreiche Generalprivilegien, die einer Gleichstellung mit christlichen Unternehmern gleichkam und die Übertragung des Schutzes auf die gesamte Familie ermöglichte, wofür sie aber auch ihre Gewinne aus den Münzmanipulationen in Manufakturen einbringen mussten. (Vgl. Stern 1971a, S. 101f.)

Die Münzen wurden von jüdischen Händler und Zwischenhändlern, die mit den Münz- und Hoffaktoren in Beziehung standen, in Umlauf gebracht und erhielten dafür anteilige Gewinne und befristete Geleitbriefe, zogen aber auch den Hass der Bevölkerung auf sich (vgl. Stern 1971a, S. 244; dazu Schenk 2010, S. 98).

Der Schaden für die Bevölkerung war sehr hoch und betraf vor allem Handwerker, Kleinkrämer, Angestellte, Beamte und Geistliche, die ein festes Einkommen erhielten (vgl. Stern 1971a, S. 299). Die Geldentwertung führt zu Preiserhöhungen und Unsicherheiten im Gebrauch der Münzen, zumal staatliche Steuern und Abgaben in den alten, hochwertigeren Münzen oder in ihrem Preis eingefordert wurden (vgl. Jersch-Wenzel 1978, S. 186). So stiegen zwischen 1758 und 1762 die Preise für Brot bei gleichbleibendem Lohn um das 5-fache, was zu Hunger und hoher Säuglingssterblichkeit, aber auch zu Tumulten, beispielsweise 1761 in Ostfriesland gegen jüdische Händler führte.

Aber auch die preußischen Gegner und Nachbarn hatten mit hohen Finanzeinbußen zu kämpfen und wurden ökonomisch geschwächt. Beispielsweise soll das neutrale Polen in einer Höhe von 20-25 Millionen Reichstalern geschädigt worden sein (vgl. Schenk 2010, S. 98). Zum Vergleich lagen die Staatseinnahmen für Polen 1764 bei nur rund einer Million Reichstaler. Andere Nachbarn hingegen, wie Anhalt-Zerbst, Mecklenburg-Schwerin, Neuwied oder Anhalt-Bernburg, ahmten die preußischen Münzmanipulationen nach (vgl. Stern 1971a, S. 242ff.).

Literatur- und Quellen:

Battenberg, J. Friedrich (2001): Die Juden in Deutschland vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Enzyklopädie Deutscher Geschichte. Bd. 60. München.

Jersch-Wenzel, Stefi; John, Barbara (1990): Von Zuwanderern zu Einheimischen. Hugenotten, Juden, Böhmen, Polen in Berlin. Berlin.

Jersch-Wenzel, Stefi (1978): Juden und „Franzosen“ in der Wirtschaft des Raumes Berlin/Brandenburg zur Zeit des Merkantilismus. Einzelveröffentlichung der Historischen Kommission zu Berlin. Bd. 23. Berlin.

Kunisch, Johannes (2004): Friedrich der Grosse. Der König und seine Zeit. München.

Scheiger, Brigitte (1990): Juden in Berlin. In: Jersch-Wenzel, Stefi; John, Barbara (Hrsg.): Von Zuwanderern zu Einheimischen. Hugenotten, Juden, Böhmen, Polen in Berlin. Berlin. S. 153-491.

Stern, Selma (1971a): Der Preussische Staat und die Juden. Dritter Teil/Die Zeit Friedrichs des Großen. 1. Abteilung: Darstellung. Tübingen.

Schenk, Tobias (2010): Wegbereiter der Emanzipation? Studien zur Judenpolitik des „Aufgeklärten Absolutismus“ in Preußen (1763-1812). Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte. Bd. 39. Berlin.

Quelle: http://germanjews.hypotheses.org/75

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Keine Reisekostenübernahme!

Der sächsische Kurfürst machte sich Sorgen: Aus den Ämtern seines Landes erreichten ihn Klagen, daß die Lasten durch sogenannte Amts- und Patentfuhren überhand genommen hätten. Vor allem auswärtige Gesandte, die das Kurfürstentum passierten, würden auf diese Dienste der Ämter zurückgreifen und sich entsprechend mit Reisepferden ausstatten und in den Wirtshäusern versorgen lassen. Entsprechend erließ Kurfürst Johann Georg die Verfügung, daß auch durchreisende Fürsten und ihre Abgesandten für diese Leistungen zahlen sollten (Kurfürst Johann Georg von Sachsen an Kurfürst Georg Wilhelm von Brandenburg, Dresden 28.2.1618, GStA PK BPH, Rep. 34, Nr. 25 fol. 32-32‘ Ausf.).

Konkret war dieses Schreiben hier an den Kurfürsten von Brandenburg gerichtet. Der nördliche Nachbar Kursachsens konnte kaum anders, als sächsisches Territorium zu durchqueren, wenn er zum Kaiserhof und vielen anderen Reichsfürsten reisen wollte. Insofern traf es Brandenburg besonders hart – die brandenburgischen Kassen waren oftmals leer, und man mußte sich stets Gedanken machen, wie Gesandtschaften zu finanzieren waren. Auch wenn es Spannungen zwischen beiden Reichsfürsten gegeben hat – etwa in dem nun schon seit Jahren schwelenden Streit um das Jülicher Erbe –, wird man in dieser sächsischen Anordnung kaum eine besondere antibrandenburgische Spitze erkennen können. Zumindest ist dies nicht nachweisbar.

