100. Todestag des Chemikers Walther Feld

Die Chemische Fabrik Hönningen auf einer zeitgenössischen Postkarte (Mitte)

Die Chemische Fabrik Hönningen auf einer zeitgenössischen Postkarte (Mitte)

Vor gut 100 Jahren, am 15. März 1914, starb der bedeutende Chemiker Walther Feld, Begründer der chemischen Industrie in Hönningen und wohnhaft in Linz am Rhein. Walther Feld wurde am 4. November 1862 in Neuwied als Sohn eines Arztes geboren. Schon als Jugendlicher bereiste er das Ausland und bestand schließlich in Zürich das Abitur mit Auszeichnung. Sein dort begonnenes Studium führte ihn über Stationen in Leipzig und München schließlich nach Berlin. Zurück am heimischen Mittel-rhein, machte sich Walther Feld die hiesigen Vorkommen der natürlichen Kohlensäure und des Schwerspats zu Nutze. Er gründete 1890 eine chemische Fabrik in Hönningen und stellte dort aus diesen beiden Rohstoffen nach dem von ihm entwickelten Feldschen Verfahren Bariumkarbonat her. Hierdurch machte Feld nicht nur die deutsche Produktion der weißen Mineralfarbe (Blanc fixe) unabhängig vom Import des englischen Witherits, was von großem volkswirt- schaftlichem Interesse war, sondern begünstigte auch die aufstrebende mittelrheinische Kohlensäureindustrie. Das in Hönningen gewonnene Bariumkarbonat fand auch in anderen Industrien Verwendung, etwa der Töpferei-, Ziegel- und Glasindustrie, oder bei der Produktion des Bleichmittels Wasserstoffsuperoxyd.

Die ehemalige "Villa Feld", 2014

Die ehemalige “Villa Feld”, 2014

Walther Feld ließ sich in Linz nieder und bewohnte mit seiner Familie, Ehefrau Helena Maria, Sohn Günther Walther und Tochter Erika Magdalena, die „Villa Feld“ an der Bendorf-Unkeler-Straße, heute Linzhausenstraße 10. 1896 legte er die Leitung seiner Fabrik nieder, die 1900 den Namen „Chemische Fabrik Hönningen, vormals Walther Feld & Co. AG“ annahm (später Kali-Chemie AG, seit 1992 Solvay GmbH). 1904 gründete Feld in Hönningen die Barium-Oxyd-GmbH, die als Ausgangsprodukt das Bariumkarbonat von der ursprünglich Feldschen Fabrik bezog. Ab 1908 lebte Feld für einige Jahre in Zehlendorf bei Berlin, meldete 1913 dann aber ein „Gasabteilung GmbH“ genanntes Unternehmen in Linz an.

Die Reinigung und Aufbereitung von Gasen und Dämpfen war ein weiterer Schwerpunkt der Forschungen Walther Felds. Vor allem die Erzeuger von Leuchtgas, denen zu Beginn des 20. Jahrhunderts Konkurrenz durch die Verbreitung des elektrischen Lichts erwuchs, war an einer möglichst vollständigen und dabei kostengünstigen Beseitigung aller die Leuchtkraft beeinträchtigenden Verunreinigungen gelegen. Feld entwickelte Methoden, die nicht nur die Kohlengase reinigten, sondern außerdem auch die ursprünglich als lästige Verunreinigungen angesehenen Bestandteile der Kohle zu wertvollen Endprodukten wie z.B. Kunstdünger aufarbeiteten. Erfindungen wie der Feldsche Gaswäscher wurden in Unternehmen wie der BASF mit großem Erfolg eingesetzt, das Feld-Verfahren in großen deutschen und auch internationalen Kokereien und Gasanstalten angewandt.

Todesanzeige Feld
Todesanzeige Feld
Todesanzeige Feld

Unmittelbar vor Vollendung seines wichtigsten Projekts, der Aufbereitung der Teerbestandteile und des Ammoniaks aus Kohlengasen, und nur wenige Wochen vor der Inbetriebnahme der ersten großen Anlage zu diesem Zweck nach seinen Plänen auf der Zeche Sterkrade der Gutehoffnungshütte, starb Walther Feld im Alter von nur 51 Jahren am 15. März 1914. Er wurde auf dem evangelischen Friedhof in Linz am Rhein beigesetzt, wo sein Grab bis heute erhalten ist. Die zeitgenössische Fachliteratur bedauert den Verlust eines kritischen und weitblickenden Forschergeistes, besonders auch vor dem Hintergrund des wenige Monate später ausbrechenden Ersten Weltkriegs, denn die Gebiete, auf die Walther Felds Tätigkeit sich konzentriert hatte, sollten zu den lebenswichtigen Zweigen der deutschen Kriegswirtschaft gehören.

