„Als Symbol des ethnischen Gegensatzes […] gilt vielen die Stadt Kosovska Mitrovica, die der amerikanische UN-Botschafter Richard Holbrooke einmal als die ‚gefährlichste Stadt Europas‘ bezeichnet hat.“1, schreibt der Slavist und Historiker Marc Stegherr. Die Stadt Mitrovica, die im Norden des Kosovos liegt, ist von der topographischen und ethnischen Trennung in der dort lebenden Bevölkerung geprägt. Im Süden der Stadt leben Kosovo-Albaner, den Norden bewohnen Serben. Die Grenze zwischen beiden Teilen markieren der Fluss Ibar und die berühmt-berüchtigte Mitrovica Brücke.
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Alles nur Spaß? Die Bedeutung des Stjob in den Texten und Auftritten von Graždanskaja Oborona
Ein gut erzogener Mensch spielt so, wie er erzogen wurde. Und wir unerzogenen Menschen können Jazz, Rock und Punk spielen. Wir können minimalistische und lärmende Musik spielen. (Egor Letov)
Egor Letov, der 1964 im russischen Omsk geboren wurde, gilt als Begründer des sibirischen Punkrocks und war bis zu seinem Tod 2008 einer der wichtigsten Musiker im Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. Mit seiner Band Graždanskaja Oborona prägte er drei Jahrzehnte der russischen Rockmusik. Gleichwohl ist Letov bis heute eine umstrittene Persönlichkeit, da er mit seiner stets unangepassten Haltung insbesondere den Unmut von staatlichen Autoritäten auf sich zog. Während andere sowjetische Rockmusiker bemüht waren, sich einen möglichst unpolitischen Anschein zu geben, versuchte Letov erst gar nicht, seine radikalen Ansichten zu verbergen.
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Die Spur der Steine: 1965 drohte ein Beat-Verbot im Westen
Heute kehren die Rolling Stones auf die Berliner Waldbühne zurück. Hier spielten sie vor knapp 50 Jahren ihr legendäres Konzert, das in Ausschreitungen endete und in Deutschland einen Kulturkampf um die Beat-Musik entfachte. Eine Polizeiakte verrät, wie verhärtet die Fronten damals waren.
Bis zum Abend lief alles ganz normal. Um 15.45 Uhr des 15. September 1965 war eine Maschine der Air France auf dem West-Berliner Flughafen Tegel gelandet. Unter den Passagieren befanden sich die Mitglieder der Band, die in jenen Jahren die öffentliche Meinung spaltete wie keine andere. Ihre harten R&B-Rhythmen und Liedtexte provozierten schon, bevor sie “Sympathy for the Devil” und für harte Drogen bekundeten. Die Rolling Stones waren angereist, um auf einem von der deutschen Jugendzeitschrift “Bravo” mitorganisierten Beat-Konzert aufzutreten.
Die Fahrt durch Berlin lief noch nach Plan und bis zum Abend lief auch der Zustrom von Fans zur Charlottenburger Waldbühne weitgehend ungestört. Das Motto des Konzerts lautete “Heißer geht’s nicht mehr” – im Nachhinein sollte es vielen als selbst erfüllende Prophezeiung erscheinen. Es war eines der größten Rockkonzerte, die es bis dato in Deutschland gegeben hatte, und auch die internationale Tournee war noch ein junges Format, mit dem man wenig Erfahrung hatte. Rund 21.000 Menschen befanden sich in der Freiluftbühne, vor den Toren noch weitere tausend Fans, die keine der mit 20 Mark sehr teuren Karten mehr bekommen hatten. Pünktlich traten nacheinander deutsche Vor-Bands auf, darunter die Racketts sowie Didi und die ABC-Boys. Der britische Haupt-Act war für 21.30 Uhr vorgesehen und sollte um 22 Uhr enden. Als aber vorzeitig das Licht erlosch, brach das los, was ein Kommentator später mit einem “Inferno” vergleichen sollte. Was war geschehen?
Die Antwort findet sich in einem nüchternen Leitz-Ordner mit vergilbtem Etikett, der heute in einem Stahlschrank der polizeihistorischen Sammlung am Flughafen Tempelhof steht. Verglichen mit anderen dort befindlichen Exponaten der Berliner Kriminalgeschichte, mit Fingerabdruckkarten, Projektilen und Mordwaffen, nehmen sich die 400 überwiegend maschinenschriftlichen Blätter unspektakulär aus. Doch die Funksprüche und Protokolle der “Aktion Steinschlag”, wie die Medien den Polizeieinsatz vom Herbst 1965 tauften, sind ein Stück deutscher Kulturgeschichte. Anhand dieser Akten lässt sich nicht nur minutiös nachvollziehen, was aus Perspektive der Berliner Polizei in der Waldbühne geschah, sondern auch das politische Nachbeben ablesen.
