Der strategische Wert des Blogportals de.hypotheses.org #wbhyp

Da hat Mareike König den Aufruf zur Blogparade gleich mit einem sehr thesenstarken Statement eingeleitet – und ich nehme mir die Freiheit, nicht darauf einzugehen. Das ist jetzt zugegebenermaßen eine etwas verunglückte Kommunikation, aber in diesem Moment möchte ich zunächst etwas anderes loswerden.

Mir geht es um das Blogportal an sich, das ich mittlerweile für eine ausgesprochene wichtige Einrichtung halte. Mit ihm gibt es für deutschsprachige wissenschaftliche Blogs nämlich eine Art zentrale Sammelstelle: ein Ort also, wo man sich einen Überblick über die thematische Vielfalt wissenschaftlicher Blogs verschaffen kann. Damit haben Blogs etwas, was auch andere Genres wie Zeitschriften haben (nämlich die ZDB). Insgesamt ist dieses Portal relativ früh eingerichtet worden, jedenfalls gemessen daran, daß das Bloggen in der deutschen Wissenschaftslandschaft eben noch eine sehr junge Form des Schreibens ist.

Ansonsten haben sich, so stellt es sich für mich jedenfalls dar, erst einmal die verschiedenen Genres des wissenschaftlichen Schreibens entwickelt, bis es dann auch Strukturen gab, die diese blühenden Formen der Wissenschaftskommunikation sortiert haben. Beim Bloggen ist dies nun eher das Gegenteil der Fall: Als wissenschaftliches Genre ist es noch nicht so richtig angekommen (wobei ich mich gegen eine zu düstere Bewertung wehre, das Glas scheint mir eher halb voll als halb leer zu sein), und doch gibt es mit dem Blogportal bereits eine entsprechende Struktur dafür.

Das kann man komisch finden, und Übelwollende mögen hieraus sogar einen negativen Schluß ziehen: Zeigt es doch, daß mit dem Blogportal eine Einrichtung geschaffen wird für ein Schreibformat, das die besten Voraussetzungen zum ewigen Talent hat und den richtigen Durchbruch doch nicht schafft. Ich halte eine solche Einschätzung aber für völlig falsch. Im Gegenteil ist es eine sehr kluge und weitsichtige Maßnahme gewesen, dieses Blogportal zu etablieren (genauso wie auch diejenigen für die anderen Sprachräume), denn strategisch sind wissenschaftliche Blogs nun sehr gut aufgestellt. Das Blogportal trägt sie und hilft ihnen auch bei der Verbreitung; gleichzeitig verhindert diese Struktur eine zersplitterte Außenwahrnehmung und befördert auch – dies wird ja öfters angesprochen – das Community-Building der Blogger selbst.

Ja, ich weiß: Es gibt auch gute wissenschaftliche Blogs außerhalb dieses Portals. Und ich will sicher keine Gräben zwischen den „freien“ Blogs und den Hypothesern aufreißen. Und natürlich ist die alleinige Existenz eines Blogportals nicht das Ende der Probleme. Aber ich bin überzeugt davon, daß wir als Bloggende mit dieser Organisation sehr gut in der Wissenschaftslandschaft aufgestellt sind. Mittelfristig, so meine Prognose, dürfte es sich auszahlen, das Blogportal nicht nur für den Aufbau einer wissenschaftlichen Community nutzen zu können, sondern generell dem Bloggen als wissenschaftliches Genre die nötige Akzeptanz in der Fachwelt zu verschaffen.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/600

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Ein Schritt vor und zwei (oder drei) Schritte zurück | #wbhyp

Ist Bloggen im Wissenschaftsbetrieb angekommen? Oder ist  Wissenschaftsbloggen so wenig relevant/irrelevant, wie Anne Baillot in ihrem Beitrag meint? Können kritische Überlegungen dazu auf "das Totschlagargument 'Zeitmangel'"[1] reduziert werden?

Kurzantworten: Nein. Ja. Nein.

Wissenschaftsblogs haben die unterschiedlichsten Formen und Formate. Diese Vielfalt kann "eine Stärke"[2] sein (und wird von Bloggenden als solche gesehen). Aber: Nicht-Bloggende können mit dieser Vielfalt wenig anfangen. Es ist wenig überraschend, dass die populärsten Wissenschaftsblogs Blogs im weitesten Sinn journalistisch motivierte Blogs sind mit dem Ziel, Wissenschaft populär zu machen (und ggf. populärwissenschaftlich zu präsentieren).
Das Beschwören der Chancen, unterschiedliche Formen und Formate unter dem Dach 'Wissenschaftsblog' unterzubringen[3] oder unterbringen zu können, entpuppt sich als zweischneidiges Schwert: Einerseits erscheint alles möglich, andererseits scheint die Unsicherheit zu wachsen, wie 'man' es 'richtig' angeht.[4] Aber pressen die normativen Kräfte des Faktischen nicht erst recht wieder Wissenschaftsblogs in 'traditionelle' Kästchen - wenn etwa Blogs ISSNs bekommen?

Ein Blog ist "a room of one's own", ein Raum, in dem selbstgesteuert und selbstverantwortlich publiziert wird - mit allen Vor- und Nachteilen. Der wohl größte Nachteil ist (und bleibt vorläufig) die fehlende Anerkennung, die zu vergessen schwer fällt. Denn das bedeutet, dass Bloggen eine Randaktivität bleibt, die man sich leisten wollen (und können) muss.

Die (noch immer / nach wie vor) nicht/kaum vorhandene Anerkennung steht weiter im Raum. Ich sehe (m)ein Blog weder als  Schreibübung noch als öffentliches Tagebuch, ich sehe die Beiträge als (kleine und nicht ganz so kleine) Miszellen. Das Format ist nicht besonders kreativ - es entspricht den üblichen Kriterien, die für wissenschaftliche Texte etabliert sind. Aber ich kann, will und werde in einem Format, das keine Anerkennung findet, nichts 'Neues' oder 'Originelles' (mehr) versenken.

