Fotografie im Nationalsozialismus

Sammlung Ulrich Prehn, 4,5 x 6 cm, Teil einer Serie von insgesamt neun Fotografien (Fotograf unbekannt)

Leitung: Prof. Dr. Michael Wildt
Projektkoordination: Dr. Ulrich Prehn
Projektmitarbeiterinnen: Linda Conze, M.A.; Julia Werner, M.A.

 

Für das nationalsozialistische Regime spielten Visualität und visuelle Repräsentation, insbesondere in Form des Mediums Fotografie, von Beginn an eine prominente Rolle. Mit der Fotografie bot sich ein wirksames Mittel zur Implementierung und Verbreitung von Weltanschauung und politischer Idee des Nationalsozialismus sowie zur Festigung seiner Herrschaft.

Der propagandistische Gebrauch der Fotografie und deren spezifische Ästhetik sind vergleichsweise breit untersucht worden. Gleichwohl prägen die offiziellen Selbstinszenierungen des Regimes bis heute das Bild dieser Epoche der deutschen Geschichte. Dabei hatte sich die Fotografie – jenseits der professionellen Bildproduktion – bereits vor 1933 zu einem Massenmedium entwickelt, das es breiteren Schichten ermöglichte, ihren Alltag – wie auch Nichtalltägliches – festzuhalten und aktiv, als Praxis, mitzugestalten.

Im Mittelpunkt des Forschungsprojekts steht die Selbstaufnahme der sogenannten Volksgenossinnen und Volksgenossen sowohl im Hinblick auf die Inszenierung und Performanz von Gemeinschaft als auch auf Praktiken der Ausgrenzung, Gewalt und Stigmatisierung. Von besonderem Interesse sind dabei Bildserien, also z. B. Fotosammlungen aus einzelnen Orten über einen längeren Zeitraum hinweg (seit Ende der 1920er-Jahre bis in die frühe Nachkriegszeit) oder private Fotoalben. Aber auch Nachlässe von professionellen oder Amateur- und Hobby-Fotografen, die gewissermaßen als Bildchronisten für die Geschichte ihres Ortes, ihres Betriebes oder ihres Dienstalltags in den besetzten Gebieten gewirkt haben, sollen ausgewertet werden, wobei es mehr um den zivilen Blick geht als um den vergleichsweise gut untersuchten Blick von SS- oder Wehrmachtssoldaten.

Sammlung Ulrich Prehn, 4,5 x 6 cm, Teil einer Serie von insgesamt neun Fotografien (Fotograf unbekannt)

Sammlung Ulrich Prehn, 4,5 x 6 cm, Teil einer Serie von insgesamt neun Fotografien (Fotograf unbekannt)

Sammlung Ulrich Prehn, 4,5 x 6 cm, Teil einer Serie von insgesamt neun Fotografien (Fotograf unbekannt)

Sammlung Ulrich Prehn, 4,5 x 6 cm, Teil einer Serie von insgesamt neun Fotografien (Fotograf unbekannt).
Rückseitig beschriftet: „Arbeitsdienst Lippstadt W.
Ein zum Tod verurteilter [sic!]“

Das Forschungsprojekt gliedert sich in folgende drei Teil-Projekte:

 

Linda Conze
Das Fest im Bild. (Selbst-)Inszenierungen von Zugehörigkeit im öffentlichen Raum

Das Promotionsprojekt beschäftigt sich mit privater und semiprivater Fotografie aus der Zeit des Nationalsozialismus, genauer mit solchen Bildern, die im Kontext von Festen und Feiern unterschiedlicher Art entstanden sind. Im Fokus des Interesses steht dabei das Potenzial des Mediums Fotografie, in Prozessen von Vergemeinschaftung und Ausgrenzung Wirkmacht zu entfalten. Mit dem Deutschen Reich der 1920er-, 1930er- und 1940er-Jahre setzt die Studie einen spezifischen Rahmen, innerhalb dessen sie das Verhältnis von Fotografie und Gemeinschaft medienhistorisch ausloten möchte. Diese Rahmung orientiert sich unverkennbar an den politischen Zäsuren der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts, die jedoch zugleich kritisch hinterfragt und auf ihre Kongruenz mit einer Geschichte der privaten Fotografie überprüft werden sollen.

Die angestrebte Studie möchte sich der zeitgenössischen Festkultur in ihren vielfältigen Größenordnungen, Ausprägungen und ganz unterschiedlichen Graden von Öffentlichkeit zuwenden. Der Untersuchungsrahmen schließt nationalsozialistische Großveranstaltungen ebenso wie das private Hochzeitsfest, den halböffentlichen Maskenball oder das dörfliche Schützenfest ein. Sie interessiert sich für den fotografischen Blick auf Feste und Feiernde jenseits von Propaganda- oder Pressefotografie, für die Interaktion zwischen Fotograf/inn/en, Kamera und Fotografierten, deren Ergebnis das Bild ist. Das Feiern dient der Studie also einerseits als räumliche, zeitliche und motivische Sphäre, anhand derer das Verhältnis von Bild und Gemeinschaft durchexerziert werden soll. Andererseits ist das Feiern selbst gemeinschaftsstiftende Praxis, das Fest im Sinne eines Rituals selbst Medium – von Kollektivierung, aber auch von Ausgrenzung und Terror.

Als Quellengrundlage dienen zusammenhängende Foto-Serien und -konvolute aus unterschiedlichen Regionen des ehemaligen Deutschen Reichs, anhand derer sich Motive, Blickpositionen und fotografische Aufmerksamkeitstrends über längere Zeiträume hinweg untersuchen lassen.

Kontakt: linda.conze[at]geschichte.hu-berlin.de

 

Ulrich Prehn
Tradition, „Eigen-Sinn“ und nationalsozialistische Formierung: Fotografien der Arbeitswelt

Die Sphäre der Arbeitswelt war bereits Jahrzehnte vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland ein Bereich, in dem die politisch-gesellschaftliche Mobilisierung von Menschen ebenso wie ihre „Einordnung“ in den Betrieb stark über visuelle Medien hergestellt wurde. Doch erst seit den 1920er-/30er-Jahren fotografierten Arbeiterinnen und Arbeiter in zunehmendem Maße auch sich selbst, ihre Arbeit und Freizeit sowie ihre sozialen und politischen Aktivitäten.

In der Studie werden Traditionen und Adaptionen, Überschreibungen und Neuerungen auf dem Feld fotografischer Repräsentationen von Arbeitswelt und Arbeiterkultur seit den 1920er-Jahren sowie deren Wandlungen im Nationalsozialismus in den Blick genommen. Zentral ist dabei die Frage nach den verschiedenen Repräsentationsweisen von „Arbeit“, Arbeiterinnen und Arbeitern sowie nach entsprechenden Modi der Erinnerungsproduktion, wenn es um so unterschiedliche Quellenbestände wie die professioneller Auftrags- und Industriefotografen und jene von Privatpersonen – ambitionierten Amateurfotografen und sogenannten Knipsern – geht.

Deswegen werden der quantitativ dominanten Werksfotografie und der unter genuin nationalsozialistischen Vorzeichen stehenden politischen Fotografie der Arbeitswelt sowie der „Organisation“ und Formierung der arbeitenden Menschen in der Analyse bewusst auch solche Aufnahmen an die Seite gestellt, die in anderen Kontexten überliefert sind. Diese zeigen zum Teil eine Sicht „von unten“ beziehungsweise dokumentieren sie mitunter eine individuelle fotografische „Handschrift“ und einen gewissen „Eigen-Sinn“. Solche Fotografien, für die bisweilen auch Spuren überwiegend privaten Gebrauchs oder privater „Aneignungen“ nachweisbar sind, stammen zumeist aus Nachlässen, privaten Sammlungen, Geschichtswerkstätten, kommunalen Archiven und Museen.

Kontakt: prehnulr[at]geschichte.hu-berlin.de

 

Julia Werner
Im besetzten Polen: Fotografie und die Veränderung von Räumen

Mit dem Überfall auf Polen strömten Wehrmachtssoldaten, SS-Männer und Polizisten in den „neu eroberten Raum“; mit ihnen kamen auch Beamte, Unternehmer, Lehrer und ihre Familien. Doch nicht nur die deutschen Besatzer betraten „völliges Neugebiet“, Räume und Raumvorstellungen änderten sich für alle in dieser Region lebenden Menschen. Die unterliegenden Dynamiken waren jedoch von Gruppe zu Gruppe enorm verschieden. Zentral für die Veränderung von Räumen war die von den Nationalsozialisten nach rassistischen Kriterien operierende Bevölkerungspolitik, die Hunderttausende von Menschen auf verschiedenste Art und Weise in Bewegung setzte. Diese unterschiedlichen Formen von Massenbewegung, Vertreibungen, Umsiedlungen, Deportationen und Gettoisierungen treten uns aus vielfältigen fotografischen Quellen entgegen. Zur NS-Bevölkerungspolitik liegt eine breite Forschung vor; diese behandelt die Bevölkerungspolitik allerdings zumeist aus einer Perspektive des social engineering oder als Geschichte konkurrierender Institutionen und Ideologien. Die Folgen dieses bevölkerungspolitischen Planens und Handelns, die sehr konkrete Auswirkungen auf Leben und Alltag der Menschen hatten, stehen weniger im Fokus: So bewegten sich Hunderttausende unter ganz unterschiedlichen Vorzeichen durch die Landschaft, zum Teil mit Gepäck, zum Teil ohne, mussten sich die Menschen zu Fuß oder mit dem Pferdewagen, mit dem Zug, dem Schiff, allein oder in großen Gruppen über lange Strecken bewegen. Die Studie möchte untersuchen, wie diese Bewegungen in Fotografien unterschiedlicher Provenienz visuellen Niederschlag finden.

Als Quellen dienen dem Projekt fotografische Bestände von nicht-professionellen Fotografen, insbesondere Fotoserien und Fotobestände, die von Fotografen über einen längeren Zeitraum hinweg geschaffen wurden. Der zeitliche Rahmen des Projekts ist durch die Zeit der Besatzung eng gesteckt, die Bildkonvolute erlauben aber einen Blick über die Grenzen von 1939-1945 hinaus, da die Bestände natürlich in ihrer Gesamtheit in den Blick genommen werden sollen.

Wie also eigneten sich die Fotografierenden die sich stetig – auch durch ihr eigenes Handeln – verändernde Situation durch ihre fotografische Praxis an? Welche Darstellungs- und Repräsentationsformen wählten die unterschiedlichen fotografischen Akteure? Es geht also darum, die Perspektive des Fotografen aus dem historischen Kontext heraus zu verstehen, sowie die Formen, in der er die Realität durch seine Fotografie rahmte und wahrnahm. Über den Vergleich unterschiedlicher Bestände sollen jedoch größere Muster von Wahrnehmungsweisen und Darstellungsarten herausgearbeitet werden.

Kontakt: juliawerner[at]gmail.com

 

Fotografie im Nationalsozialismus. Alltägliche Visualisierung von Vergemeinschaftungs- und Ausgrenzungspraktiken 1933-1945

Humboldt-Universität zu Berlin

Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziell gefördert.

