Bloggende Doktoranden. Eine Bilanz zu Fragen und Antworten #wbhyp

3284010276_ebfa71b07e_zEin Dauerbrenner in Gesprächen über das wissenschaftliche Bloggen ist nach wie vor die Frage: „Was und wie dürfen Doktorandinnen und Doktoranden überhaupt bloggen?“. Viele Doktoranden sind im Rahmen von Forschungsprojekten angestellt, bei denen publiziert wird. Aber auch Doktoranden ohne Stelle sind auf Konferenzen präsent, stellen ihre Forschung vor und müssen darauf achten, was sie vor Abgabe der Dissertation publizieren. Besonders viele Fragen und Bedenken kommen jedoch beim Publizieren in Blogs auf.

Welche Bedenken und Vorbehalte existieren?

Über das Bloggen während des Promotionsstudiums hat Matthias Meiler einen Blogbeitrag verfasst, der seine Unsicherheit bezüglich der Publikation von noch nicht fertigen Gedanken zum Ausdruck bringt. Ebenso stellt er sich die Frage, wie groß das Risiko ist, Überlegungen zu bloggen, die womöglich in der Dissertation einen größeren Stellenwert einnehmen könnten, als zunächst gedacht.

Werfen unfertige Gedanken ein schlechtes Bild auf die Arbeit von Doktoranden? Oder greift jemand anders einen unfertigen Gedanken auf und entwickelt ihn einfach weiter? Wie und was können Doktoranden also bloggen, wenn doch das Mantra der Professoren lautet, es sei normal, dass sich die Struktur der Arbeit, die Fragestellung, die Überlegungen, etc. im Lauf des Promotionsstudium noch ändern? Woher weiß man, was man vorab verbloggen darf und was nicht?

Und wie sieht es mit Selbstplagiat aus? Dürfen Doktoranden vorab publizierte Texte mit in die Dissertation aufnehmen? Klaus Graf hat darauf eine sehr deutliche Antwort: „Ein Eigenplagiat ist kein Plagiat, da man das Ergebnis einer eigenen und nicht einer fremden Leistung verwertet. Sich selbst kann man nicht bestehlen.“ Doch denken die Prüfer am Ende genauso?

Was haben Doktoranden überhaupt vom wissenschaftlichen Bloggen?

Wie Mareike König in ihrem Blogbeitrag schreibt, kommen immer wieder Bedenken von Wissenschaftlern auf, die diese wissenschaftliche Schreibform noch nie ausprobiert haben. Vielmehr wird der Zeitmangel häufig als Gegenargument genannt. Gerade Doktoranden müssen zusehen, dass sie ihre Dissertation fertig stellen. Anne Baillot beispielsweise rät in ihrem Beitrag zu #wbhyp ihren Doktoranden daher vom regelmäßigen Bloggen ab. Aus welchem Grund sollten Doktoranden also Zeit opfern und sich dem wissenschaftlichen Bloggen zuwenden?

Hierzu hat Johannes Walschütz verschiedene Gründe genannt, weshalb das Bloggen für Doktoranden sinnvoll ist:

  • Es ist eine Möglichkeit, auf die eigene Forschung aufmerksam zu machen.
  • Die Publikation erfolgt schnell und die Beiträge sind gut auffindbar.
  • Es stellt eine sinnvolle Art der Ablenkung von der Arbeit an der Dissertation dar.
  • Das eigene Blog ist ein hervorragender Ort, um Schreib- und Publikationserfahrungen zu sammeln.
  • Bloggen hilft Gedanken zu strukturieren.

Neben der Werbung für die eigene Arbeit stellt also das Bloggen an sich den Grund für’s Bloggen dar. Durch das Schreiben im Blog muss die Arbeit dargestellt werden, was eine zusätzliche Beschäftigung mit der Thematik erfordert. Das Thema muss nicht „nur“ gedacht, sondern auch geschrieben werden. So hat Maxi Platz für das eigene Bloggen festgestellt, dass es „für Nachwuchswissenschaftler wirklich heilsam [ist], eigene Themen verständlich zu formulieren. Ist man dazu nicht in der Lage, hat man vielleicht etwas selbst nicht ganz verstanden und kann das so durchaus überprüfen.“

Neben dem Schreiben übt Bloggen auch das Loslassen. Einen Gedanken zu publizieren und ihn zur Debatte zu stellen, eine These öffentlich zu verteten und nicht mehr "noch einmal eine Nacht drüber schlafen", erfordert zu Beginn Überwindung. Zudem ist allen Doktoranden (zumindest in den Geistes- und Sozialwissenschaften) gemeinsam, dass sie einen irre langen Text schreiben. Alles wird vorher irgendwie irgendwo geübt, aber bei der Dissertation wird erwartet, dass es gleich so funktioniert.

Dieser Text beinhaltet dann eine jahrelange Reflexion, wobei man erst am Ende weiß, was und worüber genau man eigentlich schreibt. Aber das kann nicht der Grund sein, auf das Bloggen zu verzichten. Denn, nicht zu vergessen (und hier schon wieder das Mantra der Professoren): Das, was einem zu Beginn des Promotionsstudiums durch den Kopf geht und was in Form eines Blogartikels festgehalten wird, spiegelt mit Sicherheit nicht mehr die Position wider, die man während der Disputation hat. Blogartikel stellen also vor allem die einzelnen Arbeits- und Gedankenschritte während des Promotionsstudiums dar.

Wie bloggen andere Doktoranden?

Ein Blick auf die Blogs anderer Doktoranden macht deutlich, worüber diese so bloggen. Aber vor allem zeigt dieser Blick auch, dass andere Doktoranden bloggen und dass dies so einige tun. Eine ehemalige Doktorandin und zwei Doktoranden von de.hypotheses geben einen Einblick über ihr Bloggen und ihre Blogerfahrungen. Ein ganz herzlicher Dank gilt hier Johannes Waldschütz, Matthias Meiler und Maxi Platz, die auf meinen Mailaufruf an die Community von de.hypotheses Ende letzten Jahres geantwortet haben.

Matthias Meiler bloggt vor allem aus wissenschaftlichem Interesse, weil die Kommunikationsform Gegenstand seiner Dissertation ist (METABLOCK). In den Beiträgen verbloggt er Randüberlegungen, die in der Dissertation keinen Platz finden, aber dennoch von Interesse sind. Auf diese Weise könnten auch solche Randüberlegungen ausgearbeitet werden und einer Leserschaft präsentiert werden. „Aspekte, die diesen Stellenwert dennoch haben, neige ich im Blog nur zu nennen bzw. nur knapp auszuführen. In vielen Fällen geht das aber auch gar nicht anders, da ich zum jeweiligen Zeitpunkt mehr Fundiertes dazu noch gar nicht sagen kann oder auf Basis meines bisherigen Kenntnisstandes noch nicht sagen will.“ Außerdem: „Integrale Aspekte meiner Diss im Blog zu veröffentlichen, wäre der Kommunikationsform 'Weblog' auch gar nicht angemessen.“

Maxi Platz hat während ihres Promotionsstudium ebenfalls über Nebenaspekte ihrer Dissertation gebloggt (MinusEinsEbene). Rückblickend stellt sie fest, dass sie sehr unterschiedlich gebloggt hat und sich ihr Schreibstil im Lauf der Zeit auch sehr verändert hat. Auch wenn Artikel dabei waren, die nicht direkt mit dem Thema der Arbeit zusammenhingen, so hat sie zu interessanten Fragestellungen, die die Dissertation nur streifen und die in dieser keinen Platz mehr gefunden haben, oder über Gedankengänge der Arbeit geschrieben, aber ebenso über Problematiken, ohne dabei in die Tiefe zu gehen. Sie sagt: „Man muss vielen Bedenkenträgern vorhalten, dass nicht alles, was man in einer historischen oder archäologischen Dissertation schreibt, neu ist und einen wissenschaftlichen Fortschritt bedeutet. Vieles ist ein Referieren des Forschungsstandes oder das Einordnen von eigenen Ergebnissen in einen bestimmten Kontext. Aspekte des Forschungstandes bilden sehr schöne Themen, über die es sich lohnt zu bloggen.“ Bedenken als Doktorandin zu bloggen hatte sie nicht, im Gegenteil: „Ich glaube zudem, dass die meisten Bedenken, beim Bloggen wie im Leben, unnötig sind. Wenn man bestimmte Regeln beachtet, also Kernergebnisse nicht publiziert, Fachkollegen nicht beleidigt oder nicht über die letzte Party allzu detailliert berichtet, kann eigentlich nichts schief gehen.“

Johannes Waldschütz stellt heraus, dass natürlich auch der Zeitfaktor eine Rolle beim Bloggen spielt. Je nach Finanzierung des Promotionsstudiums steht unterschiedlich viel Zeit zur Verfügung, sodass die eigenen Zeitressourcen ebenfalls eine Auswirkung auf die Art und Weise des Bloggens haben. Rückblickend ist sein Fazit bisher, dass er nicht über seine Dissertation selbst bloggt, sondern für den Lehrstuhl an dem er arbeitet (Mittelalter am Oberrhein) oder er verfasst Gastbeiträge für andere Blogs. Wenn er über die Dissertation bloggen würde, könnte er sich eine Projektvorstellung, für ein breites Publikum aufbereitete Kapitel oder verschriftliche „Nebenprodukte“ vorstellen.