Porträt Walther Felds auf seinem Grabstein
Das Grab Walther Felds auf dem evangelischen Friedhof in Linz, 2014

Quelle: http://archivlinz.hypotheses.org/253

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Kriegsspiel mit Herz? Computer Games zum Ersten Weltkrieg

 

“Wollten Sie auch immer schon einmal pestverseuchte Kühe auf Ihre Gegner werfen?”1 Diesen provokanten Titel trägt eine Publikation zu Computer Games mit historischem Bezug. Er verweist auf das gezielte Töten, das Kriegsspiele, insbesondere Ego-Shooterspiele charakterisiert. Am 25. Juni kam nun überraschend ein außergewöhnliches Spiel zum Ersten Weltkrieg, „Valiant Hearts: The Great War“2, auf den Markt, in dem der Spieler andere nicht tötet, sondern diesen hilft. Das Spiel setzt dabei auf positiv konnotierte Gefühle wie Liebe und Freundschaft der am Krieg Beteiligten – und zwar bemerkenswerterweise über nationale Grenzen hinweg.3 Dabei bewegt sich das Geschehen zwischen Fiktion und Fakten.

 

 

Historisches Lernen im Kriegsspiel?

Ein weiteres, eher neuartiges Ziel des Kriegsspiels ist es, den Adressaten historisch zu unterweisen. Zwar sind die Charaktere der Protagonisten fiktiv gewählt, aber es werden originale Egodokumente (z. B. Feldpostbriefe, Tagebucheinträge) integriert, die dem Handlungsfortgang Authentizität verleihen sollen. Auch die erfundene Geschichte selbst folgt dem chronologischen Verlauf der tatsächlich stattgefundenen Ereignisse (z. B. Schlacht an der Marne, Bombenangriff auf Reims, Gaseinsatz in Ypres, Kampf in den Schützengräben bei Verdun). Dabei liefern Darstellungen Hintergrundinformationen; Quellen werden kommentierend dazu eingeblendet.

Mitgefühl statt Aggression

Mit “Valiant Hearts” hat die französische Firma Ubisoft ein animiertes Graphic-Novel-Abenteuer, ein Amalgam aus Action-, Erkundungs- und Rätselspiel entwickelt, in dem sich der Spieler wechselweise mit Figuren identifiziert, die sich im Kriegsgeschehen des Ersten Weltkrieges befinden und getötet werden können, jedoch andere Menschen nicht zu töten im Stande sind. Es geht um das eigene Überleben und darum, im Kriege verlorene Freunde wiederzufinden, wobei der Einsatz “tapferer Herzen”, wie es der Titel impliziert, notwendig ist. Und das unterscheidet dieses Spiel von den meisten herkömmlichen Kriegsspielen. Zu den Aufgaben des Spielers gehört es, mit Aktionen, wie Sprengen von Gegenständen, Feinden zu entkommen und Freunde zu retten. Dabei ist das Spiel bewusst so angelegt, dass Mitgefühl geweckt wird. Laut Produzenten zielt es darauf ab, “sich gegenseitig zu helfen und in den Grauen des Krieges […] Menschlichkeit zu bewahren.”4 Nicht ohne Stolz berichteten diese bei der Präsentation des Spiels in Paris, dass die Testpersonen auch geweint hätten.

Transnationale Freundschaften

Erzählt wird die Geschichte von vier Protagonisten verschiedener, sich im Krieg feindlich gegenüberstehender Nationalitäten in den Jahren von 1914 bis 1918 und deren Schicksal, das sich im Kriegsgeschehen kreuzt. Über nationale Grenzen hinweg helfen sie sich gegenseitig, sie pflegen oder entwickeln im Lauf des Spiels Freundschaften zueinander. Der Deutsche Karl, der mit einer Französin verheiratet ist, wird eingezogen und muss nun gegen seinen eigenen Schwiegervater, den Franzosen Emile kämpfen. Weitere Protagonisten sind die belgische Krankenschwester Anna und der Amerikaner Freddie, Fremdenlegionär in der französischen Armee. Emile hilft ihm zu Beginn des Spieles etwa, weil er wegen seiner dunklen Hautfarbe diskriminiert wird.