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/11/11/fotografie-im-nationalsozialismus/

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Film.Stadt.Wien

Filmstill: Vor einem „Hitleraltar“ (Loos-Haus am Michaelerplatz): AMFilmstill: Vor einem „Hitleraltar“ (Loos-Haus am Michaelerplatz): AMATEURAUFNAHMEN WIEN, FRÜHJAHR 1938 (ÖFM) http://stadtfilm-wien.at/film/104/
Filmstill: Arbeiter auf der Ringstrasse:  VIENNE EN TRAMWAY 1906 (ÖFM)  http://stadtfilm-wien.at/film/47/

Filmstill: Arbeiter auf der Ringstrasse:
VIENNE EN TRAMWAY 1906 (ÖFM) 

A transdisciplinary exploration of Vienna as a Cinematic City

Von einer „Filmstadt“ Wien zu sprechen, ist im Grunde paradox, verfügte Wien doch – die kurze Zeitspanne zwischen 1919 und 1922 ausgenommen – weder über eine nennenswerte Filmindustrie noch gehörte „Film“ jemals zu den ersten und wichtigsten Assoziationen, die Besucher ebenso wie Einwohner mit der Stadt in Verbindung brachten. Nicht ohne Grund: Weist doch die Mehrzahl der populären Bilder und Vorstellungen, die das globale Image der Stadt dominieren, in eine Zeit vor der Erfindung des Films. Von einem „gemütlichen Wien“ im Gegensatz zu einem „verständigen Berlin“ war bereits in der Reiseliteratur des 18. Jahrhunderts die Rede; die Selbstvermarktung als „Musikstadt“ – sowohl in der klassischen Spielart wie auch in der populären Ausprägung – war ein Produkt des späten 19. Jahrhunderts; und die nostalgische Verklärung der imperialen Vergangenheit, die bereits kurz nach dem Untergang der Monarchie 1918 einsetzte, aktualisierte nur eine seit dem Biedermeier ebenfalls als Wien spezifisch imaginierte Sehnsucht nach einer Vergangenheit, die es niemals gegeben hat.

 

Filmstill: Umzug der slowakischen Minderheit in Wien, Favoritenstrasse: 1. MAI 1929 (ÖFM) http://stadtfilm-wien.at/film/16/

Filmstill: Umzug der slowakischen Minderheit in Wien, Favoritenstrasse: 1. MAI 1929. Anonyme Amateuraufnahmen von Umzügen und der Maifeier 1929 (ÖFM)

Diesem in der Hauptsache rückwärtsgewandten und dezidiert anti-modernen Wienbild hatte der konventionelle Kino-Film wenig entgegenzusetzen: Zum einen, weil er weder an der Hervorbringung des Bilds noch an der Kritik der Kehrseiten desselben federführend beteiligt war (letzteres war eine Sache des Theaters, der Literatur und des Kabaretts); zum anderen, weil insbesondere der Spielfilm frühzeitig die internationale Popularität des nostalgischen Wienbilds als entscheidenden Erfolgsfaktor entdeckt hatte. (In die Geschichte eingeschrieben: Erich von Stroheims „Merry-Go-Round“ von 1923.) Etwas zugespitzt, aber durchaus zutreffend könnte man behaupten, dass nicht der Wien-Film die Bilder und Vorstellungen der Stadt, sondern umgekehrt, die anderswo – in der Literatur, in der Bildenden Kunst, am Theater, in der populären Massenpresse etc. – erzeugten Bilder und Vorstellungen der Stadt den Wien-Film entscheidend beeinflusst haben.

 

Der Umstand, dass die Wien-Filme sich aus ökonomischen Gründen der Repräsentation eines in schroffem Gegensatz zur urbanen Realität stehenden Wienbilds verschrieben, ist sowohl für ihre bescheidene ästhetische Bedeutung verantwortlich zu machen wie auch für ihren geringen Erkenntniswert im Hinblick auf die Untersuchung Wiens als einer filmischen Stadt: Hinweise auf die historische Entwicklung zur modernen Großstadt wird man in diesen Filmen ebenso wenig finden wie Hinweise auf die Erfahrung eines auch in Wien von Kontingenz, Flüchtigkeit und Anonymität geprägten Großstadtlebens. Vor diesem Hintergrund erschien es nahe liegend, die Untersuchung Wiens als einer filmischen Stadt nicht vom repräsentativen Spielfilm aus in Angriff zu nehmen, sondern von einem etwa 300 sogenannte ephemere Filme umfassenden Filmbestand des Österreichischen Filmmuseums (ÖFM), der sich aus frühen kinematographischen Ansichten, Wochenschaubeiträgen, Industrie-, Werbe-, Avantgarde- und Amateurfilmen zusammensetzt, ergänzt durch Dokumentationen und Auftragsfilme von „mediawien“, der Filmsammlung der Stadt Wien.

Filmstill: Elendsquartiere am Wienerberg, 1952: STADT AM MORGEN (media wien), Regie: Albert Quendler http://stadtfilm-wien.at/film/130/

Filmstill: Elendsquartiere am Wienerberg, 1952: STADT AM MORGEN (media wien), Regie: Albert Quendler 

Das Projekt Film.Stadt.Wien. entwickelte sich deshalb auch zu einem Erschließungsprojekt, das Filme, die allzu lange unbeachtet in Archiven lagen, für die wissenschaftliche Forschung aufbereitet und in weiterer Folge einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich macht. Eine datenbankgestützte Website präsentiert ausgewählte Filmdokumente mit ihren Metadaten, klassifiziert sie nach unterschiedlichen Arten von Raumnutzung und Akteuren, offeriert time-code-basierte Sequenzanalysen, topografische Informationen und schriftliche wie visuelle Kontextmaterialien. Such- und Filterfunktionen ermöglichen die effektive Recherche von Personen und Landmarks in spezifizierten Zeiträumen. () Der beträchtliche Aufwand, der mit einer solchen Form der Erschließung verbunden ist, knüpft sich an die Erwartung, dass in den Bildern „ein außerordentlicher Schatz an faktischer, historischer, sozialer und materialer Information aufbewahrt wird“ (Thomas Elsaesser), den schriftliche Quellen entweder gar nicht oder jedenfalls nicht in derselben Weise zugänglich machen.

Wo der Wien-Film die Logik seiner Erzählhandlung der Logik gängiger Wien-Klischees unterwirft, beobachten wir bei den einzelnen Gattungen des ephemeren Films eine Vervielfältigung der Bezugsrahmen und zugleich eine Fragmentierung der Erzählhandlung: Aufsehen erregende oder den Alltag skandierende Ereignisse bei den Beiträgen der „Wochenschau“; das Familienleben bzw. die „Verfestigung und Verfestlichung“ (Alexandra Schneider) anderer Formen der Gemeinschaft beim Amateurfilm; technische Erzeugnisse und Verfahren, Produktions- oder Betriebsabläufe, Rationalisierungsprozesse, Mitarbeiterkommunikation und Produktwerbung beim Industrie- und Werbefilm; schließlich die wütende Bezugnahme auf und brüske Zurückweisung der Wien-Klischees beim Avantgardefilm. Jede dieser fragmentierten Erzählhandlungen bezeichnet einer analytischen Stadtgeschichte den Ort, an dem sie weitere Grabungen durchführen und auf diese Weise zur Rekonstruktion jener urbanen Bezugsrahmen beitragen kann (vgl. Henri Lefebvre), die dem ephemeren Film zugrunde liegen, ohne von diesem ausdrücklich artikuliert zu werden.

 

Siegfried Mattl ist Leiter des Ludwig Boltzmann Instituts für Geschichte und Gesellschaft, Wien (Projektleiter Film.Stadt.Wien)

 Vrääth Öhner ist Assistent und Vizestudienprogrammleiter am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Universität Wien (key researcher Film.Stadt.Wien)

Film.Stadt.Wien war ein vom Wiener Wissenschafts- und Technologiefonds gefördertes Projekt. Es wurde in enger Zusammenarbeit von Ludwig Boltzmann Institut für Geschichte und Gesellschaft, den FilmkünstlerInnen Gustav Deutsch und Hanna Schimek, dem Österreichischen Filmmuseum. Datenbank- und Websitedesign: vonautomatisch (Patrick Kranzlmüller & Alex Swoboda) http://stadtfilm-wien.at/, http://geschichte.lbg.ac.at/research-program-news/filmstadtwien

 

Filmstill: Vor einem „Hitleraltar“ (Loos-Haus am Michaelerplatz): AMFilmstill: Vor einem „Hitleraltar“ (Loos-Haus am Michaelerplatz): AMATEURAUFNAHMEN WIEN, FRÜHJAHR 1938 (ÖFM) http://stadtfilm-wien.at/film/104/

Filmstill: Vor einem „Hitleraltar“ (Loos-Haus am Michaelerplatz): AMATEURAUFNAHMEN WIEN, FRÜHJAHR 1938 (ÖFM)

http://stadtfilm-wien.at/film/104/

 

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/10/14/film-stadt-wien/

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Nationalsozialismus, Holocaust und Zweiter Weltkrieg im österreichischen Bildgedächtnis

Im Zuge der nach dem „Anschluss“ Österreichs einsetzenden Pogrome werden jüdische ÖsterreicherInnen wie etwa dieser Teenager zu antisemitischen Beschmierungen gezwungen. Klar erkennbar in dieser mit der Zeit zum Schlüsselbild des Antisemitismus‘ mutierten Aufnahme ist die voyeuristische Beteiligung der Bevölkerung, die aber in den jeweiligen Untertiteln meist nicht thematisiert wird.
Adolf Hitlers „Anschluss“-Rede am Wiener Heldenplatz am 15. März 1938 vor 250.000 ZuhörerInnen.

Adolf Hitlers „Anschluss“-Rede am Wiener Heldenplatz am 15. März 1938 vor 250.000 ZuhörerInnen.

Am 15. März 1938 hielt Adolf Hitler seine „Anschluss“-Rede am Wiener Heldenplatz vor 250.000 Menschen. Das Foto zeigt dies eindrücklich. Im Bilderkanon der Zweiten Republik war das Bild aber jahrelang absent und wurde erst Ende der 1970er-Jahre Teil des österreichischen Bildgedächtnisses. Die Dissertation nimmt diese Transformationen und Inhalte des Bilderkanons in Österreich nach 1945 hinsichtlich der Visualisierung der NS-Zeit in den Blick. Auch sollen die Einflüsse transnationaler vergangenheitspolitischer Prozesse auf das österreichische Bildgedächtnis analysiert werden. Im Fokus der Arbeit steht dabei der Gebrauch von Fotos, d.h. die sozialen, historischen und politischen Funktionen, die „geschichtsmächtige Bilder“ als Kristallisationspunkte von Vergangenheitsentwürfen erfüll(t)en.

Gefragt wird mit Aleida Assmann danach, nicht welches „Sachwissen“, sondern welches „Identitätswissen“ durch die Fotografien vermittelt wird. Das in der Tradition der Cultural Studies stehende Konzept von „Repräsentation“ nach Stuart Hall ermöglicht die Zusammenführung von Gedächtnis und Visualität in einer historisch-politischen Perspektive: Wie werden durch fotografische Narrative Bedeutungszuschreibungen generiert und in welchem Zusammenhang stehen diese mit Machtkonstellationen? Im Vordergrund steht also die Frage: Welche Bilder repräsentieren welche Vergangenheit? Und welche Aspekte der Vergangenheit werden aus welchen Gründen eher im Dunkeln gelassen?

Die Quellen stammen zum größten Teil aus der Tages- und Wochenpresse sowie aus Schulbüchern, wobei darüber hinaus aber auch historische Ausstellungen sowie Bildbände und vereinzelte TV-Dokumentationen berücksichtigt werden. Vor allem Schulbücher bieten eine gute Ausgangsbasis zur Untersuchung des österreichischen Bildgedächtnisses: Das Schulbuch wird als Vermittler normativer Inhalte gefasst, die ihrerseits Endprodukt soziopolitischer Aushandlungen sind. Im Fokus steht sein Charakter als Ausdruck einer offiziellen, nationalen Vergangenheitssicht und die dadurch gegebene Möglichkeit, Transformationen im historisch-politischen Kontext zu untersuchen.

