Gedenkstätten an Orten von NS-Verbrechen zu besuchen, ist eine außergewöhnliche pädagogische Aufgabe. Die Vorbereitung der Lerngruppe ist von zentraler Bedeutung.
Quelle: http://lernen-aus-der-geschichte.de/Online-Lernen/content/11296
Geschichtswissenschaftliche Blogs auf einen Blick
Gedenkstätten an Orten von NS-Verbrechen zu besuchen, ist eine außergewöhnliche pädagogische Aufgabe. Die Vorbereitung der Lerngruppe ist von zentraler Bedeutung.
Quelle: http://lernen-aus-der-geschichte.de/Online-Lernen/content/11296
Olia Lialina über “Aging Online — Eternal Present and Perpetual Future in Digital Culture”
Zu Gast bei der zweiten Bern Lecture on Digital Heritage ist Olia Lialina, Netzkünstlerin der ersten Stunde und Professorin an der Merz Akademie in Stuttgart. Sie wird in ihrem Vortrag über Alterungsphänomene und Temporalität im Internet und seinem Umfeld sprechen.
Titel: Aging Online — Eternal Present and Perpetual Future in Digital Culture
Datum: Fr. 05.07.2013 um 17:30 Uhr
Ort: Hochschule der Künste Bern, grossen Aula (Fellerstrasse 11, CH – 3027 Bern; Haltestelle: Bümplitz Nord)
Sprache: Englisch
Eintritt: frei
Die Veranstaltung findet im Rahmen des Jubliäumsjahres 10 Jahre HKB statt und ist dem MAS PDACH assoziiert.
Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1897
Über den Webauftritt “CC PLAY” können Personen und Momente der deutschen Geschichte spielerisch erlebt werden.
Im Rahmen der inzwischen beendeten Kooperation von Bundesarchiv und Wikimedia Deutschland e.V. wurden zehntausende Fotos des Bundesarchivs unter der Creative Commons (CC)-Lizenz 3.0 by-sa der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt. Aus diesem Fundus hat das Kölner Game Studio the Good Evil zahlreiche Bilder ausgewählt und das kostenlose digitale Puzzle-Spiel “CC PLAY” entwickelt.
Auf ungewöhnliche Weise erfahrbar werden so weite Teile der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Herausragende und alltägliche, heitere und sehr dunkle Momente u.a. aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Sport: “Vom Hitlerputsch 1923 bis zur Birkensafternte in Colditz 1985″. Probieren Sie es aus!
Der Sammelband ist aus der Jahrestagung 2009 der Kommission „Pädagogische Anthropologie“ der DGfE hervorgegangen, welche an der Universität Hildesheim zum Thema „Erziehung, Bildung und Geschlecht – Männlichkeiten im Fokus der Gender-Studies“ stattgefunden hat. Die Herausgebenden präsentieren in ihrem Werk Geschlechterverhältnisse … Weiterlesen
Die International Holocaust Remembrance Alliance (ehemals Task Force for International Cooperation on Holocaust Education, Remembrance, and Research) hat eine Online-Umfrage zu den Schwierigkeiten beim Zugriff auf Holocaust-Archivalien gestartet. Das Ziel der Umfrage ist die Identifizierung der Probleme und zukünftige Lösungsmöglichkeiten.
Die Umfrage ist in Deutsch, Englisch, Französisch und Russisch verfügbar und sollte nur wenige Minuten im Anspruch nehmen.
Wir bitten die Befragten, möglichst ausführliche Antworten zu geben.
Wenn Sie Fragen haben oder weitere Informationen benötigen, besuchen Sie bitte http://www.holocaustremembrance.com/focus/archives oder E-Mail: ihra.survey@gmail.com
Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1889
Lösen blogging, twitter und facebook in der Historiographie bald klassische Hilfswissenschaften wie Epigraphik, Sphragistik oder Numismatik ab? Mit dieser provozierenden (wenngleich nicht ganz ernst gemeinten) Frage eröffnete der Historiker Bodo Mrozek am 25. Juni in Potsdam einen Workshop über wissenschaftliches Bloggen.
Die Veranstaltung fand statt am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, der Max Weber-Stiftung, dem Deutschen Historischen Institut Paris, dem Arbeitskreis Popgeschichte und der Plattform de.hypotheses.org. Mareike König, „digital native“ vom DHI-Paris und Sascha Foerster, Community-Manager der der Max-Weber-Stiftung, nahmen zahlreiche (weniger überraschend: vornehmlich junge, durchaus überraschend: mehrheitlich weibliche) Interessierte mit in die Blogosphäre der Geisteswissenschaften.
