13. Sechs Tricks für eine gelingende Promotion

 

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen an Ihrer Doktorarbeit. Sie haben vor sich folgende Komponenten: Drei Jahre Zeit, ein Thema, einen Laptop, schon etwas Ahnung von der Primär- und Sekundärliteratur, ein gutes Verhältnis zu Ihrem Doktorvater oder zu Ihrer Doktormutter, völlige Freiheit in der Gesteltung Ihrer Zeit.

Um nicht plötzlich in eine Sinnkrise zu verfallen und zu merken, dass dreiviertel ihrer Zeit schon vorbei ist, Sie plötzlich perfekt Spanisch und Lettisch können, alle Cafés und alle Bedienungen der Stadt kennen, einen noch neueren Laptop und ein Tablet besitzen, nichts von Weckern halten, aber noch keine Seite geschrieben haben, müssen Sie sich selbst austricksen. Mir fallen sechs Beispiels ein, wie ich mich ausgetrickst habe:

Trick 1: Melden Sie sich so häufig es geht für ein Doktorandenkolloquium an, um etwas vorzutragen. Sie werden sehen, dass Sie daran den Puls Ihrer Arbeit messen können werden. Es hat sich einiges getan seit dem letzten Referat im Studium, für das Sie maximal eine halbe Stunde Vorbereitungszeit aufgewendet haben, denn jetzt geht es nicht mehr um irgendeine von vielen Noten, sondern um Ihr Kunstwerk. Sie stellen nicht nur Ergebnisse dar, sondern auch sich selbst und Ihre Leistungen. Das baut so viel Druck auf, dass Sie ganz sicher den einen oder anderen Kaffee sausen lassen, um eine gute Präsentation vor Ihren Kommilitonen und Ihrem Professor zu halten. Und ehe Sie sich versehen, steht ein Kapitel oder ein Teil eines Kapitels Ihrer Diss.

Trick 2: Siehe Trick 1 und tausche “ein Doktorandenkolloquium” durch “eine Konferenz”.

Trick 3: Bilden Sie mit Ihren Freunden Präsentationskreise, in denen Sie Ergebnisse informell diskutieren können, die aber einen festen und regelmäßigen Rahmen bilden. – Achtung: Dies klassifiziert Sie als Streber. Aber das ist Ihnen egal, denn diese Auszeichnung haben Sie bereits durch den Wunsch zu promovieren ergattert.

Trick 4: Kaufen Sie sich keinen neuen Laptop. Um ein Schreibprogramm oder ein Literaturverwaltungsprogramm sowie Emails benutzen zu können, reicht Ihr alter Laptop. Wenn Sie einen neuen kaufen wollen, hängt das sicher damit zusammen, dass Sie zocken. Zocken ungleich Dissertation.

Trick 5: Reden Sie mit Ihren Freunden immer so über die Dissertation, als sei es eine feste Arbeitsstelle, wie Sie andere Menschen auch haben, mit Verwaltungsproblemen, Deadlines und Telefonaten. Die Sache mit den Telefonaten müssen Sie eben erfinden.

Trick 6: Ist mir leider entfallen. Es war der beste. Wissen Sie ihn noch?

Jedenfalls: wenn Sie sich an mindestens diese Tricks halten, ist es sicher, dass Sie mit Ihrer Arbeit vorankommen.

Genau.

Und was sagt es über ich aus, dass ich diesen Blogeintrag um etwa 13.00 Uhr poste? Hmmmm.

 

 

Quelle: http://philophiso.hypotheses.org/177

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ProkrastinatorInnen aufgepasst: Deadline der Dixit-Stipendien naht!

Wie schon am 01. November im DHd-Blog berichtet, endet die Bewerbungsfrist um ein Stipendium des Digital Scholarly Editions Initial Training Network (Dixit) am 10. Dezember 2013. Ausgeschrieben sind 12 Stipendien für HochschulabsolventInnen mit der Dauer von drei Jahren und fünf Stipendien für PostdoktorandInnen und fortgeschrittene Forschende mit der Dauer von zwölf bis 20 Monaten.

