Europäische Netzwerke der geistlichen Ritterorden an der Kurie im 13. Jahrhundert

1000 Worte Forschung: Laufendes Habilitationsprojekt im Fach Mittelalterliche Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München

Ausgangspunkt und Fragestellung

Den drei großen geistlichen Ritterorden, den Templern, Johannitern und dem Deutschen Orden, unterstellt man vielfach ähnlich den etwas später entstandenen Bettelorden eine große Nähe zu den Päpsten. Sie hätten, beim Deutschen Orden wegen dessen Nähe zu den Staufern natürlich mit Einschränkungen, als eine Speerspitze der römischen Kurie bei der Durchsetzung von deren Zielen vor Ort gegen die Diözesanbischöfe sowie gegen lokale und regionale Machthaber gewirkt. Im Gegenzug seien sie von den Päpsten reich privilegiert worden. Dass sowohl die Ritter- als auch die Bettelorden wegen ihrer exemten Stellung kritisiert wurden, ist unbestreitbar. Aber welchen Einfluss sie an der römischen Kurie wirklich hatten, ist bisher noch nie im vergleichenden Zusammenhang untersucht worden. Das Habilitationsprojekt möchte dies für die geistlichen Ritterorden in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts versuchen.



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Quelle: https://mittelalter.hypotheses.org/11268

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Perzeption und Imagination politischer Redekultur im Mittelalter: Predigten und Reden der Päpste (11.-14. Jahrhundert)

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Urban II. predigt den Ersten Kreuzzug 1095 in Clermont. Illustration aus den Grandes Chroniques de France (ca. 1455-60), Quelle: Wikimedia Commons

1000 Worte Forschung: Laufendes Habilitationsprojekt an der LMU München

Das Habilitationsprojekt untersucht Reden und Predigten, die Päpste in politischen Kontexten, vornehmlich Synoden und Konsistorien, gehalten haben. Im Zentrum stehen zufällig erhaltene Mitschriften und Berichte von Reden sowie Ansprachen, die in der Historiographie wiedergegeben werden. Der Form nach handelt es sich dabei meist um „Predigten“, also Vorträge, die primär auf biblische Texte rekurrierten und theologisch-moralischen Argumentationsmustern folgten. In Funktion und sprachlicher Gestaltung entsprechen sie aber gleichzeitig den seit der Antike verbreiteten Gattungen der öffentlichen, politischen Rede, also der Beratungs-, Gerichts- und Festrede.

Das Vorhaben schließt an das jüngst etablierte Forschungsfeld der „Oratorik“ insofern an, als es persuasive Tendenzen von Ansprachen ebenso herausarbeitet, wie deren Einbindung in einen rituellen Kontext und feierliche Inszenierungen, also nach dem komplexen Zusammenspiel von Deliberation, ritueller Persuasion und symbolischer Repräsentation fragt. Die Quellenlage verlangt zudem die Berücksichtigung von Fragen der „Perzeption“ und „Imagination“ politischer Redekultur. Vor allem mit dem ersten Bereich, also mit Ansprachen, die von „Ohrenzeugen“ perzipiert und aufgezeichnet wurden, hat sich die Forschung bislang befasst. Zu endgültigen Urteilen über deren Funktion für die päpstliche Gesetzgebung ist sie dabei allerdings nicht gekommen. Werden schon dazu neue Thesen vorzustellen sein, so bleiben für Reden, die in der Geschichtsschreibung wiedergegeben werden, noch sehr viel grundlegendere Fragen zu klären. Sie fanden lange Zeit kaum Beachtung, galten sie doch als mehr oder weniger fiktiv und folglich als wenig relevant für die (Papst-)Geschichtsforschung. Einen neuen Weg zeigen hier kulturgeschichtlich orientierte Ansätze auf, die textinhärenten Deutungen einen eigenen Wert zuschreiben.

Für den gewählten Untersuchungszeitraum, der mit dem Aufstieg des Papsttums zu einem bedeutenden politischen Faktor im 11. Jahrhundert einsetzt, ist die Quellenlage relativ ungünstig. Es liegen keine von den Päpsten selbst verfassten oder in ihrem engeren Umfeld gesammelten Predigten vor, sondern lediglich Aufzeichnungen von Ansprachen im Rahmen von „Konzilsprotokollen“, die oft nur fragmentarisch erhalten sind. Diese Überlieferungs- und Aufzeichnungssituation wird ebenso wie die spezifische Struktur und Texttradition dieser Quellen zu bedenken sein. Vor allem aber sind die vielfältigen Probleme zu beachten, die mit der Perzeption – verstanden als mehr oder weniger bewusst deutende, sinnliche Wahrnehmung – auditiver Akte verbunden sind.