Vollbesetzte Reihen: Der Potsdamer Workshop “Wissenschaftliches Bloggen”
stieß vor allem bei jungen Wissenschaftlerinnen auf großes Interesse.
Mareike König (DHI Paris) und Sascha Foerster (Max Weber-Stiftung) führen in Potsdam in die Praxis des Bloggens ein.
Vorgestellt wurde die Plattform hypotheses.org, ein nicht-kommerzielles europäisches Blogportal für Geistes- und Sozialwissenschaften. Hypotheses ermöglicht, das Genre des Blogs und seinen eigenen Stil in wissenschaftlicher Seriosität zu verankern – nur wissenschaftliche Blogs dürfen auf hypotheses eröffnet werden. Darunter sind sowohl persönliche Blogs einzelner Wissenschaftler als auch Gruppenblogs, die an einem gemeinsamen Thema arbeitende Wissenschaftler vereinen. Projektbezogene Blogs begleiten etwa eine Konferenz oder ein Editionsvorhaben. Viele Blogs richten sich an die breite Öffentlichkeit, manche auch an ein spezifisches Fachpublikum. Der französische Begriff für letztere, „carnets de recherche“, macht deutlich was die Kernidee des wissenschaftlichen Bloggens ist: Das eigene wissenschaftliche Arbeiten und Denken, das bisher meist als Gekritzel in privaten Notizbüchern landete, öffentlich machen.
Carnet de recherche moderne et à l’ancien: Vom Block zum Blog.
Frankreich erschien in der Präsentation vielfach als Vorreiter und Deutschland in Hinblick auf das wissenschaftliche bloggen tatsächlich immer wieder als das in diesen Tagen viel gekalauerte Neuland. Das gilt nicht nur für die aktiv Bloggenden in den Wissenschaften, sondern auch für die großen Institutionen, die für die Dokumentation, Archivierung, Verbreitung und damit nicht zuletzt auch Anerkennung wissenschaftlicher Arbeiten verantwortlich zeichnen. Zur Praxis der Bibliotèque Nationale de France an Blogs eigene ISSN-Ziffern zu vergeben und sie damit in ihren Katalog aufzunhmen, musste die Deutsche Nationalbibliothek erst durch eine „Pflichtablieferungsverordnung“ getragen werden. Und auch die VG-Wort hat Blog-Publikationen in ihr Vergütungssystem aufgenommen.
Der Workshop führte angehende und
erfahrene BloggerInnen zusammen.
Die Diskussion während des Workshops machte deutlich: Das Bloggen fordert die Welt-, Selbst- und Arbeitsbilder der Geisteswissenschaften in vielen Punkten radikal heraus. Sich für drei Jahre in sein Kämmerchen einzuschließen, dort Aktenberge und Datenmengen anzuhäufen und dann mit einem fertigen dicken (und in der Regel nur für ein winzigen Publikum lesbaren) Werk zurück ans Licht der Öffentlichkeit zu kommen, ist noch immer der verteidigte Status quo. Beim Bloggen macht man Skizzen, Vermutungen, Ideen, liefert Prozesshaftes und Unfertiges –kann das Wissenschaft im hehren alten Sinne sein?
Die Fragen, die die Teilnehmenden ansprachen, zielten somit auch vor allem auf die Absicherung als wissenschaftlicher Nachwuchs: Mache ich mich nicht angreifbar, wenn ich öffentlich mache, das ich etwas nicht weiß? Wie schütze ich mich davor, dass andere meine noch nicht zwischen zwei Buchdeckeln festgeschriebenen Ideen abkupfern? Verpulvere ich nicht mein Material für wichtige Aufsätze und Bücher, wenn ich es vorher schon gebloggt habe?