Auffallend ist aber die Argumentation in der kursächsischen Ankündigung. Hier ist generell von den „thewern zeiten“ die Rede. Auch Mißernten und Unglücke wie Feuersbrünste hätten im Land Schaden verursacht, so daß die Untertanen dort „nicht allein in abfall ihrer Nahrung kommen, sondern auch eußersters verderben geraten möchten“. Das hört sich auf den ersten Blick wie die übliche zeitgenössische Rhetorik an, die die schweren Zeiten beklagt. Auch dies können wir nur vermuten oder unterstellen. Immerhin datiert diese Episode von Anfang 1618, als zwar in Böhmen schon ein Ständeregiment die habsburgische Herrschaft abgeschüttelt und den Pfälzer Kurfürsten als neuen König installiert hatte; der Feldzug gegen Böhmen sollte aber erst in ein paar Monaten beginnen.

Auch wenn also im Moment noch kein offener Krieg im Reich geführt wurde, standen die Zeichen auf Sturm. Vor dem Hintergrund kann man diese Hinweise aus Kursachsen doch als Krisensymptome verstehen: Man fürchtete um sein Auskommen, beklagte hohe Belastungen. Unabhängig davon, ob noch ein anderes Kalkül dahinterstecken mochte, ging von dieser Verfügung doch ein klares Signal aus: Selbst ein wohlhabender Reichsstand wie Kursachsen konnte es sich nicht leisten, solche Services wie Amts- und Patentfuhren aufrechtzuerhalten. Für andere Reichsfürsten und ihre Gesandten galt ab sofort, daß es in Sachsen keine Reisekostenübernahme mehr gab.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/616

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Erwartungen an den Frieden

Auch wenn nach wie vor der Krieg mit aller Härte weitergeführt wurde, richteten sich im Laufe der 1640er Jahre die Blicke immer häufiger nach Münster – dort, wo über den Frieden verhandelt wurde. Doch dies galt nicht nur für die großen Potentaten und die Reichsstände. Auch Wesel, eine der sieben Hauptstädte (d.h. landtagsfähigen Städte) im Herzogtum Kleve, blickte mit gespanntem Interesse auf die Verhandlungen.

Dieses Interesse war nicht ziellos, sondern richtete sich auf einen ganz bestimmten Punkt. Für die Handelsstadt am Niederrhein ging es vor allem um wirtschaftliche Fragen und hier besonders um einen möglichst freien, sprich von Abgaben und Zöllen ungehinderten Warenverkehr. Entsprechend wurde auf der Ratssitzung am 3. Dezember 1647 folgender Beschluß gefaßt: „Weilen nun mehr die fridens tractaten zu Munster zwischen Hispanien vnd den H[erren] Staten zuendtlauffen, So ist resolvirt, Jhr Hochmog[enden] zuerinnern, daß die Hispanische Licenten abgestelt, vnd solches mit in den tractaten inbedongen werden moge“ (Stadtarchiv Wesel, A 3: Ratsprotokolle Nr. 97 [1647-1648], hier fol. 107).

Zunächst einmal ist also festzuhalten, daß es nicht um die Friedensverhandlungen geht, die im Oktober 1648 in die Verträge von Münster und Osnabrück mündeten; vielmehr ging es hier um die Traktate, die den sog. Frieden von Münster zwischen den Generalstaaten und Spanien besiegelten. Die Weseler lagen auch richtig mit ihrer Einschätzung, daß diese Verhandlungen ihrem Ende zustrebten: Am 30. Januar 1648, also keine zwei Monate nach dem Weseler Ratsbeschluß, wurde der spanisch-niederländische Frieden unterzeichnet; die Verhandlungen selbst waren sogar schon am 16. Januar zuende gegangen. Was war also mit dem Weseler Anliegen – hatte es überhaupt noch eine Chance gegeben, diese Aspekte in die Verhandlungen einzubringen?

Ein Blick in die aktuelle Literatur zeigt, daß Handelsbeschränkungen wirklich nicht die Themen waren, um die bis zuletzt gerungen wurde (Rohrschneider, v.a. S. 416 ff.). Gleichwohl regulierte der Friedensvertrag eine ganze Reihe von Fragen der Wirtschaftspolitik und des Handels, besonders ab § VIII. Der Tenor ging dahin, sämtliche Zölle und Wirtschaftsschranken auf den Vorkriegsstand zurückzunehmen. Auch Zölle auf dem Rhein und der Maas wurden explizit angesprochen (s. § XII), doch bezog sich der Vertragstext hier offenbar nur auf niederländisches Gebiet. Ob damit auch Reichsgebiet und damit der Niederrhein miteinbezogen war, ist mir nicht klar.

Es kann durchaus sein, daß Wesel Glück hatte und diese Handelsbeschränkungen ohnehin durch den Frieden von Münster aufgehoben wurden: Hier spielt auch eine Wahrnehmungsfrage die wichtige Rolle: Haben die Generalstaaten das von ihnen besetzte Gebiet am Niederrhein zumindest vertragstechnisch in diesen Friedensschluß integriert? Zu fragen ist aber auch, ob die Aufhebung der spanischen Zölle auf Veranlassung Wesels geschah. Die Bedeutung dieser Stadt als Handelsmetropole ist gar nicht so gering zu veranschlagen, doch der zeitliche Rahmen spricht wenig dafür, daß diese Weseler Initiative den Vertragstext noch hat beeinflussen können.

