35. Wie uns die Jungen Altes sungen oder Vom Elend des Geschichtsfernsehens

Neue alte Geschichten aus dem 19. Jahrhundertdeutsch

„Deutsch!“ schallt es nachdrücklich aus den Fernsehlautsprechern. „Deutsch! Deutsch! Deutsch!“ In einer Möchtegern-Rammstein-Rums-Manier, die nach Stahl und Schwulst und Schweiß und Leder und überhaupt nach allem schmeckt, was man leichthin mit Deutsch!-Land verbinden könnte, wummert ein schleppender und dumpf stampfender Beat der Band „Die Prinzen“ immer dann los, wenn die Geschichtsdokumentation „Deutschland-Saga“ ihren Anfang nimmt. Drei Folgen dieser Reihe liefen bereits im Herbst 2015, drei weitere folgen nun im Frühjahr 2015.

Man hat von dieser Sendung schon eine ganze Menge verstanden, wenn man den solcherart musikalisch unterlegten Vorspann sieht. Da fährt Christopher Clark – Australier, Deutschland-Experte und Cambridge-Professor, wie regelmäßg betont wird – in einem roten Käfer-Cabriolet durch eine künstliche Erlebnisparklandschaft, in der Abziehbildchen von Repräsentanten deutscher Geschichte herumstehen, vom Neandertaler über Martin Luther bis zu Bismarck und dem Gartenzwerg. In etwas mehr als 20 Sekunden wird ein Dieter-Thomas-Heck-artiger Schnelldurchlauf durch die deutsche Geschichte geboten, und die Zuschauerschaft kann sich historisch gleich zu Hause fühlen, wenn hier lauter Themen offeriert werden, die sie ohnehin schon kennt.

Vor allem aber wird schon hier der Ansatz einer historischen Erzählung deutlich, die sich durch drei Aspekte auszeichnet: erstens Identität, zweitens Kontinuität, und das Ganze drittens gepaart mit dem zuweilen recht verzweifelten Versuch, eine Prise frischer und frecher Darstellungsmittel darüber zu streuen (deswegen: roter Käfer-Cabrio!). Die Chose mutet nicht zuletzt deswegen so bekannt an, weil sie – und das ist das Hauptproblem – einmal mehr in nur leicht abgewandelter Form die Nationalisierungsdiskurse des 19. Jahrhunderts aufwärmt. Da werden frisch, fromm, fröhlich, frei die ganz großen Linien gezogen, von den ‚Deutschen‘ der Steinzeit bis zu den Deutschen der Jetztzeit, da wird eine Substanz ‚deutschen Wesens‘ vorausgesetzt, die jedem gestandenen Nationalisten wahre Freude machen könnte (auch wenn diesem bei der darstellerischen Umsetzung wohl der nötige gravitätische Ernst fehlen würde), und da werden unterschiedslos tausende von Jahren mit all den Differenzen, wie sie sich in sämtlichen Lebensbereichen finden, in einem einzigen Paket zusammengeschnürt und mit dem Siegel „deutsch!“ versehen, so dass es am Ende völlig gleichgültig ist, ob wir uns im Frühmittelalter oder im 19. Jahrhundert befinden.

Differenzierungen unterrühren

Da ist es wenigstens offen und konsequent, wenn die Reihe sich selbst als „Saga“ bezeichnet. Denn das Mythische kommt hier wahrlich nicht zu kurz, wenn es sich auch beständig mit dem Deckmäntelchen der Geschichtswissenschaftlichkeit bedeckt. Anhand alt bekannter Themen – Staat, Kultur, Natur – werden Beispiele in einen Topf geschmissen und mit einem Hochgeschwindigkeitsquirl nicht länger als nötig verrührt, bis ein schwarz-rot-goldener Brei herauskommt. Christopher Clark versucht zwar immer wieder bei den Kommentaren, die er direkt in die Kamera spricht, Anstrengungen zur Differenzierung zu unternehmen, indem er betont, dass es gerade die Unterschiede und die Vielfalt Deutschlands seien, die ihn faszinierten. Diese zarten Pflänzchen historischer Diversität werden aber unmittelbar im Anschluss durch eine nationale Gesamterzählung wieder platt gemacht.