Als "weiche Gründe", trotzdem zu bloggen, werden unter anderem Abbildung/Dokumentation der Arbeiten, Dialog und Austausch,  Rückhalt in der Community und mehr Sichtbarkeit genannt ...

Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, ... (Goethe, Faust I.[5].)

So spannend der Weg zu einem bestimmten (Forschungs-)Ergebnis ist, so wenig zielführend ist es, ungeordnete Gedanken, die in (m)einem Journal und in Notiz-Apps stehen,  in (m)einem Blog öffentlich zu machen - denn das Netz vergisst nichts.

Das Vorwärtskommen im dialogischen Wissenschaftsprozess passiert  nicht in Blogs und Kommentaren. Es passiert viel mehr in (mehr oder weniger) direkter Kommunikation - via E-Mail, DM auf Twitter, via Skype und Telefon, in der Kaffeepause und/oder spät in der Nacht nach einem langen Konferenztag, etc., etc.). Das von Christof Schöch in Anerkennung fürs Bloggen ? Eine Geschichte über die Eigendynamik des Digitalen geschilderte Beispiel, wie aus einem Vortrag ein Blogbeitrag und daraus ein Beitrag in einer Zeitschrift wurde,  ist außerhalb des (blog-affin(er)en) Feldes der Digital Humanities eher die Ausnahme.

Vernetzung basiert auf gemeinsamen Interessen und darauf, einen Draht zu finden. Im virtuellen Raum kann sich dieser Draht schwer entwickeln - genauso schwer wie die oft beschworene Community der Wissenschaftsbloggerinnen und Wissenschaftsblogger. Plattformen wie  hypotheses.org geben ein Dach, aber ein Dach macht keine Community. Also wird auf althergebrachte Formen wie Workshops, Tagungen und Konferenzen zurückgegriffen, wo Vernetzung passieren kann, wenn die richtigen Leute am richtigen Platz zur richtigen Zeit zusammenkommen.

[...] Und grün des Lebens goldner Baum. (Goethe, Faust I[6].

Ich werde weiter bloggen, aber die Miszellen auf mind the gap(s) werden auf absehbare Zeit (noch) wenig(er) mit meinen aktuellen Arbeiten zu tun. [7]

  1. Mareike König: Wissenschaftsbloggen - quo vadis? Vier Aufrufe und zwei Lösungen #wbhyp (19.1.2015).
  2. Mareike König: Wissenschaftsbloggen - quo vadis? Vier Aufrufe und zwei Lösungen #wbhyp (19.1.2015).
  3. Um Blogs mehr Sichtbarkeit und Akzeptanz zu verschaffen, wurden Portale (wie hypotheses.org) geschaffen, die die Vielfalt beschwören, dabei aber einen Rahmen vorgeben müssen. ((S. de.hypotheses.org: "Blog eröffnen".).
  4. Zu dieser Verunsicherung trägt wohl auch der bei machen arrivierten Bloggenden übliche Ton (von mildem Spott bis zum herablassenden Abkanzeln und darüber hinaus) bei.
  5. Johann Wolfgang von Goethe: Faust - Der Tragödie erster Teil. Tübingen: Cotta. 1808, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: http://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Faust_I_(Goethe)_124.jpg&oldid=1663549 (Version vom 3.10.2011).
  6. Johann Wolfgang von Goethe: Faust - Der Tragödie erster Teil. Tübingen: Cotta. 1808, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: http://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Faust_I_(Goethe)_124.jpg&oldid=1663549 (Version vom 3.10.2011).
  7. Vgl. dazu auch frühere Überlegungen.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/2006

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Yps – eine kommunistische Erfindung? – Doku auf Arte

Ach, jetzt ist mir alles klar, und ich weiß nun, woher ich meine politischen Überzeugungen habe: Von Klein auf wurde ich kommunistisch indoktriniert, und das im stockkonservativen Österreich, mittels des von mir im Volksschulalter regelmäßig gelesenen Yps (mit Gimmick!); während all die Mainstream-LangweilerInnen rund um mich mit Micky Maus und Donald Duck Reichtum und Kapitalismus lieben lernten, las ich eine - wie auf Arte.tv beschrieben - unter kommunistischer Federführung erscheinende Comic-Zeitschrift, deren Original in Frankreich unter dem Namen Pif Gadget erschien. Ich freue mich schon auf die Doku, die Arte am 31.1.2015 um 21:50 ausstrahlt!

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/1022389265/

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“`Tis the Season?” Staging Christmas markets

There are approximately 1500 Christmas markets in Germany attracting 85 million visitors each year. An increase of 70 percent has been recorded since the year 2000. The sales revenue for 2014 in Germany is estimated …

English

 

There are approximately 1500 Christmas markets in Germany, attracting 85 million visitors each year. An increase of 70 percent has been recorded since the year 2000.[1] The sales revenue for 2014 in Germany is estimated at 2.4 billion Euros. France, Great Britain, USA, and Austria trail far behind this figure [2]. In addition to “traditionally” promoted Christmas markets, “Medieval Christmas markets” are becoming increasingly popular. Both kinds of markets rely on portraying medieval traditions but operate in entirely different ways. Both represent different aspects of popular historical use.

 

 

Local history as a backdrop

From the point of view of historical use and the creation of meaning derived from the historical context, the “traditional” Christmas market is the most common type of market. Here a medieval or seemingly medieval architectural ambience is used to generate settings of solid traditional value: a town square bordered by half-timbered buildings (Fachwerkhäuser) adjacent to a church, a castle, narrow alleys lined by small market stalls, conjuring up the image of simplicity and manageability of a quaint hamlet. The market’s importance, its potential touristic value, as well as its number of visitors increase significantly with the actual or even merely fictional evidence of a continuous local history dating back to medieval times.