Das international agierende Netzwerk Dixit bietet ein koordiniertes Programm, in dem die Forschenden Theorien, Methoden und Technologien der digitalen Editorik lernen. Weitere Infos rund um die Bewerbung finden Sie hier.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2699

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(5) Dynamiken von Kriminalisierung und Normalisierung – Im Interview Thomas Scheffer

Anknüpfend an das Interview mit den Wissenschaftlern in unserer aktuellen Ausgabe „Kriminalität und soziale Normen” werden in einer Blogreihe in wöchentlichen Abständen weitere Kriminalsoziolog_innen auf gleiche Fragen zum Teil zu ähnlichen, zu einem größeren Teil aber auch zu sehr unterschiedlichen Antworten … Continue reading

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/5816

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„Westliche Presse bei der Aufdeckung der Operation Gold“

Altglienicke, 24. April 1956: Westliche Fotografen werden nach Ost-Berlin bestellt, um dort die Aufdeckung der Spionageaktion der CIA „Operation Gold“ zu dokumentieren.

Altglienicke, 24. April 1956: Westliche Fotografen werden nach Ost-Berlin bestellt, um dort die Aufdeckung der Spionageaktion der CIA „Operation Gold“ zu dokumentieren. Foto: Bundesarchiv, Bild 183-37695-0048 / CC-BY-SA

 

Zum Hintergrund:

Das Bild wurde vom Allgemeinen Deutschen Nachrichtendienst (ADN) am 25.4.1956 mit folgendem Text verbreitet:

„Zentralbild/Kollektiv, 25.4.

[...]

Quelle: https://www.visual-history.de/2013/12/05/386/

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40 Jahre “EDV in den Geisteswissenschaften”

zdv

Vor circa 40 Jahren fand am 17.11.1973 zum ersten Mal das ”Kolloquium zur Anwendung der EDV in den Geisteswissenschaften an der Universität Tübingen” statt. Das vom  Zentrum für Datenverarbeitung der Universität Tübingen organisierte Kolloquium fungierte als Plattform für interdisziplinäre Zusammenarbeit und für die Entwicklung des Programms TUSTEP, welches der wissenschaftlichen Bearbeitung von Textdaten dient. Die Protokolle aller 90 Kolloquien, die bisher stattfanden, sind nun frei zugänglich unter: http://www.tustep.uni-tuebingen.de/kolloq.html#top.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2607

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Kontrolliert die Kontrolleure, Abteilung Schweiz

Bei der Podiumsdiskussion nach meiner Preisverleihung letzte Woche sprach Hubert Christian Ehalt die Parole "Kontrolliert die Kontrolleure" an; als wollte sie's illustrieren, hat die WOZ nun anlässlich einer Sonderausgabe zum Thema der Überwachung - der GeheimWOZ - den Schweizer Geheimdienstchef Markus Seiler observiert und die Ergebnisse unter http://www.markusseiler.ch/ veröffentlicht.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/565877538/

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Neuland, Boom, Vielfalt – Geschichtswettbewerbe heute

 

Geschichtswettbewerbe schießen seit einigen Jahren wie Pilze aus dem Boden. Auch international sind sie ein zur Nachahmung anstiftendes Erfolgsmodell. Wohin führt diese anscheinend so positive Entwicklung der historisch-politischen Bildung? Und wie wirken sich die durch den digitalen Wandel veränderten historischen Quellen- und Informationszugänge auf die Wettbewerbe aus?

 

Zeitensprünge, Erinnerungszeichen, Gedächtnisräume – War was?

