Zur Aktenkunde des Wannsee-Protokolls (1)

Es ist das berüchtigtste Aktenstück der Geschichte. Niemand von klarem Verstand bestreitet seine Echtheit. Aber um seinen genauen Ort in der Geschichte des Völkermords an den europäischen Juden debattiert die seriöse Wissenschaft noch. Andererseits hat die aktenkundliche Untersuchung von Dokumenten des Holocausts im vergangenen Jahr einen mächtigen Schub durch die Online-Tutorien der ERHI erhalten. Wie man sich diesem Stück aktenkundlich nähern kann, möchte ich in einer dreiteiligen Serie demonstrieren.

Das Ziel

Warum eine aktenkundliche Beschäftigung mit dem Wannsee-Protokoll? Wenige Einzeldokumente wurden in der Geschichtswissenschaft so intensiv erforscht. Und es ist mehr als eine Geschichtsquelle:

  • Es ein Sinnbild, das in der maximalen Verdichtung eines Satzes das Mordprogramm enthält.

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Quelle: https://aktenkunde.hypotheses.org/818

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Genschers Marginalien – ein Rätsel (2)

Es ist Zeit zur Auflösung des kleinen paläographischen Rätsels von letzter Woche. Im Archivwesen geht Qualität ja immer vor Quantität … besteht da noch Einigkeit? Es gab drei Einsendungen, und schon die erste war fast richtig.

Vorgestern (23. 1. 2018) wurde u. a. in der Frankfurter Allgemeinen der Tag der Handschrift gefeiert und wie seit 100 Jahren vor der Bedrohung der Kultur durch die Tastatur gewarnt. Als ob man, sehr bald schon, überhaupt noch irgendwelche Schriftzeichen erzeugen müsste, um sich im Alltag zurechtzufinden.

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Quelle: https://aktenkunde.hypotheses.org/799

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Genschers Marginalien – ein Rätsel (1)

Randbemerkungen – vornehmer: Marginalien – sind eine Quellengruppe für sich. Sie sind Vermerke oder Verfügungen, die an den Rand eines Schriftstücks oder zwischen die Zeilen, neuerdings auch auf Klebezettel oder sonst wohin gekritzelt werden.

Entscheidungsträger bewerten damit die Informationen und Empfehlungen, die ihnen der nachgeordnete Apparat vorlegt, und steuern das weitere Vorgehen. Für die Geschichtswissenschaft sind die Randbemerkungen oft wichtiger als das Schriftstück auf dem sie stehen. Paradebeispiele, die uns hier schon beschäftigt haben, sind die Marginalien Wilhelms II. betr. den Baron Fredericks bzw. das Aufräumen mit den Serben aus der Julikrise 1914.



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Quelle: http://aktenkunde.hypotheses.org/787

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Gaddafis undiplomatischer Schriftverkehr

Ich komme derzeit wenig zum bloggen, aber das hier muss sein. Das Österreichische Staatsarchiv erinnerte vor ein paar Tagen auf Twitter an die abstruse Weihnachts- und Neujahrsbotschaft, die Gaddafi 1978 dem österreichischen Bundespräsidenten und wohl noch weiteren westlichen Staatsoberhäuptern angedeihen ließ. Die Website des Österreichischen Staatsarchivs bietet dazu Kontextinformationen und die Fundstelle. Nicht soviel trinken, sondern die Bibel lesen, um Christi Geburt zu würdigen, ist der Rat des moralphilosophischen Universalgenies. Undiplomatischer Inhalt, aber diplomatische Form. Dazu ein paar Bemerkungen.

Der Diplomatische Schriftverkehr ist in seinen traditionellen Formen ein ganz sympathisches Relikt aus entschleunigter Zeit. Das zeigen schon die Bezeichnungen der Schriftstücktypen an: Note, Verbalnote, Aide-Memoire, Non-Paper… Auch Fachleute für politische Kommunikation geraten da schon einmal ins Schleudern.



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Quelle: http://aktenkunde.hypotheses.org/777

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Der Geschmack des Archivs. Heute: Salz

Arlette Farges Der Geschmack des Archivs (frz. 1989, dt. 2011) ist ein Klassiker des kulturwissenschaftlich erweiterten Archivdiskurses. In vielen Aspekten der Archivpraxis ist er zwar nicht aktuell (Kröger 2011) und der Diskurs hat, weil er sich ja am Leben halten muss, auch theoretische Defizite entdeckt (Lepper/Raulff 2016, S. 5). Farges Verdienst bleibt aber, lange vor dem material turn , die subjektive Erkenntnis, wie die sinnlichen Überraschungen beim Umgang mit archivierten Akten, seien sie fragil, schmutzig oder schwer lesbar, die historische Arbeit beeinflussen: von den Sinneseindrücken verlangsamt, fühlt sich das Vorstellungsvermögen in das hinein, was es für die Lebenswelt der Verfasser und Betroffenen der Aktenstücke hält (Farge 2011: 19).

Vom „Geschmack“ redet Farge also metaphorisch. Wir wollen ihn aber wörtlich werden. Stellen wir uns vor, wir wären ein Papierfischchen, neue Nemesis des Papier-Archivs, und bissen herzhaft in ein ganz bestimmtes Schriftstück…



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Quelle: https://aktenkunde.hypotheses.org/768

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