Überhaupt gibt es eigentlich nur einen Grund, weshalb es sich lohnt, diese Sendung anzusehen – und das ist der „Moderator“, wie die Rollenzuweisung im Abspann lautet. Als Professorendarsteller, den eine solche Geschichtsdokumentation zwangsläufig zu benötigen scheint, macht Christopher Clark seine Arbeit wirklich gut. Auch wenn seine fachlichen Qualitäten kaum benötigt werden, so erweist er sich als hervorragender Entertainer und Schauspieler – und Sänger! Die Szenen, in denen er vor die Kamera tritt, gehören zu den wenigen wirklichen Hinguckern dieser Produktion. Nicht nur, dass er dem Ganzen eine gewisse ironische Note und aufgrund seiner Nationalität auch eine recht hilfreiche verfremdende Perspektive zu geben vermag.

Wiederholungszwang

Ansonsten ist es aber ein geradezu unheimlicher, um nicht zu sagen unverschämter Widerholungszwang zweiter Ordnung, der in dieser Serie ausgeübt und eingeübt wird. Nicht nur, dass inhaltlich die fadesten Nationalitätsdiskurse des 19. Jahrhunderts wiederholt werden, darüber hinaus kopiert sich das Geschichtsfernsehen hier selbst, weil zu den einzelnen Themen zumeist Spielszenen verwendet werden, die bereits älteren Sendungen entstammen. Und diese Form der Zweiterverwertung erfährt dann noch eine zusätzliche Rückkopplungsschleife in den einzelnen Folgen selbst, weil manche Szenen gleich mehrfach verwendet werden. So fährt Madame de Staël wiederholt in ihrer Kutsche durch dieses Deutsch!-Land, und zwar immer dann, wenn man in der Erzählung eine etwas verfremdende Außenperspektive benötigt. Da stellt sich dann schon die Frage, ob sich die Themen dieser Reihe einem eigenständigen Konzept verdanken oder vor allem unter dem Gesichtspunkt ausgesucht wurden, ob bereits entsprechendes Material in den fernseheigenen Archiven lagerte, das problemlos wiederverwertet werden konnte.

Einen gesonderten Abzug in der B-Note bekommt die Musikredaktion, die zwar notorisch witzig sein möchte, dabei aber durchgehend plump wirkt. Die Völkerwanderung mit einer Coverversion von Dylans „Blowin‘ in the wind“ zu untermalen, die Fahrten Mark Twains auf dem Neckar mit „Wasn’t born to follow“ von den Byrds anzureichern oder das Thema deutscher Fürsten im 18. Jahrhundert als Mäzene für Künstler und Schriftsteller mit „Hey Big Spender“ lautstark zu kommentieren, wirkt aufdringlich. Auch da muss der Moderator rettend dagegen halten, wenn er auf dem Rhein Schubert-Lieder anstimmt oder sich singend beim Leipziger Thomaner-Chor einreiht.

Auf der Suche nach den Televisionären

Wenn in jüngerer Zeit wiederholt und zu Recht gefordert wird, im Fernsehen intelligentere Geschichten zu erzählen, uns als Zuschauer mehr zu fordern, so wie dies in den gut gemachten und in den Feuilletons dieses Landes immer wieder gelobten amerikanischen oder skandinavischen Fernsehserien geschieht (Breaking Bad, House of Cards, True Detectives, Borgen), dann stellt sich die Frage, ob Nämliches nicht auch für dokumentarisches Fernsehen gelten darf. Insbesondere das allseits beliebte und regelmäßig mit hohen Einschaltquoten aufwartende deutsche Geschichtsfernsehen hat sich in seiner jüngeren Vergangenheit erfolgreich darum bemüht, seinen Ruf gründlich zu ruinieren. Nicht nur weil es mit den immer gleichen Themen, den immer gleichen Darstellungsmitteln und den immer gleichen Auseinandersetzungen mit der akademischen Geschichtswissenschaft aufwartet – sondern vor allem weil es die immer gleichen Narrative bemüht. Die sind so verlässlich und so vorhersehbar wie öffentlich-rechtliche Vorabendserien.