Was ist zu tun?

Da Promotionsordnungen alle etwas anderes besagen, sollte man die eigene Ordnung sehr gut lesen. Die Dissertation muss eine selbstständige Arbeit sein, aber zur Vorabpublikation werden völlig unterschiedliche Angaben gemacht. Am Fachbereich für Erziehungswissenschaft und Sozialwissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität heißt es lediglich: „Kern der Promotion ist die eigene, selbstständige und originäre Forschungsleistung, die zum Erkenntnisfortschritt im jeweiligen Fach beiträgt.“ Das Adjektiv „originär“ können Doktoranden, Professoren und findige Prüfungsamtsmitarbeiter im Zweifelsfall sehr unterschiedlich interpretieren. Die Promotionsordnung der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig geht nur an einer Stelle auf Vorabpublikationen ein. „Beinhaltet die Dissertation wissenschaftliche Erkenntnisse, die der Doktorand vorab mit Koautoren in einer wissenschaftlichen Zeitschrift publiziert hat, so hat der Doktorand anzugeben, welcher Teil dieser Erkenntnisse bzw. dieser Publikation auf ihn zurückgeht. Die Gutachter haben die Plausibilität dieser Angaben zu überprüfen und können im Zweifel weitergehende Nachweise vom Doktoranden verlangen.“

Da das wissenschaftliche Bloggen noch relativ jung ist, haben sich noch nicht viele Prüfungsausschüsse mit diesem Thema beschäftigt. An dieser Stelle heißt es wohl: Solidarität unter den bloggenden Doktoranden und auf in ein aufrichtiges Gespräch mit dem Doktorvater oder der Doktormutter, die womöglich mehr wissen. Zudem ist so ein Gespräch die „sichere Seite“, um in der Disputation (oder danach) keine bösen Überraschungen zu erleben.

Und was nun?

Vorschlag: Einfach mal machen!

Maxi Platz erklärt beispielsweise, warum sie sich für das Bloggen entschieden hat: „Ich fand das Medium Blog spannend und wollte es ausprobieren. Ich wollte einfach bloggen und dachte, dass die Zeit der Dissertation sich dafür eignet. Was stimmt.“

Wer dann beim Bloggen die Quellen offenlegt und nicht aus der Dissertation copy-pastet (bzw. anders herum), kann eigentlich nicht viel falsch machen. Was, wenn man etwas bereits Gebloggtes in der Dissertation aufgreifen möchte? Auch Blogs sind zitierfähig.

Aber was genau dürfen Doktorandinnen und Doktoranden denn jetzt bloggen? Die eine wichtige Quelle oder der Kern der theoretischen Überlegungen gehören wohl weniger in das Blog. Stattdessen vielleicht zwei Vorschläge: Zum einen Dinge, die man eh tut, die aber nicht in die Dissertation aufgenommen werden, beispielsweise methodische Erfahrungen oder etwas zum Forschungsstand. Zum anderen alles „rund um das Thema“, beispielsweise Tagungsberichte, Rezensionen, Archivbesuche, Ausstellungen, Linklisten, Interviews, ... Aber genau genommen gibt es keinen Leitfaden zum „richtigen“ wissenschaftlichen Bloggen (generell oder speziell für Doktoranden), zumal die Themen und Disziplinen sehr unterschiedlich sind und sich die Forschungslandschaften sehr unterscheiden.

Kommentare und Rückmeldungen zu diesem Beitrag sind im Übrigen ausdrücklich erwünscht. Es wäre großartig, wenn das Phänomen „wissenschaftliches Bloggen von Doktorandinnen und Doktoranden“ weniger suspekt behandelt werden würde und sich mehr Forschende ins kalte Wasser stürzen würden. Eines ist klar: Diese Art wissenschaftlich zu publizieren und zu kommunizieren ist noch jung und irgendwer muss ja anfangen!

___________________

Abbildung: X von Ben Murray, Lizenz CC BY-NC-SA 2.0

Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/2343

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Bloggende Doktoranden. Eine Bilanz zu Fragen und Antworten #wbhyp

3284010276_ebfa71b07e_zEin Dauerbrenner in Gesprächen über das wissenschaftliche Bloggen ist nach wie vor die Frage: „Was und wie dürfen Doktorandinnen und Doktoranden überhaupt bloggen?“. Viele Doktoranden sind im Rahmen von Forschungsprojekten angestellt, bei denen publiziert wird. Aber auch Doktoranden ohne Stelle sind auf Konferenzen präsent, stellen ihre Forschung vor und müssen darauf achten, was sie vor Abgabe der Dissertation publizieren. Besonders viele Fragen und Bedenken kommen jedoch beim Publizieren in Blogs auf.

Welche Bedenken und Vorbehalte existieren?

Über das Bloggen während des Promotionsstudiums hat Matthias Meiler einen Blogbeitrag verfasst, der seine Unsicherheit bezüglich der Publikation von noch nicht fertigen Gedanken zum Ausdruck bringt. Ebenso stellt er sich die Frage, wie groß das Risiko ist, Überlegungen zu bloggen, die womöglich in der Dissertation einen größeren Stellenwert einnehmen könnten, als zunächst gedacht.

Werfen unfertige Gedanken ein schlechtes Bild auf die Arbeit von Doktoranden? Oder greift jemand anders einen unfertigen Gedanken auf und entwickelt ihn einfach weiter? Wie und was können Doktoranden also bloggen, wenn doch das Mantra der Professoren lautet, es sei normal, dass sich die Struktur der Arbeit, die Fragestellung, die Überlegungen, etc. im Lauf des Promotionsstudium noch ändern? Woher weiß man, was man vorab verbloggen darf und was nicht?

Und wie sieht es mit Selbstplagiat aus? Dürfen Doktoranden vorab publizierte Texte mit in die Dissertation aufnehmen? Klaus Graf hat darauf eine sehr deutliche Antwort: „Ein Eigenplagiat ist kein Plagiat, da man das Ergebnis einer eigenen und nicht einer fremden Leistung verwertet. Sich selbst kann man nicht bestehlen.“ Doch denken die Prüfer am Ende genauso?

Was haben Doktoranden überhaupt vom wissenschaftlichen Bloggen?

Wie Mareike König in ihrem Blogbeitrag schreibt, kommen immer wieder Bedenken von Wissenschaftlern auf, die diese wissenschaftliche Schreibform noch nie ausprobiert haben. Vielmehr wird der Zeitmangel häufig als Gegenargument genannt. Gerade Doktoranden müssen zusehen, dass sie ihre Dissertation fertig stellen. Anne Baillot beispielsweise rät in ihrem Beitrag zu #wbhyp ihren Doktoranden daher vom regelmäßigen Bloggen ab. Aus welchem Grund sollten Doktoranden also Zeit opfern und sich dem wissenschaftlichen Bloggen zuwenden?

Hierzu hat Johannes Walschütz verschiedene Gründe genannt, weshalb das Bloggen für Doktoranden sinnvoll ist:

  • Es ist eine Möglichkeit, auf die eigene Forschung aufmerksam zu machen.
  • Die Publikation erfolgt schnell und die Beiträge sind gut auffindbar.
  • Es stellt eine sinnvolle Art der Ablenkung von der Arbeit an der Dissertation dar.
  • Das eigene Blog ist ein hervorragender Ort, um Schreib- und Publikationserfahrungen zu sammeln.
  • Bloggen hilft Gedanken zu strukturieren.

Neben der Werbung für die eigene Arbeit stellt also das Bloggen an sich den Grund für’s Bloggen dar. Durch das Schreiben im Blog muss die Arbeit dargestellt werden, was eine zusätzliche Beschäftigung mit der Thematik erfordert. Das Thema muss nicht „nur“ gedacht, sondern auch geschrieben werden. So hat Maxi Platz für das eigene Bloggen festgestellt, dass es „für Nachwuchswissenschaftler wirklich heilsam [ist], eigene Themen verständlich zu formulieren. Ist man dazu nicht in der Lage, hat man vielleicht etwas selbst nicht ganz verstanden und kann das so durchaus überprüfen.“

Neben dem Schreiben übt Bloggen auch das Loslassen. Einen Gedanken zu publizieren und ihn zur Debatte zu stellen, eine These öffentlich zu verteten und nicht mehr "noch einmal eine Nacht drüber schlafen", erfordert zu Beginn Überwindung. Zudem ist allen Doktoranden (zumindest in den Geistes- und Sozialwissenschaften) gemeinsam, dass sie einen irre langen Text schreiben. Alles wird vorher irgendwie irgendwo geübt, aber bei der Dissertation wird erwartet, dass es gleich so funktioniert.