Wesel mußte damals aber auch noch auf andere Probleme sein Augenmerk richten. In derselben Passage, ja fast in demselben Satz hieß es weiter, daß „dem agenten zuschreiben [sei], daß er fleißigh achthaben solle, damit in der zwischen Jhr Churf dhl [von Brandenburg] vnd den herren Staten gesuchte aliants nichts zu praejudits dieser Statt einverleibt werde.“ Die klevische Stadt sah also deutlich, daß sie auf ihre Interessen im Verhältnis zwischen den Generalstaaten und dem brandenburgischen Kurfürsten, ihrem Landesherrn also, aufpassen mußte. Der Krieg ging zuende, aber die Konflikte wurden nicht weniger.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/570

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Exkurs: Zu jüdischen Ansiedlungen im brandenburgischen Barnim

Mit der askanischen Eroberung und deutschen Besiedlung ehemals slawischer Gebiete seit dem 11. Jahrhundert siedelten sich auch jüdische Familien im Barnim an. Letztere waren jedoch immer der Gunst und dem Schutz des jeweiligen Herrschers ausgesetzt und konnten jederzeit vertrieben werden. Jüdische Familien waren aufgrund zahlreicher Berufsverbote auf den Handel beschränkt. Dazu gehörte auch der Geldhandel und die Kreditvergabe. So ist überliefert, dass der damalige Kurfürst anwies, dass Christen ihre Schulden an Christen zurückzahlen sollten und am 28.10.1461 den Rat von Bernau darum bat, ein Verzeichnis der Summen aufzustellen, die die Bürger der Stadt den Juden schuldeten. Dabei fanden sich rund 60 christliche Schuldner bei nur drei jüdischen Gläubigern. Die Zurückzahlung war auch in Sachgütern, in Form von Pferden, Kühen, Bier oder Grundbesitz möglich. (Vgl. Heise 1932: 167)

1510 wurden alle Juden in Brandenburg vertrieben - übrigens in Folge eines unter Folter erfolgten Geständnisse des Bernauer Kesselschmieds Paul Fromm, der aussagte, dass er Hostien klaute und an Juden verkaufte (vgl. Heise 1932: 212). Die Ausweisung hatte für viele Christen den Vorteil, dass sie ihre Schulden nicht mehr begleichen mussten und sie in freigewordene Wohnungen ziehen konnten (vgl. Heise 1932: 224f.). Der Nachteil für den Kurfürsten lag darin, dass Abgaben und Steuereinnahmen fehlten, sodass jüdische Händler ab 1539 wieder zu gelassen wurden (vgl. Heise 1932: 232).

Im 17. Jahrhundert avancierte Biesenthal zur 5. größten jüdischen Stadt in der Mark Brandenburg. Im Jahr 1692 konnten 64 jüdische Personen unter Schutz des Kurfürsten, davon 16 Männer, 15 Frauen, 29 Kinder und 4 Knechte, gezählt werden. Es ist allerdings davon auszugehen, das weit aus mehr jüdische Familien ohne Schutzprivileg sich ansiedelten (vgl. Stern 1925a: 142; Jersch-Wenzel 1978: 43f.). In Bernau wohnten im gleichen Jahr nur eine Familie, bestehend aus einem Mann, einer Frau, drei Kinder und 3 Knechte und die unter kurfürstlichen Schutz standen. Zum Vergleich sind 1692 für Freienwalde 10, für Joachimsthal 9, für Oranienburg 21, für Liebenwalde 11, für Oderberg 6, für Zehdenick 10, für Templin, für Prenzlau 6, für Lychen 6 und für Schwedt 8 jüdische Personen gezählt worden. (Vgl. Stern 1925b: 528)

Brandenburg lebte zu der damaligen Zeit von Einwanderungen, sodass es völlig normal war, dass selbst amtierende Magistratsmitglieder unterschiedlicher Herkunft waren. So waren in Bernau 1707 der Bürgermeister aus Berlin, sein Stellvertreter aus Frankreich, ein Kämmerer aus Kursachsen und andere Mitglieder aus Anhalt, Vorpommern und der Neumark. (Vgl. Göse 2002: 128)

1724 haben sich durch die restriktive Bevölkerungspolitik des „Soldatenkönigs“ Friedrich Wilhelm I., die jüdischen Einwohnerzahlen deutlich verringert, sodass beispielsweise für Freienwalde nur noch 4, für Oderberg nur noch 4 oder Joachimsthal nur noch 2 jüdische Personen, namentlich Israel David und Levin Salomon, genannt werden. Bernau wurde dabei gar nicht mehr aufgezählt. Jedoch findet sich aus dem Jahr 1716 noch ein Hinweis, dass Joachim Isaac aus Bernau ausgewiesen werden soll, weil er das fällige Schutzgeld nicht aufbringen kann. (Vgl. Stern 1925a: 192ff.)

1728 finden sich für Biesenthal folgende Namen: Joseph Salomon, Elias Israel, Israel Elias, Marcus Witwe, Isaac David, Israel Marcus, Schmol Salomon, Marcus Samuel, Herschel Jecob, Manasse Isaac, Jacob Salomon, Samuel Berend, Isaak Salomon, Abraham Moses, Marcus Jacob, Levin Israel, Henschel Bendix (vgl. Stern 1925a: 269). Jüdische Ansiedlungen fanden sich zu dieser Zeit aber auch in Strausberg, Landsberg, Neustadt-Eberswalde. Die jüdischen Familien waren vor allem in der Viehzucht und im Handel mit Wolle und Schaffelle tätig.