Computerspiele und transnationale Erinnerungskultur

Was im Mega-Gedenkjahr zum Ersten Weltkrieg bislang auffällt: Der aktuelle Erinnerungsboom wird maßgeblich mitgetragen von populären Formen der Geschichtskultur. Insbesondere bei Darstellungsformen wie Filmen, Comics, Ausstellungen und eben auch Computerspielen ist neben der kognitiven und der politischen die ästhetische Dimension besonders ausgeprägt. Nur, was medial (attraktiv) darstellbar ist, kann auch vermittelt werden.5 Zudem wird zunehmend auf transnationale Formen der Erinnerung gesetzt. Das lässt sich etwa in Ausstellungen,6 aber auch Fernsehdokumentationen wie “14 – Tagebücher des Ersten Weltkrieges”7 beobachten. Im Ästhetischen Bereich wirkt – wie in “Valiant Hearts” – häufig das identitätsstiftende Narrativ des gemeinsam erlebten Leides von beteiligten Alltagsmenschen. Fördern diese medialen, von Politik größtenteils losgelösten Formen eine transnationale bzw. europäische Erinnerung mit dem Ziel der Versöhnung? Oder aber wird nur ein banales, emotional verbindendes Narrativ instrumentalisiert, um Kassenschlager zu landen? Der Untertitel des vorgestellten Spiels “The Great War” und andere Narrative im Spiel, etwa die einführende, sehr verkürzte und einseitige Darstellung, wie es zum Krieg kam, deuten darauf hin, dass nationale Erinnerungsmuster bedient werden. Lassen sich transnationale Tendenzen der Erinnerung bei geschichtskulturellen Formen ausmachen, die stärker politisch beeinflusst sind? Welche Anstöße liefert die Geschichtswissenschaft dazu?8

 

 

Literatur

  • Korte, Barbara / Paletschek, Sylvia / Hochbruck, Wolfgang (Hrsg.): Der Erste Weltkrieg in der populären Erinnerungskultur, Essen 2008.
  • Schwarz, Angela (Hg.): “Wollten Sie auch immer schon einmal pestverseuchte Kühe auf Ihre Gegner werfen? ” Eine fachwissenschaftliche Annäherung an Geschichte im Computerspiel, 2. erweiterte Auflage, Münster 2012.
  • Themenheft Aus Politik und Zeitgeschichte zum Ersten Weltkrieg, (64) 2014, Heft 16-17.

Externe Links

 



Abbildungsnachweis
© Monika Fenn. Screenshot des Startmenüs im Computerspiel ‘Valiant Hearts’.

Empfohlene Zitierweise
Fenn, Monika: Kriegsspiel mit Herz? Computergames zum Ersten Weltkrieg. In: Public History Weekly 2 (2014) 26, DOI:  dx.doi.org/10.1515/phw-2014-2334.

Copyright (c) 2014 by De Gruyter Oldenbourg and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact: julia.schreiner (at) degruyter.com.

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Quelle: http://public-history-weekly.oldenbourg-verlag.de/2-2014-26/kriegsspiel-mit-herz-computer-games-zum-ersten-weltkrieg/

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Hörspiel über Phreaking und die frühe Hackerkultur

Hörenswertes Hörspiel über die ersten Phreaker. Ich mag Hörspiele besonders gerne, wenn sie – wie in diesem Fall – immer wieder zwischen Fiktion und Dokumentation wechseln.

Captain Crunch
Laut New York Times zählt er zu den berühmtesten Hackern der Welt: John T. Draper alias Captain Crunch ist eine lebende Legende. Mit einer Spielzeugpfeife, die er in einer Müslipackung ( Cap’n Crunch ) fand, manipulierte er in den 70er Jahren das weltweite Telefonnetz. Durch das von ihm entdeckte Verfahren, das in Hackerkreisen als Blue Boxing bekannt ist, wurde der Grundstein für die Hacker-Subkultur gelegt. Auf seiner unglaublichen Reise traf er früh auf Steve Wozniak und Steve Jobs, die Gründer von Apple – eine Begegnung, deren Konsequenz über Jahrzehnte ein gut gehütetes Firmengeheimnis war. Buch: Evrim Sen, Denis Moschitto; Regie: Thomas Leutzbach © WDR 2014

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Quelle: https://codinghistory.com/hoerspiel-phreaking/

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Hörspiel über Phreaking und die frühe Hackerkultur

Hörenswertes Hörspiel über die ersten Phreaker. Ich mag Hörspiele besonders gerne, wenn sie – wie in diesem Fall – immer wieder zwischen Fiktion und Dokumentation wechseln.

Captain Crunch
Laut New York Times zählt er zu den berühmtesten Hackern der Welt: John T. Draper alias Captain Crunch ist eine lebende Legende. Mit einer Spielzeugpfeife, die er in einer Müslipackung ( Cap’n Crunch ) fand, manipulierte er in den 70er Jahren das weltweite Telefonnetz. Durch das von ihm entdeckte Verfahren, das in Hackerkreisen als Blue Boxing bekannt ist, wurde der Grundstein für die Hacker-Subkultur gelegt. Auf seiner unglaublichen Reise traf er früh auf Steve Wozniak und Steve Jobs, die Gründer von Apple – eine Begegnung, deren Konsequenz über Jahrzehnte ein gut gehütetes Firmengeheimnis war. Buch: Evrim Sen, Denis Moschitto; Regie: Thomas Leutzbach © WDR 2014

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Quelle: http://codinghistory.com/hoerspiel-phreaking/

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Barbaren (II): Roh oder gekocht?