Geschichtswettbewerbe können heute nicht mehr als „Randerscheinung des Geschichtslernens“1 gelten. In erfrischendem Kontrast zu den oft ernüchternden empirischen Studien2 richten sie die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Spitzenleistungen in allen Schularten und auf ein faszinierendes Schulfach, das zuletzt eher negative Schlagzeilen machte. Bundesweite Ausschreibungen gab es zu Jubiläen wie dem 20. Jahrestag des Mauerfalls oder zum 2. Mai 1933, dem Tag der Zerschlagung der Gewerkschaften durch die Nationalsozialisten. Im Unterschied zum stärker schülerorientierten Konzept der Körberstiftung3 wird hier die „große Geschichte“ zum Ausgangspunkt und auf die zeitgenössischen Alltagserfahrungen im kleinen Raum bezogen. Darüber hinaus entstanden eine Reihe regionaler Geschichtswettbewerbe, wie zum Beispiel das Jugendprogramm „Zeitensprünge“4. Es fördert speziell junge Menschen in den ostdeutschen Bundesländern, die sich mit der „Geschichte ihrer Heimatregion“ im 20. Jahrhundert auseinandersetzen. Auf den jährlich stattfindenden Jugendgeschichtstagen präsentieren die „Zeitenspringerteams“ ihre Ergebnisse. Auch der bayerische Landeswettbewerb „Erinnerungszeichen“5 setzt auf ein ausgeprägtes Regionalbewusstsein. Er lädt Kinder und Jugendliche ab der dritten Klasse dazu ein, die „Geschichte und Kultur ihrer Heimat“ zu erkunden. In diesem Jahr geht es um „Flussgeschichte(n)“. Im Vergleich dazu legt der Geschichtswettbewerb „War Was? Heimat im Ruhrgebiet“6 in Nordrhein-Westfalen durch seinen Zusatz „Erinnerungsorte und Gedächtnisräume“ auf einen modernen Heimatbegriff besonderen Wert. Die Preise der Stiftung Ettersberg7 wiederum sind für Facharbeiten vorgesehen, die sich mit Diktaturen und Gewalterfahrungen des 20. Jahrhunderts auseinandersetzen. Unterhalb dieser Ebenen entstanden außerdem zahlreiche und weniger bekannte lokale Initiativen wie das des Netzwerks „Freiburger Schulen im Archiv“8.

Internationalisierung und neue Fragen

Der Schülerwettbewerb deutsche Geschichte um den Preis des Bundespräsidenten und der amerikanische National History Day9, die 1973 zeitgleich und mit ähnlichen Zielstellungen an den Start gegangen sind, haben seit den 1990er Jahren auch eine Modellfunktion für andere Länder übernommen. Während sich beispielsweise Südkorea oder Australien10 am National History Day orientierten, inspirierte das deutsche Vorbild forschend-entdeckendes Geschichtslernen in den ehemaligen kommunistischen Ländern Ost-und Mitteleuropas.11 Das Programm EUSTORY verbindet heute 24 Länder Europas, die Geschichtswettbewerbe organisieren.12 Die Frage ist, was diesen Boom von Geschichtswettbewerben in Deutschland und international eigentlich antreibt, und wohin er führen wird: zu mehr TeilnehmerInnen oder zu einer Wettbewerbsmüdigkeit? Zur Behauptung offener Lehr- und Lernkonzepte gegenüber einem noch vorwiegend an Inhalten orientierten Zentralabitur? Oder wird gar die Tendenz des „Wettbewerbstourismus“ begünstigt, wenn Beiträge gleichzeitig bei mehreren Stiftungen eingereicht werden können?

Immer nur das lokale Archiv?