1765 lebten in Bernau 6 jüdische Familien, einer Stadt, für die 1772 1564 Einwohner gezählt werden konnten (vgl. Stern 1925b: 423). Bekannt geworden ist Manasse Jacob, der nicht in der Lage war die durch Friedrich II. geforderten neuen Abgaben zu leisten und 1771 wegen Zahlungsunfähigkeit mit dem Bernauer Rat in Konflikt geriet und 1778 daher außer Landes verwiesen wurde. Um seinen Schutz aufrecht zu erhalten wurde Jacob verpflichtet, Manufakturwaren in großem Umfang abzukaufen und zu exportieren. (Vgl. Schenk 2010: 175ff.)

Ende des 18. Jahrhunderts, im Jahr 1777, eröffnete Isaak Benjamin Wulff gemeinsam mit dem Unternehmer Moses Daniel Itzig auf ausdrücklichen Wunsch Friedrich II. in Bernau eine Seidenmanufaktur. Da David Hirsch es in Potsdam mit seiner Manufaktur nicht schaffte, die Nachfrage nach Samt zu befriedigen, sollte Wulff auch gestattet werden, Samt in Bernau herzustellen. (Vgl. Meier 2007: 60f.; Schenk 2010: 176; Thekla 2011: 92, 152).

Später, im Jahr 1785, übernahm Markus Israel diese Fabrik gezwungenermaßen, damit er eine Generalprivileg erhielt, dass ihn rechtlich allen anderen Bürgern fast gleichstellte (vgl. Meier 2007: 204). Schon 1714 sollte Bernau den Seidenbau fördern, wogegen andere Städte aufgrund der neuen Konkurrenz intervenierten (vgl. Meier 2007: 76). Auch der Unternehmer und Philosoph Moses Mendelsohn hatte zwei Geschäftspartner in Bernau (vgl. Meier 2007: 200).

 

Literatur- und Quellen:

Göse, Frank (2002): Im Schatten der Krone. Die Mark Brandenburg um 1700. Potsdam.

Heise, Werner (1932): Die Juden in der Mark Brandenburg bis zum Jahre 1571. Historische Studien. Berlin.

Jersch-Wenzel, Stefi: Juden und „Franzosen“ in der Wirtschaft des Raumes Berlin/Brandenburg zur Zeit des Merkantilismus. Berlin 1978. Einzelveröffentlichung der Historischen Kommission zu Berlin. Bd. 23.

Keuck, Thekla (2011): Hofjuden und Kulturbürger. Die Geschichte der Familie Itzig in Berlin. Göttingen.

Meier, Brigitte (2007): Jüdische Seidenunternehmer und die soziale Ordnung zur Zeit Friedrich II. Veröffentlichungen des Brandenburgischen Landeshauptarchivs. Bd. 52, Neitmann, Klaus (Hrsg.) Berlin.

Schenk, Tobias (2010): Wegbereiter der Emanzipation? Studien zur Judenpolitik des „Aufgeklärten Absolutismus“ in Preußen (1763-1812). In: Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte. Bd. 39, Duncker & Humblot. Berlin.

Stern, Selma (1925a): Der Preußische Staat und die Juden. Die Zeit Friedrich Wilhelm I. Teil 2. 2. Abteilung: Akten. Tübingen.

Stern, Selma (1925b): Der Preußische Staat und die Juden. Die Zeit des Großen Kurfürsten und Friedrich I. Berlin.

Quelle: http://germanjews.hypotheses.org/51

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(4) Einwanderungspolitik von 1713 bis 1786: Zwischen Inklusion und Exklusion

Unter Friedrich Wilhelm I. setzte sich zunehmend eine restriktive und allgemein gültige Judenpolitik durch, die durch Friedrich II. weitergeführt und verschärft wird. In den 1710er und 1720er Jahren gab es immer wieder verschärfte Verordnungen und neue Reglements, die sich aber regional sehr unterschieden, da es noch keine einheitliche Verwaltung mit einheitlichem Steuersystem gab (vgl. Stern 1962a, S. 39). Zur Erlangung von Privilegien mussten jüdische Familien immer wieder die eigene Nützlichkeit für den brandenburgisch-preußischen Staat unter Beweis stellen, die jüdischen Familien in einen permanenten Konkurrenzkampf untereinander führte. Friedrich Wilhelm I. kündigte immer wieder an, alle Juden ohne Schutzbrief, die bisher wegen ihrer Akzise sehr willkommen waren, ausweisen zu lassen und ab 1728 grundsätzlich keinen Schutzbrief mehr für die Mark Brandenburg auszustellen (vgl. Schenk 2010, S. 73). Sehr liberal blieb es hingegen noch in Preußen, das als ein wichtiges Transitland für jüdische Händler zwischen Russland, Litauen, Polen, England und Holland geschützt werden musste (vgl. Stern 1962a, S. 66f.). In Berlin wurde die Judenpolitik durch die Edikte von 1700 und 1714 geordnet, das viele Freiheiten gewährte, die allerdings 1730 wieder unterdrückt wurden. Weitere Abschiebungsversuche gab es nach 1735, als der jüdische Handel nach Missernten und einem allgemeinen Konjunktureinbruch durch geringe Nachfrage und steigende Preise teilweise zum Erliegen kam (vgl. Mittenzwei/Herzfeld 1988, S. 262, 256).