Im ersten Beitrag (“Barbaren (I): die “Haarigen”) zu chinesischen “Barbaren”-Diskursen beschäftigten wir uns mit Beschreibungen europäischer beziehungsweise ‘westlicher’ “Barbaren”. Seit ältester Zeit spiegeln – nicht nur die chinesischen – Barbaren-Diskurse Vorstellungen von angeblichen Abstufungen kultureller/zivilisatorischer Errungenschaften wider.

Eine der chinesischen Perspektiven unterschied zwischen “inneren” (neiyi 内夷) beziehungsweise “gekochten” Barbaren (sh(o)ufan 熟番) auf der einen Seite und “äußeren” (waiyi 外夷)  beziehungsweise “rohen” Barbaren (shengfan 生番) auf der anderen Seite.[1]

Das Begriffspaar roh/gekocht wurde von den Chinesen im Zusammenhang mit als “Barbaren” betrachteten Ethnien zumindest seit der Song-Zeit (960-1279) angewandt – zuerst zur Beschreibung der Miao 苗 im Südwesten Chinas.[2]

In späteren Berichten werden als eine Art “Zwischenstufe” die “semisinisierten Barbaren” (guihua shengfan 歸化生番) eingeführt. Wie Höllmann schreibt, erinnert diese dreistufige Einteilung “gänzlich unchinesisch – ein wenig an die Zubereitung eines Steaks [...] rawmediumwell done.”[3]. Eine ähnliche Dreiteilung etablierten die seit dem 17. Jahrhundert in verstärktem Maß nach Taiwan kommenden Chinesen für die indigene Bevölkerung dieser Insel. Neben den “gekochten” Barbaren, die nach ihren Wohngebieten auch als “Barbaren der Ebene” (pingpufan 平埔番) bezeichnet wurden und den “rohen” Barbaren (auch als “Bergbarbaren” (shanfan 山番) bezeichnet) wurde auch die Kategorie der “assimilierten” beziehungsweise “transformierten” Barbaren (huafan 化番) eingeführt.[4]

Während die als “gekochte” Barbaren bezeichneten Ethnien zur Übernahme der (han-)chinesischen Lebensweise bereit waren, blieben die “rohen” Barbaren ihren eigenen kulturellen Traditionen auch weiterhin verhaftet.

  1. Gudula Linck: “Die Menschen in den Vier Himmelsrichtungen.” Chinesische Fremdbilder. In: Helwig Schmidt-Glintzer (Hg.): Das andere China. Festschrift für Wolfgang Bauer zum 65. Geburtstag (Wolfenbütteler Forschungen 62; Wiesbaden: Harrassowitz, 1995) 257-289, hier v.a. 258 f., Magnus Fiskesjö: “On the ‘Raw’ and the ‘Cooked’ Barbarians of Imperial China,” Inner Asia 1 (1999) 139-168.
  2. Paul Barclay: “‘They Have for the Coast Dwellers a Traditional Hatred’: Governing Igorots in Northern Luzon and Central Taiwan, 1895-1915,” in: Julian Go, Anne L. Foster (Hg.): The American Colonial State in the Philippines. Global Perspectives (Durham 2003), 226.
  3. Thomas O. Höllmann: Das alte China. Eine Kulturgeschichte (München 2008) 74.
  4. Vgl. Chia-yu Hu: “Taiwanese Aboriginal Art and Artifacts: Entangled Images of Colonization and Modernization,” in: Yuko Kikuchi (Hg.): Refracted Modernity. Visual Culture and Identity in Colonial Taiwan (Honolulu 2007) 197.

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/1228

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Wilma’s Tutorials: Prezi Basics

Wilma’s Tutorials sind die Produkte des Projekts “Let’s Learn – Screencasts zu Studien-, Lern- und Arbeitstechniken von Studierenden für Studierende”. Prezi Basics – die zoomende Präsentationssoftware In diesem Video wird die online Präsentationssoftware Prezi vorgestellt. Bis zu 10 Personen können damit gemeinsam eine professionelle Präsentation erstellen oder bearbeiten. In diesem ersten Video-Tutorial zum Thema werden die Basics des Programms erklärt: Wie es funktioniert und  aufgebaut ist. Das Skript zum Video-Tutorial zu den Prezi-Basics ist hier als PDF Dokument verfügbar.  Weitere Informationen und Kontakt: Wenn […]

Quelle: http://medienbildung.hypotheses.org/7141

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Spiritualität und Alltag: Eine Geschichte des zisterziensischen Frauenklosters Günterstal im 15. und 16. Jahrhundert

Gastbeitrag von Edmund Wareham (Jesus College, Oxford/Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg i. Br.)