Da Kindern und Jugendlichen über quellengesättigte Fallstudien immer wieder echte Neuentdeckungen und Neubewertungen gelingen, sind lokal- und regionalgeschichtliche Titel in den Listen der Schülerprojekte prominent vertreten. Dennoch stellt sich das Problem einer Erweiterung der Perspektiven. So bezieht der Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten ein zentrales Kriterium für die Themenfindung nicht mehr nur auf den Schul- oder Wohnort der Teilnehmer. Im Wettbewerb „Vertraute Fremde. Nachbarn in der Geschichte“ wurden zuletzt auch Beiträge akzeptiert, die weder einen regionalen noch einen biografischen Bezug hatten. Unter den im vergangenen Monat ausgezeichneten 50 Bundessiegern waren diese indessen (noch?) nicht vertreten. Obwohl forschungsbasiertes Lernen heute auch mit im Internet leicht verfügbaren Quellensammlungen und Geschichtsdeutungen realisiert werden könnte, werden Digitalisate offenbar weniger angenommen als die originalen Spuren.13 Der medial-technische Wandel schlägt sich hierzulande eher in den Beitragsformaten nieder. So betont der „History Award“ des TV-Senders History, der mit dem ZDF kooperiert, diesen Aspekt mit filmischen Präsentationen und einer Online-Abstimmung über die Gewinner.14

Neuland

Obwohl sich die Ausschreibungen thematisch unterscheiden, gibt es weltweit gemeinsame Konzepte, z.B. den Ursprungsgedanken „Grabe, wo du stehst!“. Der Reiz im Familiennachlass zu stöbern, Zeitzeugen selbst zu befragen und hinter die Mauern des örtlichen Archivs zu sehen, ist in Zeiten der Globalisierung und des Internets nicht aus der Mode gekommen. In anderen Ländern gibt es jedoch mehr Beiträge zur Geschichtskultur und zur Weltgeschichte, die durch Schulbücher, Nachrichten, TV-Shows und nicht zuletzt auch durch Internetressourcen und Social Media angeregt werden. Warum man auf diesen Zug nicht so einfach aufspringen kann, der doch den Lebenswelten und Mediengewohnheiten der Digital Natives Rechnung trägt? Sie benötigen auch die Instrumente an die Hand, damit sie dieses Neuland heuristisch und methodisch erkunden können.

 

Siehe auch: Alavi, Bettina: Inklusion und Geschichtswettbewerb – Barrierefreier Geschichtswettbewerb? In: Public History Weekly 1 (2013) 1, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2013-129.

 

Literatur

  • Johnson, Chrystal: Building Citizens or Building Nations? Alternative Visions for Learning History in Germany and the United States: The Geschichtswettbewerb Des Bundespraesidenten and National History Day, 1974-1984, Chicago 2010.
  • Messner, Rudolf (Hrsg.): Schule forscht. Ansätze und Methoden zum forschenden Lernen, Hamburg 2009.

Externe Links

 

Abbildungsnachweis
Das historische Gemälde im Rücken, das Siegerfoto auf dem Handy Display: Preisverleihung des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten im Jahre 2009 im Schloss Bellevue, © Körber-Stiftung / David Ausserhofer.

Empfohlene Zitierweise
John, Anke: Neuland, Boom, Vielfalt. Geschichtswettbewerbe heute
. In: Public History Weekly 1 (2013) 14, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2013-838.

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Praxis vs. Theorie und Rüsens neue Historik

 

„Theorie“ ist ein geschichtsdidaktisches Zauberwort zur Professionalisierungsprovokation. Die meisten Studierenden wollen sie nicht und ertragen sie nur widerwillig. Vielen praktizierenden LehrerInnen aller Berufsphasen geht es ebenso, wenn sie ihnen in den seltenen Fortbildungen oder in den (nicht oft gelesenen) geschichtsdidaktischen Texten begegnet.

