Unter den Comics und Graphic Novels, die China-Themen (im weitesten Sinn gewidmet sind, nehmen die A...
Gelesen: Als die Karpfen fliegen lernten (2015)
Mitte der 1980er Jahre war Als hundert Blumen blühen sollten von Yue Daiyun [Yuè Dàiyún 乐黛云][1] eine Sensation: Eine Chinesin schildert offen ihr Leben in der Volksrepublik China – von ihrer Verurteilung während der Kampagne gegen Rechtsabweichler[2] über die Kulturrevolution bis zur Rehabilitierung in den 1980ern. Trotz allem, was Yuè durchgemacht hatte[3] bleibt sie der Partei gegenüber loyal:
Ich würde mich am Neuaufbau der Partei beteiligen, denn ich war überzeugt, daß nur sie, welche Fehler sie auch immer begangen haben mochte, China vorwärts bringen konnte […][4]
Während Yuè ungebrochen an der Partei festhält, entstehen die meisten der seit den späten 1980er Jahren erschienen Autobiographien und Familienbiographien (und romanhaften (Auto-)biographien) von Chinesinnen und Chinesen, nachdem die Autorinnen und Autoren China verlassen haben. In den 1990er und frühen 2000er Jahren wurde eine Vielzahl derartiger Texte veröffentlicht. Während das Interesse im angloamerikanischen Raum anzuhalten scheint, hat es im deutschen Sprachraum etwas nachgelassen.
Das bekannteste Beispiel ist Wilde Schwäne (1991) von Jung Chang [Zhāng Róng 張戎][5]. Weitere Beispiele (nota bene ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
- Anchee Min [Mín Ānqí 閔安琪]: Rote Azalee (1994).
[...]
Chinabilder 2014: “Manche mögen Reis”
Chinabilder in der Belletristik (im weitesten Sinne) sind ein sehr weites Feld zwischen Karl Mays Kong-Kheou, das Ehrenwort, Sax Rohmers Dr. Fu Manchu, Hergés Le lotus bleu, Romanen von Pearl S. Buck und Han Suyin, Robert van Guliks Richter Di-Reihe, Pixi-Büchern wie Petzi fährt nach China, Krimis von Christopher West und Peter May, Petra Häring-Kuans Chinesisch für Anfänger, Richard Masons Suzie Wong und Gene Luen Yangs Boxers & Saints – eine zufällige und willkürliche Auswahl, die die Bandbreite nur andeuten kann: Unterhaltungsliteratur, Kriminalromane und Thriller, ‘Chick-Lit’, Kinderbücher, Comics und Graphic Novels etc. etc. Eine (nicht mehr ganz) neue Facette eröffnet das “erzählende Sachbuch”[1] aus der ‘So sah ich China’-Perspektive: Ausländer berichten über ihre Zeit in China. Da sind zwar auch Journalisten, die sich nur für kurze Zeit in China aufhalten, in der Mehrzahl sind diese Berichte von Expats, die Jahre ihres Lebens in China zubringen.
Klassische Beispiele für Erfahrungsberichte aus China sind unter anderem Max Scipio von Brandt: 33 Jahre in Ostasien – Erinnerungen eines deutschen Diplomaten (1901), Egon Erwin Kisch: China geheim (1933), Hugo Portisch: So sah ich China (1965) und Augenzeuge in Rotchina (1965), Klaus Mehnert: China nach dem Sturm. Bericht und Kommentar (1971), Harrison Salisbury: To Peking and Beyond: A Report on the New Asia (1973), Lois Fischer-Ruge Alltag in Peking. Eine Frau aus dem Westen erlebt das heutige China (1981), Harrison Salisbury: Tiananmen Diary: Thirteen Days in June (1989) und Peter Scholl-Latour: Der Wahn vom Himmlischen Frieden. Chinas langes Erwachen (1990).
Jüngere Beispiele sind unter anderem: Tim Glissold: Mr. China: A Memoir (2006), Peter Hessler: River Town: Two Years on the Yangtze (2006), Matthew Polly: American Shaolin (2007), Michael Levy: Kosher Chinese: Living, Teaching, and Eating with China’s Other Billion (2011), Dominic Stevenson: Monkey House Blues. A Shanghai Prison Memoir (2010), Peter Hessler: Country driving : a Chinese road trip (2010, dt. Über Land: Begegnungen im neuen China (2009)) Alan Paul, Big in China. My Unlikely Adventures Raising a Family, Playing the Blues, and Becoming a Star in Beijing (2011), Leanna Adams: Pretty Woman Spitting. An American’s Travels in China (2012).