Im Mittelpunkt meiner Forschung steht ein Notizenbuch der Küsterin und zweier anderer unbekannter Nonnen aus dem fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert. Dieser Band (Karlsruhe, Generallandesarchiv Abt. 65/247) aus 54 Papierblättern berichtet von zahlreichen Ereignissen (von 1480 bis 1519), von Klosterbräuchen verschiedenster Art und schildert die Hauswirtschaft des Klosters einschließlich Kochrezepten, Schnittmustern, einer Almosenordnung und Neujahrsgeschenken. Ein Bücherverzeichnis aus dem Jahre 1457 ist auch in der Handschrift erhalten. In Verbindung mit anderen Quellen aus dem Kloster einschließlich der erhaltenen Handschriften und Inkunabeln, Bildmaterial, Gerichtsprotokollen, Besitzurkunden und Visitationsberichten aus dem sechzehnten Jahrhundert, habe ich vor, die Entwicklung der Spiritualität der Nonnen in einem Zeitalter der monastischen Reform und der Reformation zu untersuchen. Ich interessiere mich dafür, wie der Körper, die Sinne, materielle Kultur und Raum sich gegenseitig beeinflussen, um diese Spiritualität zu entwickeln und wie sie sich im Alltagsleben manifestierte.

Die Gliederung meiner Doktorarbeit basiert auf einem Zitat aus einem Abschnitt des Notizenbuchs, in dem zwei Priester einer sterbenden Nonne die Sterbesakramente austeilen. Einer der Priester segnet die Nonne „an die ougen, an die oren, an die naßen, an den mund, an die hend, an dz herz und an die füß“. Jedes Kapitel der Arbeit wird auf einem Körperteil basieren. Das Kapitel „die ougen“ wird die visuelle Umgebung des Frauenklosters untersuchen. Die im Freiburger Augustinermuseum aufbewahrten Günterstaler Altartafeln, die illustrierten Handschriften und Büchern und die Hinweise in dem Notizenbuch auf die Architektur und die Verzierung des Konvents werden dabei unter die Lupe genommen. In dem Kapitel „an die oren“ wird die akustische Umgebung diskutiert. Im Mittelpunkt des Interesses steht in diesem Abschnitt die Bedeutung der Glocken, des Singens und Schweigens im alltäglichen Leben der Nonnen. In dem Kapitel „an den naßen“ wird der Geruchssinn der Nonnen untersucht. Der Weihrauch spielte eine wichtige Rolle im Gottesdienst und die Kochrezepte enthalten etliche Hinweise auf Gewürze. Dies führt zum Kapitel „an den mund“, in dem die Kochrezepte und Beschreibungen von Festmählern beim Besuch wichtiger Personen wie beispielsweise des Weihbischofs, des Abts von Salem oder des päpstlichen Kommissars im Mittelpunkt stehen werden. Im fünften Kapitel „an den hend“, werde ich mich mit den Listen von Neujahrgeschenken (inklusive Handschuhe!), der Almosenordnung und den Spenden für das Kloster befassen. Dies führt zu der Frage, wie die Nonnen das Konzept von Klausur verstanden haben. Das Kapitel „an das herz“, wird sich mit dem Hauptproblem der Arbeit, Spiritualität, befassen und die erhaltene andächtige Literatur des Klosters in Betracht ziehen. Das abschließende Kapitel, „an die füß“ wird Umzüge und geistliche Pilgerfahrten innerhalb der Klostermauern und die Einflüsse der Bundschuh-Bewegung und des Bauernkriegs auf das Kloster betrachten.

In der Forschung wurde viel über die Texte der sogenannten Frauenmystik, wie Viten und dominikanische Schwesternbücher, geschrieben. Dank der Arbeit von Forscherinnen wie Eva Schlotheuber1 sowie Anne Winston-Allen2 und Charlotte Woodford3 aus dem angelsächsischen Raum gibt es aber ein zunehmendes Interesse an von Frauen selbst geschriebenen, konventsinternen Dokumenten. Das Günterstaler Notizenbuch ist ein naheliegendes Beispiel dafür. Quellen wie Tagesbücher, Chroniken und Rechnungsbücher sind genauso wichtig, wenn nicht gar wichtiger, als mystische Texte für unser Verständnis von Erziehung, Alltagsleben und Spiritualität von Nonnen in dieser Epoche.

