Personalstrukturen: Vorschläge der Jungen Akademie zur Weiterentwicklung der Universität

Man mag versucht sein (ich bin es jedenfalls), immer nur zu Themen zu schreiben, in denen man sich seine Meinung schon gebildet hat. Das fällt aber auch einmal schwer. So hat mich ein guter Kollege auf das Papier der Jungen Akademie: “Nach der Exzellenzinitiative: Personalstruktur als Schlüssel zu leistungsfähigeren Universitäten” (http://www.diejungeakademie.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/Personalstruktur_2013.pdf) aufmerksam gemacht. Darin fordern Mitglieder und Alumni/Alumnae der Jungen Akademie, das Lehrstuhlprinzip abzuschaffen, in dem Professoren im Rahmen ihrer Lehrstühle Mitarbeiter/innen zugeordnet sind, die Mitarbeiterstellen weitgehend durch Professuren zu ersetzen und so die Perspektiven von Nachwuchswissenschaftlern und von Universitäten im Ganzen zu stärken.

Die Argumente überzeugen nicht immer. Der Befund, dass viele deutsche Wissenschaftler ins Ausland gehen, ist nicht zwingend ein Beleg für die Unattraktivität der deutschen Universitäten als vielmehr zunächst ein Ausweis von Exportstärke: Offenbar treffen diese “Outgoings” auf Wissenschaftsmärkte, die ihnen Wissenschaft in hohem Maße zutrauen. Anderes ist aber durchaus nachvollziehbar: Dass etwa nur 20% derArbeitszeit eines Professors/einer Professorin für Forschung aufgewendet wird, während durchschnittlich 40% der Zeit in Begutachtungen, Drittmittelakquise und Verwaltung gehen, mag statistisch etwas grob aussehen, in der Tendenz aber stimmen. Die Universitäten haben bereits begonnen, hierauf zu reagieren, indem Unterstützung in der Drittmittelakquise aufgebaut und die Verwaltung (meist als “Management” tituliert) professionalisiert wird.

An diesem Punkt möchte man als Studienmanager gleich ansetzen: Gerade an gut organisierten Universitäten entwickeln sich im Zuge der Professionalisierung des Wissenschaftsmanagements auf allen Ebenen Expertenkulturen, die weder in der Lehrstuhllandschaft noch in den Gremien der Gremienuniversität in irgendeiner Weise strukturell eingebunden sind. Die Reaktion auf diese wachsende, professionelle Expertise ist häufig die strukturelle Ausdifferenzierung (meint: die Schaffung neuer Gremien außerhalb der nach Landeshochschulgesetzen bereits etablierten Gruppengremien) und die Einberufung von ad-hoc-Gremien – also genau das, was man soziologisch wohl erwarten würde. Eine strukturelle Antwort auf diese Entwicklungsprozesse gibt es noch nicht. Und hier spätestens zögere ich auch wirklich mit einer eigenen Meinung, denn an diesem Punkt kollidieren Demokratie und Partizipation (die ihren Ausdruck bisher in der Gremienstruktur finden) und die Ansprüche der natürlich nicht demokratisch legitimierten Profis mit technischer, administrativer oder rechtlicher Expertise.

Auf anderen ebenen lässt sich jedoch schon eine Auflösung des Lehrstuhlprinzips beobachten, wenn auch nicht im Sinne der Karikatur, die die Junge Akademie teilweise zeichnet. So hat die Auflösung der alten Studiengänge und die Entwicklung modularisierter Studienprogramme durchaus vielerorts dazu geführt, dass Professor/innen, Mitarbeiter/innen und Studierende lehrstuhlübergreifend Programme ausarbeiten und weiterentwickeln. Das passiert im Historischen Seminar der JGU seit vielen Jahren sehr konstruktiv. Das Lehrstuhlbild der Jungen Akademie hat hier also nicht gegriffen. Ob eine andere Struktur mit fast nur Professuren wesentlich andere (und bessere) Ergebnisse in einem Kernbereich universitäter Aktivität gezeitigt hätte, weiß ich nicht. Aber das Papier zielt auch eher aufBerufsperspektiven und Forschung – sicherein Manko des Papiers, das ja die Universitäten im Ganzen anspricht.

Das System, das die Junge Akademie im Blick hat, scheint zudem – und vielleicht tue ich dem Papier hier Unrecht – auf eine forschende Postgrad-Phase ohne Lehre (etwa in Projekten) und dann eine Professur mit entsprechend professoralem Lehrdeputat hinauszulaufen. Hier würde ich dann ganz ernsthaft didaktische Einbußen in der Lehre befürchten. Der Universität würde das mittelfristig nicht guttun.