Durch die Vielzahl an Quellen soll herausgearbeitet werden, wie das Wechselspiel von Einzelbild und Gesamtkorpus, unterschiedlichen Themengebieten und ikonografischen Motiven qualitativ gefasst werden kann. Methodische Prämisse ist es, Bilder in ihrer sozialen Kontextualisierung, kulturellen Einbettung und innerhalb ihrer „cadres médiaux“ zu untersuchen, um im Sinne einer „Visual History“ das soziale Feld, in dem gesehen wird, untersuchen zu können. Warum in welchem historisch-kulturellen Kontext der Kanonisierung aus einer fotografischen Quelle ein Sinnbildungsangebot wird, ist als Leitfrage herauszustreichen.

 Im Zuge der nach dem „Anschluss“ Österreichs einsetzenden Pogrome werden jüdische ÖsterreicherInnen wie etwa dieser Teenager zu antisemitischen Beschmierungen gezwungen. Klar erkennbar ist in dieser mittlerweile zum Schlüsselbild des Antisemitismus avancierten Aufnahme die voyeuristische Beteiligung der Bevölkerung, die aber in den jeweiligen Untertiteln meist nicht thematisiert wird.

Im Zuge der nach dem „Anschluss“ Österreichs einsetzenden Pogrome werden jüdische ÖsterreicherInnen wie etwa dieser Teenager zu antisemitischen Beschmierungen gezwungen. Klar erkennbar ist in dieser mittlerweile zum Schlüsselbild des Antisemitismus avancierten Aufnahme die voyeuristische Beteiligung der Bevölkerung, die aber in den jeweiligen Untertiteln der Fotografie meist nicht thematisiert wird.

Mag.a Ina Markova
DOC-Stipendiatin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Projektmitarbeiterin am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien
http://www.univie.ac.at/zeitgeschichte/markova-ina/

 

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/09/09/nationalsozialismus-holocaust-und-zweiter-weltkrieg-im-oesterreichischen-bildgedaechtnis/

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Zwischen Nationalstolz und Ideologie

Abb. 115 aus: Heinrich Schepelmann, Aufgaben und Organisation der Luftwaffe, in: Johannes Poeschel (Hrsg.), Ins Reich der Lüfte. Einführung in die Luftfahrt, 4. völlig neubearbeitete Auflage, Leipzig 1936.

Nach dem Ersten Weltkrieg gründeten ehemalige Militärpiloten und Beobachter[1] private Luftbildfirmen, um einerseits dadurch der drohenden Arbeitslosigkeit zu entgehen, andererseits die in der Bevölkerung und der Wissenschaft größtenteils unbekannte fotografische Sichtweise von oben kommerziell zu verwerten. 1919 entstanden die Luftbild G.m.b.H. sowie eine spezielle Abteilung innerhalb der Deutschen Luft-Reederei G.m.b.H., beide in Berlin.[2]

Anfänglich, aufgrund der Konfiskation der technischen Ausstattung durch die Alliierten, lediglich zu theoretischen Arbeiten gezwungen, konnten die Unternehmen erst mit der allmählichen politischen und wirtschaftlichen Konsolidierung – letztere vor allem durch die Währungsreform Ende 1923 bedingt – zur praktischen Betätigung übergehen. Folgend sollen hier die nichtwissenschaftliche Verwertung der entstandenen Schrägluftaufnahmen[3] in den Fokus gerückt und anhand von exemplarisch ausgewählten zeitgenössischen Publikationen die Entwicklungstendenzen dargestellt werden.[4]

Die Luftbild G.m.b.H. publizierte als Erste im hier betrachteten Zeitraum ein Album mit zwölf Kupfertiefdrucktafeln, das unkommentiert bekannte Bauwerke Berlins aus der Luft präsentierte.[5] 1924 erschien ein Buch, herausgegeben von Paul Kaufmann, in dem erstmals Luftbilder illustratorisch den Text über die zu diesem Zeitpunkt noch besetzten Westgebiete an Rhein, Ruhr und Saar ergänzten.[6] Die vier Aufnahmen sollten zusammen mit dem auf die Hervorhebung der gemeinsamen Geschichte abzielenden Text sowie weiteren 24 Fotografien die kulturelle und wirtschaftliche Bedeutung der Regionen für Deutschland vor Augen führen. Deshalb zeigten drei der Luftaufnahmen als Symbole für den umfassenden Wandel und das einende, das identitätsstiftende Charakteristikum dieser Regionen moderne Zechen (Abb. 1).

Tafel 6 aus dem Werk: Paul Kaufmann (Hrsg.), 1000 Jahre Deutschtum an Rhein/ Ruhr/ Saar, Berlin 1924.

Tafel 6 aus dem Werk: Paul Kaufmann (Hrsg.), 1000 Jahre Deutschtum an Rhein/ Ruhr/ Saar, Berlin 1924.

Ebenso wie das Werk „Deutschland aus der Vogelschau“[7] von Erich Ewald mit 250 Luftaufnahmen wollte auch Kaufmanns Publikation vermitteln, wie stolz die Deutschen auf diese von ihnen geschaffenen Landschaften sein konnten. Diese Bücher lassen sich somit als Versuch interpretieren, den deutschen Lesern ihren Nationalstolz zurückzugeben. Schließlich hatten die hohen Reparationsforderungen und die Demütigung des verlorenen Kriegs Spuren am Selbstwertgefühl der Bevölkerung hinterlassen.

Zur emotionalen Stärkung zielten die Ausführungen Ewalds daher auf die Vermittlung eines gemeinsamen historischen Erbes: „Auch in unserer Zeit soll der Gedanke lebendig bleiben, daß eins uns alle zusammenschließt: Heimat und Volk.“[8] Vor allem das Wesen des Deutschen und seine kulturellen Ambitionen hätten in Jahrhunderten zu den morphologischen Veränderungen der Landschaften geführt, die geografisch bedingt unterschiedliche Resultate zeitigen würden. Durch diese Kontextualisierung protestierte man in den Büchern metaphorisch gegen die fremden Besatzer sowie den Deutschland auferlegten Versailler Vertrag und appellierte an den Durchhaltewillen der Bevölkerung. Gleichzeitig wurden die Fotografien durch die Verknüpfung mit pathetischen Texten in der redaktionellen Gestaltung stark emotionalisiert: „Eine riesenhafte Aufgabe wächst aus diesen Bildern hervor in unser Herz: Deutschland!“[9]

Jahre später versuchte der Kulturphilosoph Eugen Diesel, die deutsche Landschaft auf sachlicher Ebene zu erfassen.[10] Die von ihm gewählten Aufnahmen sind unprätentiös und werden von Bildunterschriften begleitet, die meist nur eine knappe Beschreibung der Motive darstellen (siehe die Bildunterschrift unter Abb. 2). Diesel betonte wie Ewald die historischen Zusammenhänge, ging aber noch einen Schritt weiter: „Ich glaube, daß meine Arbeit als ein Beitrag zu den Bestrebungen angesehen werden darf, unser Land nicht nur als geographische Tatsache, als wirtschaftlichen und politischen ‚Lebensraum‘ zu sehen, sondern auch als ein durch Wesen und Willen formbares Gebilde von höherem Rang.“[11]

Die Abbildung mit der Nummer 172 aus dem Buch: Eugen Diesel, Das Land der Deutschen. Mit 2 Karten und 481 Abbildungen vorwiegend nach Luftaufnahmen von Robert Petschow, Volksausgabe, Leipzig 1933.

Die Abbildung mit der Nummer 172 aus dem Buch: Eugen Diesel, Das Land der Deutschen. Mit 2 Karten und 481 Abbildungen vorwiegend nach Luftaufnahmen von Robert Petschow, Volksausgabe, Leipzig 1933.

Mit seinem Werk kritisierte Diesel aber gleichzeitig die aktuelle Entwicklung in der Gesellschaft, die von einer immer stärker divergierenden Kluft zwischen reichen und den armen Schichten geprägt sei, was wiederum zu kritischen Auseinandersetzungen mit der zunehmenden Technisierung und dem Wirtschaftssystem führe. Immer wieder wurde daher in den Luftbildbänden an ein geeintes Bewältigen der Probleme appelliert. Karl Scheffler, der wie Ewald stärker die emotionale Ebene betonte, fasste es 1933 wie folgt zusammen: „Das ist der Sinn dieses Buches: es will dem Gedanken der geistigen, der kulturellen Einheit dienen – im vielfältig gestalteten deutschen Vaterlande und im vielfältig bewegten deutschen Menschen. Es will die Liebe zu Deutschland vertiefen durch den Blick aus der Höhe.“[12]

Mit der Regierungsübernahme der NSDAP bekam die militärische Komponente in der Verwendung der Luftbilder eine stärkere Bedeutung. So sollte vor allem die Jugend mit Hilfe der Literatur und entsprechenden Luftaufnahmen an das Flugwesen herangeführt werden.[13] Neben den fortgesetzten Protesten gegen den Versailler Vertrag propagierte man in den Publikationen, dass nur ein intaktes, selbstbestimmtes und kraftvolles Volk in der Lage sei, sich selbst zu helfen und mit seiner Willensstärke die Zukunft gewinnbringend zu beeinflussen.

In den kommenden Jahren wurden wiederholt diese Sujets aufgegriffen und um „die großen Aufgaben, die durch die Neuordnung des deutschen Wirtschaftsraumes im Rahmen des Aufbauwerks des Führers gestellt sind“,[14] erweitert. Parallel demonstrierte man nun auch – nach der Offenlegung der militärischen Luftrüstung – ganz offen militärische Stärke (Abb. 3).

Abb. 115 aus: Heinrich Schepelmann, Aufgaben und Organisation der Luftwaffe, in: Johannes Poeschel (Hrsg.), Ins Reich der Lüfte. Einführung in die Luftfahrt, 4. völlig neubearbeitete Auflage, Leipzig 1936.

Abb. 115 aus: Heinrich Schepelmann, Aufgaben und Organisation der Luftwaffe, in: Johannes Poeschel (Hrsg.), Ins Reich der Lüfte. Einführung in die Luftfahrt, 4. völlig neubearbeitete Auflage, Leipzig 1936.

Dies gipfelte zu Beginn des Zweiten Weltkriegs in aerofotografischen Gegenüberstellungen der eroberten mit den deutschen Gebieten in Fachzeitschriften, um die Veränderungen durch die „deutsche Kulturarbeit“ zu dokumentieren.[15] Dieselben Charakteristika, die zur wissenschaftlichen Verwertung der Luftaufnahmen dienten, führten nun zur Instrumentalisierung für die Ziele des NS-Regimes.

Deutlich wird anhand der oben angeführten Beispiele, dass Fotografien oft erst im Zuge ihrer Verwertung mit einer Bedeutung aufgeladen werden. Ein ursprünglich nicht für die Kunst entwickeltes Medium etablierte man nach dem Ersten Weltkrieg in ästhetisch ansprechenden Publikationen für unterschiedliche Zwecke, die mit wissenschaftlichen, emotionalen, künstlerischen oder politisch-ideologischen Zielen verknüpft sein konnten. Durch die Zusammenstellungen kontextualisierten die Autoren die Bilder mithilfe der dazugehörigen Texte neu und kreierten das imaginäre Bild von Deutschland, das ihren jeweiligen Wünschen entsprach.

 

Institution: Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte, Bildarchiv Foto Marburg / Kunstgeschichtliches Institut der Universität Marburg
Betreuer: Prof. Dr. Hubert Locher
Kontakt: marco.rasch(at)hotmail.com


[1] Unter „Beobachter“ verstand man zunächst das Personal in der Maschine, das nach dem Flug über das Gesehene berichtete. Nach der Einführung der fotografischen Luftaufklärung waren sie für die Erstellung der Aufnahmen zuständig.