“The Medieval Christmas market” – a winter event?

Though medieval markets are an ever-increasing occurrence during summer time, medieval Christmas markets have well secured their niche within the short winter season. Local or regional historical ties are of no relevance. It is again the venue of “medieval Inspiration” that enhances the experience in this type of market as well. “The” Middle Ages as the era of religious authenticity are not being portrayed at these venues, quite to the contrary: Following the global trend of self-dynamic commercialization, Christian symbolism as well as the historical meaning of Christmas are not only being pushed aside but are completely losing their importance in this version of a Christmas market. Musical performances, fire breathing, selling handcrafted products, a pillory, “medieval” food and games are all part of the festivities in summer as well as in winter. Only the hot bath in the tub is a specific seasonal affair. “Market” and “experience” are the missing links between “the” Middle Ages and Christmas. Imaginations of an era of clarity, simplicity, and primitiveness of the pre-industrial ways of life combined with a pleasant feeling of responsible consumer behaviour may for some visitors perfectly combine memories and projections of a Christmas “as it used to be”. They can also merge seamlessly into the world of myths and fairy tales, demonstrated particularly well by the example of the “Medieval Fairy Tale Christmas Market” in Oppenheim. Other guests, by contrast, may prefer the obvious simulation and re-enactment of popular medieval images as a winterly “event” rather than one of staging a continuous preservation of Christmas traditions.

Use of history between continuity and alterity

“Traditional or medieval, we ensure that you are well looked after”.[3] The highly successful “Christmas and Medieval Market” in Esslingen combines the variations and aspects of both forms of “historical” Christmas markets outlined above. In this example, showmen of summer fairgrounds and performers of the “medieval scene” are working side by side. During the Advent season, both groups evoke a picturesque and seemingly medieval “past”, alternating between the mode of continuity and the mode of alterity. At the Christmas markets, most showmen earn the money to finance their modern rides at the summer fairgrounds. Some of them need a greater era-flexibility than their counterparts from the medieval scene: Whereas the creation of the medieval Christmas market-tradition goes back to the 19th century, the staging of historical folk festival traditions is a newly observed trend. Separate historical areas at the Oktoberfest, at the Volksfest in Nuremberg, or in Straubing are defined for those visitors who are appalled by the commercialization and carnivalisation of folk festivals. These “historical areas” are equipped with historic carousels and vintage trucks, and draught beer is served from wooden barrels in earthenware jugs.
In these cases historical images of the long-lasting 19th century turn into the era of reference for a traditional construction of meaning.

 

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Literature

  • Valentin Groebner, ‘Arme Ritter. Moderne Mittelalterbegeisterungen und Selbstbilder der Mediävistik,’ in: Thomas Martin Buck/Nicola Brauch (Ed.): ‘Das Mittelalter zwischen Vorstellung und Wirklichkeit. Probleme, Perspektiven und Anstöße für die Unterrichtspraxis’. (Münster: Waxmann, 2011), pp. 336-345.
  • Gunther Hirschfelder, ‘Kultur im Spannungsfeld von Tradition, Ökonomie und Globalisierung: Die Metamorphosen der Weihnachtsmärkte,’ in: Zeitschrift für Volkskunde 110 (2014), pp. 1-32.
  • Sven Kommer, ‘Mittelaltermärkte zwischen Kommerz und Historie,’ in: Thomas Martin Buck/Nicola Brauch (Ed.): ‘Das Mittelalter zwischen Vorstellung und Wirklichkeit. Probleme, Perspektiven und Anstöße für die Unterrichtspraxis’. (Münster: Waxmann, 2011), pp. 183-200.

External link

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[1] http://www.dsbev.de/fileadmin/user_upload/Marktstudie%20Volksfeste_DSB%202013_Kurzfassung_final.pdf (last accessed 22.12.2014).
[2] http://de.statista.com/statistik/daten/studie/362443/umfrage/anzahl-der-besuche-von-weihnachtsmaerkten-in-europa-und-den-usa-nach-laendern/ (last accessed 22.12.2014).
[3] http://www.esslingen.de/,Lde/start/es_themen/Mittelalter_+und+Weihnachtsmarkt.html (last accessed 22.12.2014).

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Image Credits
© Katja Zapf (Student assistant of history didactics at the University Erlangen-Nuremberg). Stalls at the medieval Christmas market in Erlangen 2014.

Recommended Citation
Bühl-Gramer, Charlotte: “‘Tis the Season?” Staging Christmas markets. In: Public History Weekly 3 (2015) 1, DOI:  dx.doi.org/10.1515/phw-2015-3228.

Copyright (c) 2015 by De Gruyter Oldenbourg and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact: julia.schreiner (at) degruyter.com.

 

 

Deutsch

 

85 Millionen Besucher zählen die rund 1500 Weihnachtsmärkte in Deutschland. Seit dem Jahr 2000 verzeichnen sie ein Plus von 70 Prozent.[1] Der für 2014 prognostizierte Umsatz beläuft sich auf 2,4 Milliarden Euro, mit weitem Abstand folgen Frankreich, Großbritannien, die USA und Österreich.[2] Neben den als “traditionell” beworbenen Weihnachtsmärkten boomen vor allem “Mittelalter-Weihnachtsmärkte”. Beide Formen agieren in unterschiedlicher Weise mit Mittelalterbildern. Beide Varianten repräsentieren unterschiedliche Funktionen von populärem Geschichtsgebrauch.