Nota bene: Mir geht es hier überhaupt nicht darum, für historische Dokumentationen einen größeren Einfluss der Geschichtswissenschaft zu fordern. Dafür wäre dieses Format völlig fehl am Platz. Im Gegenteil: Ähnlich wie sich die Geschichtsschreibung um Darstellungsformen bemühen sollte, die nicht einfach nur den Status quo repetieren, sollte es doch auch gerade für das Geschichtsfernsehen eine Herausforderung sein, etablierte Pfade zu verlassen und Geschichte(n) einmal anders zu erzählen – insbesondere dann, wenn diese Pfade bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen.

Dann wäre es beispielsweise möglich, das deutsch!-nationale Muster einmal zu verabschieden, um stattdessen Geschichten zu erzählen, die sich an ganz anderen Instanzen orientieren, die beispielsweise anhand von Verkehrsmitteln, Sportbetätigungen, Schönheitsidealen oder Naturauffassungen tatsächlich einmal wesentlich stärker die Vielfältigkeiten und Differenzierungen in den Mittelpunkt rücken, anstatt eine krude Identitätsbildung zu forcieren.

Den Moderator kann man dann auch gerne behalten.


Einsortiert unter:Geschichtsfernsehen, Geschichtskultur, Geschichtsmedien Tagged: Christopher Clark, Deutschland-Saga

Quelle: https://achimlandwehr.wordpress.com/2015/03/10/35-wie-uns-die-jungen-altes-sungen-oder-vom-elend-des-geschichtsfernsehens/

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Okto über Wienerberger ZiegelarbeiterInnen

In Zusammenhang mit der Ausstellung zu den Wiener Ziegelböhm (vgl.) steht eine heute (10.3.2015, 20:15-21:00) auf Okto ausgestrahlte Dokumentation, die auch online abrufbar sein wird:

Wien und die Ziegelböhm - Zur Alltaggsgeschichte der Wienerberger ZiegelarbeiterInnen
In dem von wohnpartner produzierten Film kommen ZeitzeugInnen zu Wort, die als letzte „Ziegelböhm-Generation“ von ihrem Leben am Wienerberg und dem Nachwirken der Erfahrungen ihrer Vorfahren erzählen. Die Geschichte der Wienerberger ZiegelarbeiterInnen reicht bis ins frühe 19. Jahrhundert zurück und ist unmittelbar verknüpft mit der Entstehung des modernen Wiens und dessen Charakter als Schmelztiegel der Kulturen.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/1022405415/

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Konrad Grünenberg VIII: “Faksimile” und Original am Beispiel der Stillfried-Ausgabe

Wie so viele Wappenbücher ist auch das des Konrad Grünenberg einerseits kompliziert überliefert, andererseits vor allem über ein älteres Faksimile bekannt. Bei älteren, gemalten Faksimiles muss man grundsätzlich mit Artefakten rechnen, und sei es nur der Emendation der Wappendarstellungen. Im Stillfried-Faksimile ist es vor allem die neue Anordnung der Blätter, die das “Faksimile” vom Original unterscheidet, egal, ob man mit Letzterem die Vorlage im Zustand zur Zeit der Faksimilierung meint oder den “Urzustand” von Grünenbergs eigenem Exemplar des Wappenbuch: Die Reihenfolge der Blätter entspricht weder der Berliner Handschrift (wie sie Stillfried vorlag), noch der dortigen älteren Foliierung, noch einer plausiblen Rekonstruktion, wie eine eventuelle (verlorene) Originalfassung, die älter als die erhaltenen Handschriften ist, ausgesehen haben könnte. Das Faksimile enthält aber auch noch ein paar andere Artefakte, deren Existenz man weder dem Stillfried-“Faksimile” noch den anderen Editionen entnehmen kann, weshalb sie hier auch mit Abbildungen belegt werden. Die Artefakte sind keine “Fehler”, sondern eindeutig Absicht. So war Stillfried der Überzeugung, dass der Berliner Codex das Original des Wappenbuchs sei, und dass dieses 1483 abgeschlossen worden sei. So lautet die interne Datierung der Berliner und nur der Berliner Handschrift, die allerdings nachweislich falsch ist; wie alle anderen Handschriften auch enthält der Berliner […]