Der obenauf abgeheftete Einsatzbefehl S 1-524/65 formuliert in klarem Amtsdeutsch, was sich die Polizei vorgenommen hatte: “Durchführen der erforderlichen verkehrspolizeilichen Maßnahmen”, “Verhinderungen von Ordnungsstörungen”, “Unterbinden strafbarer Handlungen”. Prophylaktisch hatte die Polizei Greiftrupps und “starke Eingreifreserven in der Nähe der Bühne” zur Festnahme von Straftätern und Fototrupps in Zivil aufgestellt. Auch eine eigene Sammelstelle für Festnahmen in einem Polizeigefängnis wurde eingerichtet. Dass es zu solchen kommen könnte, hatten zahlreiche Zeitungsartikel nahegelegt, die das Konzert schon im Vorfeld zum Beat-Krawall hochstilisiert hatten, obwohl der letzte Großkrawall auf einem Rockkonzert Bill Haleys im Sportpalast schon sieben Jahre zurücklag. Mit allzu schweren Ausschreitungen rechnete man aber offenkundig nicht, denn als Ausrüstung waren nur “Dienstanzug, Plastikmütze, Polizeiknüppel” angeordnet worden.
Dass das nicht reichen würde, deutet sich schon gegen 21.10 Uhr an, als laut Protokoll vor der Bühne die ersten Flaschenwürfe gemeldet wurden. Schon vorher ist es vereinzelt zum “Polizeiknüppelgebrauch” durch Beamte der Reserve gegen Jugendliche gekommen, die Absperrungen überklettern wollten. Ein Jugendlicher erlitt Bisswunden durch einen Polizeihund. Als daraufhin mehrere Autos umgeworfen wurden, kam auch der Wasserwerfer zum Einsatz und größere Gruppen von Jugendlichen wurden zu den Häftlingssammelstellen transportiert. Auch die Ereignisse in der Bühne selbst sind minutiös dokumentiert. Ab 20.10 gilt die Stimmung als “angeheizt”, Feuerwerkskörper werden abgebrannt, vereinzelt fliegen Gegenstände über die Köpfe: Grasnaben, Schuhe, Flaschen. Die Ordner haben nun “Schwierigkeiten, die Bühne freizuhalten”. Um 21.31 Uhr eskaliert schließlich die Lage:
Die Absperrung vor der Bühne wird jetzt von stärkeren Gruppen durchbrochen, Polizisten knüppeln die Bühne wieder frei. Nach kurzer Unterbrechung setzen die Stones das Konzert fort, doch das Werfen mit Gegenständen und Zünden von Feuerwerkskörpern nimmt zu. Als das Konzert nach nur wenigen Songs schließlich abgebrochen wird, macht das Management einen schweren Fehler: Es lässt die grellen Scheinwerfer ausschalten, weil sich die Fans davon provoziert gefühlt hatten. Für die Dauer von 15 Minuten liegt die Arena in völliger Dunkelheit. Einige geraten in Panik. Unterdessen spricht sich herum, dass die Band nach dem nur 20-minütigen Auftritt nicht wieder auf die Bühne kommen wird. Wut greift um sich, auf die Veranstalter, auf die Stones, auf die Polizei. Hunderte versuchen, die Bühne zu stürmen. Zur Vermeidung weiterer Zerstörungen beginnt nun das, was im Polizeiprotokoll “Räumung der Waldbühne unter Anwendung des Polizeiknüppels” heißt.
Der Rundfunkreporter Matthias Walden, der auf der Presse-Tribüne dem Spektakel beiwohnt, schreibt seine Beobachtungen in der Sprache eines Kriegsberichterstatters nieder. “Ich sah das Wogen und Zucken der 20.000 in der Waldbühne, sah nicht mehr Wald, sah kaum noch Bühne”, hebt er an. “Jugendliche Leiber, bewegt wie von verschluckten Pressluftbohrern, sich selbst mit den Fäusten auf die Köpfe schlagend, blicklos aufgerissene Augen, stampfende Füße, schleudernde Arme.” Dann ertönt ein anderes Konzert, “das harte Geräusch, das beim Zertrümmern der Sitzbänke entsteht, das Jaulen und Bellen der Polizeihunde, das Johlen und Pfeifen der Masse, Hilferufe nach Sanitätern, Scherbenklirren.” Einige Sitzreihen brennen, andere sind zertreten, ein Absperrgitter wird auf die Tobenden geworfen. Räumketten der Polizei rücken gegen die Bühne vor.
Die Bilanz des Polizeiberichts addiert nüchterne Zahlen, von denen später einige nach oben korrigiert werden müssen: 89 vorläufige Festnahmen, 61 Fälle von erster Hilfe, 28 ambulant in Krankenhäusern behandelte, 26 verletzte Polizisten, von denen sechs in Krankenhäusern behandelt werden müssen, ein verletztes Polizeipferd, ein demolierter S-Bahnzug und 300.000 DM Sachschaden an der Waldbühne. Die Holzbretter der Sitzbänke sind zu achtzig Prozent beschädigt, die Holzzäune zu 90 Prozent. Der Wiederaufbau wird sich noch Jahre hinziehen, denn die Versicherung deckt nur einen Teil der Kosten.
Am Morgen des 16. Septembers liegt nicht nur die Waldbühne in Trümmern. Ernstlich beschädigt ist auch das Ansehen der noch jungen angloamerikanischen Beat-Musik – und abermals das eines Teils der deutschen Jugend. Auch die Polizei und der Veranstalter stehen in der Kritik. Der Kommandeur der Berliner Schutzpolizei fordert umgehend das Verbot von Beat-Konzerten. Nicht nur in Berlin, auch in der Bundesrepublik debattiert man nun öffentlich über Kulturverbote.
Hier weiterlesen (erschienen im Feuilleton der WAMS vom 8. Juni 2014).