Diese Berichte zeichnen naturgemäß höchst unterschiedliche Bilder von China zwischen Faszination und Frustration, zwischen Abscheu und Begeisterung. Allen gemeinsam ist das Sich-Einlassen auf China.
Ganz anders ist Manche mögen Reis. Skurriles aus dem Reich der Mitte. ((Susanne Vehlow: Manche mögen Reis. Skurriles aus dem Reich der Mitte (Berlin: Ullstein 2014).)) Fassungslosigkeit ist eine unzulängliche Beschreibung meiner Reaktion auf “eine umwerfende Erfahrung, mitten unter Chinesen zu leben!”[2] Die Autorin ist Sport- und Englischlehreren und lebte mit Mann und Kindern von 2009 bis 2014 in Shanghai, wo sie und ihr Mann an der Deutschen Schule unterrichteten.[3]
Vehlow: Manche mögen Reis (Quelle: Ullstein Verlag)
Das Cover zeigt drei ‘Chinesen’ in pyjamaartigen Gewändern, mit langem Zopf und Kegelhut. Sie bedienen sich aus einer überdimensionalen (und perspektivisch ziemlich eigenartig wirkenden) Schale mit weißem Reis. Die Figur im roten Gewand führt einen kleinen grünen Drachen an einer Leine – und im Hintergrund lehnt in der Ecke ein Kontrabass – wohl in Anlehnung an das Kinderlied “Drei Chinesen mit dem Kontrabass”[4]
Eigentlich sollte das eine ausreichende Warnung sein. Tatsächlich wird auf 330 Seiten in 52 Kapiteln kein Klischee ausgelassen: Menschenmassen, Küche, Wohnverhältnisse, Klima/Wetter in Shanghai, Verkehr, Küche, hygienische Verhältnisse und Charakter ‘der Chinesen’ schlechthin.
Zum – zugegeben gewöhnungsbedürftigen – Straßenverkehr in Shanghai heißt es: “Mit den Verkehrsregeln nehmen sie es hier nicht so genau” (S. 42). ‘Man’ hat kein Auto, weil man nur einen Block von der Schule entfernt wohnt und den Weg mit dem Rad zurücklegt. Für alles andere gibt es Taxis – Taxifahren ist ein Abenteuer, dasimmer wieder thematisiert wird, speziell im Kapitel 17 “Taxifahren” (S. 112-116). Damit ‘man’ dieses Abenteuer überlebt, muss ‘man’ sowohl die Startadresse als auch die Zieladresse entweder auf Visitenkarten dabeihaben oder aber von speziellen Webseiten ausdrucken. Aber selbst dann ist es nicht sicher, dass man ohne Probleme von A nach B kommt. Denn die Fahrer sprechen nur Chinesisch.
Die chinesische Sprache aber bleibt für die Expats in den fünf Jahren in Shanghai ein Buch mit sieben Siegeln – zu schwer zu lernen, schließlich “bedeutete ein Wort etwas gänzlich anderes, wenn man es mit der falschen Betonung aussprach” (S. 113). Umso skurriler mutet die “kleine[n] Einführung ins chinesische Verkehrseinmaleins” (S. 116). an, denn “um Verwirrungen zu vermeiden” (S. 115) wird auf Tonzeichen verzichtet – von Schriftzeichen gar nicht zu reden.
Die “Lauweis” (S. 48 und passim)[5], wie die Autorin sich selbst und ihre Familie nennt, stolpern durch Shanghai, sie leben in einem Compound, zwar weit weg von ‘allem’, aber in einem großen Haus – und sie hat eine ‘Ayi’[6], die sich um den Haushalt kümmert (für umgerechnet 200 Euro im Monat fünfmal pro Woche acht Stunden (S. 55)). Leider hatte sich in “Expat-Kreisen [...] herumgesprochen, dass Ayis zwar oft wirklich gute Seelen waren, es jedoch nicht wenige unter ihnen gab, die das eine oder andere einsteckten, die ein Nickerchen hielten, wenn die Dame des Hauses nicht daheim war [...] oder Partys [feierten].” (S. 67) Doch die Familie hatte zum Glück wirklich Glück mit ihrer Ayi.