Vieles andere in dem besprochenen Papier bin ich geneigt zu teilen. Dass solche Vorschläge überhaupt in einer so prominenten Form auf den Tisch kommen, ist ja auch ein Hinweis darauf, dass die Universitäten in ihrer Weiterentwicklung an systemische Grenzen stoßen und manches dysfunktional wird. Man darf gespannt sein, in welche Richtung diese Diskussionen gehen werden.

Quelle: http://geschichtsadmin.hypotheses.org/166

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2014-2018. Flanders Fields – 100 Jahre Erster Weltkrieg in Flandern

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Vier lange Jahre waren die „Flanders Fields“ der dramatische Schauplatz für einige der blutigsten Kämpfe des Ersten Weltkrieges. Die friedliche Landschaft mit ihren Bauernhöfen und Feldern verwandelte sich 1914 in ein Schlachtfeld. Dieser erste internationale Konflikt auf Weltebene betraf nicht nur europäische Bürger; Länder der ganzen Welt, die als Kolonien, Herrschaftsgebiete, Protektorate und Hoheitsgebiete eine enge Beziehung zu Europa unterhielten, waren darin verwickelt.

Eine Million Soldaten wurden verwundet, getötet oder als vermisst gemeldet und Abertausende Bürger verloren ihr Zuhause und mussten fliehen. Der Krieg verwüstete ganze Städte und Dörfer oder machte sie dem Erdboden gleich. Auch heute noch ist die Landschaft von den Spuren des Krieges gezeichnet. Hunderte Denkmäler, Gedenkstätten und Friedhöfe prägen ihr Gesicht und sind für Menschen in der ganzen Welt von großer historischer Bedeutung. Die Besucher können eine Vielzahl interaktiver Museen in dieser Region besuchen, die ihnen zahlreiche Aspekte des Konflikts – die Schlachten, die Beeinträchtigung des Alltags oder die weitreichenden Folgen der Kriegsgewalt – näher erläutern.

Zeremonien wie der tägliche Zapfenstreich („Last Post“) in Ypern oder der ANZAC Day (die jährliche Ehrung des „Australian and New Zealand Corps“) halten die Erinnerung an die Gefallenen wach und sind Ausdruck des brennenden Verlangens nach Frieden.

2014 beginnen in Flandern die Gedenkfeiern zum Ersten Weltkrieg. Die flämische Regierung hat unter dem Titel 100 JAHRE ERSTER WELTKRIEG IN FLANDERN ein vierjähriges Veranstaltungsprogramm gegen das Vergessen ausgearbeitet. Flandern lädt Sie ein, die Opfer dieses Krieges zu ehren und über Frieden und Verständigung nachzudenken.

In dieser Broschüre finden Sie eine Übersicht aller Veranstaltungen, die im Rahmen der Gedenkfeiern 2014-2015 stattfinden:

Flandern_100_Jahre_Erster_Weltkrieg

Quelle: http://1914lvr.hypotheses.org/900

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Von Graffitis und Obdachlosen. Oder: Wie beeinflusst die Wahrnehmung von (sozialer) Unordnung unserer Wohnortwahl? – Von Claas Pollmanns

Bezirke, in denen die Bewohner_innen nachts die Straßen aus Furcht vor Kriminalität oder Straftaten meiden, lassen sich wahrscheinlich in vielen deutschen Großstädten finden. Der Prozess des Stadtverfalls und der steigenden Kriminalität wird in der Diskussion um urbane Entwicklungen gerne in … Continue reading

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/5851

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App “Die Berliner Mauer”

[Autorin: Sabrina Büning | Studierende | Universität Duisburg-Essen]

Digitale Medien gehören im Jahr 2013 sowohl für Erwachsene als auch für Kinder und Jugendliche zum Alltag. Ein mittlerweile gängiges und vielgenutztes Format stellen Apps für mobile Endgeräte wie Smartphones und Tablets dar. Die Bundeszentrale für politische Bildung (Bonn) hat anlässlich des 50. Jahrestages des Mauerbaus in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für zeithistorische Forschungen (Potsdam) die kostenlose Berliner-Mauer-App veröffentlicht, welche seine Nutzerinnen und Nutzer während eines Aufenthaltes in Berlin zu zahlreichen historischen Orten rund um die Berliner Mauer navigiert. Sie enthält bereits vorprogrammierte Touren mit festgelegten Stationen, jedoch können auch eigene Touren individuell zusammengestellt werden. Des Weiteren existiert auch ein Entdeckermodus, mit dem sich die Nutzerin oder der Nutzer auf Mauerüberreste in seiner unmittelbaren Umgebung aufmerksam machen lassen kann. Dieses Herzstück der App kann jedoch nur in vollem Umfang genutzt werden, wenn sich die Nutzerin oder der Nutzer in Berlin aufhält. Da die App neben den Touren jedoch auch zahlreiche Bild-, Ton- und Textmaterialien bereit hält, ist es zudem möglich, die App zum Beispiel im Geschichtsunterricht zu verwenden, ohne dass eine Anwesenheit in Berlin von Nöten wäre.