 

 

Lokalhistorisches Setting als Kulisse

Unter dem Aspekt von Geschichtsnutzung und historischen Sinnstiftungsangeboten ist der als “traditionell” beworbene Weihnachtsmarkt die häufigste Form. Als Generatoren und Stabilisatoren traditionsbasierter Settings fungieren dabei häufig mittelalterliche bzw. mittelalterlich anmutende bauliche Ensembles: ein von Fachwerkbauten gesäumter städtischer Marktplatz mit angrenzender Kirche, eine Burganlage und der Aufbau enger Budengassen, die Konnotationen dörflicher Überschaubarkeit aufrufen. Bedeutsamkeitszuweisung, touristisches Vermarktungspotenzial und Besucherzahlen steigen signifikant mit dem Nachweis bzw. der Konstruktion oder Fiktion einer bis ins Mittelalter zurückreichenden lokalhistorischen Kontinuität des Marktes.

Ein Winterevent?

Neben einer stark ausgeweiteten Sommersaison für Mittelaltermärkte hat sich mit den Mittelalter-Weihnachtsmärkten eine weitere Kurzsaison im Winter fest etabliert. Lokal- oder regionalgeschichtliche Verortungen haben keine Relevanz. Ein als „mittelalterlich“ konnotierter Veranstaltungsort steigert auch hier das Anmutungserlebnis. “Das” Mittelalter als Epoche religiöser Authentizität wird dabei nicht inszeniert, im Gegenteil: Christliche Symbolik wie auch der historische Anlass des Weihnachtsfestes werden im Zuge des allgemeinen Trends eigendynamischer Kommerzialisierung nicht nur zurückgedrängt. Sie spielen bei dieser Form des Weihnachtsmarktes überhaupt keine Rolle. Musikdarbietungen, Feuerspucken, Verkauf kunsthandwerklicher Produkte, ein Pranger, “mittelalterliche” Speisen und Spiele gehören sommers wie winters zum Programm. Lediglich das heiße Bad im Zuber ist ein spezifisch jahreszeitliches Angebot. “Markt” und “Erlebnis” bilden die Missing Links zwischen “dem” Mittelalter und Weihnachten. Epochenimaginationen von Überschaubarkeit, Einfachheit und Ursprünglichkeit vorindustrieller Lebensweisen und ein damit einhergehendes angenehmes Konsumgefühl mögen dabei für manche Besucher besonders gut mit Erinnerungen und Projektionen von einem Weihnachten, wie es “früher” war, in Einklang zu bringen sein. Sie können auch bruchlos in die Welt der Mythen und Märchen übergehen: Das zeigt das Beispiel des “Mittelalter-Märchenweihnachtsmarkts” in Oppenheim.
Andere Gäste präferieren möglicherweise die offensichtliche Simulation und Reinszenierung populärer Mittelalterbilder als winterlicher “Event” anstelle inszenierter Kontinuität weihnachtlicher Traditionen.

Zwischen Kontinuität und Alterität

“Ob mittelalterlich oder traditionell, für das leibliche Wohl ist natürlich auch bestens gesorgt.”[3] Der äußerst erfolgreiche “Esslinger Weihnachts- und Mittelaltermarkt” bedient beide hier skizzierten Formen und Funktionen “historischer” Weihnachtsmärkte. Schausteller und Akteure der „Mittelalter-Szene“ arbeiten hier Seite an Seite. Beide evozieren in der Adventszeit ein mittelalterlich anmutendes pittoreskes “Früher”, einmal im Modus der Kontinuität, einmal im Modus der Alterität.
Die meisten Schausteller verdienen auf den Weihnachtsmärkten das Geld für neue Fahrgeschäfte auf den Volksfesten. Einige von ihnen brauchen eine höhere Epochenflexibilität als ihre Kollegen aus der Mittelalterszene: Während die Traditionskonstruktionen von mittelalterlichen Weihnachtsmärkten bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen, ist die seit einigen Jahren zu beobachtende Inszenierung historischer Festtraditionen ein neuer Trend: Mit der “Oiden Wiesn” auf dem Oktoberfest, dem “Nostalgiepark” auf dem Nürnberger Volksfest oder dem historischen Bereich auf dem Straubinger Gäubodenfest werden gesonderte Areale mit historischen Fahrgeschäften, Zugmaschinen und Bierausschank aus Holzfässern in Steinkrügen für Besucher ausgewiesen, die sich von der Kommerzialisierung und Karnevalisierung der Volksfeste abgestoßen fühlen.
Hier werden Geschichtsbilder des langen 19. Jahrhunderts zur Referenzepoche traditionaler historischer Sinnbildung.

 

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Literatur

  • Groebner, Valentin: Arme Ritter. Moderne Mittelalterbegeisterungen und Selbstbilder der Mediävistik. In: Thomas Martin Buck/Nicola Brauch (Hrsg.): Das Mittelalter zwischen Vorstellung und Wirklichkeit. Probleme, Perspektiven und Anstöße für die Unterrichtspraxis. Münster 2011, S. 336-345.
  • Hirschfelder, Gunther: Kultur im Spannungsfeld von Tradition, Ökonomie und Globalisierung: Die Metamorphosen der Weihnachtsmärkte. In: Zeitschrift für Volkskunde 110 (2014), S. 1-32.
  • Kommer, Sven: Mittelaltermärkte zwischen Kommerz und Historie, in: Thomas Martin Buck/Nicola Brauch (Hrsg.): Das Mittelalter zwischen Vorstellung und Wirklichkeit. Probleme, Perspektiven und Anstöße für die Unterrichtspraxis. Münster 2011, S. 183-200.