Der wichtigste Ort der päpstlichen Predigt war im gesamten Mittelalter die Synode, die als repräsentative, politische Versammlung verstanden werden kann. Entgegen den vorherrschenden Annahmen wird zu zeigen sein, dass Päpste durchaus versuchten, die Versammlung durch persuasive Reden, also direktive Sprechakte, zu beeinflussen. In den Quellen finden sich bislang wenig beachtete Belege dafür, dass Päpste auch Beschlüsse zurückziehen und revidieren mussten und auf einen Tumult mit einer Predigt reagierten. Häufiger noch scheinen päpstliche Konzilspredigten eine rituelle Funktion erfüllt zu haben, ihr ungestörter Vortrag demonstrierte den Konsens von Papst und Synode in Entscheidungssituationen und evozierte regelkonforme Zeichen der Zustimmung. Die Aufmerksamkeit der mittelalterlichen „Ohrenzeugen“ richtete sich in diesen Fällen vor allem auf die zur Disposition stehenden rechtlich relevanten Aussagen. Spuren derartiger Vorträge finden sich auch in Rechtsdokumenten, insbesondere in „Synodalkonstitutionen“, ein Urkundentypus, in dem beispielsweise das Papstwahldekret von 1059 überliefert ist. Deutlich besser wird die Quellenlage am Übergang zum 13. Jahrhundert. Die Eröffnungsansprache, die Papst Innozenz III. (†1216) auf dem IV. Laterankonzil hielt, fand nicht nur Eingang in die Predigtsammlung des Papstes, sondern wurde auch in Konzilsberichten und von seinem Nachfolger Papst Gregors X. (†1276) aufgegriffen. Er wählte ebenfalls den Vers „Desiderio desideravi“ (Lk 22,15) als Thema seiner Eröffnungspredigt auf dem II. Konzil von Lyon und demonstrierte damit hörbar seine Anlehnung an die Politik seines Vorgängers.

Das zweite wichtige Forum für päpstliche Ansprachen war das öffentliche Konsistorium, also die Versammlung von Papst und Kardinälen, in der Gesandte und Bittsteller aus aller Welt empfangen wurden. Am günstigsten ist hier die Überlieferungslage für den Pontifikat Bonifaz’ VIII. (†1303). Einmalige Einblicke in die Perzeption päpstlicher Konsistorialansprachen in einem politisch heiklen Fall, nämlich der Absetzung zweier Kardinäle aus einer mächtigen Adelsfamilie, erlaubt eine Predigtmitschrift von 1297, die in eine Trierer Bistumschronik aufgenommen wurde. Nur aus dieser Rede lassen sich die eigentlichen Hintergründe dieses Vorgangs erschließen, die in der später offiziell verkündeten Bulle nur noch verklausuliert auftauchen. Vergleichbare Aufzeichnungen sind außerdem aus dem Pontifikat Innozenz’ III. bekannt, was einmal mehr zeigt, dass päpstliche Ansprachen keineswegs immer nur „rituell“ zu interpretieren sind, sondern sie durchaus der argumentativen Erläuterung getroffener Entscheidungen und damit auch der Persuasion dienen konnten.

Die genannten Berichte und Protokolle erlauben also erstmals methodisch fundierte Hypothesen über die Perzeptionsformen päpstlicher Predigten, eine weitere Ebene der Analyse wird auf historiographischen Texten aufbauen. Vergleicht man diese mit den oben genannten Konzils- und Konsistorialakten, offenbart sich, dass viele Papstpredigten in der Geschichtsschreibung tatsächlich als davon unabhängige Imaginationen zu lesen sind und denkbare, exemplarische oder wünschenswerte Ansprachen zeigen. Da im 11. Jahrhundert Heiligenviten häufig im Zuge einer „réécriture“ älterer Vorlagen überarbeitet wurden, finden sich hier die frühesten Beispiele für Päpste, die aus erzählästhetischen Gründen zu großen Predigern gemacht wurden. Generell spielt ab dem 12. Jahrhundert die Schilderung persuasiver Reden eine immer größere Rolle, das prominenteste Beispiel für eine fingierte Rede in der Historiographie des Mittelalters dürfte der Kreuzzugsaufruf Papst Urbans II. (†1099) auf dem Konzil von Clermont sein, wozu bereits eine Einzelstudie in den Medieval Sermon Studies erschienen ist.

In der Untersuchung werden die Ansprachen in historiographischen Texten also im Anschluss an kulturgeschichtliche Ansätze einerseits als Bestandteil textinhärenter Strukturen und des politischen „imaginaire“ ernst genommen. Andererseits werden die fingierten Vorträge auch in Bezug zu den Aufzeichnungen zu setzten sein, die in den auf Perzeption beruhenden Berichten und Protokollen zu finden sind. Schließlich folgen nicht wenige Geschichtsschreiber auch dem Darstellungsmodus von eher juristisch-protokollartig ausgerichteten Quellen. Möglicherweise lassen diese Überschneidungen am ehesten noch Rückschlüsse auf die Praxis der päpstlichen Predigt zu, was allerdings weiterer Klärung bedarf. Das Projekt zielt letztlich weniger darauf, sondern auf eine Erweiterung des Konzepts „Oratorikforschung“ um Fragen von „Perzeption“ und „Imagination“ politischer Redekultur des Hoch- und Spätmittelalters

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/3980

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