Der Alltag außerhalb von Compound und Schule gestaltet sich schwierig, jeder Einkauf (z.B. bei “Tschallefu”[7] und “Idscha”[8] ) wird zum Abenteuer- oder zum Horrortrip. Das Shanghai außerhalb des Compounds wird nur am Wochenende erfahren/erlebt, wobei ‘man’ sich auf Touristenpfaden bewegt: Bund, Oriental Pearl Radio & TV Tower, Pudong, das Shanghai World Financial Center (der “Flaschenöffner”) etc.
Eher zwiespältig scheint das Verhältnis zur chinesischen Küche zu sein. ‘Man’ geht zwar oft und häufig essen, denn das “ist hier tatsächlich supergünstig[, i]nsbesondere wenn du chinesisch essen gehst.” (130) Die Sache hat mehrere Haken: das miese, ungemütliche, wenig einladende Ambiente, die Tischsitten ‘der Chinesen – und
Es schmeckt nicht so wie beim Chinesen in Berlin. Ganz anders. Kann ich kaum beschreiben. Sie verwenden ganz andere Gewürze. Und wirklich jedes Gericht schmeckt eigen. (S. 131)
Zum Glück gibt es Abhilfe – in der Hongmei Lu 虹梅路 gibt es eine kleine Fußgängerzone mit nicht-chinesischen Lokalen.
Da findet man auf jeden Fall etwas, wenn man mal wieder Lust auf ‘normales’ Essen hat (S. 132)
Bei “Tschallefu” gibt es die aus der Heimat vertraute Nussnougatcreme – leider ziemlich teuer, aber das muss sein; Müsliriegel werden überlebenswichtig, falls ‘nichts Normales’ aufzutreiben ist. Und aus der Heimat kommen Fresspakete mit Lebkuchen und den Zutaten für Schokoladekuchen.
Immer wieder sind die “Lauweis” erstaunt über ‘die Chinesen’:
Überall waren sie. Auf den Gehwegen, auf den Rolltreppen, in den Läden, im Aquarium, auf dem Klo – überall kleine schwarzhaarige Menschen in den schrillsten Klamotten. (89 f.)
‘Die Chinesen’ sind nicht nur eigenartig gekleidet, sie verhalten sich mitunter eigenartig. Und natürlich können ‘die Chinesen’ nicht oder nicht sehr gut Englisch und können kein “r” aussprechen: “Plies hold sis spoon inflont of yo left eye.” (S. 50). Doch es gibt auch Ausnahmen, die beides können, wie der Makler, der der Familie das Haus vermittelt hat (S. 54): “Was für eine Wohltat. Es gab anscheinend auch Leute, die uns ohne Pantomime-Einlage verstanden.” (S. 55)
Die Autorin scheint – im Gegensatz zu ihrem Mann – das Leben in Shanghai als kaum erträglich und unendlich schwierig zu empfinden. Lichtblicke scheinen rar: die Wochen und Monate, wo ‘man’ aus Shanghai wegkommt (Ferienreisen nach Australien, auf die Philippinen, nach Kambodscha, Myanmar und Malaysia), Heimatbesuche und Besuche von Familie und Freunden in China, mit denen auch Nanjing, Xi’an, Beijing und Guilin in Wochenendtrips abgegrast werden.
Im Rahmen dieser Kurztrips werden Informationen zur Kultur und zur Geschichte eingeworfen, so unter anderem zu Kalender, Tierkreis und Neujahrsfest (S. 172-177), zu einem chinesischen Badehaus (183-187), zur Terrakotta-Armee in Xian, zur Stadtmauer und zum Sun-Yat-sen-Mausoleum in Nanjing (und bei Nanjing darf John Rabe nicht fehlen.)
Die kursorischen Informations-Fragmente reichen dem Ullstein Verlag, um den Titel mit dem Etikett “Erzählendes Sachbuch” zu versehen. Dazu kommen die Etiketten”Humor” und “Politik/Internationale Politik”. Wie es zu der Einordnung kommt, erschließt sich mir nicht. Die politischen Verhältnisse werden mit keiner Silbe erwähnt und das Humoristische beschränkt sich allenfalls auf unfreiwillige Komik (die so wohl nicht intendiert war).
Die Lektüre macht fassungslos: Holzschnittartig und schablonenhaft werden Episoden und Typen aneinandergereiht. Das in China Erlebte wird am aus Deutschland vertrauten ‘Normalzustand’ gemessen und bewertet. Die Klischees vom ausländerfeindlichen, unberechenbaren Orientalen wird einmal mehr fortgeschrieben. Traurig nur, dass diese Ansammlung von Stereotypen auch 2014 noch unter “China-Erfahrung” und “China-Erfahrungsbericht” läuft.