Der „Soldatenkönig“, der die Hofausgaben drastisch reduzierte und in das Heer und die Infrastruktur investierte, wollte auch die Judenpolitik vereinheitlichen: Das „General-Privilegium und Reglement“ vom 29. September 1730 sollte erstmalig versuchen für den gesamten Staat die jüdischen Lebensverhältnisse und Wirtschaftsmöglichkeiten neu zu ordnen, was allerdings als der Beginn eines langen Entwicklungsprozesses bis weit in die Regierungszeit Friedrich II. hinein zu verstehen ist und nicht in jeder Provinz sofort durchgesetzt werden konnte (vgl. Stern 1962a, S. 20; vgl. auch Rürup 1995, S. 27f. und Jersch-Wenzel/John 1990, S. 182ff.).

Eine Zäsur war die vermögensabhängige Übertragung des Schutzbriefs auf das erste Kind, die nur wohlhabenden Familien eine Zukunft in Brandenburg-Preußen sicherte und viele jüdische Familien in Existenzangst und Konkurrenz zu einander trieb. Außerdem sollten keine neuen Schutzbriefe mehr ausgestellt, die Anzahl der Juden im ganzen Staat begrenzt, der Handel wieder auf seltene oder Luxuswaren beschränkt und die Abgaben zusätzlich erhöht werden. Die seit 1674 bestehende solidarische Haftbarkeit für die Zahlung von Steuern und Schäden der jüdischen Gemeinden wurde auch auf fremde Juden ausgeweitet (vgl. Jersch-Wenzel/John 1990, S. 285). Das hatte zur Folge, dass die jüdischen Gemeinden daran interessiert waren, dass jüdische Einwanderer ein hohes Vermögen von mindestens 10.000 Reichstaler mitbrachten. Das Reglement führte zu zahlreichen Bittschriften und Beschwerden, sodass es in den Folgejahren einige Überarbeitungen erlebte, bis es unter Friedrich II. revidiert werden sollte. Insgesamt konnte die brandenburgisch-preußische Einwanderungspolitik bis 1740 das Land politisch und wirtschaftlich stabilisieren. Mit dem Regierungsantritt Friedrich II. wird die jüngere jüdische Geschichte in Brandenburg-Preußen rund 70 Jahre alt, sodass die Eingewanderten schon um eine 2. oder auch 3. Generation gewachsen sind und sich vielerorts jüdische Gemeinden etabliert haben.

Am 17. April 1750 wurde durch Friedrich II. ein „Revidiertes General-Privilegium und Reglement, vor die Judenschaft im Königreiche, Preußen, der Chur- und Marck, Brandenburg, den Hertzogthümern, Magdeburg, Cleve, Hinter-Pommern, Crossen, Halberstadt, Minden, Camin und Moers; ingleichen den Graf- und Herrschaften Marck, Racensberg, Hohenstein, Tecklenburg, Lingen, Lauenburg und Bütau“ (zit. n. Stern 1971b, S. 236/Nr. 102) erlassen, aber auf Bitten der jüdischen Gemeinden, die damit Zeit für mögliche Änderungen gewinnen wollten, erst 1756 veröffentlicht. Dieses General-Privileg baute auf das Reglement von 1730 und den zahlreichen Kabinetsordren,  Bittschriften, Eingaben und Resolutionen der Jahre zuvor auf und wurde auch nach Erlass von zahlreichen Änderungsvorschlägen begleitet. Es wurde weiter nach ökonomischen Nutzen systematisiert und erhielt insbesondere nach dem 7-jährigen Krieg neue Zusatzbestimmungen, die weitere Sonderabgaben und Zwangsexporte von Waren forderten, und wurde erst durch das Emanzipationsedikt 1812 annulliert (vgl. Schenk 2010, S. 82ff.; vgl. auch Jersch-Wenzel 1978, S. 92 und Jersch-Wenzel/John 1990, S. 182ff.).

Die jüdische Existenz in Preußen wurde dazu von ihren Kapitalerträgen und ihrem ökonomischen Engagement abhängig gemacht und durch ein komplexes Abgabensystem bestimmt. So wurden alle jüdischen Familien in dem Reglement von 1750 je nach Privilegien in sozialen Klassen statistisch erfasst und als (1) generalpriviligiert, (2) ordentlich, (3) außerordentlich, (4) vergleitet, (5) geduldet oder (6) unvergleitet eingeordnet (vgl. Freund 1912, S. 26; ebenso Battenberg 2001, S. 45f. und Bruer 1991, S. 71f.). Generalprivilegien erhielten nur die kleine Schicht an kapitalkräftigen, ökonomisch wertvollen „Hofjuden“ der 1. Klasse, die den Hof oder das Heer versorgten und von fast allen Beschränkungen befreit waren. Schutzjuden der 2. Klasse hatten immerhin das Recht, ihr Schutzprivileg nach ihrem Tod auch auf die mögliche Witwe oder ihr erstes und zweites Kind zu übertragen. Schutzjuden der 3. Klasse waren dazu nicht befugt und durften nur bei Bedarf und gegen Zahlung von 1000 Reichstalern ihren Schutzbrief aufs ihr erstes Kind übertragen. Später hatten durch die Erhöhung von Abgaben nur noch Familien mit einem großen Einkommen oder mit einem Manufakturbetrieb überhaupt noch Chancen, ihren ordentlichen oder außerordentlichen Schutzbrief, auch auf ihre Kinder zu übertragen, was zu Spannungen innerhalb der jüdischen Gemeinden führte (vgl. Jersch-Wenzel 1978, S. 94, 149, 163). Jüdische Familien der Klasse 4 wurden toleriert und waren meist Gemeindeangestellte, wie Schulmeister oder Rabbiner. Geduldete Familien der Klasse 5 besaßen keinen Schutz und erhielten nur Bescheinigungen, die zeitlich begrenzt waren. Die Klasse 6 bildeten jüdische Familien ohne Schutzbrief, Geleit oder Duldung, sodass diese kein Recht auf Niederlassung besaßen und zur dauernden Wanderung gezwungen waren, wobei sie nur ungern von jüdischen Gemeinden aufgenommen wurden, da diese für sie hafteten. Oftmals werden Juden der Klasse 6 in der Literatur auch als „Betteljuden“ geführt, deren Anteil an der jüdischen Bevölkerung Battenberg für das Jahr 1750 mit 50 Prozent und 1780 sogar mit 90 Prozent angibt. (Vgl. Battenberg 2001, S. 114).