Externe Links

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[1] http://www.dsbev.de/fileadmin/user_upload/Marktstudie%20Volksfeste_DSB%202013_Kurzfassung_final.pdf (zuletzt am 22.12.2014).
[2] http://de.statista.com/statistik/daten/studie/362443/umfrage/anzahl-der-besuche-von-weihnachtsmaerkten-in-europa-und-den-usa-nach-laendern/ (zuletzt am 22.12.2014).
[3] http://www.esslingen.de/,Lde/start/es_themen/Mittelalter_+und+Weihnachtsmarkt.html (zuletzt am 22.12.2014).

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Abbildungsnachweis
© Katja Zapf (Studentische Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Didaktik der Geschichte an der Universität Erlangen-Nürnberg). Verkaufsstände auf dem Mittelalter-Weihnachtsmarkt in Erlangen 2014.

Empfohlene Zitierweise
Bühl-Gramer, Charlotte: “Es weihnachtet sehr?” Inszenierte Weihnachtsmärkte. In: Public History Weekly 3 (2015) 1, DOI:  dx.doi.org/10.1515/phw-2015-3228.

Copyright (c) 2015 by De Gruyter Oldenbourg and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact: julia.schreiner (at) degruyter.com.

 


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Quelle: http://public-history-weekly.oldenbourg-verlag.de/3-2015-1/tis-season-staging-christmas-markets/

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Geschichte in der Wikipedia | Teil 2 | Video | Kubakrise: Vergleich Sprachversionen russisch – englisch – deutsch

Teil 2 der Video-Serie Geschichte in der Wikipedia | Studierende der Universität zu Köln erstellen Videos zur Analyse von Wikipedia-Artiklen im Rahmen des geschichtsdidaktischen Seminars Historische Narrative im Collaborative. Vom Nutzen und Nachteil der Wikipedia für das Geschichtslernen. 

Video 3 | Analyse Sprachversionen| Artikel Kuba-Krise

Quelle: http://historischdenken.hypotheses.org/2784

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Die #MemoryMakers bei Twitter, Instagram und Co. – Eine Multichannel-Kommunikation zum HMD15

Das „Super-Gedenkjahr“ 2014 ist zu Ende gegangen, doch auch im Jahr 2015 stehen weiterhin wichtige Gedenkdaten im Kalender. Erinnerte man im vergangenen Jahr an Ereignisse in Zusammenhang mit dem 100. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges, des 75. Jahrestags des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges und des 25. Jubiläums des Mauerfalls, so sind im Jahr 2015 die Gedenkdaten zumeist mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges vor 70 Jahren verknüpft. Ein erstes wichtiges Datum ist der 27. Januar – an diesem Tag wurde das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau […]

Quelle: http://musermeku.hypotheses.org/2372

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Dokumente zur Geschichte der französischen Studentenbewegung: das Conservatoire des mémoires étudiantes (Mittwochstipp 56)

Das Conservatoire des mémoires étudiantes versteht sich als virtuelles Dokumentationszentrum zur Geschichte der Studentenbewegung in Frankreich. Seit 2004 werden dafür Dokumente aus verstreuten Beständen digitalisiert und über die Website zusammengeführt und frei zugänglich gemacht. Man findet hier u.a. studentische Zeitschriften … Weiterlesen

Quelle: http://francofil.hypotheses.org/3129

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„Quo vadis?“ Eine fremdgestellte Frage, zwei Aufrufe und keine Lösungen #wbhyp

http://f.hypotheses.org/wp-content/blogs.dir/572/files/2015/01/697690232_416f368319_m.jpg

So wie Mareike König fragt – quo vadis? - , fällt mir als erstes der Historienschinken gleichen Titels von Henryk Sienkiewicz (1895) ein und das Hollywood-Kintopp der 1950er Jahre, in dem Peter Ustinov den Nero als eine rundliche Mischung aus Macbeth und Richard III. gibt: so brutal traurig mit seinem schick abgefackelten Rom.

Davon ausgehend, lässt sich gleichwohl direkt ins Thema „Gymnasialbibliothek“ einsteigen, denn so etwas wie der Sienkiewicz stand da schon mal 'rum. Nur deshalb gleich ein Blog? Das fragte ich ja bereits schon auf dieser Seite, wenn auch, zugegeben, einige Leser dort Ironiesignale gesehen haben wollten. Wirklichkeit ist eben manchmal ironisch.

Warum ein Blog wie „bibliotheca.gym“? Zunächst, weil's das nicht gab und weil nur eine einzige Gymnasialbibliothek bloggte, die's unterdessen aber eingestellt zu haben scheint. Und warum in einem Wissenschaftsportal? Grund waren Erkenntnisse, die ich aus dem 2012 als Causa Stralsund bekannt gewordenen Verkauf einer umfangreichen gymnasialen Buchsammlung aus einem Stadtarchiv gewonnen zu haben meinte und die ich mir in zwei Arbeitshypothesen goss:

1. Wissenschaft und Bibliothekswesen haben zwar durchaus Kenntnis von dieser speziellen, über Jahrhunderte dicht verbreiteten Sammlungsform, aber sie ist kein eigenes wissenschaftliches Thema geworden und in den Bibliotheken ein internes geblieben. Zwei externe Gutachter in Stralsund kamen ins Regionalprogramm; Tagungen zu diesem Komplex oder DFG-Förderungen wurden bislang nicht bekannt. Das wissenschaftlich orientierte Weblog Kulturgut erschien infolge der Causa.

2. Die breite Öffentlichkeit hat keinerlei Kenntnis von dieser Sammlungsform und in welch einmaliger Weise sie die Bildungsgeschichte (insbesondere die in unserem Land) zu repräsentieren vermag: eine nicht nur wissenschaftliche, sondern auch eine publizistische Brache, und deshalb eine Herausforderung. Über die Causa Stralsund berichtete die Regionalpresse, 1 (in Worten: ein) nennenswerter Artikel erschien in einer überregionalen Tageszeitung. Hier war allein das Internet der maßgebliche Motor gewesen, Verantwortliche in Bewegung zu setzen.