Quelle: http://heraldica.hypotheses.org/2720

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Dissertationsprojekt: Integration und Herrscherrepräsentation am Münchener Hof unter Kurfürst Karl Theodor von Pfalzbayern 1777-1799 (Anja Lochbrunner, München)

Der europäische Fürstenhof, verstanden als der Personenkreis aller Amtsträger im Haushalt der Herrscherfamilie einschließlich des mit Ehrentiteln versehenen adeligen Gefolges, blieb bis ins 20. Jahrhundert hinein eine zentrale Institution im politischen sowie gesellschaftlich-kulturellen Leben des jeweiligen Territoriums. Hier traf sich die Elite des Landes, um Zugang zu den höchsten Staatsämtern zu bekommen und der Fürst nutzte den Hof als Rahmen, um sich zu inszenieren und seine Herrschaft zu legitimieren. Ende des 18. Jahrhunderts waren die Höfe im Alten Reich allerdings infolge der Aufklärung vor allem wegen der hohen Ausgaben für die Hofhaltung in die Kritik geraten und es hatte sich ein neues Herrscherbild vom Fürsten als „erstem Diener des Staates“ durchgesetzt. Wenn die Hofhaltung deshalb auch nicht, wie in der historischen Forschung lange behauptet, an Bedeutung verlor, musste sich der Hof in dieser Zeit doch, etwa durch eine allgemeine Reduzierung der demonstrativen Prachtentfaltung, die für die Hofkultur des Barock charakteristisch gewesen war, an diesen Wandel anpassen.

Vor diesem Hintergrund untersuche ich im Rahmen meiner Dissertation für den Münchener Hof unter der Regierung Kurfürst Karl Theodors (1777 – 1799), ob und wie sich die gesell- schaftspolitische Funktion dieser zentralen staatlichen Einrichtung in der Spätaufklärungs- und Revolutionsepoche verändert hatte. Da Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz nach dem Erbfall Kurbayern mit seinen angestammten Ländern vereinigte und mit einem Teil seines Mannhei- mer Hofstaats nach München übersiedelte, geht es dabei zum einen um die Bedeutung des zusammengelegten Hofes für die Integration der gesellschaftlichen Elite des neuen Gesamt- staates. Zum anderen wird die Praxis der Herrschaftsrepräsentation am Münchener Hof in den Blick genommen, die für Karl Theodor angesichts einer für die Frühe Neuzeit ungewöhnlich starken Opposition gegen seine Politik in Bayern von besonderer Wichtigkeit sein musste.

Dazu wurden zunächst anhand von Hofkalendern, Besoldungs- und anderen Verwaltungsakten die Mitglieder des Münchener Hofstaats prosopografisch erfasst. Eine Analyse der Herkunft ausgewählter Gruppen des Personals zeigt, inwieweit Bewohner der einzelnen Landesteile und Angehörige der verschiedenen Stände am Hof integriert waren. Größe, Sozialstruktur und organisatorische Veränderungen des Hofstaats während der Regierungszeit Karl Theodors lassen außerdem darauf schließen, welche Ziele er als aufgeklärter Fürst mit seiner Hof- haltung verfolgte. Auf dem Workshop “Die höfische Gesellschaft im 18. Jahrhundert. Zwischen Regierung, Repräsentation und Integration” werden erste Erkenntnisse zu diesem Themenkomplex vorgestellt.