Dieser Text beinhaltet dann eine jahrelange Reflexion, wobei man erst am Ende weiß, was und worüber genau man eigentlich schreibt. Aber das kann nicht der Grund sein, auf das Bloggen zu verzichten. Denn, nicht zu vergessen (und hier schon wieder das Mantra der Professoren): Das, was einem zu Beginn des Promotionsstudiums durch den Kopf geht und was in Form eines Blogartikels festgehalten wird, spiegelt mit Sicherheit nicht mehr die Position wider, die man während der Disputation hat. Blogartikel stellen also vor allem die einzelnen Arbeits- und Gedankenschritte während des Promotionsstudiums dar.

Wie bloggen andere Doktoranden?

Ein Blick auf die Blogs anderer Doktoranden macht deutlich, worüber diese so bloggen. Aber vor allem zeigt dieser Blick auch, dass andere Doktoranden bloggen und dass dies so einige tun. Eine ehemalige Doktorandin und zwei Doktoranden von de.hypotheses geben einen Einblick über ihr Bloggen und ihre Blogerfahrungen. Ein ganz herzlicher Dank gilt hier Johannes Waldschütz, Matthias Meiler und Maxi Platz, die auf meinen Mailaufruf an die Community von de.hypotheses Ende letzten Jahres geantwortet haben.

Matthias Meiler bloggt vor allem aus wissenschaftlichem Interesse, weil die Kommunikationsform Gegenstand seiner Dissertation ist (METABLOCK). In den Beiträgen verbloggt er Randüberlegungen, die in der Dissertation keinen Platz finden, aber dennoch von Interesse sind. Auf diese Weise könnten auch solche Randüberlegungen ausgearbeitet werden und einer Leserschaft präsentiert werden. „Aspekte, die diesen Stellenwert dennoch haben, neige ich im Blog nur zu nennen bzw. nur knapp auszuführen. In vielen Fällen geht das aber auch gar nicht anders, da ich zum jeweiligen Zeitpunkt mehr Fundiertes dazu noch gar nicht sagen kann oder auf Basis meines bisherigen Kenntnisstandes noch nicht sagen will.“ Außerdem: „Integrale Aspekte meiner Diss im Blog zu veröffentlichen, wäre der Kommunikationsform 'Weblog' auch gar nicht angemessen.“

Maxi Platz hat während ihres Promotionsstudium ebenfalls über Nebenaspekte ihrer Dissertation gebloggt (MinusEinsEbene). Rückblickend stellt sie fest, dass sie sehr unterschiedlich gebloggt hat und sich ihr Schreibstil im Lauf der Zeit auch sehr verändert hat. Auch wenn Artikel dabei waren, die nicht direkt mit dem Thema der Arbeit zusammenhingen, so hat sie zu interessanten Fragestellungen, die die Dissertation nur streifen und die in dieser keinen Platz mehr gefunden haben, oder über Gedankengänge der Arbeit geschrieben, aber ebenso über Problematiken, ohne dabei in die Tiefe zu gehen. Sie sagt: „Man muss vielen Bedenkenträgern vorhalten, dass nicht alles, was man in einer historischen oder archäologischen Dissertation schreibt, neu ist und einen wissenschaftlichen Fortschritt bedeutet. Vieles ist ein Referieren des Forschungsstandes oder das Einordnen von eigenen Ergebnissen in einen bestimmten Kontext. Aspekte des Forschungstandes bilden sehr schöne Themen, über die es sich lohnt zu bloggen.“ Bedenken als Doktorandin zu bloggen hatte sie nicht, im Gegenteil: „Ich glaube zudem, dass die meisten Bedenken, beim Bloggen wie im Leben, unnötig sind. Wenn man bestimmte Regeln beachtet, also Kernergebnisse nicht publiziert, Fachkollegen nicht beleidigt oder nicht über die letzte Party allzu detailliert berichtet, kann eigentlich nichts schief gehen.“

Johannes Waldschütz stellt heraus, dass natürlich auch der Zeitfaktor eine Rolle beim Bloggen spielt. Je nach Finanzierung des Promotionsstudiums steht unterschiedlich viel Zeit zur Verfügung, sodass die eigenen Zeitressourcen ebenfalls eine Auswirkung auf die Art und Weise des Bloggens haben. Rückblickend ist sein Fazit bisher, dass er nicht über seine Dissertation selbst bloggt, sondern für den Lehrstuhl an dem er arbeitet (Mittelalter am Oberrhein) oder er verfasst Gastbeiträge für andere Blogs. Wenn er über die Dissertation bloggen würde, könnte er sich eine Projektvorstellung, für ein breites Publikum aufbereitete Kapitel oder verschriftliche „Nebenprodukte“ vorstellen.

Was ist zu tun?

Da Promotionsordnungen alle etwas anderes besagen, sollte man die eigene Ordnung sehr gut lesen. Die Dissertation muss eine selbstständige Arbeit sein, aber zur Vorabpublikation werden völlig unterschiedliche Angaben gemacht. Am Fachbereich für Erziehungswissenschaft und Sozialwissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität heißt es lediglich: „Kern der Promotion ist die eigene, selbstständige und originäre Forschungsleistung, die zum Erkenntnisfortschritt im jeweiligen Fach beiträgt.“ Das Adjektiv „originär“ können Doktoranden, Professoren und findige Prüfungsamtsmitarbeiter im Zweifelsfall sehr unterschiedlich interpretieren. Die Promotionsordnung der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig geht nur an einer Stelle auf Vorabpublikationen ein. „Beinhaltet die Dissertation wissenschaftliche Erkenntnisse, die der Doktorand vorab mit Koautoren in einer wissenschaftlichen Zeitschrift publiziert hat, so hat der Doktorand anzugeben, welcher Teil dieser Erkenntnisse bzw. dieser Publikation auf ihn zurückgeht. Die Gutachter haben die Plausibilität dieser Angaben zu überprüfen und können im Zweifel weitergehende Nachweise vom Doktoranden verlangen.“

Da das wissenschaftliche Bloggen noch relativ jung ist, haben sich noch nicht viele Prüfungsausschüsse mit diesem Thema beschäftigt. An dieser Stelle heißt es wohl: Solidarität unter den bloggenden Doktoranden und auf in ein aufrichtiges Gespräch mit dem Doktorvater oder der Doktormutter, die womöglich mehr wissen. Zudem ist so ein Gespräch die „sichere Seite“, um in der Disputation (oder danach) keine bösen Überraschungen zu erleben.

Und was nun?

Vorschlag: Einfach mal machen!

Maxi Platz erklärt beispielsweise, warum sie sich für das Bloggen entschieden hat: „Ich fand das Medium Blog spannend und wollte es ausprobieren. Ich wollte einfach bloggen und dachte, dass die Zeit der Dissertation sich dafür eignet. Was stimmt.“

Wer dann beim Bloggen die Quellen offenlegt und nicht aus der Dissertation copy-pastet (bzw. anders herum), kann eigentlich nicht viel falsch machen. Was, wenn man etwas bereits Gebloggtes in der Dissertation aufgreifen möchte? Auch Blogs sind zitierfähig.

Aber was genau dürfen Doktorandinnen und Doktoranden denn jetzt bloggen? Die eine wichtige Quelle oder der Kern der theoretischen Überlegungen gehören wohl weniger in das Blog. Stattdessen vielleicht zwei Vorschläge: Zum einen Dinge, die man eh tut, die aber nicht in die Dissertation aufgenommen werden, beispielsweise methodische Erfahrungen oder etwas zum Forschungsstand. Zum anderen alles „rund um das Thema“, beispielsweise Tagungsberichte, Rezensionen, Archivbesuche, Ausstellungen, Linklisten, Interviews, ... Aber genau genommen gibt es keinen Leitfaden zum „richtigen“ wissenschaftlichen Bloggen (generell oder speziell für Doktoranden), zumal die Themen und Disziplinen sehr unterschiedlich sind und sich die Forschungslandschaften sehr unterscheiden.

Kommentare und Rückmeldungen zu diesem Beitrag sind im Übrigen ausdrücklich erwünscht. Es wäre großartig, wenn das Phänomen „wissenschaftliches Bloggen von Doktorandinnen und Doktoranden“ weniger suspekt behandelt werden würde und sich mehr Forschende ins kalte Wasser stürzen würden. Eines ist klar: Diese Art wissenschaftlich zu publizieren und zu kommunizieren ist noch jung und irgendwer muss ja anfangen!

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Abbildung: X von Ben Murray, Lizenz CC BY-NC-SA 2.0

Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/2343

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Mit Wissenschaftsblogs durch verschiedene Welten reisen

DSC_04842Das Redaktionsteam von de.hypotheses.org hat unter #wbhyp zu einer Blogparade rund um Zukunft und Vergangenheit, Sinn und Unsinn des Wissenschaftsbloggens aufgerufen. Die Community hat sich bereits mit vielen fundierten Beiträgen beteiligt, weswegen ich nur ein paar persönliche Eindrücke und Erfahrungen beisteuern möchte. Fachliches Bloggen ist in Deutschland nur selten ein Faktor für wissenschaftlichen Erfolg. Aber es kann Lücken füllen. Mein Blog und ich bewegen uns zum Beispiel durch verschiedene Welten: die der historischen und archäologischen Wissenschaften, die der Kultur und die des Marketing. Alle drei stehen sich durchaus nahe, es gibt viele Gemeinsamkeiten, aber auch Grenzen und Hürden. Sie kann ich hier thematisieren.