Was tat ich? Ich stellte zwei kleine Artikel ein (zur gymnasialen Bibliothek, zum gymnasialen Archiv), die wohlwollende Reaktionen erbrachten seitens derer, die's bereits wussten. Ich stellte eine zerzauste, unfertige Liste ein, die als Arbeitsliste schon seit einigen Jahren auf meiner Festplatte herumdümpelte, mit der Idee, a) überhaupt erst einmal irgendwo in der Literatur und im Internet bekannt gewordene vorhandene, umgesiedelte und zerstörte Bestände von Gymnasialbibliotheken zu erfassen, wobei b) ich fest davon überzeugt war (und bin), dass dies einem Einzelnen, ja auch einer Gruppe an einem einzigen (und sei es: universitären) Ort nicht in absehbarer Zeit gelingen könne, sondern dass c) ein allgemein zugänglicher Ort, den ein Blog darstellt, eventuell Personen mit ihrem Wissen herbeilocken könne. Ich legte Köder aus, auch die kleinen Entdeckungen nicht zu missachten.

Nun, ein paar kamen, schnupperten, gingen aber nicht in die Falle – gingen wieder fort und blieben fort. Ich schaute mir an, wie andere Blogs aussehen (zum Beispiel bei de.hypotheses) auf der Suche nach der Melodie des Rattenfängers. Ich habe noch keinen Klang im Kopf. Die „Öffentlichkeit“ dieses Blogs ist wohlwollend, nett – und anscheinend allein im Internet zuhause. Bürger, die als Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung signifikant Einfluss nehmen könnten, sind mir bloggend unerreichbar (auch da fehlt mir noch die betörende Melodie).

Ich bin indes der festen Überzeugung, dass Bloggen zum Thema Gymnasialbibliothek und -archiv sich dennoch lohnt, und zwar wissenschaftlich und publizistisch für ein noch zu interessierendes Publikum. Hoffnung hat sich noch niemals entlohnt:

1. Ich halte es nach wie vor für vordringlich, dass die Wissenschaft sowohl den inhaltlichen als auch den methodischen Wall aufbaut, der dieses fragile Kulturgut, das sich landauf landab nicht mal gar so selten noch an seinen angestammten Orten befindet, vor unbedarftem und unkontrolliertem Umgang beschützt.

2. „Bildung“, vor allem auch die schulische, befindet sich unterdessen fest in den Händen politischer Parteien und wurde längst für Wahlkämpfe zurechtgeschnitzt. Dringend erforderlich erscheint mir, zum Beispiel gegen abenteuerliche, aber gern unter die Leute gebrachte Missverständnisse die Kanonen der Aufklärung in Stellung zu bringen. Wörter wie „humanistisch“ und Namen wie „Humboldt“ müssen nicht zur wohlfeilen Propaganda aller Couleur zusammengedampft und so auch noch tradiert werden.

Wie haben allerdings keinen Anlass, uns zum Beispiel gegenüber einer Causa Stralsund auf ein hohes Ross zu setzen. Die DDR hatte 40 Jahre lang daran gearbeitet, die bürgerliche Geschichte zu tilgen; derlei dauert in den Köpfen. Der Westen fügte sich derweil der Diktatur der Zahl („brauchen wie das?“) - kein Anlass also zu triumphieren, wenn das Pekuniäre das Denken und Handeln bestimmt.

Versuchen wir's doch einfach mal mit der Hoffnung - einem der Leitgedanken der Aufklärung und den Ideen der Humanisten des 15. und 16. Jahrhunderts gar nicht mal so fern. Als eine der Leitideen der Gymnasien wurde sie angesichts politischer Umgebungen nicht selten vergessen. Auch von den dunklen gymnasialen Perversionen der Zeitläufte zeugen die  Buch- und Dokumentensammlungen der Anstalten gelegentlich noch.

Zurück in die Zukunft war ein hübscher Filmtitel; dann aber, so fordert der Oberlehrer, auch bitte gleich richtig und ad fontes, ihr Gesellen!

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Beitrag zur Blogparade: Wissenschaftsbloggen: zurück in die Zukunft - ein Aufruf zur Blogparade #wbhyp
Abbildung: Kite by Mario, CC BY-NC 2.0.

Quelle: http://histgymbib.hypotheses.org/638

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Einfache Karten mit QGIS erstellen

Im Mittelalter war das Erstellen von Karten verhältnismäßig einfach zu bewerkstelligen: Kreis ziehen, in drei Teile teilen, fertig war das Meisterwerk.1  Leider entsprechen die Ergebnisse nicht unbedingt den Anforderungen des 21. Jahrhunderts und auch der heuristische Mehrwert solcher Karten lässt für moderne Fragestellungen zu wünschen übrig.

TO-Karte aus BL Add MS 22797, fol. 99v. Quelle: Wiki Commons, Lizenz  CC0 1.0 Verzicht auf das Copyright (http://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.de)

TO-Karte aus BL Add MS 22797, fol. 99v. Quelle: Wiki Commons, Lizenz CC0 1.0 Verzicht auf das Copyright (http://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.de)

Die moderne Geschichtswissenschaft ist sich zwar spätestens seit dem spatial turn dem theoretischen Nutzen von Karten bzw. der räumlichen Darstellung von Informationen insgesamt bewusst,2  praktische Kenntnisse werden hier aber nur selten vermittelt, weshalb meist learning bei doing angesagt ist.3

Im Folgenden möchte ich anhand eines kleinen Beispiels zeigen, wie sich simple geographische Karten einfach und kostenfrei erstellen lassen.

