Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/1022620875/
Heute ist Folge Nr. 89 des Zeitsprung-Podcasts online gegangen, in bewährter Manier verfasst von Daniel Meßner und Richard Hemmer, zum Thema Seelenkonskription die Anfänge der modernen Volkszählungen, ein paar Wortbeiträge stammen von mir.
NPL-Rezension von Wolfgang Göderles „Zensus und Ethnizität“
In der aktuellen Ausgabe von Neue Politische Literatur (61.2016, S.304f) rezensiere ich folgendes Buch:
Göderle, Wolfgang: Zensus und Ethnizität. Zur Herstellung von Wissen über soziale Wirklichkeiten im Habsburgerreich zwischen 1848 und 1910. Göttingen: Wallstein, 2016.
Die wichtigsten Passagen meiner Rezension:
Durchgängiges Merkmal der Arbeit ist die Anwendung des Vokabulars der von Bruno Latour und seinem Team entwickelten Akteur-Netzwerk-Theorie; dieses beherrscht Göderle souverän und setzt es auch systematisch ein; er kann damit überzeugend die Fruchtbarkeit dieses Ansatzes für die Analyse historischen Verwaltungshandelns klarmachen, warum allerdings in einer zentralen Schlussfolgerung plötzlich ein Begriff Lacanscher Psychoanalyse (Herrensignifikant, S.280) Verwendung findet, bleibt unklar, genauso wie die pointilistische Bezugnahme auf den Kittlerschen Begriff der Aufschreibesysteme überflüssig erscheint, da diese an keiner Stelle weiter entfaltet wird.
Generell gilt, dass die vorliegende Studie an einem Missverhältnis zwischen theoretischem Apparat und präsentierten Quellenbefunden leidet: Letztere beruhen in erster Linie auf gedrucktem Material wie Gesetzestexten, Durchführungsbestimmungen, publizierten Sitzungsprotokollen sowie Zeitschriftenartikel und obwohl der Autor an verschiedenen Stellen darauf zu sprechen kommt, dass eine enorme Menge an Archivalien (S. 148, vgl. auch 226) vorliege, injiziert er diese seiner Arbeit nur in sehr homöopathischen Dosen.
[...]
Göderle, Wolfgang: Zensus und Ethnizität. Zur Herstellung von Wissen über soziale Wirklichkeiten im Habsburgerreich zwischen 1848 und 1910. Göttingen: Wallstein, 2016.
Die wichtigsten Passagen meiner Rezension:
Durchgängiges Merkmal der Arbeit ist die Anwendung des Vokabulars der von Bruno Latour und seinem Team entwickelten Akteur-Netzwerk-Theorie; dieses beherrscht Göderle souverän und setzt es auch systematisch ein; er kann damit überzeugend die Fruchtbarkeit dieses Ansatzes für die Analyse historischen Verwaltungshandelns klarmachen, warum allerdings in einer zentralen Schlussfolgerung plötzlich ein Begriff Lacanscher Psychoanalyse (Herrensignifikant, S.280) Verwendung findet, bleibt unklar, genauso wie die pointilistische Bezugnahme auf den Kittlerschen Begriff der Aufschreibesysteme überflüssig erscheint, da diese an keiner Stelle weiter entfaltet wird.
Generell gilt, dass die vorliegende Studie an einem Missverhältnis zwischen theoretischem Apparat und präsentierten Quellenbefunden leidet: Letztere beruhen in erster Linie auf gedrucktem Material wie Gesetzestexten, Durchführungsbestimmungen, publizierten Sitzungsprotokollen sowie Zeitschriftenartikel und obwohl der Autor an verschiedenen Stellen darauf zu sprechen kommt, dass eine enorme Menge an Archivalien (S. 148, vgl. auch 226) vorliege, injiziert er diese seiner Arbeit nur in sehr homöopathischen Dosen.
[...]
Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/1022589838/
Numerusclausus kommt auf seine Rechnung
Finde ich selbstredend begrüßenswert, dass im neuen Asterix (vgl. die lobende Besprechung des Bands "Asterix bei den Pikten" in der FAZ) auch ein römischer Volkszählungskomissär namens Publis Plusminus (frz. Numerusclausus) auftritt; ich verrate hoffentlich nicht zuviel, wenn ich erwähne, dass dieser durchaus seinem registrierenden Begehren nachkommen kann!