Im zweiten Teil der Arbeit wird die Rolle des Münchener Hofes für die Herrschaftslegitimation Karl Theodors anhand der Gestaltung ausgewählter repräsentativer Ereignisse des Hoflebens untersucht. Dabei werden öffentliche Auftritte im religiösen und kulturellen Alltag des Hofes, etwa Gottesdienstbesuche des Kurfürsten mit seinem Gefolge, ebenso behandelt wie Feierlichkeiten bei besonderen dynastischen Anlässen wie dem 50-jährigen Regierungs- jubiläum Karl Theodors. Wichtig sind in diesem Zusammenhang auch Reisen des Herrschers, auf denen er mit einem Teil des Hofstaats an verschiedenen Orten innerhalb seiner Länder Präsenz zeigte. Diese Untersuchung stützt sich neben Verwaltungsakten zur Organisation der Ereignisse vor allem auf Beschreibungen in der Publizistik und den Berichten der auswärtigen Gesandten in München. Zusätzlich sollen private Korrespondenzen und Nachlässe einiger hofnaher Persönlichkeiten unterschiedlicher Herkunft ausgewertet und so die Wahrnehmung des Hoflebens aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden.

 

Zum Workshop “Höfische Gesellschaft im 18. Jahrhundert”

Quelle: http://histbav.hypotheses.org/3483

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Exhibitionisten im #wissensspeicher

Nach Mareike Königs Vortrag “Blogs als Wissensorte der Forschung”, wurde auf der Tagung Die Zukunft der Wissensspeicher: Forschen, Sammeln und Vermitteln im 21. Jahrhundert -  ausgerichtet von der Gerda Henkel Stiftung und dem Konstanzer Wissenschaftsforum am 5. und 6. März in Düsseldorf – eine lebhafte Diskussion geführt; leider viel zu kurz, wie ich fand. Es begann eine Art Blog-Bashing, das in späteren Vorträgen von verschiedenen Rednern mit kurzen Seitenhieben fortgesetzt wurde.

courbetBeispielhaft möchte ich die Aussage von Prof. Ulrich Gotter von der Universität Konstanz nennen, der wissenschaftliches Bloggen mit Exhibitionismus gleichsetzte. Also bin ich wohl eine Exhibitionistin. Da es meine Art nicht ist, gegen solche Aussagen mit entblößtem Oberkörper á la Pussycat Riot die Bühne zu stürmen, verwende ich hierzu lieber mein Blog – das empfinde ich als standesgemäßer. Denn dies scheint der Ort meiner wissenschaftlichen Exhibition zu sein.

Wie ich zum Bloggen kam

Als „Ich-will-mich-der-Öffentlichkeit-nicht-aussetzen-Internet-Nutzerin“ besuchte ich 2012 die Tagung „Weblogs in den Geisteswissenschaften“. Mein Doktorvater, Prof. Hubertus Kohle, hielt dort einen Vortrag und gehört außerdem zum Wissenschaftlichen Beirat von de.hypotheses. Da dachte ich: „Gehste hin. Machste ‘n guten Eindruck.“ Ich hatte niemals die Absicht, ein Blog zu eröffnen, da hätte ich mich ja in die Öffentlichkeit stellen müssen. Ih gitt!

Der Nutzen meines Blogs

Im Laufe der Veranstaltung wurde mir klar, welche Möglichkeiten sich durch das Bloggen für mich bieten würden und drei Wochen später hatte ich mein Blog bei hypotheses eröffnet. So schnell kann ein Sinneswandel gehen. Handeln beginnt immer im Kopf und zwar mit Denken. Die Schublade, mich nicht in die Öffentlichkeit stellen zu wollen ging zu und ein neues Kapitel begann: das des Bloggens.

Ich weiß nicht, wie ich ohne Blog die Einarbeitungszeit durchgestanden hätte. Im ersten Jahr schrieb ich jede Woche einen Artikel, danach etwas weniger, aber dennoch regelmäßig. Es motivierte mich, lasen doch sicher der ein oder die andere mit. Genau das ist wichtig, zumal ich als externe Promovendin nicht direkt an den Wissenschaftsbetrieb angeschlossen bin. Durch das Blog bin ich Mitglied einer wissenschaftlichen Community und das spornt an und tut gut!

Aufwand und Nutzen

Einen Artikel zu verfassen braucht Zeit, aber die investiere ich in mich, in mein Wissen. Was könnte ich also nützlicheres für mich tun? Es scheint so, als hätte nur die Öffentlichkeit etwas von meinen Texten, aber zunächst bin es immer ich, die einen Wissensgewinn aus der intensiven Beschäftigung mit einem Thema zieht – und dann erst die anderen.