Die App ist sowohl mit Smartphones, die mit einem IOS-Betriebssystem ausgestattet sind als auch mit Android-Phones kompatibel. In Verbindung mit der Mauer-App gibt es weiterhin eine Webseite (www.chronik-der-mauer.de), die in den Rubriken Chronik, Grenze, Todesopfer, Material und Lernen weiteres detailliertes Infomaterial zu der Berliner Mauer bietet.

Was bietet die App seinen Nutzerinnen und Nutzern neben den Touren?

Die App beinhaltet einige weitere Funktionen, die jederzeit aufgerufen und genutzt werden können. Sie enthält beispielsweise eine Karte, die den Verlauf der Mauer aufzeigt und darüber hinaus mit Symbolen versehen ist. Die verschiedenen Symbole zeigen dem Anwender historische Orte und Sehenswertes, Informationen zur Flucht, Mauerspuren, Ausstellungen und Denkmäler sowie (ehemalige) Grenzübergänge. Zu allen in der App angesprochenen Orten gibt es eine textuelle Erläuterung, die durch Fotostrecken und Tonmaterial (z.B. in Form von Reportagen) ergänzt wird. Zudem erhält die App das Video “Eingemauert – die innerdeutsche Grenze”. Es zeigt einen etwa zehnminütigen animierten und kommentierten Film, der dem Nutzer den Aufbau und die verschiedenen Zonen der Mauer aufzeigt.

Wie sinnvoll ist die Nutzung der App im Geschichtsunterricht ohne Aufenthalt in Berlin?

Obwohl die Hauptfunktion der App (außer in Berlin) im Klassenzimmer nicht verwendet werden kann, gibt es dennoch Möglichkeiten, im Geschichtsunterricht auf die App zurückzugreifen und gleichzeitig die digitale Medienkompetenz der Klasse zu schulen. Die interaktive Karte mit dem Mauerverlauf kann aufgerufen werden, um den Schülerinnen und Schülern den Verlauf der Mauern in Berlin entdecken zu lassen. Die kurzen Texte, die es zu jeder Station gibt, eignen sich gut, um einen ersten Eindruck von einem Thema zu erhalten (z.B.: Was ist das Brandenburger Tor?). Die zu dem Text passenden Fotostrecken veranschaulichen den Inhalt. Die Tondokumente, die zum Großteil aus Ausschnitte von Reportagen bestehen, erweisen sich als weniger für die Verwendung im Unterricht geeignet, da sie überwiegend monoton wirken und keinen roten Faden bzgl. eines Themas erkennen lassen. Besonders empfehlenswert ist jedoch das Video, da es den Aufbau und die Funktionen der Mauer sehr anschaulich darstellt und erklärt. Obwohl nicht alle Funktionen der App sinnvoll in den Unterricht integriert werden können, haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, diese außerhalb der Schule zu verwenden und sich mit den nicht behandelten Themen auseinandersetzen und weitere Informationen zu einem Thema ihrer Wahl zu sammeln.

Da nahezu alle Schülerinnen und Schüler mittlerweile ein Smartphone besitzen und mit dessen Bedienung vertraut sind, kann die App problemlos im Unterricht eingesetzt werden.

Aus diesen Gründen kann die Verwendung der App im Geschichtsunterricht insgesamt als empfehlenswert angesehen werden, auch wenn sie die Schülerinnen und Schüler nicht in Berlin aufhalten, um die Touren der App zu nutzen.