Sollte Manche mögen Reis ins Chinesische übersetzt werden, empfiehlt sich der erste Satz aus dem kleinem Sprachkurs “Praktisches Chinesisch – die wichtigsten Sätze” in Christan Y. Schmidts Bliefe von dlüben. Der China-Crashkurs [9]:
In jeder Situation:
Bù, wǒ bù shì dé guó rén. /Wǒ shì liè zhī dūn shì dēng rén.[10]
Nein, ich bin kein Deutscher. / Ich komme aus Liechtenstein. (S. 208)
Österreicher und Österreicherinnen brauchen nicht zu schummeln, die ersetzen Lièzhīdūnshìdēngrén einfach durch Àodìlì rén 奧地利人.
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- Der Dreh mit dem ‘erzählenden Sachbuch’ ist nicht neu, s. Rainer Traub: “Die Luftnummern der Lizenzstrategen” In: Der Spiegel 10/2000 (06.03.2000).
- Susanne Vehlow: Manche mögen Reis. Skurriles aus dem Reich der Mitte (Berlin: Ullstein 2014), Umschlagrückseite.
- Vehlow (2014), Frontispizseite.
- Zum Reinhören “Drei Chinesen mit dem Kontrabass“.
- laowai 老外 – wörtlich “Alter Fremder” ist eine generische Bezeichnung für Ausländer, wird im Buch aber immerwieder mit “Langnasen” übersetzt.
- āyí 阿姨 – wörtlich “Tante”, eine Hausangestellte.
- Jiālèfú 家乐福 / 家樂福 = Carrefour.
- Yíjiā 宜家 = IKEA
- Christian Y. Schmidt: Bliefe von dlüben. Der China-Crashkurs (Berlin: Rowohlt 2009). Schmidt beschreibt zwar das Leben in Beijing, ist aber ungleich unterhaltsamer (z.B. das Kapitel “Meine chinesische Tante” (S. 125-129) über die Ayi.
- Korrekt wäre: Bù, wǒ bù shì déguórén. 不,我不是德國人。 / Wǒ shì lièzhīdūnshìdēngrén. 我是列支敦士登人。
China-Comics: Yang, “Boxers” and “Saints”
Gene Luen Yang, der einem breiteren Publikum vor allem durch American Born Chinese bekannt wurde, legt mit Boxers & Saints eine zweibändige/zweiteilige Graphic Novel vor, die sich mit der Situation in China im späten neunzehnten Jahrhundert beschäftigt. Boxers & Saints wurde überwiegend positiv besprochen[1] und ist Anwärter für zahlreiche Preise. Jeder der Bände kann für sich gelesen werden, im Zusammenspiel ergeben sich zahlreiche neue Facetten. – was schon die Einbandgestaltung andeutet: Das Cover von Boxers zeigt im Hintergrund Qin Shihuangdi und die Hälfte des Gesichts von Little Bao, das Cover von Saints zeigt die Hälfte des Gesichts von Four-Girl und im Hintergrund Jeanne d’Arc – legt man die Bände nebeneinander, ergibt sich ein geteiltes ‘chinesisches’ Gesicht. Der Band Boxers erzählt die Geschichte von Little Bao, einem Jungen aus einem kleinen Dorf in “Shan-tung” [Shandong 山東], der ein Anfüher der Yihetuan 義和團 wurde. Der Band Saints erzählt die Geschichte von Four-Girl, einem Mädchen aus demselben dorf, die Christin wird, den Namen ‘Vibiana’ trägt und eine Art Jeanne d’Arc zu werden hofft.
Boxers schildert in Episoden die Zeit zwischen 1894 und 1900 – Kontakte zwischen Landbevölkerung und katholischen Missionaren, die die lokalen Götter zerschlagen, die Übergriffe von ausländischen und mandschurischen Soldaten, das Leben in den von Überschwemmungen und Dürren geplagten Dörfern, das Auftreten der ‘Boxer’ und den Weg von Little Bao in die Bewegung, den Sommer 1900 in Beijing. Eingeschoben sind Szenen mit Figuren aus dem traditionellen chinesischen Singspiel ["Pekingoper"] und imaginierte Dialoge mit Qin Shihuangdi, dem ersten Kaiser von China.