Das Bloggen sei eine Form der wissenschaftlichen Publikationen neben anderen, die auch weiter ihre Berechtigung behalten würden, argumentierte Mareike König. Welches im konkreten Fall die angemessene Form ist, müsse jeder für sich entscheiden. Angesichts der Ausdifferenzierung der Publikationsformen, würden die Chancen, die das Bloggen dabei bietet aber immer deutlicher: Die kleinere Form, die zeitliche Beschleunigung im Vergleich zu den zähen peer-review-Publikationen, die Öffnung des Leserkreises und die potenziellen Anregungen durch die direkte Kommunikation mit dem Publikum, zählten zu den großen Vorteilen. Vor allem aber bildet das bloggen über die eigene Forschung – so eine wesentliche Erkenntnis des Workshops – eine ständige Trainingseinheit in wissenschaftlichem Arbeiten: Es übt das Strukturieren und Schreiben von Texten, schult das Loslassen eigener Texte im Publikationsprozess, unterstützt das Netzwerken mit anderen und trainiert darin, sich selbst und die eigene Forschung einer interessierten Öffentlichkeit bekannt zu machen.
PopHistory-Bloggerinnen Glaucia Peres da Silva und Sarah Zalfen (v.l.n.r).
Sascha Foerster gab schließlich Einblicke in die Praxis des Bloggens. Er öffnete die technische Werkzeugkiste des digitalen Historikers: Social media, Facebook, google+, twitter und co. Foerster stellte den technischen Aufbau von hypotheses.org vor und ebnete den Teilnehmenden damit den Weg zum ersten eigenen Blog. Vom Anlegen eines eigene Profils, über das Erstellen des ersten Artikels bis zum Einfügen von Bildern sowie der Recherche und Angabe der korrekten Urheberrechte, konnten die Blogneulinge das Erlernte Schritt für Schritt in einem eigenen (natürlich vor öffentlichen Blicken geschützten) Testblog erproben und umsetzten. Front end und back end, widget, dashboard und tagging waren für die Teilnehmer am Ende des Tages keine Fremdworte mehr.
Der Vortrag von Mareike König lässt sich auf Slideshare abrufen.
(Text und Fotos: CC BY-3.0 DE.)
Im MusErMeKu-Blog gibt die Gastautorin Jennifer Hofmann spannende Einblicke in ihre Tätigkeit im Schwäbischen Bauernhofmuseum Illerbeuren. In drei Beiträgen stellt sie ein Ausstellungsprojekt vor, an dem sie im Rahmen ihres Museumsvolontariats mitgewirkt hat: die Realisierung der Sonderausstellung „Gutes Wetter – Schlechtes … Weiterlesen →
Forschungsprojekt: Dissertation (Mittelalterliche Geschichte) WWU-Münster, abgeschlossen im März 2013[1]
Herold Jörg Rugen mit bayerischem Wappenrock. Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2936, Teil 2, fol 11v. en.wikipedia [public domain] Wikimedia Commons. Siehe auch den Blog Archivalia von Klaus Graf
Die Herolde wurden in der Forschung lange Zeit auf ihre heraldischen Kenntnisse reduziert. In den vergangenen beiden Jahrzehnten hat das Heroldsamt aber eine historiographische Neubewertung erfahren, die auf dem Leitbild der spätmittelalterlichen Herolde als Spezialisten der Zuteilung, Verbreitung und Registratur adliger Ehre beruht. In diesem Zusammenhang wird auf die Bedeutung des Institutionalisierungsprozesses der Herolde ab dem 14. Jahrhundert verwiesen, der mit der Aufnahme der Herolde an die Höfe von Fürsten verbunden war: Herolde wurden zu einem Bestandteil des höfischen Umfelds und richteten sich in ihrem Amtsverständnis darauf aus.
Die Forschung zu den Herolden im römisch-deutschen Reich hat von diesem erneuerten Forschungsinteresse jedoch nur in bescheidenem Maße profitiert. Eine Überprüfung der an französischen und burgundischen Beispielen entwickelten Thesen zur Entstehung, Organisation und Funktion des Heroldsamtes ist mit Blick auf das römisch-deutsche Reich bislang noch nicht geleistet worden. Eine solche Untersuchung habe ich in meiner Dissertationsschrift vorgelegt. Dabei ist es mir gelungen, die vorgestellten Forschungsthesen anhand der deutschen Befunde zu kontextualisieren und zu konkretisieren.
Mein Dissertationsprojekt ist multiperspektivisch angelegt. Dies betrifft zum einen den international vergleichenden Zugriff auf das Thema, zum anderen die methodische Herangehensweise, welche die Sozial-, Politik- und Militärgeschichte berührt. Auch kommt in der Arbeit ein kulturhistorischer Ansatz zum Tragen, der ganz allgemein als das methodische Bemühen Wahrnehmungsmuster, Sinnhorizonte und Praktiken in die historische Analyse mit einzubeziehen verstanden wird.