Quelle: http://zwopktnull.hypotheses.org/118

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Vom Essen und vom Trinken in China (II): Essstäbchen

Bisweilen als das zweifellos typischste Zubehör der chinesischen Küche bezeichnet[1], reicht die Verwendung  von Stäbchen  bis in vorgeschichtliche Zeit zurück. Seit rund zweitausend Jahren werden sie auch beim Essen verwendet – chinesische Gerichte werden traditionell klein geschnitten aufgetragen. Für die Stäbchen gab es im Laufe der Zeit unterschiedliche Begriffe – darunter auch den Begriff kuaizi 快子.  Erst im 20. Jahrhundert wurde dabei dem Zeichen kuai 快 (“schnell”) auch der Bestandteil für “Bambus” (zhu 竹) hinzugefügt, sodass daraus kuaizi 筷子 wurde.[2].  Diese Essstäbchen sind

„ein vielseitiges, in ihren Konsequenzen als technische Weichenstellung für die materielle Kultur Chinas erst wenig erforschtes Instrument. Mit Stäbchen zelebrieren Menschen aus China bewußt oder unbewußt ihr Chinesisch-Sein.“[3]

A Pair of Chopsticks

Ein Paar Essstäbchen – Foto: Georg Lehner 

Heute meist aus Bambus, Holz und – in den letzten Jahrzehnten – zunehmend aus Kunststoff hergestellt, wurden im Laufe der Geschichte auch Luxusausführungen aus Jade, Elfenbein, Achat, Gold oder Silber gefertigt, wobei neben edlen Materialien auch auf die Verzierung großer Wert gelegt wurde. Vor allem Stäbchen aus Silber waren im kaiserlichen China bei Angehörigen der Oberschicht beliebt, ließen sich dadurch angeblich mit Arsen vergiftete Speisen erkennen. Heute weiß man jedoch, dass Silber auf Arsen und Zyanid nicht reagiert.[4] Eine der Theorien über die Erfindung der Stäbchen betont deren Gefahrlosigkeit, da sich ein Gast damit keinerlei Verletzungen zuziehen kann. Schon Konfuzius hatte sich gegen den Gebrauch von Messern während des Essens ausgesprochen.[5]

Die beim Essen verwendeten Stäbchen sind etwa 25 cm lang. Beim Kochen werden deutlich längere Stäbchen verwendet. Abgesehen von den Suppen, für die Löffel aus Porzellan verwendet werden, lassen sich damit alle Gerichte der chinesischen Küche problemlos essen. Während eines der Stäbchen in der Beuge zwischen Daumen und Zeigefinger liegt und am unteren Ende mit dem Ringfinger abgestützt wird ist das zweite – das zwischen Daumen, Zeige- und Mittelfinger gehalten wird – frei beweglich.

Für die Handhabung der Essstäbchen gibt es auch zahlreiche kulturgeschichtlich interessante Anweisungen. Ganz wichtig ist es, die Stäbchen nach dem Essen “nie in die Eßschale [zu] legen, weil man das so beim Kult der Ahnen tut. Es würde Unglück bringen.”[6]

Die allgemeine Verbreitung der Essstäbchen führte dazu, dass 1986 und 2006 Abgaben auf Einwegstäbchen aus Holz eingeführt beziehungsweise erhöht wurden, um die Abholzung von Birken- und Pappelbeständen einzudämmen. Pro Jahr werden in China 45 Milliarden Paar Stäbchen verbraucht, wofür 25 Millionen Bäume benötigt werden. In jüngster Zeit wurde zwar damit begonnen, “umweltfreundliche” Stäbchen aus Maisstärke herzustellen, deren Herstellung ist jedoch nach wie vor wesentlich teurer als die der Holzstäbchen.[7]

  1. Vgl. etwa Ronald G. Knapp: Things Chinese. Antiques – Crafts – Collectibles (North Clarendon VT, 2011) 88.
  2. Vgl. den historischen Abriss bei Endymion Wilkinson: Chinese History. A Manual. Revised and Enlarged (Cambridge MA, 2000) 646 f.
  3. Mareile Flitsch: “Westküche mit Eßstäbchen”. Überlegungen zur sozial-technischen Wahrnehmung der Welt im modernen chinesischen Alltag. In: Raimund Th. Kolb, Martina Siebert (Hg.), Über Himmel und Erde. Festschrift für Erling von Mende (Abhandlungen für die Kunde des Morgenlandes LVII,3, Wiesbaden: Harrassowitz, 2006) 127-151, hier 127 (mit weiteren Literaturhinweisen).
  4. Vgl. dazu u.a. den Menüpunkt “Chopsticks” unter: Califormia Academy of Sciences, Institute for Biodiversity Science and Sustainability, History of Eating Utensils sowie unter smithsonianmag.com im “Food and Think”-Blog den Beitrag The History of Chopsticks (5 August 2009).
  5. Vgl. Asian Art Mall: “Chopsticks. History and Legend”.
  6. Wolfram Eberhard: Lexikon chinesischer Symbole. Die Bildsprache der Chinesen (München, 5. Aufl. 1996), 78 (“Eßstäbchen”).
  7. Knapp: Things Chinese, 89.