Quelle: macmillan
Saints beschreibt in Episoden das Leben von Four-Girl von ihrem 8. Lebensjahr bis zum 15. Lebensjahr. Das Mädchen, das keinen Individualnamen hat, sondern, da es das vierte Kind der Familie ist, einfach bei der Nummer genannt wird, ist in der Familie Außenseiterin. Ein eher zufälliges Zusammentreffen mit einem Arzt bringt sie in Kontakt mit dem Christentum und einem katholischen Missionar. Das Mädchen lernt mehr und mehr über die Religion und lässt sich taufen. Als der Missionar versetzt wird, schließt sich Four-Girl/Vibiana ihm an. Wie zahlreiche chinesische Christen wird sie Ziel der Angriffe der ‘Boxer’. So wie Little Bao den ersten Kaiser und die Helden des Musiktheaters sieht, sieht Four-Girl/Vibiana Jeanne d’Arc, die sie quasi leitet.
Der Anspruch des Verfassers, “[to lay] bare the foundations of extremism, rebellion, and faith”((Text auf der Schachtel des “boxed sets”)) erscheint sehr hoch; Boxers & Saints erscheint eher verworren denn vielschichtig. Fiktion und historisch Fassbares wird mit ‘Pekingoper’-Kitsch und weichgezeichneten Kreuzzugs-Szenen vermischt.[2] ‘Die Chinesen’ sprechen verständlich, der Text in den Sprechblasen ist lesbar, ‘die Ausländer’ bleiben unverständlich – in den Sprechblasen finden sich merkwürdige Krakel, die ihttp://de.wikipedia.org/wiki/Grasschriftrgendwie an Grasschrift erinnern.
Wie Alan Baumler, der Boxers & Saints im Unterricht einsetzte und darüber berichtete[3], anmerkte, sind Kampfszenen – die in Boxers & Saints häufig vorkommen – nicht unbedingt eine Stärke von Gene Luen Yang. Sie wirken schablonenhat und wenig variantenreich, der Funke, der die Handlung vorantreibt, will nicht so recht überspringen.
Yang betreibt Schwarz-Weiß-Malerei. Es bleibt allerdings offen, was/wer ‘schwarz’ (Täter, Aggressor) und was/wer ‘weiß’ (Opfer) ist. Sind ‘die Missionare’, die Götterstatuen zerschlagen, böse? Oder gehören sie, die sich um arme und unterdrückte Chinesen kümmern, zu den ‘Guten’? Sind ‘die chinesischen Christen’ Verräter, die bestraft werden dürfen/müssen – oder sind sie Hoffnung für ein ‘neues’ China? Sind ‘die Mandschu’ böse?
Aber vielleicht geht es nur mir so, weil mir das Thema vertraut ist?[4] Weil ich die Hintergründe kenne? Weil mir Forschungsansätze (1900-2014) geläufig sind? Vielleicht sollte man Graphic Novels anders lesen?
Gene Luen Yang/Lark Pien: Boxers & saints : boxed set
(New York : First Second, 2013)
ISBN: 978-1-59643-924-5.
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- Z.B.: Wesley Yang, “Views of the Rebellions” (The New York Times, Sunday Book Review, October 11, 2013) - unter “Children’s Books”(!) und in der Washington Post (October 8, 2013).
- Die Visionen – sowohl die, in denen Götter und der erste Kaiser auftreten, als auch die, in denen Jeanne d’Arc erscheint – sind farbig gestaltet, der Rest der Bände ist überwiegend schwarz/weiß gehalten.
- Alan Baumler: “Boxers and Saints” auf Frog in a Well am 7. Februar 2014. Zu Boxers & Saints gibt es auch einen Teachers’ Guide (oder direkt zum pdf).
- Georg Lehner/Monika Lehner: Österreich-Ungarn und der “Boxeraufstand” in China (= Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs, Sonderband 6; Innsbruck : StudienVerlag, 2002.
Möchten Sie gern intelligenter und kreativer werden?
Heute will ich Ihnen die ABC-Liste erläutern, die hier auf dem Blog bereits Erwähnung fand. Kennen Sie noch aus Ihrer Kindheit das Spiel Stadt-Land-Fluss? ABC-Listen zu “spielen” geht ähnlich und Sie können gleich mitmachen: Sie nehmen ein Din-A-4 Blatt im Hochformat und schreiben am linken Rand ein Mal das ABC runter. Jetzt nehmen Sie sich ein Thema vor, zu dem Sie z.B. demnächst einen Vortrag halten sollen, einen Artikel schreiben wollen, oder ein neues Themengebiet, das Sie sich erarbeiten möchten. Das Thema für diese Art von Inventur schreiben Sie oben über die Liste.