Die wenigsten Wissenschaftsblogs ersetzen Aufsätze oder Fachpublikationen. Das bedeutet nicht, dass ihre Qualität das nicht hergäbe, aber dass man, wie Anne Baillot gezeigt hat, vorsichtig mit zu hohen Erwartungen sollte. Trotzdem gibt es immer mehr positive Beispiele für erfolgreiche Fachblogs und die Anerkennung als neue Kommunikationsform steigt, wie das Mittelalterblog gezeigt hat, sei es, um der Freude und Verzweiflung am Alltag, ge- oder misslungenen Forschungsansätzen Gehör zu verschaffen, Aktuelles aus Sicht einer bestimmten Disziplin zu erklären oder Fragen zu stellen, die man sonst vielleicht nicht stellen kann.

Ich bin Altertumswissenschaftlerin aus Leidenschaft und fand schon immer, dass die Beschäftigung mit vergangenen Gesellschaften eine unglaublich vielfältige, lehrreiche Tätigkeit ist. Als Historiker und Archäologe lernt man auch viel über das Hier und Jetzt, über sich selbst und andere. Damit haben die Altertumswissenschaften einige Überschneidungsstellen zur Praxis außerhalb der Wissenschaft, etwa zu Museen oder zum Fachjournalismus. Beide sind ein wunderbarer Weg, historische Erkenntnisse an andere Menschen zu bringen und anzuwenden.

Tatsächlich gibt es aber kaum institutionalisierten Austausch zwischen den Forschern an den Universitäten, den Kuratoren an den Museen und Journalisten – und wenn, geschieht er vor allem in eine Richtung. All die gegenseitigen Lerneffekte, die Inspiration und der Bezug zur realen Welt gehen damit verloren. Das ist für mich umso erstaunlicher, als sich gerade die Geisteswissenschaften und die Kulturbetriebe mit denselben Problemen herumschlagen: Zu wenig Gelder, keine Lobby, zu wenig Anerkennung, sinkende Aufmerksamkeit. Daran sind sie nicht ganz unschuldig, das sieht man an vielen Diskussionen über das Wissenschafts- und Kulturmanagement in Deutschland, um die Bürokratie dahinter oder die Kommunikationsweisen.

Irgendwo zwischen den thematischen Überschneidungen und strukturellen Gemeinsamkeiten von Kultur, Geisteswissenschaften und Fachmarketing gibt es einen Graben, über den ich mit meinem Blog eine Brücke bauen möchte. Das kommt dem innerfachlichen Ansehen nur bedingt zu Gute. Wenn man aber beruflich nicht nur in der universitären Wissenschaftswelt unterwegs ist und ein Herz für die Vermittlung fachlicher Inhalte hat, gilt das schon wieder nicht mehr, wie auch Angelika Schoder schrieb.

Das Vernetzen über einen eigenen Fachblog passiert vor allem mit anderen Bloggern und weniger mit nicht-internetaffinen Wissenschaftlern oder auch Museumsmenschen. Das macht aber nichts, denn sich mit den Gegebenheiten und Strukturen des Internet zu beschäftigen wird künftig auch in der Fachwelt eine größere Rolle spielen - spätestens wenn Ergebnisse Open-Access publiziert werden müssen, wenn es um Projektplanungen, technische Möglichkeiten oder Vorhaben an der Schnittstelle zu den Digital Humanities geht. Bei Gesprächen mit weniger internetaffinen Kollegen ist es ein Vorteil, Kontakte und einen Überblick über die digitalen Inhalte, aktuellen Entwicklungen und künftigen Herausforderungen zu haben. Das finde ich einen nicht unwichtigen Punkt.

Außerdem ist ein Blog zwar kein Fachjournal, wohl aber eine Form der Veröffentlichung, über die man beispielsweise aufzeigen kann, dass man über eine Idee bereits geschrieben hat. Ein solcher Urheberschaftsnachweis, wenn man es überspitzt so nennen möchte, gehört ja durchaus zu den Gründen, warum man Forschungsergebnisse publiziert.

Mein Blog ist nun gut zwei Jahre alt und immer öfter bekomme ich darüber Einladungen zu Fachveranstaltungen oder die Bitte, über ein Thema zu schreiben. Und das ist eine wunderbare Form der Anerkennung dafür, dass ich hier die Möglichkeit habe, mich einem speziellen Thema mit Leidenschaft und eigener Meinung zu widmen. Deutschsprachige Blogs zu den Altertumswissenschaften gibt es nur wenige, entsprechend gering ist die Einbindung in fachliche Diskussionen oder die Lehre. Das hat Michael Hölscher von Grammata für die Bibelwissenschaften bestätigt. International sprießen sie aber nur so aus dem Boden und die "deutsche Lücke" zwischen wissenschaftlichen Inhalten, Alltagserfahrungen, Überschneidungen zum Museum und zur Öffentlichkeitsarbeit gibt es dabei schlicht nicht. Für mich ist das die perfekte Antwort auf die Frage: "Quo vadis Wissenschaftsblogs?"

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1545

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21. Auf einen Espresso mit Lucius Arrianus (Über das Bloggen)

Phi: Herr Arrianus, sie gelten gemeinhin als der Erfinder des Bloggens. Auch heute diskutiert man noch darüber, ob es sinnvoll ist, komplizierte, wissenschaftliche Inhalte in gekürzter und teilweise verfälschter Form in die Öffentlichkeit zu tragen. Schadet das Bloggen nicht eigentlich der Wissenschaft?

Arrianus: Zunächst einmal ist allen Lesern klar, dass wissenschaftliches Bloggen nicht gleich wissenschaftliches Bloggen ist. Man verweist mit dieser Bezeichung einmal auf die Präsentationsform, andererseits aber auch eine bestimmte Art der Inhalte. Wir reden nun aber hauptsächlich über die Inhalte. - Offenbar unterscheiden sich aber auch diese so stark von einander, dass sie eigentlich keine gemeinsame Gattung bilden können. Manche Blogs beinhalten die Ergebnisse von Forschung, die man auch in „peer-reviewten“ Fachzeitschriften finden könnte, andere sind starke Vereinfachungen verschiedenster Thesen. Wenn Blogs kritisiert werden, meint man offenbar die vereinfachenden Texten. Man hat Angst, dass diese Form die Qualität der anderen Blogs und langfristig auch des ganzen wissenschaftlichen "Outputs" mindert. Und das alles passiert, weil man alle als eine gemeinsame Gattung versteht.

Phi: Schaden die „einfachen“ Blogs also der Wissenschaft?

Arrianus: Man könnte dieselbe Frage an Schulbücher der Klasse 5 stellen. Schaden sie der Wissenschaft, weil die komplizierte Inhalte auf ein einfacheres Maß hinunter brechen? Klarerweise nein. Die Klasse „einfacher“ Blogs hat verschiedene Zwecke: Sie (wie ein kluger Lehrer aus der Nähe von Colonia Claudia Ara Agrippinensium sagte) nehmen erstens die Distanz zum jeweiligen Fach. Wer keine Zeit hat, einen Satz von Hegel zu Ende zu lesen – wie die meisten Menschen – wird nach der Lektüre einer Vereinfachung ein Bild von dem haben, was er da so dahinargumentiert und sehen, dass es gar nicht nötig war, es zu Ende zu lesen. Und wer die Beschäftigung mit antiker Philosophie infrage stellt, weil er von Hegel beeinflusst ist und denkt, wir seien heute viel weiter, kann einen Blick in das Fach werfen und sehen, was dort so passiert.

Phi: Sie denken also, dass der Nutzen überwiegt?

Arrianus: Es kommt drauf an. Die Schreibenden haben offensichtlich den Nutzen, dass sie beispielsweise während der Promotion, die zu 4/5 aus Lesen besteht, ihre Schreibtätigkeit nicht verstauben lassen müssen. Den Lesenden wird, wie gesagt, die Distanz zum vorgestellten Projekt oder Fach genommen. Und Interessierten wird außerdem die Möglichkeit geboten, einmal hineinzuschauen, was denn dort so passiert. Ich würde deshalb eine Unterteilung vorschlagen, die die Spannung aus der Diskussion etwas hinaus nimmt: Man könnte einerseits wissenschaftliche Blogs, die wissenschaftliche Ergebnisse mit vollständiger Begründung und Integration in den Forschungszusammenhang präsentieren, und andererseits wissenschaftsaffine Blogs, die eher der Darstellung der eigenen Wissenschaft dienen und mit Unterhaltung gepaart sind, wie Ihr Blog hier, unterscheiden.

Phi: Sie finden philophiso unterhaltsam?

Arrianus: Müsste ich eine Bewertung schreiben, würde ich mich für die Formulierung „Sie haben sich stets bemüht“ entscheiden.

Phi:...