 

Differenz von Erwartung und Angebot

Studierende und LehrerInnen erwarten von GeschichtsdidaktikerInnen unmittelbare Unterstützung in ihrer täglichen Berufspraxis; und sie tun es gestützt auf eigene Erfahrungen als SchülerInnen, PraktikantInnen oder als beanspruchte Lehrpersonen (mehr oder minder berechtigt) auf eine bestimmte Weise. Das war so in den drei deutschen Ländern, in denen ich als Geschichtsdidaktiker tätig war und das ist so in den vier Schweizer Kantonen, in denen ich es jetzt bin. Diese variierende Differenz zwischen theoriegestütztem geschichtsdidaktischem Angebot und den Erwartungen seiner Zielgruppe sind also offenbar kein regionales, nationales oder gar persönliches Problem. Dass die Didaktik der Geschichte indes sehr viel unternimmt, um vielleicht nicht generell diesen Erwartungen, aber doch gewiss ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden, das hat Michele Barricelli kürzlich dargestellt.

Rüsens Geschichtstheorie

Ich meine allerdings, dass man die Theoriebedürftigkeit der LehrerInnen-„Ausbildung“ und der alltäglichen geschichtsunterrichtlichen Praxis ergänzend auch etwas offensiver diskutieren könnte. Den Anlass dafür bietet das kürzliche Erscheinen eines bedeutsamen Buches, nämlich Jörn Rüsens neuer Historik.1 Dieses Buch ist die späte Summe der vielen originellen geschichtstheoretischen Texte, die Rüsen seit Ende der 1960er Jahre publiziert hat. Darin hat Rüsen viele Ansätze geschichtstheoretischen Denkens neu zusammengedacht und verdichtet. Rüsens Geschichtstheorie ist aber auch deshalb für die historisch-politische Bildung relevant, weil der Autor den Aspekt der lebensweltlichen Verwurzelung jedes historischen Denkens durchgehend und konsequent mitbedacht2 und weil er weiterhin die Didaktik der Geschichte immer schon als eine Dimension der Geschichtswissenschaft reflektiert hat – nämlich als eine praktisch wirksame, sich gesellschaftlich intentional artikulierende Form der Geschichtswissenschaft.3 Geschichtsdidaktik ist eine Praxis der Geschichtswissenschaft, insofern diese sich um Bildung bemüht. Gleichzeitig ist sie aber auch eine Institution, eine eigenständige Teildisziplin mit einem spezifischen Rekrutierungs- und Reputationsapparat – das führt manchmal zu Verwechselungen und falschen Abgrenzungen.

Vom Unterschied zwischen Alltagstheorien …

Es ist eigentlich sehr leicht zu erklären, warum es in der LehrerInnenausbildung nicht nur nicht ohne „Theorie“, sondern auch nur mit vergleichsweise sehr viel „Theorie“ geht, und warum das Gegeneinanderausspielen von „Theorie“ und „Praxis“ in seiner entlastenden Wirkung zwar subjektiv gut erklärbar sein mag, in der Sache aber völlig inadäquat ist. „Theorie“ ist dem Worte nach erst einmal nichts anderes als „Welt-Anschauung“, es ist mehr oder minder bewusste, mehr oder minder gut begründete kontemplative Reflexion von Erfahrung. Diese Reflexion geschieht in der Regel entweder rein subjektiv und führt zu individuellen Alltagstheorien, oder sie wird gar nicht selbst geleistet und als Traditionsprodukt von Autoritäten unbesehen übernommen. Solche tradierten Theorien bilden die Substanz der institutionellen Landschaft, in die wir hineinsozialisiert werden. Wir funktionieren in dieser Landschaft normalerweise ganz gut. Alle Arten von Alltagstheorien sind bereichsbezogen; jeder Studierende hat sie von seinem zukünftigen Beruf, jede Lehrperson egal welcher Berufsphase hat sie in individueller Ausformung vom eigenen aktuellen Berufsfeld („Beliefs“).4