Ich wähle jetzt bewusst ein einfaches Beispiel, das jeder nachvollziehen kann. Das Thema heißt “Tiere”. Wandern Sie jetzt mit den Augen über die Liste tragen Sie dort etwas ein, wo Ihnen etwas einfällt. Beim Buchstaben P tragen Sie z.B. “Papagei” ein, bei K könnte das “Küchenschabe” und bei H “Hund” sein. Es ist wichtig, seine Augen über die Liste schweifen zu lassen und sie nicht akribisch von A bis Z auszufüllen.
Wenn Sie zu einem Buchstaben bereits einen Begriff gefunden haben und Ihnen fällt ein zweiter, dritter etc. ein: Super! Je mehr, desto besser. Es dürfen aber auch Zeilen freibleiben bei Buchstaben, zu denen Ihnen nichts einfällt. Meist sind dies das X, Y und Z. Q ist auch schwierig, wie Scrabble-Spieler wissen. Beim Ausfüllen der Liste werden Sie merken, dass Ihnen zu einem Begriff plötzlich mehrere einfallen. Der Begriff wird damit zur Unterkategorie: Zu “Hund” fallen Ihnen vielleicht weitere Haustiere ein wie “Katze”, “Wellensittich” oder “Kaninchen”. Schöpfen sie die Unterkategorie so gut wie möglich aus. Zum “Elefanten” gesellen sich der “Tiger”, das “Zebra” und das “Nashorn” (Kategorie Afrika oder letzter Safari-Urlaub). Die Bildung der Unterkategorie nennt man auch laterale Arabeske.
Sie können sich ein Zeitlimit von einer Minute für das Erstellen einer ABC-Liste setzen. Machen Sie doch mal ganz spontan eine zu Ihrem Lieblingsthema oder alternativ zum Thema Pflanzen, Urlaub oder Anorganische Chemie. Sie können Sich natürlich auch mehr Zeit nehmen. Sie können die Liste zu einem späteren Zeitpunkt weiter bearbeiten und Begriffe hinzu schreiben, wenn Ihnen noch einer einfällt.
Wozu ist das alles gut? Mit dem Anlegen einer Liste konzentrieren und fokussieren Sie sich auf ein Thema und bringen Ihre Assoziationen in Gang, die Sie für Ihre Arbeit benötigen. Sie kommen schnell ins Thema hinein. Wenn Sie die Listen auch noch sammeln, können Sie sie zu einem späteren Zeitpunkt konsultieren. Sie haben damit eine Schatzkiste, auf die Sie zurückgreifen können. Wichtig auch: Je öfter Sie ABC-Listen erstellen, desto schneller fließen Ihre Gedanken, desto mehr Assoziationen werden Sie haben, was wiederum zu mehr kreativen Einfällen führen wird. Das ist reine Übungssache, was man aber nur feststellen kann, wenn man es ausprobiert.
Ein Tipp zum Schluss: Fragen Sie doch einmal die Hausaufgaben Ihrer Kinder mit solch einer Liste ab. Wenn das Thema im Geschichtsunterricht gerade “Karl V.” heißt, dann spielen Sie mit Ihrem Sprößling zu diesem Thema (jeder für sich) eine ABC-Liste. Vergleichen Sie danach die Listen, reden Sie darüber. Stellen Sie fest, wie viel mehr Spaß das macht, als dröges Abhören.
Und jetzt noch ein Wort ganz zum Schluss: Intelligenz ist auch Übungssache. Sie wird zwar zum Großteil vererbt, ist aber zu ca. 20% beeinflussbar (nach oben und unten). ABC-Listen gehören zu den Möglichkeiten, mehr daraus zu machen.
Quelle: Vera F. Birkenbihl
Quelle: http://games.hypotheses.org/354
Wie wirken sich Farben auf unser Denken aus und was könnte das mit ARTigo zu tun haben?
Dass Farben mit Stimmungen und Gefühlen verbunden sind, dürfte jedem aus eigener Erfahrung bekannt sein. Schwarz als Farbe der Trauer und Rot als Farbe der Liebe sind nur zwei Beispiele dafür. Aber haben Farben einen Einfluss auf unser Denken? Dazu wurde die Wirkung von Rot und Blau untersucht. Rot als wärmste Farbe auf der einen Seite, Blau als kälteste Farbe auf der anderen Seite des Farbspektrums.