Arrianus: Obwohl Wissenschaft durch das Zugucken nicht besser wird, dürfen Sie die Wirkung schön und einfach präsentierter Inhalte für Nicht-Spezialistinnen und Spezialisten nicht unterschätzen. Meine Lehrgespräche und das Handbüchlein sind der Gattung „Protreptikos“ zuzuordnen. Selbst Aristoteles, wie auch unzählige andere, haben solche Protreptiken geschrieben, um Werbung zu machen, oder die Neugierde ihrer Mitbürger zu wecken. Wissenschaft wurde außerdem selten argumentationslos vom Staat finanziert. Eigentlich nur kurz in Rom, Konstantinopel und eben heute wieder. Im geschichtlichen Zusammenhang ist das eine wundervolle Ausnahmeerscheinung. Unterschätzen Sie also nie das Bild, das von Ihrem Fach oder Projekt ausgeht.

Phi: Es geht also auch um Akzeptanz in der Gesellschaft?

Arrianus: Offensichtlich. Und besonders für Inhalte, die keinen materiellen Nutzen produzieren, sowie um die Befriedigung der Neugier, die – wie schon Aristoteles sagt – uns allen innewohnt.

Phi: Was meinen Sie genau damit „keinen materiellen Nutzen“ zu haben?

Arrianus: Beispielsweise der alte Topos, sich selbst kennen zu lernen (Γνῶθι σεαυτόν). – Jedenfalls beinhaltet ein wissenschaftsaffiner Blog natürlich nicht unbedingt die wissenschaftliche Meinung des Autors, sondern ähnelt den französischen Essays, den Versuchen, etwas über ein Thema zu schreiben ohne finale Recherche.

Phi: Wieso sind wisseschaftsaffine Blogs oder Essays oder ein "Protreptikos" nicht dazu in der Lage?

Arranus: Weil Wissen wahre Meinung mit Begründung is, wie schon Platon es definierte. Die Begründung einer wissenschaftlichen Meinung werden Sie ausreichend aber nur in langen Auseinandersetzungen finden können, die für Nicht-Spezialisten aber häufig langweilig und unverständlich sind, wie die Quantentheorie.

Phi: Sie vergleichen die Quantentheorie mit der Philosophie?

Arrianus: Sicher. Was wissen wir heute in der Öffenltichkeit als Nicht-Spezialisten von der Quantentheorie? Erstens, dass sie sehr fortschrittlich ist, obwohl sie seit fast 100 Jahren auf dem Markt ist, zweitens, dass wir dadurch heute Laser haben, drittens, dass man nie genau wissen kann, wo ein Teilchen ist und viertens, dass der Mikrokosmos wahnsinnig mysteriös und deshalb spannend ist. All das ist absolut gefährliches Halbwissen, das uns aber durch verkürzende Artikel in Zeitschriften und allerlei Dokus unterhaltsam präsentiert wurde. Dennoch weiß ich lieber so wenig darüber, als nichts darüber zu wissen. Lieber lasse ich meine Phantasie durch diese leckeren Krümel beflügeln, als zum 100. Mal auf meinem Handy, ich meine, meinem Smart Phone die Uhrzeit zu prüfen. Ich danke allen, die einen Protreptikos geschrieben haben, wie Hawkins in seiner kurzen Geschichte der Zeit. Eigentlich brauchen wir mehr davon.

Phi: Herr Arrianus, danke für das Gespräch.

Quelle: http://philophiso.hypotheses.org/419

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Der Frosch im Brunnen – Beitrag zur Blogparade #wbhyp

Während des Wartens auf die Freischaltung meines Dissertations-Blogs habe ich mir Gedanken gemacht, worüber mein erster Artikel handeln soll. Eine Vorstellung ? Eine erste Einführung in mein Dissertationsvorhaben ? Ein Bericht über das interdisziplinäre Dissertantenseminar, das ich besuchte ? Dann las ich Mareike Königs Beitrag zur Blogparade über das Wissenschaftsbloggen und somit war mir klar, ich widme meinen ersten Artikel #wbhyp.

Ich stehe erst am Beginn meines Dissertationsvorhabens und möchte daher von meinen Eindrücken als Newbie berichten.

Warum blogge ich zu meiner Dissertation ? In erster Linie, weil ich gerne schreibe und weil ich mir einen (regen) interdisziplinären Ausstausch im Bezug zu meinem Thema erhoffe. Letzlich aber auch, weil ich persönlich durch einen Blog dazu angehalten werde, etwas zu tun (nämlich schreiben und forschen) und mich dadurch auch selbst zu einem Fortschritt zwinge. Aus meinen Erfahrungen mit meinen anderen Blogs kann ich aber auch sagen, dass immer wieder interessante Kontakte geknüpft werden und das ist die ganze Schreiberei auf jeden Fall wert.

Ich stimme Mareike König teilweise zu, wenn sie schreibt, dass "Blogbeiträge  – zumindest in naher Zukunft - nicht allgemein als wissenschaftliche Leistung anerkannt werden". “[1] Ein Blog-Beitrag oder Artikel kann "hoch wissenschaftlich" sein, sprich er wurde so verfasst, dass er sofort auch in einer Fachzeitschrift abgedruckt werden könnte, da wäre es doch schade, wenn dies nicht als wissenschaftliche Leistung anerkannt werden würde. Viele Wissenschaftler, Studierende usw. recherchieren immer mehr im Internet, wenn sie einen Artikel oder eine Hausarbeit schreiben (müssen), so wird doch auch der eine oder andere Beitrag, der auf einem Hypotheses-Blog erschien, gefunden und auch (in welcher Form auch immer) verarbeitet.“[2] Letztlich stellt sich hier wiederum die Frage: Was versteht man unter wissenschaftlicher Leistung ? Eine Seminararbeit, Hausarbeit, Bachelorarbeit, Masterarbeit, Dissertation, Artikel, Handbuch ?

Ebenso ist zu bedenken, dass es für Nachwuchswissenschaftler keine oder nur einige wenige Publikationsmöglichkeiten gibt, weshalb auch ein wissenschaftliches Blog auch wieder für einen gewissen Bekanntheitsgrad sorgen kann.“[3]

"Mein Ziel ist es, dass auch Akademiker anderer Fachdisziplinen sich für meine Beiträge interessieren und ich idealerweise auch ein Publikum erreiche, das nicht aus dem akademischen Umfeld stammt."[4]

Das Zitat entstammt dem #wbhyp - Beitrag von Angelika Schroder. Sie drückt damit genau das aus, warum ich mich (unter anderem) dafür entschieden habe, einen Dissertationsblog bei hypotheses zu eröffnen. Ein gewisse Transparenz für ein erweitertes Publikum bezüglich des Doktoratsstudiums bzw. für das wissenschaftliche Arbeiten zu schaffen und auch einen interdisziplinären Ausstausch mit anderen Disziplinen zu erreichen (womit wir beim Frosch im Brunnen wären).[5]

Was soll das mit dem Blog ? Wieso wollen Sie sich das antun ? So oder so ähnlich war manche Reaktion auf meine Ankündigung im akademischen Kreise (von Univ.-Profs), wo mir - ähnlich wie es Anne Baillot in ihrem Beitrag "Auf einer Skala von 1 bis 10, so naja (#wbhyp)" ausführt - davon abgeraten wurde.[6] Durch diese Äußerungen verdeutlicht sich für mich eines: das wissenschaftliche Bloggen ist in der Wissenschaft (noch) nicht wirklich angekommen, was zumindestens auch der Blick auf die Workshops des DoktorandInnenzentrums der Universität auch verrät. Vielleicht könnte man durch das Abhalten entsprechender Kurse an den Universitäten die Dissertanten bzw. Habilitanden dafür begeistern. Letztlich darf eines nicht vergessen werden: so mancher Dissertant von heute ist ein Lehrender von morgen.

Fussnoten:

[1] Mareike König, Wissenschaftsbloggen - quo vadis? Vier Aufrufe und zwei Lösungen #wbhyp, URL: http://redaktionsblog.hypotheses.org/2674 (Stand 25.1.2015). [2] Das die Artikel auch zitiert gehören, sei nur am Rande erwähnt. [3] Aus diesem Grund und auch aus dieser Not habe ich gemeinsam mit Maria Männig NEUE kunstwissenschaftliche forschungen ins Leben gerufen. Ein Open Access Journal für Kunstwissenschaftler (Dieser Hinweis sei mir bitte nachgesehen). [4] Angelika Schoder, Wissenschaftliches Bloggen mit Monty Python / #wbhyp, URL: http://musermeku.hypotheses.org/2609 (Stand 25.1.2015). [5] Jing Di Zhi Wa (Der Frosch im Brunnen) das chinesische Pendant zu "über den Tellerrand blicken" - URL: http://german.cri.cn/1833/2011/05/27/1s157501.htm (Stand 25.1.2015). [6] Die Gründe, warum ich mich dennoch für einen Blog entschieden habe, wurden von mir bereits oben dargestellt

Quelle: http://artlaw.hypotheses.org/13

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Wissenschaftsblogs in der Mediävistik: Anerkennungsprobleme? Kaum noch. (Beitrag zu #wbhyp)

"Zurück in die Zukunft". Das Motto der Blogparade zum Wissenschaftsbloggen ist für 2015 trefflich gewählt. Hoverboards wie im gleichnamigen Film (2. Teil) wird es in diesem Jahr wohl nicht geben (die bisher entwickelten Modelle kommen dem "Original" aus dem Film bisher nicht sehr nah), von einem fliegenden DeLorean ganz zu schweigen, aber auch ein geisteswissenschaftliches Blogportal und die Publikation von wissenschaftlichen Artikeln im großen Stil im Internet war 1985, dem Ausgangsjahr der Zeitreisen von Emmett L. Brown und Marty McFly, bzw. 1989, dem Erscheinungsjahr vom 2. Filmteil, Utopie.