[2] 1921 kam der Vorläufer der späteren Junkers Luftbild-Zentrale hinzu; 1924 bildete sich die Aerokartographisches Institut A.G. in Breslau. Die Betrachtung der weiteren Entwicklung dieser in den 1920er- und frühen 1930er-Jahren vier größten Luftbildfirmen in Deutschland würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen.

[3] Im Gegensatz zu den für die militärische Luftaufklärung relevanteren Senkrechtaufnahmen sind Schrägluftaufnahmen durch ihre analoge Sichtweise (wie von einem hohen Berg oder Turm aus) einfacher zu lesen und eignen sich daher besser für eine kommerzielle Verwertung in Büchern oder Postkarten.

[4] Diese Betrachtung präsentiert einen Aspekt meines Dissertationsprojektes.

[5] Berlin im Luftbild, Berlin [1921].

[6] Paul Kaufmann (Hrsg.), 1000 Jahre Deutschtum an Rhein/ Ruhr/ Saar, Berlin 1924.

[7] Erich Ewald ‒ Heinrich de Fries, Deutschland aus der Vogelschau. Landschaft und Siedlung im Luftbild, Berlin 1925.

[8] Ebd., S. 31.

[9] Ebd., Vorwort von de Fries.

[10] Eugen Diesel, Das Land der Deutschen. Mit 2 Karten und 481 Abbildungen vorwiegend nach Luftaufnahmen von Robert Petschow, Volksausgabe, Leipzig 1933.

[11] Ebd., S. 6

[12] Deutsches Land in 111 Flugaufnahmen, Die blauen Bücher, Königstein im Taunus 1933, S. 8.

[13] Wulf Bley (Hrsg.), Volk, flieg du wieder! Das Buch der deutschen Luftfahrt, 2. Aufl., Berlin 1933.

[14] Erich Ewald, Das Luftbild, in: Johannes Poeschel (Hrsg.), Ins Reich der Lüfte. Einführung in die Luftfahrt, 4. völlig neubearbeitete Auflage, Leipzig 1936, S. 290.

[15] Vgl. Erich Ewald, Einsatz des Luftbildes für die Aufgaben der Wirtschaft und Vermessung. Organisation des Luftbildwesens, Luftbild und Luftbildmessung 18, 1940, S. 9-14.

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/07/28/zwischen-nationalstolz-und-ideologie/

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„War of Pictures “. Press Photography in Austria 1945-1955

Welt-Illustrierte, 01.02.1953

1945 wurde Österreich von den alliierten Truppen befreit und innerhalb der Staatsgrenzen Österreichs, die bis 1938 bestanden hatten, in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Kriegsende, heimkehrende Soldaten, Zerstörung, Wiederaufbau und Verschärfung der politischen Fronten im Kalten Krieg sind die zentralen Themen des Jahrzehnts, die in der illustrierten Presse zunehmend bilderreicher in Szene gesetzt werden.

Über Österreich bricht förmlich eine multiperspektivische Bilderflut herein, betreibt doch jede Besatzungsmacht einen eigenen Bilderdienst und eigene Publikationskanäle. Besonders der amerikanische Information Services Branch (ISB, ab 1950: USIS: United States Information Service) verfügt über ausreichend finanzielle Mittel, um seinen Bilderdienst, die sogenannte Pictorial Section, zunehmend auszubauen und zu professionalisieren. Die offensive Kulturpolitik der Amerikaner, die in dem Schlagwort „Coca-Colonisation“ (Wagnleitner) trefflich zum Ausdruck kommt, ist auch in der Medienpolitik spürbar und nicht zuletzt auf der Ebene der visuellen Massenkommunikation nachvollziehbar.

Yoichi Okamoto (3. v.R.), Leiter der Pictorial Section, bei einer Besprechung mit seinen Mitarbeitern im Büro des Wiener Kurier, 1952

Yoichi Okamoto (3. v.R.), Leiter der Pictorial Section, bei einer Besprechung mit seinen Mitarbeitern im Büro des Wiener Kurier, 1952

Erstmals sollen in dem Forschungsprojekt alle MitarbeiterInnen der alliierten Bilderdienste sowie selbstständige österreichische PressefotografInnen dieser Ära ermittelt, die Organisationsstruktur der Bilderdienste beschrieben, das Zusammenspiel von nationalen und internationalen Bildagenturen dokumentiert und die Vertriebswege von Pressefotografie analysiert werden.

Zentrales Augenmerk wird dabei auf die von 1945 bis 1955 tätige Pictorial Section der amerikanischen ISB gelegt. Diese Schwerpunktsetzung folgt der These, dass die amerikanische Bildpublizistik bzw. die vom amerikanischen Pressefotografen Yoichi R. Okamoto geleitete Pictorial Section der ISB als zentraler Motor für die österreichische Pressefotografie fungierte. An der Pictorial Section lässt sich zudem paradigmatisch ein Wandel in der Wertschätzung des journalistischen Bildes und damit einhergehend eine Professionalisierung desselben aufzeigen. Aufgrund der guten Quellenlage ist daher ein Blick hinter die Kulissen eines der aktivsten Bilderdienste im Nachkriegsösterreich möglich.

Die quantitative Reichweite des amerikanischen Bilderdienstes lässt sich wie folgt beziffern: Im Jahr 1950 umfasste das gesammelte und archivierte Bildmaterial der Pictorial Section bereits rund 35.000 Negative, das der illustrierten Presse in Österreich unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde. Rund 16.000 Negative sind bis heute als geschlossener Bestand des Bildarchivs der Österreichischen Nationalbibliothek erhalten geblieben.

Ein weiteres für das Forschungsprojekt definiertes Ziel ist die Erhebung der von 1945-1955 tätigen PressefotografInnen. Biografische Daten zu österreichischen PressefotografInnen, darunter Alfred Cermak, Albert Hilscher, Fritz Kern, Max Fibinger, Fred Riedmann, die Gebrüder Basch u.v.m., münden in eine kollektivbiografische Studie, bei der insbesondere der Aspekt von ideologischen Kontinuitäten zwischen Vor- und Nachkriegszeit herausgearbeitet werden soll. Ein Schwerpunkt des Forschungsprojekts liegt schließlich in der Untersuchung des Publikationskontextes der Pressebilder. Anhand von Fallstudien wird mit Hilfe von Text-Bild-Analysen gezeigt, wie sich der Kalte Krieg auf bildsprachlicher Ebene als „war of pictures“ in der Tageszeitung „Wiener Kurier“ und den illustrierten Wochenzeitschriften „Wiener Bilderwoche“, „Große Österreich Illustrierte“, „Wiener Illustrierte“ und „Welt-Illustrierte“ manifestiert.

Das Forschungsvorhaben ist an der Schnittstelle unterschiedlicher Disziplinen wie Medien- und Kommunikationswissenschaft, Geschichte, Kulturwissenschaft, Semiotik und Kunstgeschichte angesiedelt. Methodisch werden Ansätze aus der modernen Journalismusforschung und der Kultursemiotik synthetisiert, um gleichermaßen auf die Organisationsstrukturen, die handelnden AkteurInnen und die bildjournalistischen Produkte fokussieren zu können. Diesem multiperspektivischen Vorgehen entspricht auch die geplante Verschränkung von quantitativen und qualitativen Forschungsmethoden. Biografische Hinweise zu österreichischen PressefotografInnen der Nachkriegszeit sind herzlich willkommen.

Welt-Illustrierte, 01.02.1953

Welt-Illustrierte, 01.02.1953

Institution: Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Universität Wien

Thema: „War of Pictures“. Pressefotografie in Österreich 1945-1955

Projektleiter: Prof. Fritz Hausjell

Laufzeit: Februar 2014 bis Januar 2017

Kontakt: marion.krammer@univie.ac.at, margarethe.szeless@univie.ac.at

 

 

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/05/05/war-of-pictures-press-photography-in-austria-1945-1955/

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„War of Pictures “. Press Photography in Austria 1945-1955

Welt-Illustrierte, 01.02.1953

1945 wurde Österreich von den alliierten Truppen befreit und innerhalb der Staatsgrenzen Österreichs, die bis 1938 bestanden hatten, in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Kriegsende, heimkehrende Soldaten, Zerstörung, Wiederaufbau und Verschärfung der politischen Fronten im Kalten Krieg sind die zentralen Themen des Jahrzehnts, die in der illustrierten Presse zunehmend bilderreicher in Szene gesetzt werden.

Über Österreich bricht förmlich eine multiperspektivische Bilderflut herein, betreibt doch jede Besatzungsmacht einen eigenen Bilderdienst und eigene Publikationskanäle. Besonders der amerikanische Information Services Branch (ISB, ab 1950: USIS: United States Information Service) verfügt über ausreichend finanzielle Mittel, um seinen Bilderdienst, die sogenannte Pictorial Section, zunehmend auszubauen und zu professionalisieren. Die offensive Kulturpolitik der Amerikaner, die in dem Schlagwort „Coca-Colonisation“ (Wagnleitner) trefflich zum Ausdruck kommt, ist auch in der Medienpolitik spürbar und nicht zuletzt auf der Ebene der visuellen Massenkommunikation nachvollziehbar.

Yoichi Okamoto (3. v.R.), Leiter der Pictorial Section, bei einer Besprechung mit seinen Mitarbeitern im Büro des Wiener Kurier, 1952

Yoichi Okamoto (3. v.R.), Leiter der Pictorial Section, bei einer Besprechung mit seinen Mitarbeitern im Büro des Wiener Kurier, 1952

Erstmals sollen in dem Forschungsprojekt alle MitarbeiterInnen der alliierten Bilderdienste sowie selbstständige österreichische PressefotografInnen dieser Ära ermittelt, die Organisationsstruktur der Bilderdienste beschrieben, das Zusammenspiel von nationalen und internationalen Bildagenturen dokumentiert und die Vertriebswege von Pressefotografie analysiert werden.

Zentrales Augenmerk wird dabei auf die von 1945 bis 1955 tätige Pictorial Section der amerikanischen ISB gelegt. Diese Schwerpunktsetzung folgt der These, dass die amerikanische Bildpublizistik bzw. die vom amerikanischen Pressefotografen Yoichi R. Okamoto geleitete Pictorial Section der ISB als zentraler Motor für die österreichische Pressefotografie fungierte. An der Pictorial Section lässt sich zudem paradigmatisch ein Wandel in der Wertschätzung des journalistischen Bildes und damit einhergehend eine Professionalisierung desselben aufzeigen. Aufgrund der guten Quellenlage ist daher ein Blick hinter die Kulissen eines der aktivsten Bilderdienste im Nachkriegsösterreich möglich.

Die quantitative Reichweite des amerikanischen Bilderdienstes lässt sich wie folgt beziffern: Im Jahr 1950 umfasste das gesammelte und archivierte Bildmaterial der Pictorial Section bereits rund 35.000 Negative, das der illustrierten Presse in Österreich unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde. Rund 16.000 Negative sind bis heute als geschlossener Bestand des Bildarchivs der Österreichischen Nationalbibliothek erhalten geblieben.

Ein weiteres für das Forschungsprojekt definiertes Ziel ist die Erhebung der von 1945-1955 tätigen PressefotografInnen. Biografische Daten zu österreichischen PressefotografInnen, darunter Alfred Cermak, Albert Hilscher, Fritz Kern, Max Fibinger, Fred Riedmann, die Gebrüder Basch u.v.m., münden in eine kollektivbiografische Studie, bei der insbesondere der Aspekt von ideologischen Kontinuitäten zwischen Vor- und Nachkriegszeit herausgearbeitet werden soll. Ein Schwerpunkt des Forschungsprojekts liegt schließlich in der Untersuchung des Publikationskontextes der Pressebilder. Anhand von Fallstudien wird mit Hilfe von Text-Bild-Analysen gezeigt, wie sich der Kalte Krieg auf bildsprachlicher Ebene als „war of pictures“ in der Tageszeitung „Wiener Kurier“ und den illustrierten Wochenzeitschriften „Wiener Bilderwoche“, „Große Österreich Illustrierte“, „Wiener Illustrierte“ und „Welt-Illustrierte“ manifestiert.