Volkszählungen in Ex-Jugoslawien
Über den feinen Unterschied zwischen Bosniern und Bosniaken, Bosanci und Bosnjaci: Ein Artikel in der September-Ausgabe von Le Monde Diplomatique über Volkszählungen in Ex-Jugoslawien, wo nicht alle bereit sind, sich in eine ethnische Schublade zu pressen.
Levitan: Kulturgeschichte der britischen Volkszählung
Wird in der aktuellen Ausgabe der AHR (118.2013/1), doi: 10.1093/ahr/118.1.256 (Paywall) rezensiert:
Levitan, Kathrin: A Cultural History of the British Census: Envisioning the Multitude in the Nineteenth Century. New York: Palgrave Macmillan, 2011. [Verlagsinfo]
Laut Rezensent Rohan McWilliam eine important new study mit original approach, and the result will need to be engaged with by all historians working on modern Britain.; nach ihm vertritt die Autorin a soft Foucauldian thesis that the census offered forms of classification, which proved useful for the state in identifying and controlling the poor, in particular.
Levitan, Kathrin: A Cultural History of the British Census: Envisioning the Multitude in the Nineteenth Century. New York: Palgrave Macmillan, 2011. [Verlagsinfo]
Laut Rezensent Rohan McWilliam eine important new study mit original approach, and the result will need to be engaged with by all historians working on modern Britain.; nach ihm vertritt die Autorin a soft Foucauldian thesis that the census offered forms of classification, which proved useful for the state in identifying and controlling the poor, in particular.
Matthew Hannah zum Volkszählungsboykott in der BRD
Larry Frohman hat bei der letzten September in London abgehaltenen Tagung Cultures of Surveillance einen Vortrag zum westdeutschen Volkszählungsboykott von 1983/1987 gehalten und ist daher nur zu berufen, für die aktuelle Ausgabe von Central European History (doi:10.1017/S0008938912000271) folgendes Buch zu rezensieren:
Hannah, Matthew: Dark Territory in the Information Age: Learning from the West German Census Controversies of the 1980s. Surrey: Ashgate, 2010.
Besonders aufschlussreich ist Frohmans Rekapitulation von Hannahs Schlusskapitel, das u.a. den "harten Boykott" der VolkszählungsgegnerInnen behandelt und in diesem Lehrreiches für einen Umgang mit heutigen, zumeist privaten DatensammlerInnen findet:
The final chapter recounts the ultimately successful efforts of state officials to take back their territory by deploying all of the weapons at their disposal to repress a boycott that they regarded as an essentially criminal, unconstitutional enterprise (p. 157). Here, Hannah focuses on the Berlin variant of the hard boycott strategy, that is, the strategy by which protesters were to accept the census forms from the enumerators, clip off the identifying code, and return the anonymized forms to central collection points, where a constantly growing running total would, the protesters believed, encourage those who opposed the census, but who feared the consequences, to join in in ever greater numbers until the entire census collapsed. On the one hand, Hannah agrees with those contemporary critics who argued that this strategy ultimately made it easier for officials to identify and pick off isolated protesters. On the other hand, however, Hannah arguesand in so doing he moves in the conclusion from a historical account of the boycotts to political theorizing about what we can learn from themthat such a strategy may well offer a model for contesting the collection and use of personal information in the age of the Internet. Hannah argues with a certain degree of plausibility that the central collection agency, by interposing itself as an anonymizing institution between the citizen and the information bureaucracy, represented an archetype of those companies that allow people to browse the Internet and send e-mail anonymously. He then goes on to suggest that such agencies might evolve into the institutional basis for the collection of personal information, for the active, participatory representation of these alternative forms of social knowledge, and, ultimately, for new forms of informational citizenship.