Der Start von de.hypotheses vor bald drei Jahren hat irgendwann auch dezidiert mediävistische Wissenschaftsblogs auf den Plan gerufen. Die Umstände waren günstig und wir nutzten im Dezember 2012 schließlich diese Gunst der Stunde und gründeten das Mittelalterblog, das wir von Beginn an mit thematisch wie teilepochal übergreifendem und interdisziplinärem Anspruch betreiben, auch wenn wir besonders letzteren natürlich erst nach und nach einlösen. Und wir sind absolut nicht die Einzigen in der mediävistischen Blogsphäre: Selbst wenn wir den Blick auf den deutschen Sprachraum eingrenzen und erfolgreiche Blogs wie das seit 2008 bestehende kanadisch-britische medievalists.net ausblenden, macht die Vielfalt mediävistischer Unternehmungen in der "Blogosphäre"  Hoffnung: "Heraldica Nova", das Freiburger Blog zum "Mittelalter am Oberrhein" und das Seminarblog "Mediävistik auf dem Ameisenpfad" sind nur drei Beispiele für (vorwiegend) mediävistisch ausgerichtete Blogs, die neben dem Mittelalterblog in den letzten drei Jahren entstanden sind.

Um zwei der vorgeschlagenen Punkte aus dem Aufruf zur Blogparade aufzugreifen: Wie schaut es inzwischen mit der Anerkennung in "unserem" Fach aus, was hat sich getan? Ist Qualitätssicherung der Schlüssel zur Anerkennung und, wenn ja, wie weit sollte sie gehen, wo sollte sie - beim Bloggen und vielleicht auch nicht nur dort - aufhören?

Mareike König machte den Anfang bei der Blogparade #wbhyp: "Wissenschaftsbloggen - quo vadis? Vier Aufrufe und zwei Lösungen". Ihr Aufruf Nummer 2 lautet: "Vergesst die wissenschaftliche Anerkennung von Blogs!" Gemeint sind an dieser Stelle vor allem Blogs, auf denen einzelne Wissenschaftler, zumeist aus dem akademischen Nachwuchs, selbst publizieren, denn das dürfte die Mehrzahl der Blogs auf de.hypotheses betreffen. Dies hat Christoph Schöch zu einem überaus positiven Erfahrungsbericht über die "Anerkennung fürs Bloggen? Eine Geschichte über die Eigendynamik des Digitalen" bewegt, der Anne Baillots beinahe resignierenden Beitrag "Auf einer Skala von 1 bis 10, so naja" schön kontrastiert. Anerkennung von Selbstpublikationen kann also durchaus erfolgen. Und ist es wirklich etwas völlig Anderes, wenn ein etablierter Wissenschaftler nur mit  akademisch kreditwürdigem Namen und guten Kontakten bewaffnet beschließt, ein Buch zu schreiben, das dann von einem Verlag bei entsprechendem Druckkostenzuschuss auch ohne peer review veröffentlicht wird? Warum sollte die Anerkennung gefährdet sein, wenn nicht bei einem Verlag, sondern in einem eigenen Blog publiziert wird – bei fachwissenschaftlicher Expertise? Per se erfolgt Anerkennung doch erst nach erbrachter Leistung, also in der Rezension der schon gedruckten oder im Peer Review der zur Veröffentlichung eingereichten wissenschaftlichen Arbeit. Das Problem scheint eher zu sein, dass i.d.R. nur auf monographischer Ebene rezensiert wird, einzelnen Aufsätzen widmen sich Rezensenten üblicherweise nur in Sammelbänden, aber auch dort nur kurz und die Besprechung eines Blogartikels ist bisher für viele herkömmliche Rezensionsorgane, gedruckt wie online, undenkbar (es gibt mindestens eine Ausnahme, s.u.). Die Alternative zur klassischen Rezension bieten übrigens die Blogs selbst: mit der Kommentarfunktion!

Doch dies nur am Rande. Wie steht es um die Anerkennung von Wissenschaftsblogs in der Mediävistik jenseits der besprochenen Selbstpublikationen? Nicht schlecht, wahrlich nicht schlecht! Die eingangs genannte Vielfalt ist symptomatisch: es gibt inzwischen eine ganze Reihe Blogs und auf diesen naturgemäß noch viel mehr Wissenschaftler/innen, die sich dort online mit dem Mittelalter und seiner Rezeptionsgeschichte befassen. Und hinter nicht wenigen Blogs steckt eine einschlägige Institution, nicht wenige der Blogger/innen – denn genau das sind die Fachleute dann nämlich auch –, sind bei einer anerkannten Institution (MGH, RI, DIO) angestellt oder im Fach fraglos etabliert (z. B. Werner Paravicini, Martin Bertram, Anette Löffler). Man verstehe das bitte nicht falsch: wir halten solch einen Background keineswegs für notwendig. Aber das Phänomen zeigt, dass Fachvertreter mit verschiedenstem akademischen Hintergrund und unterschiedlichster Position sich vor dem Wissenschaftsbloggen nicht scheuen. Sei es zur Kommunikation, sei es zur Publikation. Das ist de facto eine Form von Anerkennung im Fach, meinen wir.

Doch da ist mehr. So konnte etwa Evina Steinova, die sich auf dem Mittelalterblog schon mehrfach karolingerzeitlichen Handschriften im Detail widmete, den ersten ihrer "Carolingian Critters" in der Zeitschrift Anglo-Saxon England in erweiterter Form veröffentlichen und ihr früherer Blogpost wird demnächst im „Deutschen Archiv“ angezeigt. Ferner bekundete eine bekannte Reihe bei unserer Übersetzerin Christina Franke Interesse an der Publikation ihrer Übertragung der Historia Occidentalis Jakobs von Vitry, die wir seit November 2013 kapitelweise auf dem Blog veröffentlichen.

Vergessen sollte man hier auch nicht, dass sich die Betreiber des RI-Opac entschlossen haben, auch wissenschaftliche Blogartikel für DIE mediävistische Online-Bibliographie zu katalogisieren; dass sich ein Deutsches Historisches Institut in Rom dazu bewegen ließ, einen Workshop zu "Blogs und Social Media für Mediävisten" auch noch unter dem provokativen Titel "Neues Werkzeug des Historikers" (Eine ernste Frage: Was hätte Ahasver von Brandt wohl von Wissenschaftsblogs gehalten?) zu finanzieren; und dass schließlich hinter dem Portal de.hypotheses, auf dem die Mehrzahl der mediävistischen Blogs im deutschen Sprachraum zu Hause ist, eine staatliche Wissenschaftsstiftung steckt, die "das ganze Elend" überhaupt erst ermöglicht hat!

Zu solchen, messbaren Fakten kommt die eigene Einschätzung. Wir haben den ganz persönlichen Eindruck, dass die Akzeptanz von Wissenschaftsblogs im Fach stark zugenommen hat, seit wir uns damit beschäftigen. Man liest uns und man liest die anderen, weit mehr, als wir das noch vor zwei Jahren behaupten konnten. Die kontinuierlich gestiegenen Zugriffszahlen dürften diesen Befund stützen.

Noch ein paar Worte zur Qualitätskontrolle wissenschaftlicher Artikel: Wie von Christoph Schöch in seinem Beitrag zur Blogparade, sei auch hier das von Clay Shirky stammende und u.a. von Hubertus Kohle mehrfach aufgenommene Motto "Publish first - filter later" stark gemacht, ebenso wie Klaus Grafs "Qualität wird überschätzt". Wir denken ebenfalls, dass am Ende der Rezipient, zumal der wissenschaftlich ausgebildete, selbst in der Lage ist, das Filtern zu übernehmen und dass er sowohl den Mut als auch das Recht haben sollte, dies zu tun. Mit der entsprechenden Ausbildung oder Erfahrung lässt sich auch aus "schlechten" Arbeiten Gewinn ziehen. Deshalb braucht es unserer Meinung nach keinen strengen (= blind, double blind) Peer Review. Und wir denken, dass der Anteil wirklich freier Publikationen, die nicht nur im #OpenAccess (dass wir den Gedanken des freien Zugangs zu wissenschaftlichen Publikationen nachdrücklich befürworten, müssen wir hoffentlich nicht eigens betonen), sondern auch möglichst ohne Schranken für die wissenschaftlichen Autor/innen erscheinen können, zunehmen wird, auch wenn es vielleicht noch längere Zeit dauern wird, ehe sich dieses Modell am Ende durchsetzt.

Das Gros aller Publikationen wird ohnehin korrekturgelesen, bevor es zur Veröffentlichung kommt. Von Freunden, von Kollegen, von Redakteuren. In der Rolle der zuletzt genannten, konkret der wissenschaftlichen Redakteure, sehen wir auch die Betreiber von Wissenschaftsblogs und es ist genau diese Funktion, die wir auf dem Mittelalterblog wahrnehmen.

