Matthew Hannah zum Volkszählungsboykott in der BRD

Larry Frohman hat bei der letzten September in London abgehaltenen Tagung Cultures of Surveillance einen Vortrag zum westdeutschen Volkszählungsboykott von 1983/1987 gehalten und ist daher nur zu berufen, für die aktuelle Ausgabe von Central European History (doi:10.1017/S0008938912000271) folgendes Buch zu rezensieren:

Hannah, Matthew: Dark Territory in the Information Age: Learning from the West German Census Controversies of the 1980s. Surrey: Ashgate, 2010.

Besonders aufschlussreich ist Frohmans Rekapitulation von Hannahs Schlusskapitel, das u.a. den "harten Boykott" der VolkszählungsgegnerInnen behandelt und in diesem Lehrreiches für einen Umgang mit heutigen, zumeist privaten DatensammlerInnen findet:

The final chapter recounts the ultimately successful efforts of state officials to take back their territory by deploying all of the weapons at their disposal to repress a boycott that they regarded as “an essentially criminal, unconstitutional enterprise” (p. 157). Here, Hannah focuses on the Berlin variant of the “hard boycott” strategy, that is, the strategy by which protesters were to accept the census forms from the enumerators, clip off the identifying code, and return the anonymized forms to central collection points, where a constantly growing running total would, the protesters believed, encourage those who opposed the census, but who feared the consequences, to join in in ever greater numbers until the entire census collapsed. On the one hand, Hannah agrees with those contemporary critics who argued that this strategy ultimately made it easier for officials to identify and pick off isolated protesters. On the other hand, however, Hannah argues—and in so doing he moves in the conclusion from a historical account of the boycotts to political theorizing about what we can learn from them—that such a strategy may well offer a model for contesting the collection and use of personal information in the age of the Internet. Hannah argues with a certain degree of plausibility that the central collection agency, by interposing itself as an anonymizing institution between the citizen and the information bureaucracy, represented an archetype of those companies that allow people to browse the Internet and send e-mail anonymously. He then goes on to suggest that such agencies might evolve into the institutional basis for the collection of personal information, for the active, participatory representation of these alternative forms of social knowledge, and, ultimately, for new forms of informational citizenship.

Hannah (Aberystwyth University) verwendet auch anscheinend recht spannende Stasi-Akten zum Thema; die vom BND dürfte es ja wohl für einige Zeit für die Forschung noch nicht geben, wenn sie überhaupt erhalten bleiben und nicht geschreddert werden ;-)

Was Frohmann leider nicht thematisiert, ist die absurde Preisgestaltung des 276-seitigen Buchs, das nur in einer Papierversion erhältlich ist: Knapp 125 Dollar für die von ihm besprochene Fassung, bei Amazon.de ist es immer noch um etwas mehr als 80 Euro zu haben, auf der Verlagshomepage um 58,50 Pfund; für eine weite Verbreitung ist dies nicht gerade förderlich.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/110777455/

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Codex Austriacus online

Das VÖBBlog (1, 2)vermeldete die frohe Botschaft, dass der Codex Austriacus - die wichtige Sammlung habsburgischer Gesetze - online zur Verfügung steht:

Bd.1 (1704)
http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/codexaustriacus1704bd1

Bd.2 (1704)
http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/codexaustriacus1704bd2

Bd.3 1704-1720
http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10487835_00007.html
http://books.google.at/books?id=hANGAAAAcAAJ

Bd.4 1721-1740
http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10487836_00007.html
http://books.google.at/books?id=BQJGAAAAcAAJ

Bd.5 1740-1758
http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10487837_00007.html
http://books.google.at/books?id=5fRFAAAAcAAJ

Bd.6 1759-1770
http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10487838_00007.html
http://books.google.at/books?id=QvVFAAAAcAAJ

Nun, da schauen wir uns doch gleich mal das Volkszählungs- und Hausnummerierungspatent vom 10.3.1770 an:





Und die das Fragamt betreffende Passage im Versatzamtspatent vom 14.3.1707 möchte ich auch niemanden vorenthalten:





Für sonstige habsburgische Gesetze ist ja Alex zuständig, und wer näheres zu all diesen wissen will, der oder die konsultiere:

Pauser, Josef: Landesfürstliche Gesetzgebung (Policey-, Malefiz und Landesordnungen), in: Ders./Scheutz, Martin/Winkelbauer, Thomas (Hg.): Quellenkunde der Habsburgermonarchie (16.––18. Jahrhundert). Ein exemplarisches Handbuch (=Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung; Ergänzungsband 44). Wien/München: Oldenbourg, 2004, S. 216––256, http://homepage.univie.ac.at/josef.pauser/php/downloads/pauserquellenkunde.pdf

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/110776898/

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Robben Island, Prisoner Number 466/64

Auch eine Art und Weise, mit der Gefangenennummer umzugehen: Nun gibt es also eine Modelinie namens 466/64, benannt nach der Nummer, die Nelson Mandela als Insasse des Gefängnis auf Robben Island trug - Nr. 466 von 1964; präsentiert wurde sie laut StyleIte vorgestern, also am 18.7., dem International Nelson Mandela Day in New York. 46664 ist auch der Name einer 2002 gegründeten Nonprofit-Organisation.

[via Perlentaucher]

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/109335558/

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FAZ zur "Roten Kapelle"

In der heutigen FAZ (online zur Zeit nur hinter der Pay Wall) beschäftigt sich Rainer Blasius mit der antifaschistischen Widerstandsgruppe "Rote Kapelle" und erwähnt auch deren Diffamierung als Landesverräter durch BRD-Historiker wie Gerhard Ritter; wäre ja auch interessant zu untersuchen, wie die FAZ seit ihren Anfängen diese u.a. durch Peter Weiss' Roman Ästhetik des Widerstands bekannte Gruppe behandelt hat.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/109335545/

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Günther Anders-Biographie als E-Book

Raimund Bahrs Günther Anders-Biographie ist vor zwei Jahren auf Papier erschienen (vgl.) und liegt nunmehr auch als E-Book vor:

Bahr, Raimund: Günther Anders. Leben und Denken im Wort. epubli, 2012, ISBN: 978-3-8442-2682-9, Preis: 6,99 €, Bestellinfo: https://www.epubli.de/shop/buch/G%C3%BCnther-Anders-Raimund-Bahr-9783844226829/16928

Günther Anders, geborener Stern (1902-1992), zählt zu den wichtigsten deutschsprachigen Philosophen des 20. Jahrhunderts. Sohn des Psychologenehepaars Clara und William Stern. Schüler von Edmund Husserl und Martin Heidegger. Ehemann von Hannah Arendt, Elisabeth Freundlich und Charlotte Zelka. Träger zahlreicher Auszeichnungen.
Seine Texte zu Hiroshima, Auschwitz, Vietnam, seine literarischen Essays zu Kunst und Kultur, seine Theorie zur Medien- und Technikgesellschaft gipfelten schließlich in seinem Hauptwerk Die Antiquiertheit des Menschen und machten ihn zu einem der meistgelesenen Kulturkritiker im deutschsprachigen Raum.
Mit dieser Biographie liegt nun erstmals ein umfassender Blick auf Leben und Werk dieses wichtigen Denkers der österreichischen Geistesgeschichte vor.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/109335012/

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Handbuch Bibliothek 2.0 für Kindle kostenlos

Vielleicht nur noch ein paar Stunden gratis zu haben: Die Kindle-Version des in der Papierversion 65 Euro teuren Handbuch Bibliothek 2.0. Die PDF-Version steht in Form von Einzelkapitel auf der Verlagshomepage Open Access zur Verfügung.