Das Forschungsvorhaben ist an der Schnittstelle unterschiedlicher Disziplinen wie Medien- und Kommunikationswissenschaft, Geschichte, Kulturwissenschaft, Semiotik und Kunstgeschichte angesiedelt. Methodisch werden Ansätze aus der modernen Journalismusforschung und der Kultursemiotik synthetisiert, um gleichermaßen auf die Organisationsstrukturen, die handelnden AkteurInnen und die bildjournalistischen Produkte fokussieren zu können. Diesem multiperspektivischen Vorgehen entspricht auch die geplante Verschränkung von quantitativen und qualitativen Forschungsmethoden. Biografische Hinweise zu österreichischen PressefotografInnen der Nachkriegszeit sind herzlich willkommen.

Welt-Illustrierte, 01.02.1953

Welt-Illustrierte, 01.02.1953

Institution: Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Universität Wien

Thema: „War of Pictures“. Pressefotografie in Österreich 1945-1955

Projektleiter: Prof. Fritz Hausjell

Laufzeit: Februar 2014 bis Januar 2017

Kontakt: marion.krammer@univie.ac.at, margarethe.szeless@univie.ac.at

 

 

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/05/05/war-of-pictures-press-photography-in-austria-1945-1955/

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Felicita Ratti: Modena und Salzburg in der ersten Nachkriegskrise. Ein Vergleich in der Gesellschaftsgeschichte. Workshop Weimar / Infrastruktur- und Kommunalgeschichte

Abstract.

In diesem Dissertationsvorhaben soll der Struktur- und Gesellschaftswandel zwischen dem Krieg und der ersten Nachkriegszeit im Spannungsfeld zwischen Wandel in dem Produktions-, Organisierungs- und Mitwirkungssystem, mühsamer Demobilisierung und Urfaschismus betrachtet werden. Meine Forschungsarbeit wird sich als möglicher Baustein derjenigen Studien anbieten, welche Korrelationen und Erklärungen für die Veränderungen und Entwicklungen des vergangenen Jahrhunderts bearbeiten. Dies ist eine komparative Studie anhand zweier Mikro-Gesellschaften beziehungsweise die zweier Gebiete der Provinz Modena (seit 1869 piemontesisch und dann 1862 italienisch) und des Landes Salzburg (seit 1816 österreichisch). Ziele der Arbeit sind: Eine Klassifizierung und Erklärung der verschiedenen Korrelationen von Problemen, Zuständen und Entwicklungen, einschließlich der Anknüpfungspunkte zwischen Makro-Ebene, Meso-Ebene und Mikro-Ebene, und längerfristigen und kriegsbedingten oder nachkriegsspezifischen Problemen.

Zum Thema >Krise<
Geschichte und Veränderung sind eng verbundene Begriffe.
Krisen, Kriegen und Katastrophen katalysieren den normalen Ablauf der Veränderung.
Sie bedrohen auch die Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft. Die Bedeutung der „Leistung“ in der modernen, industrialisierten und zunehmend kapitalistischen Gesellschaft wurde bewusster und öfters betont als in den vorhergehenden Gesellschaften.
Krise und Zwischenkriegszeit wurden in verschiedenen Studien miteinander verbunden bzw. in einer Theorie eingebunden.

Es ist von >Krise< die Rede – Krise vor, während und nach dem Krieg – in einem Werk zur italienischen Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert, L´Italia dalla Grande Guerra alla Liberazione (1). Die >Krise< wird zunächst unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg in den Widersprüchen des technologischen Fortschritts und der ersten wirtschaftlichen Krisen identifiziert. Der Krieg bremste dann den Glauben an den wissenschaftlich-technologischen Fortschritt. Verstümmelter Sieg, soziale Unruhe, unstabile internationale Verhältnisse und finanzwirtschaftliche Schwäche stoppten den Liberalismus a la Giolitti. Auf der einen Seite ermöglichte das so genannte Giolittismo nach wie vor keine vollständige Eingliederung in die Gesellschaft für die Arbeiterschaft, auf der anderen sind verschiedene andere Vorschläge abkömmlich, wie der russische Traum (2).

Das Thema von der >Krise< ist explizit zitiert in der Dissertation Geschichte Salzburgs in den Jahren 1918/1919 unter besonderer Berücksichtigung des Problems der Lebensmittelversorgung (3), dann veröffentlicht als Hunger, Not und Korruption. Der Übergang Österreichs von der Monarchie zur Republik am Beispiel Salzburgs (4). Diese erweist sich wie eine der Ernährungskrise gewidmete wichtige Arbeit, und die soziale Geschichte zwischen das Ende des Ersten Weltkrieges und den Anfang der Ersten Republik beschreibt. Die Forschung fokussiert vor allem die Konjunktur im Krieg. strukturelle Probleme der Lebensmittelversorgung, unzureichende Effizienz in der Steuerung der Ablieferungen. Eine interessante Perspektive, die mühsame Übergang und eine konkrete Art Krise – die Ernährungskrise, eben – verbindet.

Eine weitere Abschlussarbeit zum Thema Krise ist die Diplomarbeit Finale Emilia nella crisi del Primo Dopoguerra 1919-1922 (5) von dem nunmerigen Gewerkschaftsangestellten Lucio Salino – betreut von dem berühmten Historiker Paolo Prodi. Diese Arbeit behandelt die Nachkrisezeit in der nord-modenesischen Gemeinde Finale Emilia in ihrer sozialen Spannungslage zwischen Biennio Rosso 1919-1920 und Biennio Nero 1921-1922.

>Krise< wurde auch ein Konzept für die Diplomarbeit Martin Gschwandtners Die Macht des Geldes. Die Krisen-Republik und die Geschichte von Auguste Caroline Lammer und ihrer kleinen Regionalbank 1920-1937 (6), welche in ihren ersten vier Kapiteln auf die Themen der Wirtschafts-, Währungs- und Bankenpolitik auf österreichischer und lokaler Ebene eingeht und dann denn Fall der Pinzgauer Bank Lammer rekonstruiert. >Krise< ist hier besonders von den österreichischen Verhältnissen in der Währungswirtschaft und der Lebenskosten abgegrenzt. Die Diplomarbeit wurde, genauso wie im Fall Köfners, später veröffentlicht als Augustine Caroline Lammer (1885 – 1937) – Die bisher einzige Bankgründerin Österreichs. Ihre turbulente Geschichte in einer krisenhaften Zeit (7).

In dem Fall, in welchem man >Krise< als >Möglichkeit< definiert, kann man das Werk Charles Maiers anzeigen, Recasting Bourgeois Europe. Der Historiker argumentierte, dass die Wiedergründung eines bürgerlichen Europas ein Ziel für die Nachkriegszeit wäre, verwirklicht sich aber nicht mehr in Richtung >liberales< Europa sondern in Richtung einer >neo-korporatistischen< Entwicklung.
Die Einführung von dem berühmten italienischen Ökonomist Gian Enrico Rusconi für die italienische Auflage deutet: Der Anlass und das relative Potential der „Wiedergründung“ eines „bürgerlichen“ Europas nach dem Krieg scheint zum Teil eine Enttäuschung zu sein – der Begriff „Versagen“ wäre in diesem Fall zu extrem.

Ebenfalls zu erwähnen ist der Meilenstein der historischen soziologischen Komparatistik, Barrington Moore (Social origins of Dictatorship and Democracy, 1966): In seiner umfassenden, nicht ausschließlich europazentrierten Gesellschaftstheorie werden Industrialisierung, bevorstehende agrarische Produktions- und Gesellschaftsverhältnisse und ein Ausgangspunkt >westliche Demokratie< in verschiedenen Korrelationen gestellt.

Grundlegende Annahmen
Die historische Forschung zum Ersten Weltkrieg hat einerseits die vielfachen Auswirkungen dieses Konfliktes analysiert, bzw. seine Rolle als große Chance für die Modernisierung und die Implementierung verschiedener wirtschaftlichen und sozialen Leistungen durch die Mobilisierung, als großes Trauma und als Zäsur für die europäische Bevölkerung analysiert, andererseits war auch die Bedeutung der Aufstände und Revolutionen, die sich gegen oder kurz nach Ende des Krieges in ganz Europa ausbreiteten, von großem Interesse. Das Ende des Krieges und dessen Ergebnisse, sowie die Demobilisierung schienen zuerst, große Möglichkeiten zu eröffnen. Die Nachkriegszeit bot ein Fenster für Wechsel, Reformen und gleichzeitig Widerstand, Spannungen und Gegenreaktionen. Diese Möglichkeiten wurden teilweise nicht genutzt.
Die verschiedenen Ausformungen der Versuchen, des Versagens oder der Enttäuschung können auf einer Makro-Ebene (Europa), auf einer Meso-Ebene (Italien/Österreich) und/oder auf einer Mikro-Ebene (Modena/Salzburg) analysiert werden. Die Perspektive von der Mikro-Ebene beweist einige Vorteile: Die Mikro-Ebene kann eine Synekdoche oder einen Sonderfall/Ausnahmefall in dem nationalen oder europäischen Rahmen konstituieren. Die Mikro-Ebene bietet zusätzlich die Möglichkeit, verschiedene Strukturen unter der Lupe zu bringen.

Krisen und Veränderungen in dem vorliegenden Forschungsvorhaben.
Zwischen dem 19. Jahrhundert und der Zwischenkriegszeit können wir verschiedene Schritte nach der >Moderne< identifizieren: eine komplexe Modernität, die von den „liberalen Revolutionen“ der Jahre 1820-1848 und von den relevanten Fortschritten der Industrialisierung auf einem idealen Pfad vorwärts marschieren dürfte. Aus verschiedenen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Gründen entstanden aber in Modena und Salzburg eine beschränkt modernisierte Gesellschaft.
Bald traten die Spannungen an, welche aus der Adaptierung zum neuen Wesen als Provinz in dem Königreich Italien/in dem österreichischen Kaiserreich antraten.

Das wirtschaftliche Leistungspotential dieser Gebiete wurde in Frage gestellt: Die Herausforderung war, spezifische strukturelle Nachteile zu überholen. Vor, während und nach dem Krieg blieben aber oft viele Lücken in der lang gewünschten Modernisierung.
Ein schwacher sozialer, politischer und wirtschaftlicher Liberalismus entstand, der sich mit den Widersprüchen des neuen gesellschaftlichen Bildes konfrontierte. Die Herausforderungen des typischen „Liberalen“ Muster wurden nicht bestanden, weder in ihrer argumentativen Grundannahme, noch in der Schaffung einer politischen Gestalt. Eher als das wenig repräsentierte typische kapitalistische Bürgertum, waren ein städtisches Kleinbürgertum oder kleine Besitzer (in Landwirtschaft, Gastgewerbe, Industrie) in Modena und vielmehr in Salzburg vertreten.
Die Formen der Arbeiterschaft waren in der Provinz und in dem Land sehr unterschiedlich, so wie deren Organisierung und deren Konfliktbereitschaft oder -steuerung.

Der Krieg ist kein überraschendes Ende einer „Belle Epoque“ sondern eine progressive Entwicklung, eine Akkumulierung an Spannungen; dazu Katalysator der verschiedenen Spannungen und als Beiträger neuer Spannungen. Metaphorische Schützengräben entstanden in diesen Gebieten und wurden in der Nachkriegszeit perpetuiert.