Wenn uns ein neuer Beitrag erreicht – ob nun von uns angefragt oder uns eigenständig angeboten –, liest ihn mindestens eine/r von uns Korrektur, entfernt dabei 1. offensichtliche Tippfehler stillschweigend, verbessert 2. bei aktivierter Änderungsnachverfolgung grammatikalische, orthographische und Interpunktionsfehler, schlägt 3. bei inhaltlichen, d.h. von uns als solchen wahrgenommenen Ungereimtheiten Änderungen, Ergänzungen oder Kürzungen vor. Sollten wir uns in der einen oder anderen Sache selbst völlig unsicher sein, kann notfalls ein/e fachlich entsprechend versierte/r Kollegin/Kollege hinzugezogen werden.

Bisher ist nur einmal der Fall eingetreten, dass wir einen Artikel komplett ablehnen mussten – allerdings nicht auf Grund wissenschaftlicher Bedenken – und wir hatten sonst bisher niemals das Gefühl, gravierend eingreifen und massive Änderungswünsche äußern zu müssen: wir hatten keinen Grund zur Sorge um ein Mindestmaß an wissenschaftlicher Qualität. Wir sind weit entfernt vom klassischen peer review und finden die intensive Arbeit MIT den Autorinnen und Autoren an ihrem Text ohnehin spannender und fruchtbarer.

Fassen wir zusammen und nehmen wir den Aufruf "Vergesst die wissenschaftliche Anerkennung von Blogs!" noch einmal auf: Wir vergessen sie nicht! Denn sie ist längst da und sie wächst. Und das alles ohne wirklichen Peer Review, oh weh! ;-)

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/5181

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Wissenschaftlich bloggende Studierende #wbhyp

von Charlotte Jahnz

Dieser Artikel ist ein Beitrag zur Blogparade #wbhyp von de.hypotheses.org.

Das Internet begleitet mich nun schon sehr lange. Angefangen im Harry Potter Chat des Carlsen Verlags im Jahr 2000, bin ich seit meinem elften Lebensjahr tatsächlich damit groß geworden. Das klingt nach Nostalgie, soll es aber nicht. Tatsächlich habe ich mir lange Zeit nicht vorstellen können, dass Wissenschaft und Internet zusammen funktionieren könnten.

Ich nahm das Netz in erster Linie als Unterhaltungsmedium wahr. In der Schule halfen mir Wikipedia und LeMO über die Runden, aber war das denn wissenschaftlich? Und auch im Studium als Ersti 2008 erinnere ich mich nur noch daran, dass man uns ausdrücklich aufforderte, Wikipedia nicht zu verwenden. Stattdessen lernten meine Kommilitonen und ich, wo im Institut die NDB und die ADB stehen. Bei der Übung „Rezensionen finden, lesen, schreiben“ ein paar Jahre später blieben alle, die mittlerweile ein Smartphone hatten, sitzen statt durch das Institut zu laufen, und googelten bequem nach einer wissenschaftlichen Rezension zu einem vorgegebenen Fachbuch. Aber Blogs? Kamen in meinem Bachelorstudiengang nur im Nebenfach Medienkommunikation vor. 2008 schauten wir uns in einer Ringvorlesung den Shopblogger an und wurden gefragt, was Twitter sei. Drei Studierende zeigten auf. Obwohl ich bis dahin immer gedacht hatte, zur Generation der „Digital Natives“ zu gehören, merkte ich, dass der Begriff wohl kaum einer Altersgruppe zuzuschreiben ist.

Aber was hat das mit Bloggen zu tun?

Ich hege die Vermutung, dass ich ein Vorbild gebraucht hätte, um früher mit dem wissenschaftlichen Bloggen anzufangen. Dass es diese Welt überhaupt gibt, habe ich erst sehr spät in meinem Studium erfahren, vorher beschränkten sich meine Blogbesuche auf die üblichen „Feld, Wald und Wiesen“-Blogs, die ich vorwiegend zu Unterhaltungszwecken las. Mittlerweile weiß ich aber, dass wissenschaftliches Bloggen ungemein hilfreich für die eigene Arbeit sein kann:

Wissenschaftliches Bloggen hilft den eigenen Schreibstil zu verbessern.
Gerade zu Beginn meines Studiums war ich oft von der Wortgewalt mancher studienbedingter Lektüre so beeindruckt, dass ich meinte, sie nachahmen zu müssen. Das machte nicht nur die Arbeit der Korrekturleser schwierig, ich hatte hinterher auch kaum noch Lust, mir meine eigenen Texte noch einmal durchzulesen. Mit meinen langen Schachtelsätzen, die man drei Mal lesen musste bevor man sie verstand, machte ich niemandem eine Freude. Da die wenigsten Blogbeiträge den Umfang kleinerer Hausarbeiten und keinen Abgabezeitpunkt haben (also in meinem Fall nicht in der Nacht vor dem letzten Abgabetermin mit der heißen Nadel gestrickt werden müssen), kann man im Blog lange an seinen Texten feilen und sich so einen Schreibstil antrainieren, der allgemein verständlich und auch außerhalb des Elfenbeinturmes lesbar ist. Hinzu kommt, dass man im Blog einen viel größeren Kreis potenzieller Korrekturleser vorfindet, die durch Kommentare hilfreiche Hinweise geben können.

Wissenschaftliches Bloggen hilft übertriebenes Hierarchiedenken zu mindern.
Ich belegte während meines Bachelors ein Seminar über Stile und Formen im Wandel der Zeit. Wir verbrachten – sehr zum Erstaunen der Seminarleitung – einen Teil der Zeit damit zu diskutieren, welche Anrede an unsere Dozenten in Mails nun korrekt ist. Sehr schön wird diese Thematik bei PhD-Comics dargestellt. Die Erfahrung des Wissenschaftlichen Bloggens hat mir gezeigt, dass studentische Nachfragen ernst genommen und unterstützt werden. Dass das an der Uni auch der Fall ist, will ich gar nicht in Abrede stellen, aber die Diskussionskultur in wissenschaftlichen Blogs ist in meinen Augen überraschend bestärkend und kritisch konstruktiv. Ich traue mich hier weitaus häufiger Verständnisfragen zu stellen und um Tipps zu bitten als in der Universität.

Wissenschaftliches Bloggen ist für Studierende die einfachste Möglichkeit, ihre Erkenntnisse zu publizieren.
Ein wenig enttäuschend ist es schon, dass die Arbeit mehrerer Wochen am Ende maximal zwei Leser findet, eine Note bekommt und dann abgelegt wird. Studentische Arbeiten werden selten publiziert, wenn man Angebote wie das des GRIN Verlags außen vorlässt. Erkenntnisse, die man gewonnen hat, lassen sich leicht in einen Blogpost umwandeln und helfen vielleicht auch anderen Studierenden bei der Suche nach Literatur zu ihrem Thema. Das Blog steht damit auch nicht in Konkurrenz zu Angeboten wie Academia.edu, wo mittlerweile auch viele studentische Hausarbeiten zu finden sind.

Wissenschaftliches Bloggen lohnt sich auch für die Studierenden, die nicht in der Wissenschaft bleiben wollen.
Wie ich bereits 2013 bei der Blogparade zu #dhiha5 schrieb, ist der Lerneffekt, den die Digital Humanities bieten, auch für einen außeruniversitären Beruf nützlich. Dazu zählt auch das Bloggen. Mit Content-Management-Systemen vertraut zu sein, wird von einigen Arbeitgebern bereits jetzt vorausgesetzt. Sehr schön zusammengefasst hat das meiner Meinung nach Moritz Hoffmann:

„Auch wenn diese Erkenntnis vielen schmerzhaft erscheint: Die Wege, auf denen sich Menschen unterhalten und informieren, wandeln sich spürbar, ohne dass sich dies bislang auf breiter Front in der Ausbildung von Historikerinnen und Historikern niederschlagen würde. Das Humboldtsche Bildungsideal, dessen Abgesang mit einlullender Frequenz immer wieder angestimmt wird, hat an vielen Standorten zu einer Verknöcherung der Studiengänge geführt, die nicht einmal durch die Bologna-Reformen aufgelöst werden konnte. Die Folge ist, dass zwar jedes Jahr fachlich hervorragend ausgebildete Absolventen die Historischen Seminare verlassen, sie jedoch mit dem erlernten Rüstzeug kaum auf die gegenwärtig erforderlichen Medien- und Vermittlungskompetenzen vorbereitet sind."1

Dass ich wissenschaftliches Bloggen für wichtig halte, dürfte spätestens jetzt kein Geheimnis mehr sein. Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass die Hemmungen „meiner“ Zunft gegenüber dem Bloggen abnehmen und dass die Beschäftigung mit digitalen Forschungs- und Publikationsmethoden auch endlich die Lehre erreicht.