Wer noch mehr Gründe für das Bloggen sucht: Auf dem Redaktionsblog von hypotheses hatte ich vor einiger Zeit dazu einen Artikel verfasst Warum sollte ich als Wissenschaftler/in bloggen?

Meine Meinung

So, und das alles hat nichts mit Exhibitionismus zu tun. Hätte es das, dann gälte es für das Publizieren von Büchern oder in Zeitschriften ebenfalls. Denn worin liegt der Unterschied?

Ich für meinen Teil kann Bloggen nur empfehlen. Schreiben Sie mir über die Kommentarfunktion gerne Ihre Motivation für das Bloggen. Argumente gegen das Bloggen können Sie hingegen für sich behalten – die interessieren mich nicht.

 

Digitale Bildquelle: www.artigo.org

Künstler: Gustave Courbet
Titel: L’Origine du monde
Ort: Paris, Musée d’Orsay
Datierung: 1866

Quelle: http://games.hypotheses.org/1919

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Deutsche Kriegsfotografie im Zweiten Weltkrieg. Zwischen privater und professioneller Praxis

Workshop Deutsche_Kriegsfotografie

Workshop Deutsche_Kriegsfotografie

 

Der Zweite Weltkrieg ist trotz der zeitlichen Distanz von fast 75 Jahren wie kein anderer Krieg in der deutschen Erinnerungskultur präsent. Es handelt sich um ein historisches Ereignis, das bis in die heutige Zeit auf individueller wie kollektiver Ebene von allen Generationen mit ganz bestimmten Bildern assoziiert wird. Diese ausgeprägte visuelle Dimension der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg hängt unmittelbar mit dessen historischer Situierung im beginnenden „Visuellen Zeitalter“ zusammen.

Einerseits lieferten professionelle Fotografen im staatlichen Auftrag Aufnahmen, durch die ein einheitlich konstruiertes Bild des Krieges für die Öffentlichkeit entstehen konnte. Die eigens dafür in den „Propagandakompanien“ (PK) zusammengefassten Berufsfotografen begleiteten die Einheiten der Wehrmacht und der Waffen-SS und erstellten Material für die Kriegsberichterstattung in den deutschen und neutralen Medien. Ihre vorrangige Prämisse war dabei die gezielte Modellierung einer virtuellen Kriegsrealität, eines gewollten Bild des Krieges, das den Zielen und Zwecken der Staats- und Wehrmachtführung entsprach und der deutschen Öffentlichkeit vermittelt werden sollte.

Andererseits wurden durch die zahlreichen privat fotografierenden Soldaten sehr viele individuelle Bilder des Krieges konstruiert. Durch diverse technische Neuerungen begünstigt, erreichte das Fotografieren auch im privaten Gebrauch einen Höhepunkt und entwickelte sich in den 1920er-Jahren zu einem alle Gesellschaftsschichten durchdringenden Phänomen. Es zeigte sich, dass Amateure und Knipser gerade auch in der Ausnahmesituation Krieg weiter fotografierten und in ihren Aufnahmen zwischen soldatischer Alltagsfotografie, touristischem Blick und bellizistischer Sensationsfotografie oszillierten. Dabei gestalteten die Soldaten, bewusst wie unbewusst, ihren ganz privaten Bilderkosmos.

Die fotografische Dokumentation der beteiligten deutschen Soldaten soll in der Veranstaltung aus verschiedenen Blickwinkeln (Produktion, Distribution, Rezeption usw.) betrachtet werden, um anschließend einen Vergleich zwischen professioneller und privater Praxis zu versuchen. Der konzipierte Workshop hat damit das Ziel, Dependenzen, Ähnlichkeiten und Differenzen der privaten und professionellen deutschen Kriegsfotografie im Zweiten Weltkrieg aufzuzeigen.