Hannah (Aberystwyth University) verwendet auch anscheinend recht spannende Stasi-Akten zum Thema; die vom BND dürfte es ja wohl für einige Zeit für die Forschung noch nicht geben, wenn sie überhaupt erhalten bleiben und nicht geschreddert werden ;-)
Was Frohmann leider nicht thematisiert, ist die absurde Preisgestaltung des 276-seitigen Buchs, das nur in einer Papierversion erhältlich ist: Knapp 125 Dollar für die von ihm besprochene Fassung, bei Amazon.de ist es immer noch um etwas mehr als 80 Euro zu haben, auf der Verlagshomepage um 58,50 Pfund; für eine weite Verbreitung ist dies nicht gerade förderlich.
Hannah, Matthew: Dark Territory in the Information Age: Learning from the West German Census Controversies of the 1980s. Surrey: Ashgate, 2010.
Besonders aufschlussreich ist Frohmans Rekapitulation von Hannahs Schlusskapitel, das u.a. den "harten Boykott" der VolkszählungsgegnerInnen behandelt und in diesem Lehrreiches für einen Umgang mit heutigen, zumeist privaten DatensammlerInnen findet:
The final chapter recounts the ultimately successful efforts of state officials to take back their territory by deploying all of the weapons at their disposal to repress a boycott that they regarded as an essentially criminal, unconstitutional enterprise (p. 157). Here, Hannah focuses on the Berlin variant of the hard boycott strategy, that is, the strategy by which protesters were to accept the census forms from the enumerators, clip off the identifying code, and return the anonymized forms to central collection points, where a constantly growing running total would, the protesters believed, encourage those who opposed the census, but who feared the consequences, to join in in ever greater numbers until the entire census collapsed. On the one hand, Hannah agrees with those contemporary critics who argued that this strategy ultimately made it easier for officials to identify and pick off isolated protesters. On the other hand, however, Hannah arguesand in so doing he moves in the conclusion from a historical account of the boycotts to political theorizing about what we can learn from themthat such a strategy may well offer a model for contesting the collection and use of personal information in the age of the Internet. Hannah argues with a certain degree of plausibility that the central collection agency, by interposing itself as an anonymizing institution between the citizen and the information bureaucracy, represented an archetype of those companies that allow people to browse the Internet and send e-mail anonymously. He then goes on to suggest that such agencies might evolve into the institutional basis for the collection of personal information, for the active, participatory representation of these alternative forms of social knowledge, and, ultimately, for new forms of informational citizenship.
Hannah (Aberystwyth University) verwendet auch anscheinend recht spannende Stasi-Akten zum Thema; die vom BND dürfte es ja wohl für einige Zeit für die Forschung noch nicht geben, wenn sie überhaupt erhalten bleiben und nicht geschreddert werden ;-)
Was Frohmann leider nicht thematisiert, ist die absurde Preisgestaltung des 276-seitigen Buchs, das nur in einer Papierversion erhältlich ist: Knapp 125 Dollar für die von ihm besprochene Fassung, bei Amazon.de ist es immer noch um etwas mehr als 80 Euro zu haben, auf der Verlagshomepage um 58,50 Pfund; für eine weite Verbreitung ist dies nicht gerade förderlich.
Matriken aus Tschechien und Österreich
Actapublica stellt Digitalisate von Kirchenbüchern aus tschechischen und österreichischen Gemeinden zur Verfügung; Hier z.B. der Eintrag aus dem Hradischer Sterbebuch mit dem von der Konskriptionskommission verfassten Vermerk, dass das Buch bis Ende Oktober 1770 extrahiert wurde.
15.000 Jedi-RitterInnen bei tschechischer Volkszählung
Interview mit Juli Zeh zur Volkszählung
Ein längeres Interview mit der Schriftstellerin und Juristin Juli Zeh - sie verfasste u.a. mit Ilija Trojanow die Schrift Angriff auf die Freiheit. Sicherheitswahn, Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte - zu Sinn und Unsinn der Volkszählung hat das Humboldt Forum Recht veröffentlicht.
[via zensus11@twitter ]
[via zensus11@twitter ]
Volkszählungsproteste in BRD in 1980ern
Sehr schön, Michael Schmalenstroer arbeitet gerade an einer Masterarbeit zu den Volkszählungsprotesten in der BRD in den 1980er Jahren und sieht in seinem Blogbeitrag Parallelen zur heutigen Diskussion.