Die ökonomische Krise traf die noch nicht vollständig modernisierten (im Sinne von kapitalistisch organisierten) Agrargebiete besonders stark: Die Landwirtschaft war durch die Verwahrlosung der Felder geschädigt, was zu Ernährungsproblemen führte; Inflation und Handelsstopp führten zur Verarmung der mittelständischen Gesellschaft. Die Industrie und einige, gewisse Branchen der kleinen und mittleren Unternehmen und Gewerbe profitierten zwar teilweise von der staatlichen Mobilisierung, welche Sputen hinterließ, trotzdem blieben andere Zweigen hingegen vernachlässigt oder benachteiligt. In diesem Sinn bietet die Arbeit interessante heuristische, deskriptive und analytische Denkanstöße über die Entwicklung der Kommerzialisierung und Industrialisierung Europas.
Was im 19. Jahrhundert politisch nicht gelang, war die Herausbildung einer bürgerlichen Partei im Sinne einer bürgerlich-demokratischen Partei. Der Liberalismus wurde immer schwächer. Die städtischen Parteien oder Verbände, die ursprünglich im liberalen Lager situiert waren, wurden unter dem Druck der „roten Gefahr“ und der nationalistischen Ansprüche immer unentschiedener gegenüber den entstehenden faschistischen Ideen. Die Nachkriegszeit markierte in diesem Fall eine echte Zäsur, weil sie die definitive Abkehr der potentiell „liberalen“ Parteien aus dem Liberalismus mit sich brachte. Das städtische Bürgertum begrüßte bestimmte nationalistische Positionen, wie die Haltung zur großdeutschen Frage in Salzburg und zur nationalistischen Frage, bei verschiedenen Gruppen. Besonders junge, gewaltbereite Militante, zusammen mit bestens ausgebildeten Intellektuellen/Akademikern, wurden in diesen tätig. Die bäuerliche Welt unterstützte konservative Ideen. Diese politischen Mentalitäten weisen einige Ähnlichkeiten in der Art und Weise ihrer Mobilisierung auf. Bürgertum und Ackerbesitzer koalierten in Modena in der Faschistischen Partei gegen den „Bolschewismus“. Diese bot unter der Leitung Mussolinis mögliche Lösungen für die gespannten Verhältnisse der verspätet industrialisierten und von Krieg gezeichneten Provinz Modena. In Salzburg hingegen blieb diese Koalition noch in zwei Teile gespalten; so konnten sich die Salzburger noch zwischen zwei politischen Vorschlägen entscheiden: Auf der einen Seite stand die österreichische und meist katholische Variante, die in den Austrofaschismus mündete, auf der anderen Seite die großdeutsche Variante, die sich zum Nationalsozialismus weiterentwickelte. Die Anpassung erfolgte in diesem Fall für einige Jahre noch im Rahmen der Republik, zuerst stark sozialdemokratisch geprägt, dann unter der bürgerlich-konservativ geprägten Regierung. Was wichtig ist und klar hervortreten soll: Die Bürgerlichen waren zum Teil mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert und setzten sich mit ähnlichen Problemen auseinander. Es gab ein reiches Umfeld für die Entwicklung von paramilitärischen Gruppierungen. Die Bezeichnung „paramilitärisch“ ist in diesem Zusammenhang nicht nur zutreffender, sondern auch funktionell als Überbegriff für die vielen unterschiedlichen Ausprägungen (arditi, squadristi, nazionalisti, Heimwehren, Nationalsozialismus usw.).
Die sozialen Ähnlichkeiten in den Mentalitäten spiegeln sich in den Theorien über Faschismus als europäisches Phänomen wider, wobei der Unterschied auf politischer Ebene zu betonen ist. Die sozialen Ähnlichkeiten ermöglichen ebenso ein regionales Studium der Ursprünge der paramilitärischen Gewalt (Squadrismo, Heimwehren, Blick auf zukünftige nationalsozialistische, gewalttätige Militante) und der Rätebewegung in der Provinz sowie ihrer Verbindungen mit dem vergangenen Krieg. Zusammen mit der Bevölkerung wurden die Heimkehrenden in Bauernräten, Frontkämpfer-, Arbeiter- und Soldatenvereinen aktiv, die sich oft eher lautstark aufgrund einer lokalen Agenda als gemäß den Aufrufen aus der Hauptstadt mobilisierten. Diese Bewegungen waren – besonders am Anfang – gar nicht monolithisch, sondern in verschiedene Strömungen und Richtungen zersplittert. Aufgrund der oben genannten Strukturen gab es diverse Ähnlichkeiten zwischen Modena und Salzburg. In Bezug darauf werden Veranstaltungen, Themen, Mobilisierung, Organisation, Feinde und Ziele analysiert: Nationalistische Mentalitäten, Schutz des Besitzes, Bekämpfung der „Roten“ oder soziale Revolution (für Revolutionäre) bzw. Schutz der Konsensdemokratie (für gemäßigte Sozialisten) sind hier von Bedeutung.
Ein weiterer zu analysierender Punkt ist die effektive Rolle der Heimkehrenden im Rahmen dieser Mobilisierung. Der Erste Weltkrieg ist in dieser Betrachtungsweise als Katalysator für Spannung und Gewalt anzusehen. In ihm sind bereits strukturelle soziale Impulse (bzw. Spannungen im Modernisierungsprozess) begründet, wie die Zusammenhänge und das Aufeinanderfolgen von Gewöhnung an die Kampferfahrung, Gewalt, Repression und Wut. Gruppen, die auf irgendeine Weise anfällig für nationalistische Propaganda waren, wurden auch durch die Mythologisierung der Teilnahme am Krieg und der jungen Männlichkeit beeinflusst. Man zeigte die mutigen Jungen als Helden und Träger der Bürden des Krieges, wohingegen die Arbeiter nach einer Entschädigung auf der Basis demokratisch oder revolutionär begründeter Anforderungen fragten, was auch das Kleinbürgertum tat. Letzteres fand aber keinen Vertreter und stellte sich am Ende mit dem gesamten Bürgertum gegen die Arbeiterbewegung. Aus diesem Grund ist hier das wichtige Thema zu erforschen, inwieweit der Erste Weltkrieg eine Epoche markiert; es stellt sich die komplexe Frage nach den sozialen und wirtschaftlichen Kriegsfolgen und nach der Vernichtung von möglichen liberalen Ansätzen in einer europäischen Perspektive, wobei die Provinzen als Synekdoche gelten können, oder hingegen als Ausnahmefälle.

Die Rolle der Spanischen Grippe, zu der eine Vorstudie (8) von mir veröffentlicht würde, wird in der Dissertation aus der Perspektive der Geschichte des Wohlfahrtsstaats und als Spannungsfaktor (und Katastrophe) betrachtet.

Der historiographische Horizont enthält sozialhistorische Forschungen über den Ersten Weltkrieg, über die Modernisierung und den Wiederaufbau Europas, über Faschismen und Sozialismen.

Vorgesehene Struktur der Dissertation.
1. Einleitung
2. Von unabhängigen Staaten zu der modernen Verwaltung
Änderungen, Entwicklung der Verwaltung anhand der Herausforderungen der Modernität (diachronisch – vor, während und nach dem Krieg)
3. Bürgerlich, kleinbürgerlich?
Soziale, wirtschaftliche und kulturelle Eigenschaften und Dynamiken in vergleichender Perspektive (diachronisch – vor, während und nach dem Krieg)
4. Industrie – Schwierigkeiten und Dynamiken der Industrialisierung
Strukturen, Prozesse, Veränderungen (diachronisch)
5. Landwirtschaft
Strukturen, Prozesse, Veränderungen (diachronisch)
6. Fortschritt und Konflikte steuern
Verhandlungsräume. Handelskammer. Gewerkschaften, Arbeitskammer und Arbeiterkammer(großteils diachronisch)
7. Die inneren Fronten: die Mobilisierung für den Krieg als sozialpolitische Dynamik
Die Mobilisierung und die Demobilisierung: kriegsbedingte Veränderungen und Prozesse. Repression, Steuerung, Kontrolle
Kriegsgefangene, Zivilinternierte, Flüchtlinge
(ausschließlich Kriegszeit)
8. Counting the dead: Der Last des Krieges
Zahlen, Verluste, das Heimkehren und deren Evaluierung als Nachkriegsfrage.
9. Neue Ansätze für die Nachkriegszeit: politische Programme und konkrete Vorschläge für die >Zukunft<
10. Mussolini, Hitler und andere Führerpersönlichkeiten. Schriften, Debatten und Aktivismus in den Städten in der Zeit unmittelbar nach dem Krieg. Bürgerliches Syndikalismus, revolutionäre Bausteine oder wegweisende Anregungen für einen Fortschritt in der Konservation?
11. Abschließende Bemerkungen/ Conclusio

 

Anmerkungen
1 Vgl. Fiamma Lussana, L´Italia dalla Grande Guerra alla Liberazione, Roma, Carocci, 2009.
2 Siehe dazu besonders SS. 62.
3 Gottfried Köfner, Geschichte Salzburgs in den Jahren 1918/1919 unter besonderer Berücksichtigung des Problems der Lebensmittelversorgung, Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades an der geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg, 1979.
4 Gottfried Köfner, Hunger, Not und Korruption. Der Übergang Österreichs von der Monarchie zur Republik am Beispiel Salzburgs, Wolfgang Neugebauer Verlag GmbH, Salzburg, 1980.
5 Lucio Salino, Finale Emilia nella crisi del Primo Dopoguerra 1919-1922, tesi di laurea in sociologia [Diplomarbeit für Soziologie], Universitá degli studi di Trento, anno accademico 1972/1973.
6 Martin Gschwandtner, Die Macht des Geldes. Die Krisen-Republik und die Geschichte von Auguste Caroline Lammer und ihrer kleinen Regionalbank 1920-1937, Diplomarbeit zur Erlangung des Magistergrades am Institut für Geschichte der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg, 2003.
7 Martin Gschwandtner, Augustine Caroline Lammer (1885 – 1937) – Die bisher einzige Bankgründerin Österreichs. Ihre turbulente Geschichte in einer krisenhaften Zeit, München, GRIN Verlag, 2010.
8 Felicita Ratti, «Qui sono diventati spagnoli in molti». Storia sociale comparata della pandemia influenzale 1918-1919 nella provincia di Modena e nel Land Salisburgo, in Francesco Paolella, Fabio Montella, Felicita Ratti, Una regione ospedale. Medicina e sanità in Emilia-Romagna durante la Prima Guerra Mondiale, Bologna, CLUEB, 2010.

 

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Quelle: http://histbav.hypotheses.org/1797

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Daniel Rittenauer: Verortung bayerischer Landessymbole in der Weimarer Republik. Workshop Weimar / Institutionengeschichte

Abstract.

Die Weimarer Republik war die längste Zeit ihres Bestehens geprägt von Auseinandersetzungen zwischen politischen Lagern und Ideologien. Auf symbolischer Ebene und in breiter Öffentlichkeit wurden diese im Reich besonders im so genannten Flaggenstreit ausgetragen, in dem die Farben der Republik schwarz-rot-gold denen des vergangenen Kaiserreichs schwarz-weiß-rot gegenübergestellt wurden.
Auf Landesebene fand der Flaggenstreit auch Ausdruck, indem es besonders Ende der 1920er Jahre zu Konflikten um den durch den bayerischen Staat abgelehnten Gebrauch von schwarz-rot-goldenen Flaggen auf öffentlichen Gebäuden kam. Bereits zuvor war es zwischen der bayerischen Regierung und dem Reich zu Reibungen bei gemeinsamen Symbolfragen gekommen, so bei den Hoheitszeichen an der bayerischen Reichsgrenze oder im militärischen Bereich. Rechtfertigte die Bayerische Staatsregierung ihre Verweigerungshaltung mit Verweis auf die Souveränität Bayerns gegenüber dem Reich, so verwendeten etwa Münchener Hotels bei Staatsbesuchen weiß-blaue Flaggen, um dem Gebrauch der ungeliebten schwarz-rot-goldenen Flagge zu umgehen, nicht zuletzt auch deswegen, um ihre deutschnationale Stammkundschaft nicht zu vergraulen; dass diese Verweigerungshaltung in Bayern gegen die republikanischen Farben nicht immer gegeben war, zeigen Plakate der Bayerischen Volkspartei zur Wahl der Nationalversammlung 1919, in denen weiß-blau und schwarz-rot-gold gemeinsam und in positiver Konnotation verwendet werden.