Für das Experiment prägten sich Probanden während zwei Minuten 36 Wörter ein. Bei schwarzer Schrift auf blauem Hintergrund erinnerten sich die Versuchspersonen auch an Wörter, die ihnen vorher gar nicht dargeboten wurden. Menschen haben also bei einem blauen Hintergrund mehr Assoziationen.
Bei schwarzer Schrift vor rotem Hintergrund hatten die Probanden eine präzisere Erinnerung. Wörter wurden recht genau erinnert. Rot lenkt die Gedanken mehr auf Details und führt zu einer besseren Gedächtnisleistung.
Blau könnte man also als die Farbe der Kreativität bezeichnen. Blau ist mit Ruhe und Entspannung konnotiert. Nicht umsonst gilt die „blaue Stunde“ in England nach Arbeitsschluss als Stunde der Entspannung. Die Farbe Rot ist hingegen mit erhöhter Aufmerksamkeit verbunden. Warnhinweise sind deshalb häufig rot gestaltet.
In Bezug auf ARTigo wäre zu überlegen, ob man sich die positive Wirkung der Farbe Blau zunutze machen könnte. Denn dabei geht es um Assoziationen zu Kunstwerken. Sowohl naheliegende, als auch weiter entfernte Gedankenverbindungen sind hier gefragt. Ein blauer Bildschirmhintergrund ist für die Bilder sicherlich nicht angebracht, denn jede Hintergrundarbe beeinflusst wieder das zu taggende Bild. Eine Idee aber könnte die farbliche Gestaltung des Eingabe-Bereichs sein. Insgesamt wäre dies eine Frage des Designs der Website.
Übrigens: Wer als Computer-Arbeiter neue Ideen und Assoziationen benötigt, kann ja als Farbe für seinen Desktop-Hintergrund Blau verwenden. Das ist sicherlich nicht falsch.
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Mehr Forschungsergebnisse zum Einfluss von Farben auf unser Denken gibt es hier:
http://www.br.de/fernsehen/br-alpha/sendungen/geist-und-gehirn/geist-und-gehirn-manfred-spitzer-gehirnforschung134.html
Quelle: http://games.hypotheses.org/241
Lieber ARTigo spielen als ins Museum gehen?
Bei einem Museumsbesuch verbringt der Betrachter vor einem Kunstwerk durchschnittlich elf Sekunden, ermittelte Martin Tröndle. Einen ausführlichen Bericht der Untersuchungen Tröndles kann man auf ZEIT ONLINE in dem Artikel Und die Herzen schlagen höher lesen.
Beim Spielen von ARTigo betrachtet der Spieler eine Minute lang intensiv ein Bild, das er beschreiben soll. Er verbringt also fast 6x so viel Zeit damit wie im Museum. Die Vermutung liegt deshalb nahe, dass er davon auch mehr hat, als von einem Museumsbesuch.
„Was sehen die Besucher, wenn sie Kunst sehen? Was empfinden sie? Was nehmen sie mit? Wenn man Tröndles Studie richtig versteht, dann gehört die Zukunft des Museums diesen Fragen“(Zitat aus dem o.g. Artikel).
Zur Beantwortung dieser Fragen könnte vielleicht die ARTigo-Forschung einen Beitrag leisten.
Quelle: http://games.hypotheses.org/137
Visuelle Ästhetik in der Mensch-Computer-Interaktion und im Interaktionsdesign
Kürzlich ist der Artikel „Visual Aesthetics in human-computer interaction and interaction design“ von Noam Tractinsky auf www.interaction-design.org erschienen.
Tractinsky trägt in seinem Artikel zahlreiche Forschungsergebnisse in Bezug auf visuelle Ästhetik über die Schnittstelle zwischen Mensch und Computer zusammen. Die folgenden Punkte sind mir besonders aufgefallen:
- Ästhetische Eindrücke werden sehr schnell gebildet. Wir brauchen gerade eine halbe Sekunde dafür, uns ein Urteil zu bilden, ob wir eine Webpage schön oder nicht schön finden.
- Das ästhetische Urteil bezieht sich dabei nicht nur auf die visuelle Schönheit einer Webpage oder Software, sondern auch auf Systemattribute, die Benutzerfreundlichkeit und eine allgemeine Zufriedenheit vermitteln, sowie die Leistung bzw. Funktionalität der Anwendung.