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/913

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Nelly Labère (Bordeaux): Das ‘Gesamtwerk’ denken – ein mittelalterliches Paradox?

deutschsprachige Zusammenfassung des Vortrages vom 16. Dezember 2013: “Penser l’œuvre complète – un paradoxe pour le Moyen Age ?” Lässt sich im Mittelalter bereits die Idee eines ‚Gesamtwerkes‘ denken? Dies ist die Frage, mit welcher wir uns im Laufe unserer … Continue reading

Quelle: http://jeunegen.hypotheses.org/1133

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Philologie für die Zukunft

von Laura Hofmann / Forum Transregionale Studien

Das Studium von alten Texten kann Mentalitäten ändern, sagt Sheldon Pollock (Arvind Raghunathan Professor of South Asian Studies, Columbia University, USA). Im Interview mit dem Journalisten Arno Widmann erklärt der amerikanische Sanskritforscher, wie Zukunftsphilologie „Schurken“ bekämpft und was Berlin als Wissenschaftsstandort dazu beitragen kann. Pollock war auf Einladung des Forum Transregionale Studien nach Berlin gekommen. Das komplette Interview ist in der Berliner Zeitung vom 23./24. November 2013 erschienen.

Sheldon Pollock Oktober 2013

Sheldon Pollock – Jahresvortrag Forum Transregionale Studien 2013

English abstract: The study of old texts can change mentalities, says Sheldon Pollock. The Sanskrit scholar and University professor at Columbia explains in an interview with the journalist Arno Widmann, how Zukunftsphilologie can fight “villains” and how Berlin as a city of sciences can contribute to that. Pollock followed an invitation of the Forum Transregionale Studien to come to Berlin and be the guest speaker at the annual conference of the Forum and the Max Weber Stiftung in October 2013. 

Pollock argues that by studying history – the memory of a people – one can actually influence the future. In his opinion, reading slowly and carefully helps identifying why people have certain ideas of the world and the society, like for example the idea of the Indian society divided in castes. To change these phenomenoa “you have to criticize them. Not only with the idea of equality, but also by analyzing the formation of the mentality”, says Pollock.

He wants the city of Berlin with its big philological tradition to build up a center of philology in which philologists from all over the world could work together: “Philology not as a science of the national state, but as a global trade […] That would be the establishment of a new science.”

Was ist Philologie? Für Sheldon Pollock, Sanskritprofessor an der Columbia University in New York, ist es vor allem eins: Langsam lesen. Diese Worte wiederholt er oft – langsam und auf Deutsch – während des Jahresvortrags des Forum Transregionale Studien am 17. Oktober 2013 in Berlin. Das Interview fand am Rande der Jahrestagung des Forums und der Max Weber Stiftung vom 18. und 19. Oktober 2013 im Berliner Musikinstrumenten-Museum statt.

Im Gespräch mit Widmann erklärt Pollock genauer, was es mit dem langsamen Lesen auf sich hat: „Die Schurken erzählen einem, Gott habe die Unberührbaren für unberührbar erklärt. Die Philologie kann erzählen, wann und warum diese Vorstellung in die Bücher kam, die dann zu heiligen Texten wurden.“

Pollock zog es für seine Forschung nach Indien, sein Interesse an Geschichte sei nie nationalistisch gewesen, sagt er, sondern er sei neugierig, wie es anderswo zugehe, wie es zu anderen Zeiten zuging. „In Indien gibt es eine lange, gut dokumentierte Reflexion über alle Fragen des menschlichen Bewusstseins (…) eine dreitausend Jahre alte Überlieferung von unzähligen Texten, die sich alle Gedanken machen über Sprache und Denken – das gibt es zum Beispiel in Brasilien nicht.“

Es geht Pollock um das Hinterfragen des scheinbar Eindeutigen, darum, Gedächtnis und Erinnerung eines Volkes zu untersuchen. Warum haben sich manche Texte erhalten, welchen Nutzen sahen die Menschen darin? „Warum betrieb man so viel Aufwand dafür und warum vielleicht noch mehr Aufwand, um andere Texte zu zerstören?“ Das sind Fragen, die sich Sheldon Pollock stellt. „Das ist meine Art von Zukunftsphilologie.“ Sie studiert durch alte Texte die Vergangenheit, ist aber immer auf die Zukunft bedacht: „ Ich bin nicht an der Geschichte interessiert, um einer goldenen Vergangenheit nachzutrauern, sondern um dabei helfen zu können, eine bessere Zukunft zu schaffen“, sagt Pollock.