… und wissenschaftlichen Theorien

Was man dagegen gemeinhin „Theorie“ nennt, das sind aufs Ganze gesehen sehr seltene Sonderfälle, nämlich solche Welt-Anschauungen, die sich um explizite Begründung, Traditionskritik, Kontextualisierung und überprüfbare empirische Rückbindung an die Welt bemühen: wissenschaftliche Theorien. Sie sind individuelle Erscheinung, insofern aus ihnen jeweils die Leistung einer TheoretikerIn spricht. Sie sind aber immer auch kollektive Erscheinungen, weil sie Resultate von Bildung, von Diskussion und offenen Kontroversen darstellen. All das unterscheidet sie von Alltagstheorien. Ihr kritisches Verständnis macht den Unterschied zwischen dem Experten und dem Dilettanten. Ein Experte ist als Mensch selbstverständlich weiterhin ein Füllhorn diverser Alltagstheorien, auf seinem Spezialgebiet sollte er diese Alltagstheorien jedoch mit wissenschaftlichen ins Verhältnis gebracht und eine kritische Balance zwischen ihnen gefunden haben. Theoria Cum Praxi (Leibniz) ist also keine hehre Norm, sondern eine schlichte Tatsache unserer alltäglichen Lebensführung. Es kommt bei jeder Qualifikation, auch der beruflichen, auf die Qualität der Theorien an, die in den Prozessen der Lebensbewältigung zur Verfügung stehen, nicht auf das Ob oder Ob-Nicht.5

Studium oder Ausbildung?

LehrerInnen-„Ausbildung“ ist ein irreführender Begriff, und insofern schon ein Fehlkonzept einer Welt-Anschauung. Es geht nicht um eine Berufs-„Ausbildung“ wie die einer BäckerIn oder einer FachverkäuferIn – bei allem Respekt vor diesen Berufen und den darin tätigen SpezialistInnen. Vielmehr geht es um ein wissenschaftliches Studium, das nicht vorwiegend zur Kenntnis und Beherrschung eines Regelkorpus führen soll, sondern zur autonomen (also selbst-gesetzgebenden), anpassungsfähigen, wissenschaftlich informierten Ausübung eines Lehramtes – woraus sich im Übrigen auch die vergleichsweise hervorragende Entlohnung erklärt. Eine solche Berufsausübung setzt die immer wieder zu erneuernde Einsicht in psychologische, bildungswissenschaftliche und v.a. geschichtswissenschaftliche Erkenntnisse und eben auch Theorien unbedingt voraus – und das muss man gelernt haben! Praktika dienen der fallweisen Einübung relevanter Theorien und Empirien in die Situationalität des „pädagogischen Universums“. Abgeschlossen ist das Lehrerwerden mit einem solchen Studium allerdings in keiner Weise. Aus der Lehrerforschung kennen wir den langen, unsicheren und anstrengenden Weg hin zu didaktischer Routine und evtl. auch Meisterschaft.6 Das Studium soll dafür das intellektuelle, also theoretische Rüstzeug bieten, der Prozess des Lehrerwerdens selber dauert Jahrzehnte. Und es gibt auf diesem steinigen Weg keine Abkürzung.

Für Rüsen sind geschichtsbezogene Theorien gar nicht denkbar ohne lebensweltliche Anstiftung, Verankerung und Rückwirkung.7 Er führt die Praxis des Umgangs mit Theorie vor, theoretisch. Die gewiss anstrengende Lektüre und Diskussion von Rüsens Historik könnte für jeden Studierenden eine Etappe auf dem Weg des Lehrerwerdens sein, an die man sich nach vielen Jahren Berufspraxis dankbar erinnern wird. Versprochen.

 

Literatur

  • Rüsen, Jörn: Historik und Didaktik. Ort und Funktion der Geschichtstheorie im Zusammenhang von Geschichtsforschung und historischer Bildung. In: Kosthorst, Erich (Hg.): Geschichtswissenschaft. Didaktik – Forschung – Theorie. Göttingen 1977, S. 48-64.
  • Rüsen, Jörn: Grundzüge einer Historik, 3 Bde., Göttingen 1983-1989.
  • Rüsen, Jörn: Historik. Theorie der Geschichtswissenschaft. Köln u.a. 2013.