- Wenn man der These von Donald Norman: “Attractive things work better” folgt, ergibt sich daraus die Frage, inwieweit visuelle Ästhetik nicht nur die Wahrnehmung des Anwenders beeinflusst, sondern auch dessen Leistung.
Ich beziehe nun die vorangegangenen Ergebnisse auf Computerspiele und formuliere Fragen, die sich in Bezug auf Computerspiele daraus ergeben:
Wie bereits oben erwähnt, bildet sich der Spieler sehr schnell ein Urteil über die visuelle Ästhetik eines Spiels. Dass es gender-spezifische Spielvorlieben bezüglich der Spielidee gibt, wird in der Literatur beschrieben (männliche Jugendliche spielen gerne Shooter-Spiele, Mädchen bevorzugen Casual Games, das sind Spiele, für die keine besonderen Vorkenntnisse oder ein hoher Zeitaufwand nötig ist und die schnell zu einem Spielerfolg führen.):
- Gibt es neben dem gender-spezifischen Einfluss auf die Auswahl des Spielgenres auch einen ästhetischen Einfluss?
- Welchen Einfluss hat der visuelle Eindruck innerhalb eines bevorzugten Spielgenres auf die Auswahl eines Spiels?
- Inwieweit hängt die Attraktivität eines Spiels, d.h. wie häufig es gespielt wird, vom ästhetischen Eindruck ab. Ab wann nutzt sich ein Spiel ab, wird also seltener oder gar nicht mehr gespielt? Ist hier allein die Spielidee ausschlaggebend? Inwieweit könnten visuell-ästhetische Prozesse hieran beteiligt sein?
- Welchen Einfluss auf die Wahl eines Spiels hat der Gamesound? Gibt es einen Zusammenhang zwischen visueller und auditiver Ästhetik auf die Auswahl von Spielen?
Ästhetik als Tüpfelchen auf dem i zu verstehen würde heißen, ihre Bedeutung auf unser Leben, Denken und Tun klar zu unterschätzen. Von der Wirkung ästhetischer Wahrnehmungsprozesse, die uns meistens nicht bewusst sind, nehmen wir, bildlich gesprochen, nur die Spitze des Eisbergs wahr – dies auch im Hinblick auf Computerspiele.
Quelle: http://games.hypotheses.org/126
Über digitale Annotationen
Ich habe gerade den Aufsatz von Claudine Moulin mit dem Titel “Vom mittelalterlichen Griffel zum Computer-Tagging. Zur sprach- und kulturgeschichtlichen Bedeutung der Annotation” gelesen. Sie schreibt über Glossen und deren Erforschung, was mich dazu veranlasst hat, über meine eigenen Annotationsmöglichkeiten im digitalen Bereich nachzudenken:
Vor kurzem habe ich mir einen Amazon-Kindle gekauft. Mit dem Gerät sind nur Textmarkierungen möglich. Diese werden in einer eigenen Datei gespeichert und man müsste sie auch ausdrucken können, was ich noch nicht probiert habe, aber sie sind damit auf jeden Fall mal vom Text getrennt. Im o.g. Aufsatz wird „der schreibende Leser“ (S. 84) genannt. So einer bin ich auch. Ich bearbeite den gelesenen Text farblich und mache Randnotizen in Form von Text oder kleinen Zeichnungen. Der Kindle ist diesbezüglich ungeeignet für mich. Ich hätte auch nicht gewagt, an einen E-Ink-Reader einen solchen Anspruch zu stellen. Aber so was gibt‘s tatsächlich! Jetzt bin ich auf ein Gerät von Icarus gestoßen, was diese Funktionalität hat, … leider zu spät…
Übrigens: Textmarkierungen und Randnotizen sind eine Form der Elaboration, d.h. einer tieferen Informationsverarbeitung. Es bleibt also mehr „hängen“, wenn man Text nicht nur liest, sondern seine Gedanken an den Rand schreibt. Ist das nicht ein Grund, dass man dem Text das auch ansehen darf?
Quelle: http://games.hypotheses.org/51
Rezension zu “Neuroästhetik” von Martin Dresler (Hg.)
Siehe meine Rezension von: Martin Dresler (Hg.): Neuroästhetik. Kunst – Gehirn – Wissenschaft, Leipzig: E. A. Seemann Verlag 2009, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 3 [15.03.2012], URL: http://www.sehepunkte.de/2012/03/18093.html
Quelle: http://games.hypotheses.org/43