Armin Kille, Tristan Schäfer, Thomas Lienkamp

 

Programm

Freitag, 13.03.2015, 13:00 – 17:30
13:00 Begrüßung
13:15 Einführung – PD Dr. Jens Jäger (Köln)
13:30 Dr. Bernd Boll (Freiburg): Dokument oder Propaganda? Quellenkritische Anmerkungen zum Foto- und Filmmaterial der deutschen Propagandatruppen 1938-1945
14:05 Diskussion
14:35 Pause (15 Min.)
14:50 Dr. Petra Bopp (Hamburg): Das „Millionenheer der Amateurphotographen“ im Zweiten Weltkrieg. Produktion, Distribution und Rezeption von Fotokonvoluten der Wehrmachtsoldaten 1939-1948
15:25 Diskussion
15:55 Pause (35 Min.)
16:30 Prof. Dr. Rolf Sachsse (Saarbrücken): Von „wertvoller Blockadebrecherarbeit“ zum Wunsch, „mit Gewehr und Kamera dienen zu dürfen“. Notizen zur Verschränkung von professioneller und amateurhafter Fotografie im Zweiten Weltkrieg
17:05 Diskussion
17:35 Ende

Samstag, 14.03.2015, 10:00 – 16:30
10:00 Begrüßung / Vorstellungsrunde
10:25 Tristan Schäfer (Köln): Amateurfotografische Fotoalben deutscher Wehrmachtsoldaten zwischen Weltanschauung, Selbstmitteilung und Erinnerung | 10:45 Diskussion
11:10 Pause (10 Min.)
11:20 Armin Kille (Köln): Der Krieg erzählt in Bildern. Fotografien deutscher Soldaten in Feldpostbriefen und Kriegstagebüchern. Ein Fallbeispiel | 11:40 Diskussion
12:05 Olli Kleemola (Turku, Finnland): Sich wiederholende Bilder des Krieges? |12:25 Diskussion
12:50 Pause (60 Min.)
13:50 Thomas Lienkamp (Köln): Die Fotoproduktion der „Heeres-Propagandakompanie 689“. Ein Werkstattbericht | 14:10 Diskussion
14:35 João Franzolin (Flensburg): Die Geschichte der Zeitschrift „Die Wehrmacht” (1936-1944): Publikationsaspekte, Personal, Berichterstattung und Propaganda | 14:55 Diskussion
15:20 Pause (20 Min.)
15:40 Sebastian Kindler (Berlin): Der Einsatz von PK-Fotografen im Krieg gegen die UdSSR. Das Beispiel Benno Wundshammer | 16:00 Diskussion
16:25 Verabschiedung
16:30 Ende

Der Workshop findet statt im Anna-Maria von Schürmann-Raum (3.229), Historisches Institut, im Gebäude Philosophikum (Albertus-Magnus-Platz, 50923 Köln) auf dem Campus der Universität zu Köln.

Quelle: http://www.visual-history.de/2015/03/07/deutsche-kriegsfotografie-im-zweiten-weltkrieg-zwischen-privater-und-professioneller-praxis/

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„Yanks over Rhine“: Linz nach dem 7. März 1945


Lageplan-Skizze der alliierten Bombenabwürfe in Linz am 24.8.1940
Lageplan-Skizze der alliierten Bombenabwürfe in Linz am 24.8.1940

Mit dem ersten großen Fliegerangriff in der Nacht zum 25. August 1940 wurde die Gegend um Linz allmählich vom Hinterland zum Frontgebiet. Bis März 1945 folgten weitere Bombentreffer. Bei Kriegsende hatten alle Linzer Stadtviertel unter Bomben und Granattreffern gelitten. Am stärksten betroffen waren die Außenviertel, während die Altstadt weitgehend unversehrt geblieben war.

Am 7. März 1945 überquerten amerikanische Streitkräfte den Rhein über die Ludendorff-Brücke zwischen Remagen und Erpel, besser bekannt als die so genannte „Brücke von Remagen“, und bildeten einen Brückenkopf bei Erpel, den sie innerhalb von zwei Tagen auf den Abschnitt Honnef-Rheinbreitbach-Unkel-Bruchhausen-Ohlenberg-Kasbach-Linz ausdehnten.

