Man mag versucht sein (ich bin es jedenfalls), immer nur zu Themen zu schreiben, in denen man sich seine Meinung schon gebildet hat. Das fällt aber auch einmal schwer. So hat mich ein guter Kollege auf das Papier der Jungen Akademie: “Nach der Exzellenzinitiative: Personalstruktur als Schlüssel zu leistungsfähigeren Universitäten” (http://www.diejungeakademie.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/Personalstruktur_2013.pdf) aufmerksam gemacht. Darin fordern Mitglieder und Alumni/Alumnae der Jungen Akademie, das Lehrstuhlprinzip abzuschaffen, in dem Professoren im Rahmen ihrer Lehrstühle Mitarbeiter/innen zugeordnet sind, die Mitarbeiterstellen weitgehend durch Professuren zu ersetzen und so die Perspektiven von Nachwuchswissenschaftlern und von Universitäten im Ganzen zu stärken.
Die Argumente überzeugen nicht immer. Der Befund, dass viele deutsche Wissenschaftler ins Ausland gehen, ist nicht zwingend ein Beleg für die Unattraktivität der deutschen Universitäten als vielmehr zunächst ein Ausweis von Exportstärke: Offenbar treffen diese “Outgoings” auf Wissenschaftsmärkte, die ihnen Wissenschaft in hohem Maße zutrauen. Anderes ist aber durchaus nachvollziehbar: Dass etwa nur 20% derArbeitszeit eines Professors/einer Professorin für Forschung aufgewendet wird, während durchschnittlich 40% der Zeit in Begutachtungen, Drittmittelakquise und Verwaltung gehen, mag statistisch etwas grob aussehen, in der Tendenz aber stimmen. Die Universitäten haben bereits begonnen, hierauf zu reagieren, indem Unterstützung in der Drittmittelakquise aufgebaut und die Verwaltung (meist als “Management” tituliert) professionalisiert wird.
An diesem Punkt möchte man als Studienmanager gleich ansetzen: Gerade an gut organisierten Universitäten entwickeln sich im Zuge der Professionalisierung des Wissenschaftsmanagements auf allen Ebenen Expertenkulturen, die weder in der Lehrstuhllandschaft noch in den Gremien der Gremienuniversität in irgendeiner Weise strukturell eingebunden sind. Die Reaktion auf diese wachsende, professionelle Expertise ist häufig die strukturelle Ausdifferenzierung (meint: die Schaffung neuer Gremien außerhalb der nach Landeshochschulgesetzen bereits etablierten Gruppengremien) und die Einberufung von ad-hoc-Gremien – also genau das, was man soziologisch wohl erwarten würde. Eine strukturelle Antwort auf diese Entwicklungsprozesse gibt es noch nicht. Und hier spätestens zögere ich auch wirklich mit einer eigenen Meinung, denn an diesem Punkt kollidieren Demokratie und Partizipation (die ihren Ausdruck bisher in der Gremienstruktur finden) und die Ansprüche der natürlich nicht demokratisch legitimierten Profis mit technischer, administrativer oder rechtlicher Expertise.
Auf anderen ebenen lässt sich jedoch schon eine Auflösung des Lehrstuhlprinzips beobachten, wenn auch nicht im Sinne der Karikatur, die die Junge Akademie teilweise zeichnet. So hat die Auflösung der alten Studiengänge und die Entwicklung modularisierter Studienprogramme durchaus vielerorts dazu geführt, dass Professor/innen, Mitarbeiter/innen und Studierende lehrstuhlübergreifend Programme ausarbeiten und weiterentwickeln. Das passiert im Historischen Seminar der JGU seit vielen Jahren sehr konstruktiv. Das Lehrstuhlbild der Jungen Akademie hat hier also nicht gegriffen. Ob eine andere Struktur mit fast nur Professuren wesentlich andere (und bessere) Ergebnisse in einem Kernbereich universitäter Aktivität gezeitigt hätte, weiß ich nicht. Aber das Papier zielt auch eher aufBerufsperspektiven und Forschung – sicherein Manko des Papiers, das ja die Universitäten im Ganzen anspricht.
Das System, das die Junge Akademie im Blick hat, scheint zudem – und vielleicht tue ich dem Papier hier Unrecht – auf eine forschende Postgrad-Phase ohne Lehre (etwa in Projekten) und dann eine Professur mit entsprechend professoralem Lehrdeputat hinauszulaufen. Hier würde ich dann ganz ernsthaft didaktische Einbußen in der Lehre befürchten. Der Universität würde das mittelfristig nicht guttun.
Vieles andere in dem besprochenen Papier bin ich geneigt zu teilen. Dass solche Vorschläge überhaupt in einer so prominenten Form auf den Tisch kommen, ist ja auch ein Hinweis darauf, dass die Universitäten in ihrer Weiterentwicklung an systemische Grenzen stoßen und manches dysfunktional wird. Man darf gespannt sein, in welche Richtung diese Diskussionen gehen werden.