  1. http://www.resonanzboden.com/satzbaustelle/geschichte-braucht-oeffentlichkeit-vom-nutzen-einer-digitalen-public-history/

Quelle: http://openblog.hypotheses.org/135

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Wissenschaftliches Bloggen mit Monty Python / #wbhyp

Während meines Nebenfach-Studiums der Älteren Deutschen Philologie an der Uni Bayreuth1 habe ich ein Seminar über Monty Python besucht.2 Aus irgendeinem Grund erinnere ich mich in Bezug auf dieses Seminar besonders an den „Upper-Class Twit of The Year“ Sketch, der nicht das Geringste mit dem Mittelalter zu tun hat, also mit dem primären Gegenstand dieses Fachs. Dass sich (Geistes-)Wissenschaftler nicht nur mit auf den ersten Blick „wissenschaftlichen Themen“ beschäftigen müssen, zeigt das erwähnte Seminar. Auch Popkultur kann zum Untersuchungsgegenstand wissenschaftlicher Betrachtung werden. Ebenso können […]

Quelle: http://musermeku.hypotheses.org/2609

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„Vorwärts! Und Mut!“ | Beitrag zur Blogparade 2015 #wbhyp

Eigentlich hatte ich mir mal überlegt, möglichst nicht über das Bloggen zu schreiben, sondern lieber über die Themen, die ich in meinem Blog behandeln will. Irgendwo hatte ich gelesen, dass die meisten Blogger eben nur über das Bloggen bloggen - so einer wollte ich nicht sein! Jetzt hat aber Mareike König, die Initiatorin einer Blogparade über das Wissenschaftsbloggen, bei mir einen Nerv getroffen. In einem Kommentar zu diesem Beitrag von Ioana Herbert ermutigt sie die Autorin: "Vorwärts! Und Mut!" Und Ioana Herbert reagiert: "Mut gehört […]

Quelle: http://grammata.hypotheses.org/1171

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Religionen, Vorurteile und Gewalt

Die empirische Religionsforschung hat bereits einen umfangreichen Wissenskanon zusammengetragen, mit dem sie die Zusammenhänge zwischen Religionen und diskriminierendem Verhalten beschreibt. Das zeigen die folgenden Schlaglichter.

  • Gewalt ist ein wesentliches Element in den Inhalten aller Religionen, so lautet eine provokante These von Hans G. Kippenberg, die er kenntnisreich empirisch begründet. Sie zeigt eine andere Facette an Religionen auf als Hans Küngs Projekt Weltethos, das das Potential für ein friedliches Miteinander gerade in den Religionen sucht.
  • Religiöser Fundamentalismus sei in einer patriarchalen Protestbewegung der Mittelschicht begründet, die sich von gesellschaftlichen Umbrüchen bedroht sieht, ist Martin Riesebrodts Erklärung für Phänomene wie die Iranische Revolution in den 1970er Jahren aber auch den christlichen Evangelikalismus weltweit.
  • Die umfangreiche Vorurteilsforschung in Soziologie und Sozialpsychologie findet soziale Ursachen, die zum Teil spezifische Zusammenhänge aufzeigen. So konnten John Duckitt und Chris G. Sibley zeigen, dass sich Islamophobie (oder anti-muslimische Einstellungen) und Antisemitismus (oder anti-jüdische Haltungen) unterschiedlich begründen lassen: Während Muslime eher von Menschen mit mehr Autoritätshörigkeit, Aggressivität und konservativen Einstellungen (rechtsgerichteter Autoritarismus) diskriminiert werden, begründet sich eine negative Einstellung gegenüber Juden eher in der Vorstellung, dass es in Gesellschaften überlegene und unterlegene Gruppen geben müsse (Soziale Dominanzorientierung).
    Diese mehr psychologisch-individuelle Perspektive lässt sich ergänzen um die soziologische Perspektive im Projekt „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ unter der Leitung von Wilhelm Heitmeyer. Hier wird vor allem im Zusammenhang mit der Theorie der Sozialen Identität (Social Identity Theory von Henri Tajfel und John Turner) argumentiert, dass die eigene Gruppe bevorzugt und die als fremd wahrgenommene Gruppe negativ bewertet und diskriminiert wird – insbesondere in Situationen oder Zeiten, die als bedrohlich oder krisenhaft erlebt werden.

Damit sind zumindest notwendige Bedingungen bekannt, die die Grundlage für Vorurteile und diskriminierendes Verhalten bis hin zu tödlichen Eskalationen in interreligiösen Konflikten bilden. Leider bieten sie nicht für den Einzelfall oder extreme Ausnahmen wie terroristische Anschläge eine hinreichende Erklärung. Dennoch können Wissenschaftler dazu Vorschläge machen, wie die gesellschaftlichen und individuellen Voraussetzungen für Vorurteile und diskriminierendes Verhalten verringert werden können.

  • Die Analyse des Ethnologen Günther Schlee zur Entstehung interreligiöser (und interethnischer) Konflikte legt allerdings den Schwerpunkt darauf, dass es immer auch sogenannte „Ausweichstellen“ gibt, die nach dem Höhepunkt eines Konfliktes deeskalierend wirken. In diesem Sinne beschreibt auch Peter Schalk, dass für konkrete ideologische aber auch ethische Konfliktfälle in den jeweiligen Religionen Argumente für die Position des anderen entdeckt werden können und gleichzeitig der eigene Wahrheitsexklusivismus aufrecht erhalten werden kann.

Ein mehr praxisbezogenes Forschungsfeld der Religionsforschung wird vor allem von der sogenannten Praktischen Religionswissenschaft im Zusammenhang mit theologischen Debatten um einen interreligiösen Dialog bearbeitet. Allerdings wäre es auch möglich, nicht nur von der Innenperspektive sondern auch von religiös-distanzierter Perspektive Vorschläge zu machen. Diese würden sich dann weniger auf innerreligiöse inhaltliche und theologische Themen beziehen.

  • So gäbe es herauszufinden, wie die Offenheit gegenüber anderen Religionen gelernt werden kann, ohne dass jemand notwendig interreligiöse Haltungen vertreten oder überhaupt religiös sein muss.
  • Wie können positive Erfahrungen mit Menschen anderer religiöser Gruppen organisiert und gefördert werden – vielleicht nicht unbedingt in religiösen Zusammenhängen?
  • Was muss man über die (anderen) Religionen wissen, um einander respektvoll und trotzdem gern kritisch begegnen zu können?

Besonders fruchtbar scheint mir ein Ansatz, der sowohl die kritische religionswissenschaftliche Perspektive zulässt, aber auch offen für inhaltliche Aspekte des Religiösen ist.
Dem umfangreichen Forschungsstand zur Erklärung von negativen Vorurteilen steht fast gar keine Forschung zu positiven Vorurteilen oder fruchtbaren Begegnungen zwischen Menschen verschiedener Religionen gegenüber. Wie insbesondere Xenosophie (positive Vorurteile und konstruktive Begegnungen) neben Xenophobie gefördert werden kann, erforschen wir gerade in einem Projekt in der Arbeitsgemeinschaft Empirische Religionsforschung (AGER) in Bern.
Ob mit praxisorientierten Forschungsfragen religiös begründete und extreme Gewalt verhindert wird, bleibt offen. Doch sie können Anstöße dafür geben, wie die alltäglichen Feindseligkeiten und Ängste, die der Nährboden für Schlimmeres sind, gemildert werden können.

aks

Literatur
John Duckitt und Chris G. Sibley (2007).Right wing authoritarianism, social dominance orientation and the dimensions of generalized prejudice. European Journal of Personality 21 (2), 113-130.
Wilhelm Heitmeyer (Hg.) (2002) Deutsche Zustände. Folge 1. Berlin: Suhrkamp. (erschienen sind jährlich Sammelbände unter dem Titel „Deutsche Zustände“ bis Folge 10 im Jahr 2011).
Hans G. Kippenberg (2008). Gewalt als Gottesdienst. Religionskriege im Zeitalter der Globalisierung. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.
Hans Küng (1990). Projekt Weltethos. München: Piper.
Michael Klöcker und Udo Tworuschka (2008). Praktische Religionswissenschaft. Ein Handbuch für Studium und Beruf. Köln: Böhlau.
Martin Riesebrodt (2001). Die Rückkehr der Religionen. Fundamentalismus und der "Kampf der Kulturen".München: C.H. Beck.
Peter Schalk (2009). Ist Konvivenz zwischen Religionen möglich? In Thomas Hase, Johannes Graul, Katharina Neef und Judith Zimmermann (Hg.): Mauss, Buddhismus, Devianz. Festschrift für Heinz Mürmel zum 65. Geburtstag. Marburg: Diagonal Verlag, 451-467.
Günther Schlee (2006). Wie Feindbilder entstehen. Eine Theorie religiöser und ethnischer Konflikte. München: C.H. Beck.
Zu Tajfel & Turner und weiteren sozialpsychologischen Studie siehe für einen Überblick hier: Dominic Abrams und Michael A. Hogg (2010). Social Identity and Social-Categorization. In John F. Dovidio, Miles Hewstone, Peter Glick and Victoria M. Esses (Hg.) The SAGE handbook of prejudice, stereotyping and discrimination. London: SAGE, 179-193.

Quelle: http://marginalie.hypotheses.org/89

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