The Baltimore Newspost, 9.3.1945
The Baltimore Newspost, 9.3.1945

Am Morgen des 8. März wurde Linz den Amerikanern widerstandslos übergeben – nun waren es deutsche Tiefflieger, die die eingenommene Stadt unter Beschuss nahmen. Immer wieder kam es zu kleineren Scharmützeln zwischen amerikanischen und deutschen Truppen, die sich vom Rheinufer in die Hänge oberhalb der Stadt zurückgezogen hatten.

Der 1928 in Linz geborene Johannes Reth, ein Anfang März 1945 an der Brücke stationierter Luftwaffenhelfer, erinnert sich noch heute an seine Rückkehr in die Heimatstadt, nachdem er den „immer dramatischer werdenden Rückzug eigener Truppen“ genutzt hatte, um dem Kriegsgeschehen an der Ludendorff-Brücke zusammen mit zwei seiner Kameraden zu entfliehen: „Die Wiese [unterhalb seines Elternhauses] war voll mit Panzern und anderen Fahrzeugen, hunderte amerikanische Soldaten waren dort.“ Ebenso beschreibt er das „eigentümliche Treiben“ auf der Straße: „[…] amerikanische Soldaten in voller Kriegsmontur fuhren Fahrrad, einer hatte einen Zylinder auf dem Kopf, ein anderer einen Tirolerhut. Sie lachten und machten Blödsinn, wie bereits erwähnt war die gesamte Wiese des Bauernhofes unterhalb von unserem Haus voll mit Panzern.“

Die Bevölkerung der Stadt hatte keinen Widerstand geleistet; in den Straßen wurden weiße Fahnen oder Tücher gehisst. Der gewünschte Volkssturm war ausgeblieben. Tatsächlich glich Linz nach dem Einmarsch der Amerikaner einem Heerlager, das als Brückenkopf der alliierten Offensive ohne Gas-, Strom- und Lebensmittelversorgung von der näheren Umgebung abgeschnitten blieb. Die Stadt diente von nun an als Stützpunkt, der von den amerikanischen Truppen genutzt wurde, um die militärischen Aktionen in nächster Umgebung zu koordinieren. Als zusätzliche Belastung kam damit auch die Einquartierung zahlloser amerikanischer Soldaten hinzu.

Anordnung über die Ausgangszeit im Landkreis Neuwied (12.6.1945)
Anordnung über die Ausgangszeit im Landkreis Neuwied (12.6.1945)

Der Linzer Alltag wurde vorrangig durch die desolate Versorgungslage bestimmt. Insbesondere die Nahrungsmittelknappheit führte zu einem immensen Anstieg des Schwarzhandels, was in den meisten Fällen mit mehrmonatigen Haftstrafen geahndet wurde. Auch Reth erzählt vom „Schwarzschlachten“ eines Schafes, das er zusammen mit seinem Bruder „hinter dem Kaiserberg“ bei einem „Schäfer, der durch die Kriegsereignisse nicht mehr weiterkomme“ erstanden hatte. Hinzu kam die weitgehende Geschäfts- und Ausgangssperre, die erst im Laufe der Zeit gelockert werden sollte. Noch im Juni 1945 war die Zeit von 5.00-21.30 Uhr festgelegt.

Die am 11./12. März 1945 fertig gestellte Pionierbrücke von Kripp nach Linz
Die am 11./12. März 1945 fertig gestellte Pionierbrücke von Kripp nach Linz

Im Zuge der immer heftiger werdenden Abwehrkämpfe im nahe gelegenen Westerwald bauten die Amerikaner am 11./12. März vom gegenüberliegenden Kripp ausgehend eine Pontonbrücke, die Rozisch-Blackburn-Thompkins Bridge, über die „ununterbrochen Panzer, Truppen und Material in den Brückenkopf rollten“ (Reth). Die Nutzung der Pionierbrücke unterlag noch bis zur Einrichtung einer neuen Fähre im Sommer 1945 rein militärischen Belangen. Im Hintergrund der Abbildung sind am Linzer Rheinufer zahlreiche zum Teil stark beschädigte Gebäude zu erkennen.

Quelle: http://archivlinz.hypotheses.org/555

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