Bedingt durch die zahlreichen Veränderungen und Konflikte in dieser Zeit ist die Quellengrundlage reichhaltig. Quellen zu diesem Forschungsanliegen finden sich vor allem im Bayerischen Hauptstaatsarchiv (Ministerium des Äußern, Ministerium für Unterricht und Kultus) sowie im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde (Reichsinnenministerium, Reichskanzlei, Reichskunstwart, Vertreter der Reichsregierung in München), darüber hinaus als Klein- und Kleinstfunde verstreut an verschiedenen Stellen in Form von gedruckten und ungedruckten Quellen in Bibliotheken und Archiven.

In meinen Forschungen soll untersucht werden, mit welchen Aussagen und Inhalten bayerische Landessymbole 1918 – 1933 verbunden sind und welche Entwicklungen diese im Laufe der Zeit erfuhren. Welche Auswirkungen hatte die Zäsur der Revolution von 1918 auf die Semantik bayerischer Landessymbole wie dem bis 1923 von Otto Hupp gestalteten Bayerischen Staatswappen? Welche politischen Vorstellungen – die etwa besonders gut anhand von Konflikten ersichtlich werden, die sich am Gebrauch oben genannter Symbole entzündeten – sollten durch die Verwendung bayerischer Landessymbole transportiert werden? Welches Staatsverständnis kommt in den bayerischen Landessymbolen zu Zeiten der Weimarer Republik zum Ausdruck. Wie gestalteten und entwickelten sich die Beziehungen zwischen Reichsstellen und Bayerischer Regierung in dieser Frage?

Die Untersuchung der Bayerischen Landessymbole zu Zeiten der Weimarer Republik ist dabei ein kleiner, aber bedeutsamer Bestandteil eines groß angelegten Langzeitprojektes, das sich der Erforschung der bayerischen Landessymbole vom Frühmittelalter bis in die Gegenwart widmet.

 

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Quelle: http://histbav.hypotheses.org/1647

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Propaganda- und Privatfotografie im Zweiten Weltkrieg

Ein finnisches PK-Foto von PK-Fotograf Manninen, aufgenommen in der Nähe von Sortavala im August 1941. Laut Bildunterschrift zeigt das Bild sowjetische Gefangene. Vorne sind zwei Soldatinnen zu erkennen, die nicht dem deutschen Feindbild von blutrünstigen „Flintenweibern“ entsprachen. Das Bild ist, womöglich wegen der Unschärfe von der Zensur als "nicht zu veröffentlichen" klassifiziert. Quelle: Finnish Wartime Photograph Archive (CC)

Olli Kleemola promoviert am Institut für Zeitgeschichte der Universität Turku (Finnland) zum Thema „Das Feindbild an der Ostfront anhand von deutschen und finnischen Fotobeständen aus dem Zweiten Weltkrieg“.
Lucia Halder (Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung) sprach mit dem Fotohistoriker über seine Arbeit.

 

Lucia Halder: Bereits der Erste Weltkrieg ist durch eine Vielzahl visueller Erzeugnisse dokumentiert. Welche Rolle spielte deiner Ansicht nach das Medium Fotografie im Zweiten Weltkrieg?

Olli Kleemola: Der Zweite Weltkrieg kann durchaus als erster wirklicher „Fotokrieg“ bezeichnet werden, da die Fotografie erst während dieses Krieges in den Propaganda-Apparaten der kriegsführenden Länder zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Diese Entwicklung spiegelt sich unter anderem darin, dass im Zweiten Weltkrieg die Fotopropaganda zunehmend in die Hände von staatlich und militärisch gelenkten Profis geriet: NS-Deutschland hatte seine Propagandakompanien, Finnland seine Informationskompanien, wie die Propagandaeinheiten dort genannt wurden. Während des Zweiten Weltkriegs waren überdies die Chancen eines „normalen Frontsoldaten“ zu fotografieren größer, da die technische Entwicklung die Kameras im Vergleich zu den Zeiten des Ersten Weltkriegs erschwinglicher gemacht hatte.

Heeresfilmstelle. Bildarchiv, 341.321.7 356.255.2 Deutschland, März 1940 Bildberichter der P.K. bei der Auswertung ihrer im Labor der P.K. entwickelten Aufnahmen. Bildberichter: Schröter. P.B.z. Neg.Nr. P.K. 104/1

Heeresfilmstelle. Bildarchiv, 341.321.7 356.255.2
Deutschland, März 1940
Bildberichter der P.K. bei der Auswertung ihrer im Labor der P.K. entwickelten Aufnahmen.
Bildberichter: Schröter. P.B.z., Neg.Nr. P.K. 104/1
Quelle: Bundesarchiv
CC-BY-SA

Lucia Halder: In den „Anweisungen für Kriegs-Photographen und Kinematographen“ des deutschen Generalstabs vom Dezember 1914 war streng geregelt, was veröffentlicht werden durfte und sollte und was nicht. Gab es solche Steuerungsbestrebungen auch im Zweiten Weltkrieg?

Olli Kleemola: Durchaus, in NS-Deutschland gab es etwa in Form „halboffizieller Kompanie-Fotografen“ viele Versuche, die knipsenden Soldaten gewissermaßen in den Dienst der NS-Propaganda zu stellen. In Finnland  versuchte man währenddessen, ein Monopol der Kriegsfotografie zu schaffen, indem die Fotografie an der Front neben den Propagandaeinheiten nur denjenigen gestattet war, die über eine besondere Lizenz verfügten. In der Lizenz stand festgeschrieben, dass die aufgenommenen Fotos beim Vorgesetzten vorzuzeigen waren und dass bestimmte Motive wie Gefallene nicht fotografiert werden durften. Dieser Versuch war natürlich von Anfang an zum Scheitern verurteilt.

Neben dem Knipsen wurde natürlich auch die Arbeit der offiziellen Propagandafotografen streng geregelt. In finnischen Archiven habe ich die Übersetzung einer Liste von verbotenen Motiven für deutsche Propagandafotografen gefunden, die meines Wissens in deutschen Archiven nicht überliefert ist. Die an finnische Propagandafotografen gerichteten Anweisungen sind in Finnland komplett überliefert und bilden eine wichtige Grundlage meiner Arbeit. Allein die Richtlinien für Fotozensur fehlen in beiden Ländern – sollte jemand diesbezüglich einen Hinweis für mich haben, wäre ich natürlich sehr dankbar!

Lucia Halder: Soldaten in Kriegshandlungen stehen im Einflussbereich von Streitkräften, Regierung, Gesellschaft und auch des internationalen Umfelds. Der Kriegsberichterstatter  Phillip Knightley bezeichnete Angehörige seines Berufsstands gleichermaßen als „Hero, Propagandist, and Myth-Maker“. Spiegelt sich diese Ambivalenz auch in den von dir analysierten Aufnahmen wider?

Olli Kleemola: Ja und nein. Anhand der deutschen Propagandafotos kann man erkennen, dass die Fotografen dazu geschult worden sind, propagandistische Fotos zu machen. In Deutschland mussten die Angehörigen der Propagandakompanien an einem Kurs teilnehmen, in welchem ihnen die Grundlagen der Propaganda beigebracht wurden. Die Inhalte dieser Kurse sind meines Wissens nicht genau überliefert, doch ist es mir gelungen, eine Übersichtsdarstellung zu finden. In Finnland gab es solche Kurse nicht, und anhand der Fotos von finnischen Propagandaeinheiten kann man auch leicht erkennen, dass die finnische Propagandafotografie weitaus realitätsnaher und weniger propagandistisch aufgeladen war.

Lucia Halder: Was  verraten uns die Fotografien aus dem Zweiten Weltkrieg im Gegensatz zu den Presseberichten?

Olli Kleemola: Interessant ist vor allem das, was die Fotos nicht zeigen, obwohl sie es angeblich tun. Ein Beispiel sind  deutsche Propagandafotos, die laut Begleittext „Flintenweiber“ zeigten, die „ihre Weiblichkeit abgelegt und mit Kind und Kegel in den Krieg gezogen sind“. Auf den Fotos waren jedoch oft sehr junge, erschrockene Frauen zu sehen, die von den Deutschen gefangengenommen worden sind. In solchen Fällen kann man leicht erkennen, wie die Propagandisten in Erklärungsnot geraten sind. In dem besagten Fall kam es zu einer Anweisung des Reichspropagandaleiters, dass jene Fotos in der deutschen Presse nicht mehr veröffentlicht werden durften, weil sie mehr Mitleid als Hass erzeugen könnten. In dem Sinne sind Fotos vielleicht ein wenig wahrheitsgetreuer, denn Textberichte können ja beliebig umgeschrieben werden.

Ein finnisches PK-Foto von PK-Fotograf Manninen, aufgenommen in der Nähe von Sortavala im August 1941. Laut Bildunterschrift zeigt das Bild sowjetische Gefangene. Vorne sind zwei Soldatinnen zu erkennen, die nicht dem deutschen Feindbild von blutrünstigen „Flintenweibern“ entsprachen. Das Bild ist, vielleicht auch wegen der Unschärfe, von der Zensur als "nicht zu veröffentlichen" klassifiziert. Quelle: Finnish Wartime Photograph Archive (CC)

Ein finnisches PK-Foto von PK-Fotograf Manninen, aufgenommen in der Nähe von Sortavala im August 1941. Laut Bildunterschrift zeigt das Bild sowjetische Gefangene. Vorne sind zwei Soldatinnen zu erkennen, die nicht dem deutschen Feindbild von blutrünstigen „Flintenweibern“ entsprachen. Das Bild ist, vielleicht auch wegen der Unschärfe, von der Zensur als “nicht zu veröffentlichen” klassifiziert.
Quelle: Finnish Wartime Photograph Archive (CC)

Lucia Halder: In deiner Dissertation analysierst du aber nicht nur Bilder von ausgebildeten Fotografen, sondern auch private Fotografien. Wie unterscheiden sich die sogenannten Knipserbilder von den offiziellen Bildern?

Olli Kleemola: Obwohl manche Knipserfotos auch den jeweiligen Tenor der Propaganda scheinbar nur wiederholen, gibt es durchaus auch Fotos, die ein anderes Bild des Krieges vermitteln – etwa Fotos, die geschändete Leichen des Gegners zeigen.

Lucia Halder: Viele dieser privaten Bilder verschwanden nach Kriegsende in privaten Schränken. Wie hast du sie aufgestöbert?

Olli Kleemola: Was die finnischen Privatbilder angeht, habe ich – angeregt durch Erzählungen meines Großvaters, der selbst Kriegsteilnehmer war –  bereits mit elf Jahren begonnen, Privatfotos von finnischen Soldaten zu sammeln. Die Sammlung, die mittlerweile etwa 11.000 Fotos umfasst, stellt eine bedeutende Grundlage meiner Arbeit dar, obwohl natürlich auch Bestände zahlreicher Museen ergänzend mit einbezogen werden.

Was die deutschen Privatfotos angeht, konnte ich zum Glück auf Bestände verschiedener Museen und Privatarchive zurückgreifen. Vor allem die Bestände im Deutsch-Russischen Museum in Berlin und im Hamburger Institut für Sozialforschung sind für meine Arbeit von großer Bedeutung.