Wie zügig der soziale Abstieg sich beispielsweise vollziehen kann, zeigen Herzfeld anhand von Levin Joseph aus Spandau (vgl. Herzfeld 2001, S. 164ff.) und Schenk am Niedergang des Manasse Jacob aus Bernau (vgl. Schenk 2010, S. 175). Um ihre soziale Situation zu verbessern und Privilegien zu erhalten war für jüdische Familien immer wieder der Nachweis der eigenen (ökonomischen) Nützlichkeit für Preußen unabdingbar. Insbesondere auf den Export legte Friedrich II. sein Hauptaugenmerk und forderte somit einen verstärkten Handel nach Holland, Frankreich, Schweden, Spanien, Portugal, Kursachsen, Russland bis in die Türkei und vor allem in das wirtschaftlich unterentwickelte und innenpolitisch geschwächte Polen. Erlaubt war durch das Generalprivileg von 1750 der Handel mit Luxuswaren, Geldwechseln und Krediten, Immobilien, Manufaktur- und Gebrauchtwaren sowie Textilien, Vieh und Pferden. (Vgl. Freund 1912, S. 40; vgl. auch Battenberg 2001, S. 95)

Zwischen 1723 und 1813 machte die jüdische Erwerbsbevölkerung in Berlin im Handelsbereich 68 Prozent aus, während es in der Gesamtbevölkerung nur 7,4 Prozent waren.  Jüdische Männer waren dabei zu 47,5 Prozent im Warenhandel und zu 20,5 Prozent im Geldhandel tätig (vgl. Jersch-Wenzel/John 1990, S. 202ff.. Weitere 5,7 Prozent arbeiteten im Handwerk, 5,7 Prozent im Gewerbe und 14 Prozent im Privat- und Gemeindedienst).

Von ökonomischen Engagement hing somit die jüdische Zukunft in Preußen, aber auch die Zukunft für Preußen ab, denn kein „Staat hat die ökonomische Disziplinierung der Juden so systematisch betrieben und genutzt wie Preußen“ (Bruer 1991, S. 18).

 

Literatur

Battenberg, J. Friedrich (2001): Die Juden in Deutschland vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Enzyklopädie Deutscher Geschichte. Bd. 60. München.

Bruer, Albert A. (1991): Geschichte der Juden in Preussen (1750-1820). Frankfurt/Main.

Freund, Ismar (2012 [1912]): Die Emanzipation der Juden in Preußen. Bd. 2. Urkunden. Hildesheim.

Herzfeld, Erika (2001): Juden in Brandenburg-Preussen. Beiträge zu ihrer Geschichte im 17. und 18. Jahrhundert. Berlin.

Jersch-Wenzel, Stefi; John, Barbara (1990): Von Zuwanderern zu Einheimischen. Hugenotten, Juden, Böhmen, Polen in Berlin. Berlin.

Jersch-Wenzel, Stefi (1978): Juden und „Franzosen“ in der Wirtschaft des Raumes Berlin/Brandenburg zur Zeit des Merkantilismus. Einzelveröffentlichung der Historischen Kommission zu Berlin. Bd. 23. Berlin.

Mittenzwei, Ingrid, Herzfeld, Erika (1988): Brandenburg-Preußen 1648-1789. Das Zeitalter des Absolutismus in Text und Bild. Berlin.

Rürup, Reinhard (1995): Jüdische Geschichte in Berlin. Bilder und Dokumente. Berlin.

Schenk, Tobias (2010): Wegbereiter der Emanzipation? Studien zur Judenpolitik des „Aufgeklärten Absolutismus“ in Preußen (1763-1812). Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte. Bd. 39. Berlin.

Stern, Selma (1971b): Der Preussische Staat und die Juden. Dritter Teil/Die Zeit Friedrichs des Großen. 2. Abteilung: Akten. Tübingen.

Stern, Selma (1962a): Der Preussische Staat und die Juden. Zweiter Teil/Die Zeit Friedrich Wilhelms I. 1. Abteilung: Darstellung. Tübingen.

Quelle: http://germanjews.hypotheses.org/46

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Brandenburgische Creditive (1630)

Der Erfolg einer Gesandtschaft hängt nicht zuletzt von einer guten Vorbereitung ab – dies war bereits in der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs so. Natürlich stand eine inhaltliche Vorbereitung an erster Stelle. Man gab einer Delegation möglichst genaue Instruktionen auf den Weg, damit sie wußte, in welchem Rahmen sie Verhandlungsspielraum besaß. Nicht minder wichtig war es aber auch, sich bereits im Vorfeld über das personelle Umfeld Gedanken zu machen, das die Gesandten antreffen würden. Auf wen würden sie treffen, mit wem sollten sie Kontakt suchen, wem würden sie vertrauen können? Wie diese Fragen zu beantworten waren, läßt sich beispielhaft an den „Creditiven“ ablesen, die der Kurfürst von Brandenburg für seine Abgesandten auf den Kurfürstentag von Regensburg im Jahr 1630 ausstellte.