Was wir erstellen werden: Eine geographische Karte auf der verschiedene Informationen zu den Buchbeständen mittelalterlicher Institutionen dargestellt sind (wobei die Daten für dieses Beispiel fiktiv sind).

Was wir benötigen:

  • Das kostenfreie Programm QGIS. Natürlich geht das auch mit jedem anderen Gis Programm.
  • Public domain Geodaten, zum Beispiel von http://www.naturalearthdata.com/. Für dieses Beispiel die Datenpakete Land, River und Lake der Kategorie Physical Vectors.
  • Die darzustellenden Daten als Textdatei im Comma-separated values-format (CSV).

Zunächst erstellen wir die geographische Grundlage in QGIS unter „Layer“ -> „Vektorlayer hinzufügen“. Hier navigieren wir zum Speicherort der Pakete und fügen die Dateien mit der Endung .shp ein (in unserem Fall wäre das land.shp, rivers.shp und lakes.shp). Das Ergebnis sollte so aussehen:

1
Im Layerfenster lassen sich durch Rechtsklick auf den entsprechenden Layer bestimmte Eigenschaften wie die Farbe verändern oder die Beschriftung aktivieren.

Damit ist der geographische Teil der Karte im Wesentlichen schon erstellt, spannend wird es nun bei den eigenen Daten. In meinem Fall sind diese in einer Datenbank abgelegt, die ich direkt mit QGIS verbinden kann. Der einfachste Fall ist aber das Einfügen der Daten als Text-Datei im CSV Format.

Das bedeutet in Grunde nichts anderes, als dass die Daten in einer Tabelle durch ein festgelegtes Zeichen, meist ein Semikolon, getrennt und damit lesbar gemacht werden. Diese Datei kann man von Hand erstellen, die meisten Tabellen oder Datenbankprogramme ermöglichen aber auch einen Export in dieses Standardformat.

In diesem Fall habe ich aus meiner Datenbank folgende Informationen exportiert:

  • Ort
  • Institution
  • X-Koordinate (Längengrad im WGS84-Format: 14.461111°, z.B. über die Wikipedia)
  • Y-Koordinate (Breitengrad im WGS84-Format: 47.573056°, z.B. über die Wikipedia)
  • Fiktive quantitative Menge, etwa an naturwissenschaftlichen Texten.

Am Ende sollte eine solche – allerdings ohne leere Zeile – Textdatei mit der Endung .txt vorliegen:

2Diese Datei fügen wir nun über „Layer“ -> „Textdatei als Layer importieren“ in die Karte ein, wählen aus diversen Parametern aus und geben die Felder der X bzw. Y Koordinate an.

Als Projektion wählen wir hier WGS 84. In den Eigenschaften wählen wir unter „Beschriftung“ das Feld „Ort“ aus. Das Ergebnis sollte dann so aussehen:

3Unter „Projekt“ -> „Bild speichern als“ lässt sich diese einfache Karte nun auf die Schnelle als Bilddatei exportieren. Mit „Strg + P“ kann man eine Druckauswahl erstellen und zum Beispiel eine Legende etc. hinzufügen.

Nun möchten wir aber nicht nur die Orte auf der Karte anzeigen, sondern auch andere Informationen. Im nächsten Schritt kategorisieren wir die Orte nach ihrer institutionellen Zugehörigkeit. Hierzu gehen wir in die Eigenschaften des Layers -> „Stil“ und wählen hier im drop down Menü statt „Einzelsymbol“ -> „kategorisiert“ aus. Dann geben wir die gewünschte Spalte an, in diesem Fall „Institution“ und klicken auf „klassifizieren“. Im großen Feld sehen wir die einzelnen Klassifikationen und können Form und Farbe ändern. Das Ergebnis könnte je nach Auswahl so aussehen:

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Im letzten Beispiel möchten wir nicht die institutionelle Zugehörigkeit anzeigen, sondern die Menge an naturwissenschaftlichen Texten, die im Feld „Anzahl“ angegeben wurde und in diesem Beispiel fiktiv ist.

Gleiches Spiel von vorn, allerdings wählen wir im drop down Menü diesmal die Möglichkeit „abgestuft“ aus und geben die Spalte „Anzahl“ an. Hier ist es notwendig, die Anzahl der Klassen wie gewünscht einzustellen, damit man Ergebnisse sieht. Unter „erweitert“ noch -> „Größenskalierungsfeld“ -> „Anzahl“ auswählen und das Ergebnis sollte so aussehen:

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Farbe und Relation der Kreise lassen sich natürlich auch anders einstellen. Auch diese Karte nun ganz simpel als Bild abspeichern oder unter „Projekt“ -> „Neue Druckzusammenstellung“ mit einer Legende oder dem Maßstab versehen und weiter verschönern.

Übrigens lassen sich diese Karten im Gegensatz zu gescannten Karten ohne urheberrechtliche Beschränkungen nutzen, sofern sie auf einem public domain Datenset beruhen.

Mit diesen simplen Anwendungen ist das Potential von QGIS natürlich keineswegs ausgereizt. Für HistorikerInnen sei hier lediglich das Stichwort Georeferenzierung von historischen Karten gegeben.4  Ausgehend vom hier beschriebenen lassen sich über Google, Youtube und der QGIS-Dokumentation aber eigentlich alle weiteren Fragen recht einfach klären.