Bergmann, Julia / Danowski, Patrick (Hg.): Handbuch Bibliothek 2.0. Berlin/New York: De Gruyter Saur, 2010.

via Netbib & @PatrickLuerwer

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/109334347/

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Thomas Konicz zur Krise des Kapitalismus

In Telepolis veröffentlicht zur Zeit Tomasz Konicz eine Serie zur Krise des Kapitalismus, in der er u.a. geduldig die verschiedenen von bürgerlichen Medien kolportierten Krisendeutungen auseinandernimmt.

Ein paar seiner wichtigsten Einsichten:

"Wir" haben nicht über unsere Verhältnisse gelebt, wie uns Neoliberale permanent einbläuen - im Gegenteil ist die Gesellschaft zu reich für den Kapitalismus.

(...)

Im Rahmen der bestehenden gesellschaftlichen Konstellation kann die Krise nur verzögert werden, indem Berlin einlenkt und weitere Konjunkturpakete mitsamt Eurobonds auflegt. Die Verschuldungsdynamik könnte so noch eine Zeit lang - vielleicht sogar ein paar Jahre - aufrechterhalten, und so das System notdürftig am Laufen gehalten werden.

(...)

Es herrscht immer größeres Elend, gerade weil immer mehr Waren in immer kürzerer Zeit durch immer weniger Arbeitskräfte hergestellt werden können. Das System erstickt an seiner Produktivität.


Teil 1: Ist es schon zu spät?
http://www.heise.de/tp/artikel/37/37100/1.html

Teil 2: Wer ist schuld am Krisenausbruch?
http://www.heise.de/tp/artikel/37/37150/1.html

Teil 3: Europa als Krisenzentrum
http://www.heise.de/tp/artikel/37/37209/1.html

Teil 4: Demokratie in der Krise
http://www.heise.de/tp/artikel/37/37269/1.html

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/109333954/

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Historypunk zum Marketing in den Wissenschaften

Historypunk, das Weblog von Jo Hawkins, Geschichte-Doktorandin und Expertin für digitales Marketing möchte nicht nur australische Geschichte schmackhaft machen, sondern beschäftigt sich auch mit Strategien des digitalen Medieneinsatzes in den Wissenschaften; ich lese diese als äußerst nützliche Ergänzungen zu meinen eigenen Überlegungen zum Selbstmanagement in der Kontrollgesellschaft. Folgende Beiträge auf historypunk zählen dazu:

*) Help! I don’t have time to blog or tweet

*) Developing your personal digital marketing strategy: A guide for academics

*) 8 reasons why online reputation building can give academics a competitive advantage

*) Socialising Research: How to get your research results noticed and used

*) Advertising in the academy? Maximising research impact in the humanities

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/109333315/

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Konterrevolution, keine Sternstunde

Manche SchriftstellerInnen sind einfach die besseren HistorikerInnen: Da muss ich doch im Standard tatsächlich lesen, dass ein an der Universität Klagenfurt lehrender Historiker den Wiener Kongress als diplomatische Sternstunde der Menschheit betrachtet. Ich halte es mit Michael Scharang, der folgende Analyse im Presse-Spectrum (nachzulesen auch in der aktuellen konkret) veröffentlicht hat:

Als Auftakt zum 19. Jahrhundert formiert sich die größte Konterrevolution der Neuzeit, der Wiener Kongress, und verpestet Europa. Gesellschaftliche Emanzipation Hunderter Jahre wird in kurzer Zeit vernichtet. Die monarchischen Häupter des Kontinents, früher immerfort im Krieg gegeneinander, ermannen sich, den Untergang vor Augen, in einem gemeinsamen Gewaltstreich jede geistige, politische, künstlerischeRegung zu ersticken.
Das System der Zensur, mit dem die Habsburger ihre Länder knebeln, erreicht eine Vollkommenheit, von der heute noch alle schwärmen, die sich Ordnung nur als Verordnung vorstellen können.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/109333152/

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