Eine bessere Zukunft – um dieses Ziel zu erreichen, muss man die Köpfe der Menschen erreichen, davon ist Pollock überzeugt. Er bezieht sich auf die Stellung der Unberührbaren in Indien und sagt: „Es gibt eine Verfassung, es gibt Gesetze. Wenn es danach ginge, wären sie gleichberechtigt. Aber es gibt auch Mentalitäten.“ Diese sind häufig festgefahren und schwer zu ändern. Was kann man also tun? „Man muss es kritisieren. Nicht nur mit der Idee der Gleichheit, sondern auch durch die Analyse des Zustandekommens dieser Mentalität“, argumentiert Pollock. Und hier sind wir wieder beim „langsamen Lesen“ angelangt: „Um die Vorstellungen [des Kastendenkens] in den Köpfen aus den Köpfen zu bekommen […] Dabei hilft das genaue, das kritische Lesen.“

Dass immer weniger Leute klassische indische Sprachen sprechen, beunruhigt Sheldon Pollock: „Dieses Wissen ist dabei auszusterben“, und damit sterben ganze Kapitel indischer Geschichte aus. Die Inder, die ganz vorne bei der Software-Revolution dabei sind, seien meist Brahmanen, „Kinder und Enkel derer, die noch jahrelang Sanskrit – eine komplexe Grammatik mit subtilen Unterscheidungen – studiert haben. […] Sie sollten beides machen: Sanskrit und den binären Code“, fordert der Professor. Und er sieht auch Berlin in der Pflicht: „Die Berliner Universität hat die größte moderne philologische Tradition weltweit. Berlin sollte ein zeitgemäßes Zentrum der Philologie aufbauen, einen Ort, an dem Philologen aus aller Welt zusammenarbeiten. Philologie nicht als Wissenschaft des Nationalstaates, sondern als globales Handwerk. […] das wäre ein riesiger Schritt. Glauben Sie mir: Es wäre die Etablierung einer neuen Wissenschaft.“

Quelle: http://trafo.hypotheses.org/372

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Oberbayerisches Archiv 137 (2013) erschienen

Druckfrisch fand ich heute bei mir im Briefkasten den 137. Band des Oberbayerischen Archivs, der Zeitschrift des Historischen Vereins von Oberbayern, vor. Darin enthalten ist ein bunter Reigen interessanter Beiträge:

Josef H. Biller, Das tragische Ende eines Frühvollendeten. Der Müncher Kupferstecher Johann David Curiger (1707-1737) – Herkunft, Leben und Werk, 9-63

Der Beitrag behandelt den bisher weitgehend unbekannten Münchner Kupfersticher Johann David Curiger, der 1707 in Augsburg als Sohn eines aus Einsiedeln in der Schweiz stammenden Schreiners geboren wurde. Ab 1734 war Curiger in München tätig. Intensiver behandelt wird u. a. die Tätigkeit für das Kloster Ettal. Das Werkverzeichnis enthält 13 Nummern, hinter denen sich teilweise auch Kupferstichzyklen verbergen. Tragisch ist Curigers Ende, da er sich das Leben nahm.

Richard Bauer, Held und Herzensbrecher. Die illustrierten militärischen und privaten Erinnerungsblätter von Wunibald Henzler (1750-1822), 64-75

Der Historische Verein von Oberbayern verwahrt in seinen Sammlungen ein Konvolut von 100 meist farbigen Zeichnungen von Wunibald von Henzler aus den Jahren 1785-1805. Henzler stammte aus Eglofs diente in der kaiserlichen, österreichischen Armee. Seine Zeichnungen entstanden größtenteils während der Koalitionskriege und wurde 1805 in den Ruhestand versetzt. Er starb 1822 in Friedeck bei Teschen (Österreichisch-Schlesien). Die Nachfahren schenkten die Bilder 1889 dem Historischen Verein. Die Zeichnungen des Autodidakten entstanden während seiner aktiven Militärzeit. Sie zeigen Landschaften, Kriegszenen und Ortsansichten, aber auch Frauen und Liebesszenen, entsprechend der damaligen Auseinandersetzungen zeigen sie Szenen am Balkan, Frankreich, Flandern, Italien, Schlesien, Tirol und Oberbayern. Der Beitrag ist reich illustriert.

 Thomas Weidner, Bildungspolitik für den Machterhalt. Kurfürst Karl Theodor von Pfalzbayern in einem Gemälde von Johann Jakob Dorner d. Ä., 146-191

Der Beitrag behandelt das Gemälde “Kurfürst Karl Theodor als Förderer der Künste in Bayern” von 1794 aus dem Besitz der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Der wenig bekannte Dorner, immerhin unter Karl Theodor Inspektor der kurfürstlichen Gemäldegalerie, geriet nach dem Regierungswechsel von 1799 in Vergessenheit. Der Beitrag widmet sich umfangreich aus seiner Biographie im Kontext des künstlerischen Lebens in München des ausgehenden 18. Jahrhunderts.