  1. Klostereintritt und Bildung. Die Lebenswelt der Nonnen im späten Mittelalter. Mit einer Edition des ‚Konventstagebuchs‘ einer Zisterzienserin von Heilig-Kreuz bei Braunschweig (1484-1507) (Spätmittelalter und Reformation, Neue Reihe 24), Tübingen 2004.
  2. Convent Chronicles: Women Writing about Women and Reform in the Late Middle Ages, University Park, Pennsylvania 2004.
  3. Nuns as Historians in Early Modern Germany, Oxford 2002.

Quelle: http://oberrhein.hypotheses.org/499

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Digital Humanities Conference 2014 – Begegnungen, Gespräche und Geschichten

Gut zwei Wochen nach dem Ende der Digital Humanities Konferenz in Lausanne sind im Internet bereits viele Berichte, Videos, Präsentationen, Visualisierungen, gesammelte Tweets und weitere Materialien zur Konferenz zu finden.1 Auch infoclio.ch beteiligt sich an der Dokumentation der Konferenz. In den nächsten Tagen werden wir die Tagungsberichte unseres Reporting-Teams aufschalten.

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Quelle: http://www.infoclio.ch/de/node/135335

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Legende und Geschichte – die römische Königszeit, Teil 2

Von Stefan Sasse

Dies ist der zweite Teil der Artikelserie. Im ersten Teil besprachen wir die ersten beiden mythischen Könige Roms, Romulus und Numa.

Münze mit dem Abbild Tullus Hostilius
Der dritte König Roms war ein Mann names Tullus Hostilius. Er war ein Enkel des Romulus (mütterlicherseits) und von Natur aus wie Numa ein friedlicher Mann, der jedoch diese Natur nicht ausleben konnte. Stattdessen wurde er zu einem der kriegerischsten Anführer Roms. In mehreren Kriegen stellte er sich Roms Erzfeinden: Alba Longa und Veji. Im Krieg gegen Alba Longa schloss er einen Pakt mit dessen Feldherrn, einem Mann namens Mettius Fufetius, anstatt einer gewaltigen Schlacht ein Duell den Krieg entscheiden zu lassen. Jede Seite sollte Drillinge antreten lassen. Auf römischer Seite kämpften die Horatier, auf albanischer Seite die Curatier. Diese töteten recht schnell zwei ihrer römischen Gegner, ehe der dritte Horatier durch eine angetäuschte Flucht die Curatier einen nach dem anderen stellen und erschlagen konnte. Der Krieg gegen Veji und dessen Nachbarn Fidenae involvierte Alba Longa erneut: Mettius, so die Sage, habe die beiden Städte aufgestachelt, gegen Rom zu Felde zu ziehen, mit dem er zu diesem Zeitpunkt wegen der Niederlage der Curatier verbündet war. In der Schlacht hielt er sich zurück und ließ die Römer im Stich, die nichts desto trotz siegten, Mettius gefangennahmen und hinrichteten, Alba Longa einebneten und seine Einwohner mitsamt römischem Bürgerrecht in Rom ansiedelten. Tullius führte noch weitere Kriege, doch seine letzte bleibende Tat war die Errichtung der Curia Hostilia, dem späteren Senatssitz. 

Wie auch bei den anderen Königen steht Tullus Hostilius eher für Teile des römischen Gründungsmythos, als dass man ihn als eine reale Person sehen könnte. Nachdem die Geschichte um Numa die Römer als friedliche Bauern etabliert hatte, deren Weisheit weithin gerühmt war, musste nun die in der Zeit der Republik, als die Legenden um die Könige entstanden, unzweifelhaft vorhandene Kriegslust der Römer vorkommen. Da die Römer sich stets als die Angegriffenen in Szene zu setzen wussten, liegt es nahe, den kriegerischen Sündenfall auch hier äußeren Kräften zuzuschreiben. So ist es dem eigentlich friedlichen Tullus Hostilius nicht vergönnt, Numas Erbe zu verwalten. Er muss in einer feindlichen Umwelt zu den Waffen greifen und sein geliebtes Rom verteidigen - ein Narrativ, von dem die Römer auch nicht lassen konnten als sie in Mesopotamien, Schottland, an der Elbe oder in Nordafrika ihr Imperium verteidigten. 