  1. Dass es so einfach dann doch nicht war, zeigt Englisch, Brigitte: Ordo orbis terrae: die Weltsicht in den „Mappae mundi“ des frühen und hohen Mittelalters. (Orbis mediaevalis. Vorstellungswelten des Mittelalters 3). Berlin 2002.
  2. Wem das noch nicht klar ist, dem sei etwa Moretti, Franco: Graphs, Maps, Trees: Abstract Models for a Literary History. London/ New York 2005 wärmstens empfohlen.
  3. Zwar gibt es seit einiger Zeit den schönen Geobrowser von Dariah, hier lassen sich die Karten aber nicht für den Druck exportieren und die Möglichkeiten sind meiner Ansicht nach etwas limitiert.
  4. http://www.germanistik.uni-wuerzburg.de/fileadmin/04100700/GIS_Software_im_Vergleich-_Armin_Volkmann.pdf

Quelle: http://quadrivium.hypotheses.org/367

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Interview: Prof. Alain Schnapp über die Vergangenheit und Zukunft der Archäologie

HdU-Herbst-2014

"Dans nous-mêmes, la meilleure manière fidèle est de se servir sucessivement des tous nos sens pour considérer un objet ; et c'est faute de cet usage combiné des sens, que l'homme oublie plus de choses qu'il n'en retient." (Georg Luis Leclerc Buffon, Oeuvres choisies de Buffon, Bd. 2, Paris 1859, S. 293)

Seit 2006 verleiht die Meyer-Struckmann-Stiftung jährlich einen Wissenschaftspreis für geistes- und sozialwissenschaftliche Forschung in Zusammenarbeit mit der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und dem Wissenschaftszentrum Nordrhein-Westfalen. 2014 erhielt der Archäologe und Kunsthistoriker Prof. Alain Schnapp, Kooperationspartner und Unterstützer des Graduiertenkollegs GRK 1678 seit der ersten Stunde, die mit 20.000 Euro dotierte Auszeichnung für seine über die Grenzen des Faches der klassischen Archäologie hinausgehende Forschungsarbeit. Im folgenden Interview nähert er sich den zwei Schwerpunktbegriffen des Graduiertenkollegs aus Sicht der Archäologie.

 

Gibt es in der Klassischen Archäologie einen Produktionsbegriff?

Es gibt einen Produktionsbegriff in der Klassischen Archäologie. Er entstammt der Zeit der Wiener Schule der Kunstgeschichte Ende des 19. Jahrhunderts. Alois Riegl verwendete ihn erstmals in seinem Buch „Die spätrömische Kunstindustrie“. Seit diesem Werk gibt es überhaupt erst ein Bewusstsein für den technischen Produktionsprozess z.B. griechischer oder römischer antiker Monumente – sei es in der Architektur, der Skulptur oder der Keramik. Ranuccio Bianchi-Bandinelli und seine Schüler entwickeln Riegls Herangehensweise in Anlehnung an den Marxismus für die Archäologie weiter. Von der Beschäftigung mit dem Produktionsbegriff in Bezug auf die griechische Kunst zeugen vor allem die Arbeiten von Wolf-Dieter Heilmeyer und Francis Croissant, die die Produktionstätigkeit der Bildhauer in den Mittelpunkt der Forschung stellen. Luca Giuliani, Dyfri Williams und François Lissarrague haben insbesondere die Produktion von Bildern auf griechischen Vasen für die Archäologie fassbar gemacht.

In Ihrer Forschung gehen Sie über die Klassische Archäologie hinaus und setzen Ausgegrabenes, Bilder und Objekte mit zeitgenössischen Schriftquellen und Texten in Verbindung. Entsteht durch diese Methode eine spezielle Materialität bzw. Immaterialität der Archäologie?

Die Erforschung der Beziehungen der Menschen zu ihrer Vergangenheit versucht stets zwei Aspekte des Vergangenheitsinteresses zusammenzubringen: An erster Stelle steht die materielle Spur der Geschichte;  Ruinen und antike Fragmente bspw. beweisen die Materialität der Vergangenheit. An zweiter Stelle steht der immaterielle Prozess der Erinnerung, der die Vergangenheit miterzeugt. Die Poetik ist sein Werkzeug. Die Dichter behaupten, dass ihre Kunst – weil sie immateriell ist – ein sichereres Mittel als das der Monumente sei, um Erinnerungen zu bewahren. Ein Gedicht ist resistenter als ein Stein oder eine Pyramide: „libelli vincunt marmora monumenta (elegiae in maecenatem).“ Die Dialektik zwischen Schriftlichem und Nichtschriftlichem/Materiellem und Immateriellem ist ein Problem der Archäologie und beeinflusst sie enorm, aber macht sie auch aus.

Schreiben Sie eine Archäologie der Archäologie, wie es Dekan Bruno Bleckmann bei der Meyer-Struckmann-Preisverleihung formulierte?

Meine Forschung gehört zur Archäologie der Archäologie, doch nicht im Sinn von Michel Foucault, nämlich Archäologie als etwas, das in seiner Struktur die verschiedensten Reliquien der Vergangenheit darbietet. Ich versuche, den Diskurs unterschiedlicher Gesellschaften über die Vergangenheit zu erforschen.

Denken Sie, dass ein Wissenschaftsblog/die Plattform hypotheses.org im Sinne Buffons zu einem Archiv der geisteswissenschaftlichen Welt werden könnte? Was wäre dann die Aufgabe der Archäologie der Zukunft?

Sicher bietet das Internet zahlreiche, neue Möglichkeiten, an Dokumente und Texte zu kommen, aber die Struktur der humanistischen Forschung bleibt dieselbe. Jede neue Technik eröffnet eine neue Forschungslandschaft. Die Aufgabe zukünftiger Archäologen könnte sein, sich darin zu orientieren. Von der Archäologie der Zukunft wissen wir nicht viel mehr, als dass z.B. durch das Internet viel mehr Material vorhanden sein wird. Allerdings wird auch in der Zukunft das Equilibrium zwischen Erinnerung und Vergessen bestehen. Mit Charles de Montalembert gesprochen: „La mémoire du passé ne devient importune que lorsque la conscience du présent est honteuse.

Quelle: http://grk1678.hypotheses.org/327

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