 Christoph Bachmann, “[...] tuen kund, allen, die dies hörend oder sehend lesen [...]“. Das Churbaierische Intelligenzblatt als Medium zur Verbreitung normativer, administrativer und politischer Informationen, 192-220

1765 erschien erstmals das Kurbayerische Intelligenzblatt, eines der entscheidenden Organe der regierungsamtlich gesteuerten Aufklärung in Bayern und gleichzeit ein Vorläufer des Regierungsblatts bzw. des Gesetzblatts. Herausgeber war der Hofkammerrat Franz Seraph von Kohlbrenner, Initiator der Mautreform von 1764, ab 1783 der Geistliche-Rats-Sekretär Peter Paul Finauer, auf den 1795 der Buchhändler Johann Baptist Strobl folgte. 1805 war Ernst August Fleischmann Herausgeber des Intelligenzblatts, das aber durch die Abtrennung des Regierungsblatts 1802 an an Bedeutung verloren hatte. 1814 wurde das Blatt eingestellt, als sich die Regierung entschlossen hatte, für jeden Kreis (Regierungsbezirk) ein Intelligenzblatt einzurichten. Der Beitrag ist die erste ausführliche wissenschaftliche Abhandlung zur Gesamtgeschichte dieses bedeutenden Organs.

Ludwig Wolf, Carl Maria von Webers Aufenthalte in München, 222-231

Carl Maria von Weber lebte in München noch als Kind 1798-1800. Als Erwachsener besuchte er die Stadt 1811 und 1815, wo er den Klarinettisten Heinrich Joseph Baermann kennenlernte, mit dem er zeitlebens befreundet blieb.

Gisela Goldberg, Versteigerung von Gemälden durch die Königliche Centralgemäldegalleriedirektion München im Jahr 1852, 232-273

1852 versteigert die heutige Bayerische Staatsgemäldesammlung 1000 von 8000 Gemälden aus ihrem Eigentum, darunter hochkarätige Werke (Dürer, Altdorfer, Grünwald). Aus dem Erlös wurde im Schloss Schleißheim eine Ahnengalerie der Wittelsbacher eingerichtet. Der Beitrag rekonstruiert detailliert die Vorgänge und  das Schicksal einiger Gemälde. Auch die heftigen Reaktionen auf den Vorgang werden dokumentiert. Die naheliegende Kontextualisierung mit den Dublettenverkäufen der Hof- und Staatsbibliothek 1858/59 unterbleibt.

Wolfgang Eisenmenger, Der Gerichtsmediziner Hermann Merkel und seine Gutachterätigkeit im Revolutionsjahr 1919, 274-289

Der Beitrag schöpft aus dem Archiv des Instituts für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität, das Sektionsprotokolle seit 1914 verwahrt. Unter den Protokollen des Jahres 1919 finden sich zahlreiche Untersuchungen von Todesfällen im Zusammenhang mit den Revolutionsereignissen, beginnend ab dem 7. Januar 1919. Prominenente Opfer, deren Sektionsprotokolle erhalten sind, sind Kurt Eisner und die beiden anderen Opfer der Attentate des 21. Februar sowie die Opfer der sog. Geiselmorde im Luitpold-Gymnasium. Auffällig ist die Lückenhaftigkeit von Sektionsprotokollen aus dem Zeitraum vom 13. Mai bis zum 30. Juni. Leiter der Sektionen war der Vorstand des Instituts, Hermann Merkel, der von 1914/18 bis 1945 amtierte.

Timo Nüßlein, Hitlers erste Bauvorhaben in München. Anmerkungen zu einem im April/Mai 1933 überschriebenen Stadtplan, 290-301

Der Beitrag stellt einen durch Zufall im Bayerischen Hauptstaatsarchiv entdeckten Stadtplan Münchens vor, in dem bereits im April und Mai 1933 Überlegungen zu städtbaulichen Maßnahmen in der “Hauptstadt der Bewegungen” skizziert wurden. Die Skizzen stammen vermutlich teilweise von Adolf Hitler selbst, teilweise entweder von Paul Ludwig Troost oder Fritz Gablonsky. Dargestellt sind Überlegungen für ein Parteiforum im südlichen Englischen Garten (vermutlich Haus der Kunst, Museum für Zeitgeschichte, Reichsstatthalterbau) sowie im westlichen Hofgarten (Operngebäude). Markiert sind einige größere Flächen, deren Überplanung noch ohne konkrete Vorhaben angedacht wurde, so der Leopoldpark, die Türkenkaserne sowie das Marstallgelände östlich der Residenz. Skizziert sind außerdem verschiedene weitere Bauten.