Kampf gegen Veji und Fidernae
Da man nun bereits am Kämpfen und Krieg führen war (aufgezwungen von außen), brauchte es auch einen anständigen Gegner. Dieser musste einerseits böse genug sein, um die Römer auf den Kriegspfad zu zwingen, und mächtig genug, um den Sieg bedeutsam erscheinen zu lassen. andererseits aber auch später zum Guten bekehrt werden können, denn die damaligen Nachbarn Roms bildeten zur Zeit der späteren Legendenbildung ja bereits den Kern der römischen Bürgerschaft. Es lag daher nahe, Alba Longa und Veji zu Feinden zu erklären. Alba Longa war ohnehin die erste Stadt, gegründet vom mythischen Urvater Äneas, die zu übertrumpfen den Römern ein Herzensanliegen gewesen sein muss, die jedoch gleichzeitig nicht einfach ausgelöscht werden konnte. Ein "böser Berater" in Form des Feldherrn Mettius Fufetius von dem man die Albaner befreien konnte kam da gerade Recht. Veji, auf der anderen Seite, sollte Rom noch viele weitere Male als Erzfeind beschäftigen. Seine Etablierung zur Königszeit kann als Möglichkeit nachträglicher Legitimation gesehen werden. 

Im Kampf der Horatier gegen die Curatier sehen wir eine weitere römische Tugend, die man sich gerne zuschrieb: die unbedingte Tapferkeit im Kampf. Man beachte die mystische Grundkonstellation: jede Seite hatte als beste Kämpfer jeweils Drillinge zur Verfügung, die man in einer Art Götterurteil aufeinander hetzen konnte. Interessant ist, dass sich trotz allen römischen Heldenmuts die Entscheidung effektiv nur durch eine Kriegslist herbeiführen lässt: der Horatier täuscht eine eigentlich wenig ehrenhafte Flucht an, ehe er die verletzten Curatier einzeln niedermacht. Das Ergebnis heiligte den Römern schon immer die Mittel. 

Schwur der Horatier
Daher ist natürlich auch ihr schmerzliches Gefühl des Verrats gegenüber Mettius heuchlerisch. Wäre Mettius ein Römer gewesen, so wäre seine Geschichte eine Heldengeschichte: clever gewinnt er Bundesgenossen, die einen Krieg gegen den verhassten Erzfeind schlagen, ohne dass man die eigenen Eide brechen muss, die einem aufgezwungen wurden - denn nichts anderes taten die Römer nach dem Sieg des Horatiers gegen Alba Longa. Nur, das Ergebnis passte nicht, und so wurde Mettius zwischen zwei Streitwagen gespannt und für seine Niederlage in Stücke gerissen. Der Verrat selbst spielte hier keine so große Rolle - die Römer würden ihren unterlegenen Gegnern später auch ohne vorherige Intrigen ein ähnliches Schicksal zudenken. Verrat hin oder her, die tapferen und ruhmreichen Römer schlagen Veji und Fidenae natürlich auch ohne Unterstützung. Eine zweifache Übermacht schreckt einen Enkel Romulus nicht. Im Gegensatz zu Alba Longa bleiben beide Städte unberührt - man braucht sie ja später noch als Herausforderung, auf dass eine neue Generation an Römern sich an ihnen bewähren kann. 

Zuletzt ist Tullus Hostilius auch für den Bau des Senatsgebäudes verantwortlich. Es ist interessant, dass die Römer es ihm und nicht dem ihre politischen Bräuche gründenden Numa zuschrieben. Auf diese Art und Weise wurde die Republik in die kriegerische Tradition der frühen Römer gestellt. 

Münze mit Abbild Ancus Marcius
Tullus Hostilius' Nachfolger im Amt war Ancus Marcius, ein Sohn eines engen Freundes des zweiten Königs Numa. Seine erste Amtshandlung als Pontifex Maximus war, die Einhaltung der von Numa institutionalisierten Sitten und Riten sicherzustellen. Wie auch sein Vorgänger führte er zahlreiche Kriege, vor allem gegen die Latiner, deren ursprüngliche Siedlungsgebiete er praktisch vollständig vernichtete. Die geschlagenen Latiner selbst wurden in Rom auf dem Aventin angesiedelt. In die von den Römern entvölkerten Landstriche nachziehende Latiner wurden ihrerseits wieder bekämpft. Er besiegte außerdem die reiche latinische Stadt Medullia und kehrte mit reicher Beute heim. Auch als Städtebauer tat er sich hervor: er baute neue Befestigungen, das erste große Gefängnis und, vor allem, den Hafen von Ostia.

Ancus Marcius repräsentiert mehr oder weniger die Konsolidierungsphase Roms. Die Kriege gegen die Latiner dienten wie zu Romulus Zeiten der Vergrößerung der Bevölkerung, die einfach im eigenen Territorium angesiedelt wurde (und das Bürgerrecht erhielt). Das römische Bürgerrecht dient hier bereits als eine Art Zuckerbrot, das begleitend zum Gebrauch der militärischen Peitsche benutzt wird.