Mit einem Creditiv ist zunächst eine Beglaubigung gemeint, mit der ein Fürst bestätigte, daß der Gesandte, der dieses Schriftstück vorlegen würde, auch tatsächlich mandatiert war. Entsprechend enthielten die brandenburgischen Creditive für Regensburg allesamt die Bitte an den Adressaten, daß sie dem Anbringen der namentlich vorgestellten Gesandten, „gleich es von vns selbst geschehe, volkommen glauben beymessen“. Letztlich waren diese Dokumente also entscheidend für die Akkreditierung der Abgeordneten.

Genau diese Funktion – und nicht mehr – erfüllten die Creditive, die an den Kaiser und die katholischen Kurfürsten ausgestellt waren (Natürlich wurde für jeden Kurfürsten ein eigenes Schreiben ausgestellt; ein pauschales Creditiv für alle wäre der Dignität dieser Reichsfürsten nicht angemessen gewesen.). Den Unterscheid zeigt das Creditiv an Kursachsen. Hier wurde über den üblichen formalen Rahmen hinausgehend festgehalten, daß die brandenburgischen Gesandten Befehl hätten, „nicht allein ein vnnd das andere anzubringen, Sondern auch in allen was vorgehet vertrawliche communication zupflegen“. Das Signal war eindeutig: Brandenburg wollte sich enger mit Kursachsen abstimmen und war entsprechend im Rahmen der Verhandlungen zu einem intensiven Informationsaustausch bereit.

Dieses Ansinnen fiel nicht vom Himmel, hatten doch beide Reichsfürsten kurz vor dem Regensburger Kollegialtag in einer eigenen Konferenz in Annaberg einer solchen Kooperation den Weg ebnen wollen. Das Creditiv knüpfte nun an diese Beratungen an und signalisierte den brandenburgischen Willen, diese neue Politik tatsächlich umzusetzen. Auch Kursachsen hatte seine Deputierten entsprechend instruiert, und wie sich im Verlauf der Regensburger Beratungen zeigen sollte, haben sich die Gesandtschaften beider Kurfürsten tatsächlich ausgetauscht (Überliefert sind diese Materialien in GStA PK, I. HA Rep. 12, Nr. 147).

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/560

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Brandenburg und der Dreißigjährige Krieg: textbook-Splitter

Karin Friedrich, die in Aberdeen lehrende Spezialistin für preußische Geschichte, hat vor einigen Monaten ein textbook zu Brandenburg-Prussia, 1466-1806 vorgelegt. Der in der Reihe “Studies in European History” erschienene knappe und konzise Überblick wird in den kommenden Jahren für Studierende in der englischsprachigen Welt sicher sehr hilfreich sein. Der Erfolg ist dem Buch durchaus zu wünschen, denn eine solche gelungene komprimierte Darstellung des vormodernen Teils der brandenburg-preußischen Geschichte hat ihren Wert, zumal wenn sie ältere Darstellungen in englischer Sprache ablösen kann.

An der Stelle soll es aber gar nicht um das Buch als ganzes gehen, sondern lediglich um die Frage, in welcher Weise der Dreißigjährige Krieg dargestellt wird. Es ist klar, daß diese Phase für die brandenburgische Geschichte kein Ruhmesblatt war, im Gegenteil. Um so großartiger geriet in der borussischen Geschichtsschreibung der Aufstieg der Hohenzollerndynastie, die im Laufe weniger Generationen ihre Herrschaft in den Kreis der europäischen Großmächte einführen konnten. Wie geht die Autorin also mit diesen bekanntermaßen dunklen Jahren Brandenburgs um?

K. Friedrich behandelt den ereignisgeschichtlichen Kontext, wie es in einem solchen Lehrbuch üblich ist, ausgesprochen knapp (79 f.). Bei den dafür aufgewendeten zwei Seiten fällt auf, daß Schwarzenberg zwar als “controversial Catholic minister” erwähnt wird, aber keineswegs wie in der älteren Forschung als der Sündenbock für eine Politik stilisiert wird, die Brandenburg beinahe unter die machtpolitischen Räder andere Potentaten zu bringen drohte. Die präsentere Figur ist aber, wenig verwunderlich, Friedrich Wilhelm, der eine flexiblere politische Ausrichtung verfolgte.

Daß man gewillt war, aus den bitteren Lehren des Kriegs zu lernen, zeigte sich bei der Organisation der Steuererhebung. Hier verweist K. Friedrich auf das Beispiel der Schweden, die 1626 ins Herzogtum Preußen einfielen und dort Kriegskontributionen erhoben (27). Auch hier taucht noch einmal Schwarzenberg auf als derjenige, der als Erster eine am schwedischen Modell angelehnte Steuererhebung zu etablierten suchte und damit wie dann der nachmalige Große Kurfürst eine antiständische Politik verfolgte, um das Steueraufkommen zu erhöhen. Das schwedische Beispiel wird auch zu recht für das Militärwesen betont, besonders war die Aufbringung von Truppen angeht (86, dazu auch schon 31 f.); vielleicht aber ist der Sprung zum Kantonsystem – der Begriff fällt an der Stelle – hier etwas zu weitgehend.