 

 

Quelle: http://histbav.hypotheses.org/1142

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Reisen in die Niederlande – ein unkalkulierbares Risiko?

Reisen war in der Vormoderne nicht unbedingt ein Vergnügen. Wer sich auf den Weg machte, hatte einen triftigen Grund dafür. Denn Reisen war aufwendig und barg Risiken; gerade die Gefahr von Überfällen auf Reisende, sei es auf Einzelne, sei es auf ganze Konvois, war nicht zu unterschätzen. Dies galt erst recht in Kriegszeiten. Vor einiger Zeit habe ich kurz auf das Beispiel eines Franziskaners hingewiesen, der 1631 auf einer Reise ermordet wurde. Ansonsten interessiere ich mich aber immer noch schwerpunktmäßig für die Situation am Niederrhein.

Gerade hier war das Gefahrenpotential für Reisende besonders hoch, eben weil in dieser Region Truppen der Spanier, der Katholischen Liga, später auch schwedische, französische und solche in Diensten Hessen-Kassels auftauchten. Vor allem aber waren, wenig überraschend, die Generalstaaten in diesen Landen sehr präsent, gerade indem „staatische“ Streiftrupps diese Gegenden unsicher machten, Überfälle verübten und Gefangene nahmen, die gegen Lösegeld freigekauft werden mußten. Die Belastungen für das Rheinland waren immens, entsprechend groß waren auch die Klagen; die Quellen dieser Jahre sind jedenfalls voll davon.

Was aber tat eine Stadt wie Köln angesichts dieses Problems? Als Handelsmetropole war sie auf einen möglichst ungehinderten Verkehr angewiesen; Störungen aller Art waren naturgemäß Gift fürs Geschäft. Natürlich beteiligte sich der Rat der Stadt auch an dem vielstimmigen Chor der Reichsstände, die für eine größere Sicherheit auf den Straßen plädierten und die Soldateska einer härteren Disziplinierung unterworfen sehen wollten. Ein Blick in die Kölner Ratsprotokolle ergibt allerdings einen etwas anderen Befund.

Ende 1630 gab es einen recht spektakulären Überfall, den generalstaatische Soldaten unweit der Rheinmetropole verübten. Einen Effekt auf die Reisetätigkeit hatte dies aber nicht. Denn gemäß den Ratsprotokollen wurden auch in den folgenden Wochen und Monaten viele Passporte für Kölner Bürger ausgestellt, die ihre Heimatstadt verlassen und sich auf Reisen begeben mussten: Die ganz überwiegende Zahl der Antragsteller ersuchte um Passporte für die Niederlande. Die Anliegen der Reisewilligen sind nicht immer explizit genannt oder aus den dürren Angaben eindeutig erkennbar. Viele waren sicherlich im Handel tätig, andere hatten offenbar verwandtschaftliche Bande, deretwegen sie dorthin aufbrechen wollten. Auffällig ist auch die Zahl der Kölner, die in die Niederlande wollten, um dort ein Handwerk zu erlernen oder ihre Fertigkeit dort zu perfektionieren.

Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass die intensiven Verbindungen zwischen Köln und den Generalstaaten durch die Überfälle von Soldaten gelitten hätten (wobei ich mich hier nur auf die Befunde in den Monaten 1630 und 1631 stützen kann). Ob deswegen die Kriegsauswirkungen – denn dazu ist die Unsicherheit auf den Verkehrswegen sicher zu zählen – als weniger dramatisch anzusehen sind, ist allerdings sehr fraglich. Mag sein, daß manche Zeitgenossen recht schicksalsergeben mit dem Risiko umgingen (vielleicht weil sich ihnen keine Alternative bot), mag sein, daß andere wiederum Möglichkeiten kannten, die Gefahren zu minimieren (was aber aus den Quellen nicht ersichtlich ist). Eine abschließende Einschätzung erscheint mir derzeit noch nicht möglich.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/360

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Fünf Fragen an … Martin Gravel (Paris VIII)

Sie haben vor ihrem Geschichtsstudium Musik studiert. Wie kam es dazu, dass Sie sich im Anschluss daran dazu entschieden haben, Geschichte zu studieren? Die erste Wahl in meinem Leben fiel auf die Musik. Ich habe zunächst einmal Musik studiert und … Continue reading

Quelle: http://jeunegen.hypotheses.org/1056

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