Externe Links

 

Abbildungsnachweise
Buchcover von Rüsen, Jörn: Historik, Köln 2013 © Böhlau-Verlag Köln.

Hintergrundbild: © knipseline  / pixelio.de

Empfohlene Zitierweise
Demantowsky, Marko: Praxis vs. Theorie und Rüsens neue Historik. In: Public History Weekly 1 (2013) 14, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2013-889.

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Geisteswissenschaftliches Bloggen – wie, warum und wozu?

Eintägiger Workshop zur Einführung in Fragen und Praxis des geisteswissenschaftlichen Bloggens heute (24. Januar 2014, Berlin)

Die Idee des geisteswissenschaftlichen Bloggens mutet in vielerlei Hinsichten geradezu konträr zur geisteswissenschaftlichen Praxis an, wo Zwischenstufen in der Regel nicht veröffentlicht werden, der Sprachduktus anonymisiert ist und Transdisziplinarität eher gut klingt als dass sie Anerkennung fördert.

In diesem Workshop geht es darum, die Bedingungen auszuloten, unter denen es Sinn macht, sich als GeisteswissenschaftlerIn in der Blogosphäre zu betätigen. Wie fördert Bloggen die Entwicklung der eigenen Forschung? Was kann man sich davon erhoffen? Und wie geht das überhaupt?

Der Workshop richtet sich an fortgeschrittene StudentInnen und WissenschaftlerInnen aller geisteswissenschaftlichen Fachrichtungen. Die Vormittagsrunde ist öffentlich, während zur Nachmittagsrunde aufgrund der begrenzten Zahl verfügbarer Plätze bevorzugt TeilnehmerInnen akzeptiert werden, die eine konkrete Blog-Idee mit der Blogplattform de.hypotheses. org ins Auge fassen oder die Plattform bereits nutzen.

Die Veranstaltung wird von Anne Baillot mit der Unterstützung vom Centre Marc Bloch und von DARIAH-EU organisiert und findet am 24. Januar 2014 im Centre Marc Bloch (Friedrichstrase 191, Berlin) statt.

Um Anmeldung wird bis 15.01.2014 jeweils für die Vormittags- und für die Nachmittagssitzung über folgende Seite gebeten: http://www.digital-humanities-berlin.de/wissenschaftliches-bloggen Fragen zum Workshop sind an anne.baillot@hu-berlin.de zu richten.

Programm

9:15-12:30 Geisteswissenschaftliches Bloggen – wie, warum und wozu?

9:15 Anne Baillot: Begrüßung und Einführung

9:30 Christof Schöch: Wissenschaftliches Bloggen im Kontext digitaler Publikationsmedien

10:00 Laurent Romary: Nein, meine Ideen werden mir nicht geklaut, wenn ich sie online stelle

10:30 Kaffeepause

11:00 Jan Hecker-Stampehl: Wissenschaftliches Bloggen als Wissenstransfer

11:30 Anne Baillot und Studierende des Seminars „WP als literaturwissenschaftliches Instrument“: Einzelbloggen vs. Gemeinschaftsbloggen – Erfahrungsberichte

Die Referenten führen selbst Blogs, auf die im Laufe der Veranstaltung Bezug genommen wird:

12:00-14:00 Mittagspause

14:00-18:00 Sascha Foerster: Einführung in das wissenschaftliche Bloggen mit WordPress bei de.hypotheses

Sascha Foerster ist Community Manager bei de.hypotheses.org und hat bereits eine Reihe von Schulung in ganz Deutschland durchgeführt.