Gleichzeitig aber sind die anderen in Ancus Marcius fallenden Vorgänge interessant. Seine weiteren Stadtbefestigungen vergrößerten und konsolidierten das römische Siedlungs- und Wirtschaftsgebiet. So schloss er den Hügel Janiculum an Rom an, der westlich des Tibers lag und trotz seiner Größe nicht zu den ursprünglichen "Sieben Hügeln" von Rom zählt. Hierzu wurde eine Brücke gebaut, die die römische Dominanz beider Tiber-Ufer besiegelte. Neue Stadtbefestigungen und ein öffentliches Gefängnis zementierten diesen Status Quo auch gegen Feinde der öffentlichen Ordnung.

Marktplatz in Ostia (GNU 1.2 FoekeNoppert)
Auch erschloss sich Rom in dieser Zeit eine Quelle zu neuem Wohlstand. Während es immer noch stets willkommen war, den Reichtum anderer Städte zu plündern, sorgte der Anschluss an die italienischen Handelsrouten über die neue Tiberbrücke sowie der Bau des Hafens von Ostia an der Mittelmeerküste dafür, dass Rom aktiver am Handel der antiken Welt teilnehmen konnte - eine unabdingbare Bedingung für weiteres Wachstum und das Entwickeln einer ernsthaften Zivilisation, die über einen reinen plündernden rogue state in der Region hinausgehen sollte. Moralisch wird das Ganze für die Römer durch die Rückbesinnung auf den weisen Numa und seine religiösen Bräuche legitimiert. 
In der Tradition römischer Geschichtsschreibung waren die römischen Könige bis zu diesem Zeitpunkt ware Übermenschen. Von praktisch untadeliger Lebensführung herrschten sie über ein kleines Reich, das sie ohne Rückschläge größer und größer machten. Gleichzeitig gingen sämtliche Charakteristika des republikanischen Rom von ihnen aus und wurden von ihnen erfunden. Insgesamt ist diese Abfolge von narrativ so passend aufeinander aufbauenden Ereignissen eher unglaubwürdig. Es fällt auch auf, wie viele spätere römische Kontrahenten hier bereits ihre Aufwartung machen: Veji, der Erzfeind späterer Tage, dem die Römer ihren eigenen trojanischen Kriegsmythos aufzupropfen versuchten (inklusive einer zehnjährigen Belagerung der Stadt), die Latiner und Sabiner, mit denen zahlreiche Kriege um ihre Rolle im römischen Staatswesen führen würde, und viele andere. 

George Washington
Auch entspricht der Fortschritt viel zu sehr einer linearen Entwicklung, als dass er realistisch wäre. Von einem Haufen mordernder Schläger unter ihrem Erobererkönig zum weisen, pazifistischen Bauernvolk und dann zum (aus römischer Sicht) perfekten Amalgam zwischen beiden, ehe unter dem vierten König dann wie als Belohnung die wahre Zivilisation losgeht und Wohlstand unter die Römer kommt - das alles ist in höchstem Maße allegorisch zu verstehen und nicht als eine reale Geschichte. Dasselbe gilt für die verwendeten Zahlen und Symbole. Drillinge, die gegeneinander antreten, mächtige Zeichen, Gegner, die die Größe Roms anerkennen und von seiner Vernichtung Abstand nehmen - all das entspricht nicht der Realität, ganz gleich, welch große Männer diese Könige auch gewesen sein wollen.

Es ist allerdings interessant zu sehen, dass die Römer offensichtlich Bedarf an Erklärungen und Legitimation ihrer Herkunftsgeschichte zu entwickeln begannen, Jahrhunderte, nachdem diese mythischen Ereignisse angeblich stattgefunden haben sollen. Die Personalisierung erlaubte es außerdem, eine Heldenvehrung in der römischen Zivilreligion zu erlauben, die durchaus mit der Mythologisierung der amerikanischen Gründerväter vergleichbar ist. Spätere Politiker griffen immer wieder auf das in diesen Geschichten etablierte Symbolsammelsurium zurück, von der römischen Tapferkeit über die verwendeten Prophezeiungen hin zu der Bedeutung des Schwurs für den politischen Alltag. Der gemeinsame Herkunftsmythos in der Königszeit wob den Stoff, der die römische Gesellschaft zusammenhielt, mystifizierte und überhöhte ihn.

Buchhinweise:

Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2014/07/legende-und-geschichte-die-romische.html

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aventinus media Nr. 17 [15.07.2014]: Europäische Geschichte Online (EGO), betrb. v. Institut für europäische Geschichte Mainz [=Skriptum 3 (2013) Nr. 2, S. 98-102]

Das seit 2007 konzipierte und im Jahre 2009 ans Netz gegangene Portal des Leibniz-Instituts für Europäische Geschichte in Mainz bietet einen transdisziplinären und interepochalen Überblick zur Europäischen Geschichte. http://www.aventinus-online.de/media/varia/art/Europaeische_Ge/html/ca/view

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2014/07/5257/

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