Die Ergebnisse meiner Dissertation möchte ich anhand von vier Thesen vorstellen. Die Analyse des Heroldsamts im römisch-deutschen Reich schreibt sich – so die erste These – in die Forschungen zu den internationalen Beziehungen im späten Mittelalter ein. Vor diesem Hintergrund wurde auf die Methoden des historischen Vergleichs und der Kulturtransferforschung zurückgegriffen. Essentiell für das Verständnis der Entwicklung des Heroldsamtes im römisch-deutschen Reich ist dessen Einordnung in einen kulturellen Transferprozess, der unter Einbeziehung eigener vorhandener kultureller Traditionen im römisch-deutschen Reich und durch den Vergleich der strukturellen Bedingungen in der Ausgangs- und Empfangsgesellschaft kausal verortet werden kann. Der Vergleich bietet die Möglichkeit, Beziehungen zwischen dem konkreten Untersuchungsgegenstand und allgemeineren gesellschaftlichen Gegebenheiten in europäischer Perspektive herzustellen. Auf diese Weise ordnet sich die Geschichte der Herolde in die Konzeption einer Geschichte der (kulturellen, aber auch diplomatischen und politischen) Beziehungen ein, die sich nicht als Gegenüberstellung unterschiedlicher politischer Strukturen, sondern als Verflechtungsgeschichte verschiedener gesellschaftlicher Felder versteht. Damit betont die vorliegende Arbeit die Bedeutung eines solchen Zugangs für die mittelalterliche Adelsforschung insgesamt.
Meine zweite These habe ich von der Frage ausgehend entwickelt, auf welche Weise die deutschen Herolde und ihr Amt sich zunächst in der adligen Welt und dann später an den Adelshöfen etabliert haben. Dabei habe ich auf die in der Sozialgeschichte bekannte Patron-Klientel-Beziehung, die bis dato vor allem zur Beschreibung von Klientelnetzwerken mit dem Ziel der politischen Einflussnahme genutzt wurde, als heuristisches Modell zurückgegriffen,. In Hinblick auf die Herolde lässt sich mittels dieses Ansatzes die Gewährung des Zugangs der aus sozial niederen Verhältnissen stammenden Herolde zu den Zentren der adligen Gesellschaft im 13. und 14. Jahrhundert und deren Verpflichtung zur Treue sowohl gegenüber ihrem Patron als auch gegenüber dem gesamten Adel erklären. Ab der Mitte des 14. Jahrhunderts rückt die Beziehung zwischen Patron und Klientel erneut in den Vordergrund, als Herolde allmählich in feste Anstellungen aufgenommen werden. Auf dieser Grundlage erweist es sich als zielführend, Unterschiede zwischen Herolden weniger auf individuelle Faktoren als vielmehr auf Gegensätze zwischen angesehenen und minderrangigen, bedürftigen und saturierten, fahrenden und patronisierten Herolden zurückzuführen. Schließlich ist die Patronage von Herolden dadurch charakterisiert, dass großer Aufwand zur Legitimation einerseits und zur repräsentativen Darstellung der Beziehung andererseits aufgebracht wird.
Von den Aktivitäten der Herolde ausgehend komme ich zur dritten These. Die gesellschaftliche Wirkung von Medien ist von sozialen, politischen und kulturellen Rahmenbedingungen abhängig, die über deren konkrete Einsatzmöglichkeiten und Auswirkungen bestimmen. Die Herolde bilden für den Adel im späten Mittelalter ein wichtiges Kommunikationsmedium, weil sie in der Folge ihrer institutionellen Anpassung an das höfische Umfeld ihrer Herren mit der Außen- und Innendarstellung ebendieser und des Adels in praktisch allen Lebensbereichen betraut sind. Durch die ständige Frequentation des adligen Milieus genießen sie als Referenzpunkt und Wissensmediator in Fragen zu Personen und zur adlig-höfischen Kultur auch außerhalb des Adels hohes Ansehen. Diese Kenntnisse vermitteln Herolde ebenfalls in eigenen Schriften, deren Wertschätzung sich daran zeigt, dass ihre Arbeiten bereits ab dem Ende des 15. Jahrhunderts im Druck erscheinen. Der lang anhaltende Bedarf nach den Herolden und die Vermittlung ihres Wissens auch im Druck werden aus der als soziales Konstrukt zu begreifenden Beziehung zwischen Medieneinsatz und gesellschaftlichen Wandlungsprozessen verständlich. Die Herolde als Medien adliger Kommunikation haben die Wandlungen adligen Selbstverständnisses begleitet und sich ebenfalls Prozessen der Transformation ausgesetzt, wodurch sie im römisch-deutschen Reich über zwei Jahrhunderte als ein Leitmedium der Adelsgesellschaft attraktiv bleiben.