Für die Nachmittagssitzung ist jede(r) TeilnehmerIn gebeten, den eigenen Laptop mitzubringen.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2687

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Herausforderungen für den Forschungsplatz

In den letzten zwei Wochen durfte ich an zwei Tagungen teilnehmen. Zuerst an der infoclio-Veranstaltung ‘Geschichtswissenschaften und Verlage im digitalen Zeitalter’ und danach an der Veranstaltung der SAGW zum Thema ‘Neue Herausforderungen für den Forschungsplatz Schweiz’. Zur letzten eine Kritik in der NZZ.

An der ersten Veranstaltung wurde der Blickwinkel auf die Geschichtswissenschaft fokussiert, an der zweiten, etwas weiter, auf die Geisteswissenschaften. Was ist beiden Veranstaltungen gemeinsam? Es wurde viel über Digital Humanities (DH) gesprochen und niemand weiss so richtig wie es weitergehen soll, obwohl schon viele Projekte unter dem Label der DH durchgeführt werden.

An der zweiten erläuterte Corinne Pernet die Schwierigkeiten aus Sicht einer Nutzerin: Hat man sich mühsam in eine Universitätssystemlandschaft eingearbeitet, die aus zig verschiedenen Soft- und Hardwareisfrastruktur besteht, wird diese Arbeit bei einem Wechsel an eine andere Universität obsolet. Dort werden andere Tools verwendet, weil kein erhältliches System die bei ihr ‘einmaligen’ Bedingungen erfüllen kann – das Rad wird immer wieder kostspielig neu erfunden. Urs Hafner (NZZ) bringt es dabei auf den Punkt: “Der schweizerische Föderalismus [..] steht einer Lösung der drängenden Probleme im Weg, …” Da stelle ich meine Forderung, die ich schon im letzten Jahrtausend als Student formuliert habe (weil ich mich über inkompatible Software und nicht vorhandene Datenaustauschmöglichkeiten ärgerte), wieder zur Diskussion: “Die Universitäten der Schweiz gehören unter die Hand des Bundes!”

Aufschrei bei allen Involvierten weil die Macht bröckelt. Aber (nicht nur) aus Sicht der DH wäre es sinnvoll, denn Forschungsplatformen und -Infrastrukturen könnten (zumindest) national genutzt werden. Es würde bedeuten, dass das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattet wird, um die Aktivitäten bündeln zu können. Der SNF könnte die Forschenden einfacher unterstützen (laut Aussagen an der Veranstaltung des SNF zur 60-Jahr-Feier). Einheitliche Standards vereinfachen die Prozesse und die Administration.

Auch in der Wirtschaft (als Beispiel Verlage am ersten Event) herrscht Ratlosigkeit. Die Umsätze brechen weg und nun muss mit allen Mitteln gerettet werden, was mit (Rechts-)Staatshilfe möglich ist. Doch weder eine Verschärfung des Copyrights noch Subventionen werden schliesslich helfen – wenn die Nachfrage nicht mehr vorhanden ist, wird der Wirtschaftszweig eingehen. Innovative Lösungen sind gefragt!

Hier können aber auch die Forschenden (und Studenten) mitreden, wenn sie formulieren würden, was sie wirklich benötigen und wünschen. Zusammen mit den Verlagen könnte ein Konzept entwickelt werden, das beiden Seiten dient. In den DH muss ‘Forschungsinfrastruktur’ ein zentrales Thema sein und interdisziplinär weiterentwickelt werden.

Digital Humanities, was man darunter auch verstehen mag, bieten Chancen! Zu beachten ist, dass die digitale Welt global denkt und kleine Brötchen schnell aufgegessen werden…

Events ‘Digital Humanities’
At the SAGW-event in Berne, Prof. Corinne Pernet talked about her problems with IT-infrastucture: each university in Switzerland uses a different tool for e-learning, administration etc. The swiss federalis prevents solutions for the most burning issues (Urs Hafner, NZZ). In my opinion, our universities must be controled by the government. National research infrastructures and platforms as well as national standards could simplify processes and administration. The digital world thinks global!

Quelle: http://hsc.hypotheses.org/267

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