Zum Thema des konfessionellen Dissenses zwischen dem calvinistischen Herrscherhaus und den weitestgehend lutherischen Untertanen verweist die Autorin auf die Ausgleichsbemühungen im Jahr 1631, die allerdings nur unter dem politischen Druck zustande kamen (“At the height of the Catholic threat”, 39) und nicht von Dauer waren. Schließlich wird noch die Entstehung des Pietismus als Reaktion auf die Folgen des Dreißigjährigen Kriegs gesehen (“as response to the traumas of the Thirty Years War”, 98), aber dies ist lediglich ein Stichwort.

So weit – und so wenig. Doch dies ist im Rahmen einer gut 100-seitigen Darstellung auch nicht zu kritisieren. Wichtig erscheint mir festzuhalten, daß der Tonfall nichts Apokalyptisches hat; die schwierigen und krisenhaften Umstände dieser Jahrzehnte werden angesprochen, doch finden sie sich durch die Einbettung auch in größere strukturelle Zusammenhänge gut kontextualisiert.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/117

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Unter dem Schutz des Kaisers

Sicherheit stellte auch schon in der vormodernen Gesellschaft einen hohen Wert dar. Und doch war es eine ausgesprochen fragile Komponente im Ordnungsgefüge dieser Zeit. Gerade in Kriegszeiten war die Sicherheit mehr als sonst bedroht. Wie konnte man sich ihrer vergewissern? Salvaguardien, Schutzbriefe also, erschienen als das probate Mittel, um sich vor Einquartierungen, der Erhebung von Kriegssteuern und anderem Unbill zu schützen. Wenig überraschend also, daß Schutzbriefe in dieser Zeit ein Massenphänomen darstellten.

Doch an wen sollte man sich wenden, um eine solche Salvaguardia zu erhalten? Nach den herkömmlichen Ordnungsvorstellungen war die eigene Obrigkeit dafür zuständig, Schutz und Schirm für die eigenen Untertanen zu gewährleisten; diese Schutzleistung stellte nicht zuletzt eine wichtige Legitimierung für jeden Herrschaftsträger dar. Schnell zeigte sich jedoch in Kriegszeiten, daß die eigene Obrigkeit, egal ob es ein Stadtmagistrat oder ein Reichsstand war, schnell an ihre Grenzen stieß. Deshalb war es nicht unüblich, daß sich Schutzsuchende – und das konnten Einzelpersonen jedweden Standes oder auch Kommunen bis hin zu Reichsständen sein – direkt an eine Kriegspartei wandten. Zwar ging vom Militär ja eigentlich die Gefahr aus, gleichzeitig erblickte man gerade in ihr die Instanz, den nötigen Schutz zu gewährleisten. Je nach Situation war es sogar naheliegend, sich von beiden, miteinander verfeindeten  Armeen Schutzbriefe ausstellen zu lassen und so für jede Eventualität vorgesorgt zu haben.

Eine andere Möglichkeit war es, sich direkt an den Kaiserhof oder an den Reichshofrat zu wenden. Tobias Schenk, der schon seit einiger Zeit im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv wichtige archivarische Erschließungsarbeiten zum Reichshofrat betreibt, hat in zwei jüngst erschienenen Beiträgen aufschlußreiche Beispiele dafür angeführt: Reichsgeschichte als Landesgeschichte. Eine Einführung in die Akten des kaiserlichen Reichshofrats, in: Westfalen. Hefte für Geschichte, Kunst und Volkskunde 90 (2012), S. 107-161; Das Alte Reich in der Mark Brandenburg. Landesgeschichtliche Quellen aus den Akten des kaiserlichen Reichshofrats, in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 63 (2012), S. 19-71.

Wie die Titel zeigen, ist die Stoßrichtung beider Aufsätze eine ganze andere, doch geht er in beiden Fällen auch auf die Phase des Dreißigjährigen Kriegs ein und bietet für unser Thema der Salvaguardien einmal westfälische (S. 121 f.), ein anderes Mal brandenburgische Exempel (S. 41-46). Besonders letztere sind bemerkenswert, zeigen sie doch die Schwäche der Hohenzollernherrschaft in dieser Zeit. Nicht nur brandenburgische Untertanen suchten Schutz beim Kaiser, sondern die Kurfürstin Elisabeth Charlotte selbst, als strenge Calvinistin kaum einer prohabsburgischen Haltung verdächtig, erbat sich Anfang 1631 kaiserliche Schutzbriefe für ihre Güter.

Was brachten nun solche Schutzbriefe? Viele Episoden aus diesen Kriegsjahren belegen, daß Salvaguardien oftmals nur ein Stück Papier waren. Deswegen gab es nicht nur papierne Salvaguardien, sondern auch „lebendige“ (wie man sie zeitgenössisch nannte) – echte Soldaten also, die als Wachmannschaft einem Konvoi oder Reisenden beigegeben wurden. So etwas kostete natürlich noch mehr als ein Dokument, und auch diese Trupps garantierten nicht immer die ersehnte Sicherheit. Wichtig in dem Kontext ist aber die generelle Frage, welchen Effekt kaiserliche Schutzbriefe hatten: Hat man dem Reichsadler mehr Respekt entgegengebracht als dem Siegel irgendeines Kommandeurs? Dieser Frage geht Tobias Schenk nicht mehr nach, und im Zusammenhang seiner Aufsätze ist dies auch nicht seine Aufgabe gewesen. Doch genau hier lohnt es sich, die bereitgestellten Indizien weiterzuverfolgen und zu überprüfen, ob die kaiserlichen Schutzbriefe tatsächlich dazu beitragen konnten, die Präsenz des Reichs und des Kaisers in kriegsbedrohten Regionen aufrechtzuerhalten.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/93

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