Prozession von englischen Herolden, Windsor Castle. Foto vom 19.06.2006 durch Philip Allfrey bei en.wikipedia, from Wikimedia Commons
Von dieser engen Wechselbeziehung zwischen Adel und Heroldsamt ausgehend ist auch die vierte These entwickelt. Essentielle Bestandteile des Amtsverständnisses der Herolde im römisch-deutschen Reich und konstitutive Elemente der Adelskultur sind Ehre und Schande. Ihre Zuschreibung und Wahrnehmung strukturieren nicht nur interpersonale Beziehungen, sondern spielen auch aufgrund der großen Bindungsmacht von Emotionen eine bedeutende Rolle in der politischen Praxis. Ausdruck und Bekräftigung finden sie in Ritualen und Praktiken, welche die Kohärenz einer Gruppe nach innen stärken und ihre Abgrenzung nach außen steigern. In diesem Zusammenhang kommt den Herolden eine wichtige Rolle in der Darstellung und ständigen Aktualisierung dieser Werte- und Normenordnung zu, da sie nur auf diese Weise deren Funktion als Handlungsoption der Adligen bewahren können. Die Analyse des Heroldsamtes trägt dazu bei, die soziale Emotion der Ehre und Schande als ein zentrales Element der sozialen Rolle der Adligen im späten Mittelalter zu historisieren.
Auch wenn das Heroldsamt insbesondere im Commonwealth noch existiert, mag es heute teilweise seltsam und fremd vorkommen. Dieser Alterität gegenüber stellen die von mir problematisierte Bedeutung von Ehre und Schande oder der Einfluss von Medien auf soziale Realität Aspekte dar, die in der heutigen Gegenwart präsent sind. In meinem Dissertationsprojekt verbinde ich beide Niveaus, um einen neuen Blick auf mittelalterliche Phänomene zu werfen und zu zeigen, auf welche Weise die Mediävistik Reflexionswissen für unsere eigene Zeit bereitstellen kann.
Zuerst veröffentlicht bei http://mittelalter.hypotheses.org/1574
[1] Der folgende Beitrag baut auf der Vorstellung der Ergebnisse meiner Arbeit am 25.03.2013 an der WWU-Münster auf. Für Anregungen im Vorfeld danke ich Julia Crispin (Münster), Georg Jostkleigrewe (Münster) und Bastian Walter (Wuppertal).
Heute abend haben hunderte Teilnehmer/innen des Park-Forums im Istanbuler Stadtteil Beşiktaş ihr Forum unterbrochen, um zum Gebäude des Medienkonzerns ATV-Sabah zu ziehen. Sie haben dort eine sog. “üç maymun” [3 Affen]-Demo abgehalten mit Slogans wie: “Ich sehe nichts, höre nichts, weiß von nichts” (“Görmedim, duymadım, bilmiyorum”) sowie “Takvim, mach doch mal uns zur Nachricht!” (“Takvim bizi haber yapsana”).
3 Affen-Demo vor dem Gebäude des Medienkonzerns ATV/Sabah in Istanbul, 26.6.2013 Q:http://www.gazetecileronline.com/newsdetails/10442-/GazetecilerOnline/iktidar-medyasina-uc-maymun-protestosu
Die zum ATV/Sabah-Konzern gehörige Tageszeitung Takvim hatte in ihrer Ausgabe vom 26.6.2013 berichtet, die Protestierenden des Gezi Parks hätten Polizisten fast zu Tode geprügelt, und Ethem Sarısülük – das von einem Polizisten erschossene Opfer – wäre Teil einer Provokateurs-Gruppe gewesen, welche die türkische Flagge verbrannt habe [zum Kampf um und mit dem Symbol der türkischen Flagge will bei anderer Gelegenheit noch geschrieben werden]. Die Website der Zeitung zeigt zudem ein 5minütiges Video, auf dem Ethem inmitten einer Gruppe von Chaoten zu sehen sein soll – im Video jeweils mit einem roten Pfeil markiert.