Lucia Halder: Ein sehr bekanntes Bild hat ein deutscher Soldat 1942 während des sogenannten Russlandfeldzugs aufgenommen. Das Bild zeigt ein auf den ersten Blick nahezu idyllisches Motiv: Eine Frau watet mit geschürztem Rock durch eine Furt. Erst die Beschriftung auf der Rückseite des Fotos verdeutlicht das tatsächliche Motiv: „Die Minenprobe“ steht dort geschrieben.[1] Die Frau wurde als Minensucherin missbraucht und hätte zum Zeitpunkt der Aufnahme jeden Moment einem Sprengsatz zum Opfer fallen können. Oft sind Fotografien aber ohne Begleittexte überliefert. Wie kannst du den Entstehungskontext dieser Bilder ermitteln?

Olli Kleemola: Eine sehr gute Frage. Es ist ohne Weiteres klar, dass ich die Fotos anders anschaue als zum Beispiel ein Soldat der deutschen Wehrmacht oder der finnischen Armee in den 1940er-Jahren. Um die Denk- und Handlungsorientierungen der Soldaten zu rekonstruieren, greife ich auf neuere Forschungen etwa von Felix Römer oder Sönke Neitzel und Harald Welzer zurück.

Ich habe aber auch nicht vor, jedes einzelne Bild als solches zu analysieren. In den Bildmassen suche ich Tendenzen, allgemeine Entwicklungslinien, und versuche diese dann zu deuten. Oftmals entwickeln sich dabei viele verschiedene Deutungsmöglichkeiten.

Lucia Halder: Du vergleichst in deiner Arbeit finnische und deutsche Fotografien. Was sind die frappierendsten Unterschiede und Ähnlichkeiten, die du bislang feststellen konntest?

Olli Kleemola: Jedes kriegführende Land hat sicher seine eigenen Fotos gehabt, die das eigene Volk von der „Bestialität“ der Gegner überzeugen sollten. Ähnliche Muster in der Propaganda sind also durchaus vorhanden.

Eine teils entkleidete Sowjetsoldatin, Mitglied eines sowjetischen Spähtrupps, von finnischen Soldaten getötet. Dieses Foto war in Fotoalben finnischer Soldaten weit verbreitet.

Eine teils entkleidete Sowjetsoldatin, Mitglied eines sowjetischen Spähtrupps, von finnischen Soldaten getötet. Dieses Foto war in Fotoalben finnischer Soldaten weit verbreitet.

Ein prägnantes Distinktionsmerkmal ist zunächst das Rassentheorem, das in der deutschen Propaganda im Vergleich zur finnischen eine sehr große Rolle spielte. Aber der vielleicht interessanteste bisher feststellbare Unterschied besteht darin, dass die finnischen Soldaten relativ oft tote, teils entkleidete sowjetische Soldatinnen fotografiert haben, die anhand ihrer Bekleidung als solche zu erkennen sind. In deutschen Fotobeständen finden sich ähnliche Privatfotos, doch beim genaueren Betrachten konnte ich feststellen, dass die Frauen auf den deutschen Fotos tote Zivilistinnen sind, die wiederum in den finnischen Fotobeständen nicht zu finden sind. Aus irgendeinem Grund gibt es hier also keine Übereinstimmungen zwischen den Fotobeständen beider Länder. Diesen Grund gilt es nun zu eruieren.

Lucia Halder: Olli Kleemola, herzlichen Dank für das Gespräch.

 

[1] Das Bild wurde in der Ausstellung Fremde im Visier – Fotoalben aus dem Zweiten Weltkrieg gezeigt (20.10.2012 bis 1.9.2013 im Universalmuseum Joanneum in Graz).

 

Institution: Institut für Zeitgeschichte der Universität Turku, Finnland
Kontakt: owklee@utu.fi

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/02/03/propaganda-und-privatfotografie-im-zweiten-weltkrieg/

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Matthias Bischel: Die Netzwerke des Gustav von Kahr. Workshop Weimar / Personengeschichte

Abstract zum Dissertationsvorhaben.

Der hohe Verwaltungsbeamte Gustav Ritter von Kahr (1862-1934), in erster Linie bekannt als kurzzeitiger Bayerischer Ministerpräsident (1920/21) sowie als Generalstaatskommissar (1923/24) mit ungeklärter Rolle beim Münchener Hitlerputsch, ist bis heute ein in Publizistik und Wissenschaft häufig thematisierter und diskutierter Akteur. Insbesondere die mit der Entwicklung der zum Teil radikal antidemokratischen Bewegungen im Umfeld der sogenannten `Ordnungszelle Bayern´ befasste Literatur bemüht sich seit Jahrzehnten, die Rolle des rechtskonservativen und zudem klischeebehafteten Politikers in diesem Kontext zu beschreiben und einzuordnen.
Umso seltener und zumindest auf den ersten Blick durchaus überraschend tritt uns hingegen die Person des Gustav von Kahr als Protagonist, das heißt als eigenständiges, um seiner selbst willen behandeltes Objekt der Forschung entgegen; über den Rahmen einiger knapper Aufsätze und themenspezifischer Beiträge hinaus liegt bislang keine umfassendere Arbeit zur “bayerischen Napoleonsgröße von 1923″ (Wilhelm Hoegner) vor.

Auch das hier vorgestellte Dissertationsvorhaben ist nicht als erschöpfende Lebens-beschreibung im klassischen Sinne angelegt. Wird diese Aufgabe eher durch Kahr selbst in der demnächst abgeschlossenen kommentierten Erstpublikation seiner umfangreichen Memoiren erfüllt, will die geplante Studie die darüber hinausgehende Gelegenheit ergreifen, einen privilegierten Einblick in die Lebenswelt der um den zeitweiligen Ministerpräsidenten und Generalstaatskommissar feststellbaren Personengruppen zu gewinnen. Die unter anderem auf den Ergebnissen der Edition aufbauenden Erkenntnisinteressen lassen sich wie folgt definieren:
Einerseits soll die Rekonstruktion des Kontaktumfeldes einer der maßgebenden Figuren des national-konservativen Bayern dazu dienen, den potenziellen Aktionsradius des sich selbst als politische Funktionselite begreifenden Staatsbeamtentums auszuloten, um damit den weiterhin bestehenden Einfluss dieses nicht demokratisch legitimierten Kollektivs kurz vor und vor allem kurz nach der verfassungsrechtlichen Parlamentarisierung zu taxieren.
Andererseits ist parallel dazu in Umkehrung dieser stärker personenzentrierten Perspektive beabsichtigt, in Emanzipation von einer rein strukturalistischen Betrachtungsweise die Gestalt und Funktionsweise verschiedener, meist auf München konzentrierter Netzwerke nachzuvollziehen. So wird der Versuch unternommen, ausgehend von der realen Einbindung eines herausragenden Vertreters seiner Gesellschaftschicht die bestehenden Kenntnisse über Querverbindungen und aktives Kontaktmanagement innerhalb sowie zwischen den untersuchten Kreisen zu bündeln und zu vertiefen.
Die analytische Betonung einer solchen kontextorientierten Akteursperspektive wird die Dynamisierung jenes sich wechselseitig ergänzenden Ansatzes ermöglichen: Erleichtert sie bereits die Beobachtung der zeitlichen und räumlichen Entwicklung der Beziehungsgeflechte, erhöht sie insbesondere die Sensibilität für deren gezielten Einsatz als politisches Instrument und soziale Ressource, das heißt für deren tatsächliche Relevanz.
Kompakt formuliert versucht die Studie also über die Beschreibung von netzwerkbasierten Rekrutierungs-, Mobilisierungs- und Umsetzungsprozessen eine Annäherung an den Politikstil der Zeit in Ergänzung zu den inzwischen gängigen diskursanalytischen oder symbolorientierten Methoden zu leisten.

Die für das Thema einschlägige Überlieferungssituation begünstigt im Grundsatz die angedeutete Herangehensweise: Denn legte Kahr beim Verfassen der schon erwähnten Lebenserinnerungen ohnehin viel Gewicht auf die Darstellung der freilich nicht durchgehend vollständig und adäquat beschriebenen Kontakte, erlauben neben seinem eigenen über 30 zum Teil sehr aussagekräftige Nachlässe wichtiger Bezugspersonen aus Verwaltung, akademischen Umfeld, Heimatschutzbewegung, Künstlerkreisen, Landwirtschaft und nationalen Verbänden die kritische Bewertung dieser Verbindungen. Zusätzlich bereichert wird der zentrale Überlieferungskorpus durch Bestände der mit den aufgeführten Tätigkeitsfeldern befassten Institutionen sowie durch im Karriereverlauf Kahrs entstandene Verwaltungs-, Personal- und Handakten bei verschiedenen Behörden; des weiteren nicht zu vergessen sind gedruckte Quellen wie Zeitungsartikel, veröffentlichte Reden oder zeitgenössische Publizistik.

Bietet somit die Zentrierung auf einen bekannten Angehörigen der genannten Netzwerke eine aussichtsreiche Strukturierungsmöglichkeit der vorhandenen Überlieferung, muss die vor diesem Hintergrund entworfene Vorgehensweise ebenso die durch die Quellenlage gesteckten Grenzen der Erkenntnis berücksichtigen: Denn lässt das vorhandene Material zwar Verbindungslinien zu allen relevanten Kreisen erkennen, machen zugleich dessen unterschiedliche Dichte und in einigen Fällen sogar recht ausgeprägte Lücken die Durchführung einer statistisch-systematischen Netzwerkanalyse letztlich unmöglich.
Der stattdessen bei der konzeptionellen Umsetzung gewählte Blick auf das jeweilige Zusammenwirken der identifizierten Beziehungskreise bei ausgewählten Gelegenheiten – etwa beim Besuch Hindenburgs 1922, bei der `Rettung´ historischer Gebäude oder bei der personellen Besetzung des Generalstaatskommissariats – verlegt sich daher auf die Beobachtung der Netzwerke in Aktion. Neben der teilweisen Kompensation der aufgrund der Überlieferungsdefizite vorhandenen Erkenntnisbeschränkungen liegt der zusätzliche Vorteil einer derartigen Herangehensweise auf der Hand: Der Gefahr einer monokausalen Erklärungstendenz von vorneherein begegnend wird es auf diese Weise möglich sein, zu unterschiedlichen Zeitpunkten die vorgestellten Sozialgefüge in den Blick zu nehmen, um angesichts von Situationen praktischer Bewährung zu einer realistischen Einschätzung ihres Entwicklungsstandes, ihrer Funktionen und ihrer jeweiligen Beanspruchung zu gelangen.
Damit wird ein wesentlicher Beitrag der vorbereiteten Studie darin bestehen, über das feststellbare Ausmaß der erfolgreichen Aktivierung sozialen Kapitals die tatsächliche Bedeutung jener meist sorgfältig gepflegten Beziehungssysteme zu bestimmen und damit zugleich die nicht zuletzt auf diesem Fundament ruhende Machtposition Gustav von Kahrs näher einzuordnen.

Da es freilich zu weit führen würde, im Rahmen des Workshops das inhaltliche oder konzeptionelle Fundament des Vorhabens im Detail vorzustellen, soll die skizzierte Vorgehensweise mit Blick auf die autobiographische Selbsteinschätzung Kahrs veranschaulicht und konkretisiert werden: Mit der Rekonstruktion des in den Erinnerungen beschriebenen Kontaktumfeldes stellt der Vortrag die zentrale Arbeitsgrundlage der Studie vor und versucht die Zuhörerschaft mit den Potenzialen und Herausforderungen des Projektes vertraut zu machen.

 

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Quelle: http://histbav.hypotheses.org/1486

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