Der Zeitungsbericht ist Teil einer seit Beginn der Parkbesetzung laufenden großen Propaganda-Maschinerie der Kriminalisierung, die ihren Anfang mit Recep Tayip Erdoğans (RTE) Beschimpfung der Demonstrant/innen als Çapulcu machte – welche sich die Demonstrant/innen aber sogleich aneigneten: Der im Gezi Park als Kollektiv gegründete Internet-TV-Sender www.capul.tv begrüßt seine vielen Interviewgäste grundsätzlich und liebevoll mit “Wie geht es Dir, Çapulcu? Was hast Du uns zu sagen?” Als Neologismus – “Everyday I’m çapuling” – hat der Begriff schon international die Runde gemacht, Wikipedia führt unter “Chapulling (Turkish: çapuling)” bereits einen Eintrag incl. Debatte.
Zum Arsenal der Staats- bzw. Regierungs-Medienoffensive gehört seit neuestem auch ein von der Regierungspartei AKP (Tanıtım ve Medya Başkanlığı=Öffentlichkeits- und Mediendirektion) produzierter 28minütiger Film, der auf CD und von der Jugendbewegung der AKP via Youtube verteilt wird. Der Titel des Propagandafilmchens, das auf unerträgliche Weise alle diffamierenden und verschwörungstheoretischen Argumente der letzten Wochen zusammenfasst, lautet: “Ein großes Schauspiel! Sieh das wahre Gesicht der Ereignisse um Gezi, meine Türkei!” (“Büyük Oyun! Gezi olaylarının gerçek yüzünü gör Türkiyem!”)
Auf unterschiedlichen Wegen versuchen die Çapulcu die Diffamierungen durch Regierung und ‘gleichgeschaltete’ Medien auszuhebeln. In diesem Kampf um und mit Medien praktizieren sie verschiedenste Taktiken: Alternativmedien, (Über)Affirmation, Ironie, Proteste vor Medienkonzernen (schon ganz am Anfang hatte es bei CNN Türk eine Protestkundgebung gegen die Nicht-Berichterstattung von den Protesten gegeben) u.a., wovon ich in den nächsten Wochen noch berichten werde.
Vom Tempo in und mit Alternativmedien zu operieren zeugt auch, dass es innerhalb von zweieinhalb Stunden nach der Demo vor dem ATV-Gebäude ein erstes Video gibt, eingebunden in einen je nach Bedarf aktivierten Liveticker bei der Online-Plattform sendika.org [http://www.sendika.org/2013/06/besiktas-halki-ethem-sarisuluk-hakkinda-yayimlanan-yalan-haber-icin-atv-sabah-binasini-basti/]
“Üc maymun” eylemi 26.6.2013
Während der Begriff “’3 maymun’ eylemi” schon selbstverständlich verwendet wird, werden die Formen der 3 Affen-Demo noch eingeübt:-) Am Ende des Videos wird skandiert: “Wir wollen keine parteiischen Medien!” ["Yandaş medya istemiyoruz"] – auch dies ein taktischer Zug: unparteiische Medien zu fordern. Die Menge, die ihr Forum/Park-Parlament für die Demo unterbrochen hatte, begibt sich danach wieder in den Abbasağa Park. Auf dem Rückweg wird sie von solidarisch hupenden Autos und töpfeschlagenden Nachbarn gegrüßt.
Währenddessen finden in der Regierungshauptstadt Ankara wieder massive Einsätze der Polizei gegen Demonstrierende statt. Zu verfolgen u.a. am in mehrere Sprachen übersetzten Liveticker gezipark.nadir.org.
Anm.:
- Park-Foren/Park-Parlamente: die seit Vertreibung vom Taksim-Platz allabendlich stattfindenden dezentralen Diskussionsrunden in den Parks Istanbuls
- sendika.org ist eine der wichtigsten alternativen Informations-Plattformen der Bewegung und hat in den ersten Tagen neben Berichten einen Liveticker mit aktuellsten Demo-Infos eingerichtet, der inzwischen je nach Bedarf betrieben wird. Hier finden sich auch Protokolle von den Treffen der Park-Parlamente, Presserklärungen der Taksim-Plattform, veröffentlicht werden auch Erklärungen der Anwaltsvereinigungen, der Ärztekammer, der Gewerkschaften usw. Einzelne Artikel werden ins Englische übersetzt.
- gezipark.nadir.org – Plattform mit kollektiv erstellten Übersetzungen des Livetickers von sendika.org in 9 Sprachen.