„31. Sonntag. Sylvester. Morgens 10 U. kam Conrad aus Düsseldorf. – Mittags z. B. Ges. u. Burgm.
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Quelle: http://histrhen.landesgeschichte.eu/2022/05/rezension-baudri-tagebuecher-band-4-1868-1871-klein/
Geschichtswissenschaftliche Blogs auf einen Blick
„31. Sonntag. Sylvester. Morgens 10 U. kam Conrad aus Düsseldorf. – Mittags z. B. Ges. u. Burgm.
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Die Linzer Presse im Kaiserreich und der politische Katholizismus (Teil 1) Im Kulturkampf Das erste ...
Schwere rhetorische Geschütze werden aufgefahren in der Diskussion um das Zika Virus, der Eindämmung seiner rasanten Ausbreitung in Südamerika und der Bewältigung deren möglicher Konsequenzen, namentlich der sogenannten Mikrozephalie bei Neugeborenen: Schwangere sollen ihre Reiseaktivitäten einschränken, Regierungen empfehlen die Verschiebung von Schwangerschaften, weltweit, vor allem in tropischen Regionen des Erdballs, sind Gesundheitsbehörden alarmiert, von panischen, vom Schicksal geschlagenen Müttern und einer rasanten Zunahme präventiver illegaler, oftmals auch für die Mütter tödlichen Abtreibungen, wird berichtet. Am 01. Februar hat die WHO schließlich den globalen Notstand ausgerufen und am 05. Februar empfahl der UN-Menschenrechtskommissar darüber hinaus den betreffenden katholischen Ländern, neben anderen Maßnahmen zur Wahrung der Rechte von Frauen, auch Schwangerschaftsabbrüche, die bisher illegal sind, zuzulassen.1
Bis zu dieser Forderung auf UN-Ebene und Aktionen von Frauenrechtler*innen, die in die gleiche Richtung weisen, schwiegen die katholischen Autoritäten in Südamerika weitgehend, obwohl eine Stellungnahme von ihnen auf verschiedenen Seiten bereits zuvor als notwendig erachtet wurde.2
Bis dahin hatten sich bereits einzelne Priester von der Empfehlung der salvadorianischen Regierung, wegen des Zika Virus bis 2018 keine Kinder mehr zu zeugen, distanziert: Das Kinderkriegen sei schließlich wenn nicht Gottes dann doch mindestens Privatsache, aber auf keinen Fall die des Staates.3 Anderer Meinung scheinen die katholischen Autoritäten dann zu sein, wenn die staatlich erlassenen Gesetze den religiösen Vorstellungen entsprechen.
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Redaktion Adelheid Krah, Wien
Das Thema[1] „Aufklärung im Fürstbistum Passau“ haben bisher wohl am umfassendsten Walter Hartinger, der frühere Ordinarius für Volkskunde an der Universität Passau, und Konrad Baumgartner, der frühere Ordinarius für Pastoraltheologie an der Universität Regensburg, untersucht. Baumgartner resümierte in seiner großen Studie zur Pastoral im Bistum Passau: „Passau zählt mit seinen Reformfürstbischöfen der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu einem der Hauptschauplätze aufgeklärter Reformen; gingen doch von hier manche entscheidende Anregungen aus für die Erneuerung der Theologie, der Pastoral und der Volksbildung im süddeutschen Raum.“[2]. In einem zusammenfassenden Artikel resümiert Hartinger ähnlich: „Die Passauer Fürstbischöfe der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts waren samt und sonders mehr oder weniger entschiedene Vertreter der Aufklärung und orientierten sich aus Überzeugung und nicht gezwungen etwa an den einschlägigen Maßnahmen eines Kaisers Joseph II. von Österreich.“[3]. Hartinger hat auch herausgearbeitet, dass in Passau schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts die Frühaufklärung Einzug gehalten hat[4].
Das ist sicher richtig. Ich will aber im Folgenden vor allem herausarbeiten, dass diese Frühaufklärung und Aufklärung sich ganz entschieden der geistlichen Diözesanverwaltung wie auch der weltlichen Hochstiftsverwaltung bediente, um ihre Ziele zu erreichen. Diese Verwaltung erlebte im 18. Jahrhundert keinen Neuanfang oder Bruch, sondern diente den neuen Zwecken in Fortentwicklung ihrer Traditionen. Es gibt zwar bisher keine echte Verwaltungsgeschichte des Hochstifts oder gar des Fürstbistums Passau, aber klar ist, dass das riesengroße Donaubistum schon im Mittelalter eine ordentliche, strukturierte Verwaltung aufgebaut hat[5]. Im 16. Jahrhundert wurde diese auf die Höhe der Zeit gebracht und ein Hofrat wurde das Zentralorgan der passauischen Regierungstätigkeit[6]; dies bedeutet, dass im Hochstift ausgangs des Jahrhunderts unter Fürstbischof Urban von Trennbach eine moderne flächendeckende Landgerichtsorganisation aufgebaut[7] und im frühen 17. Jahrhundert die Diözesanleitung beständig weiterentwickelt wurde[8]. Diese funktionierende „Maschinerie“, die nach rationalen Gesichtspunkten aufgebaut war, wurde bereits von Fürstbischof Urban von Trennbach dazu benutzt, sein weltliches Territorium, voran die Residenzstadt Passau, im katholischen Glauben zu bewahren, während die evangelische Bewegung im österreichischen Diözesangebiet den allergrößten Teil der Bevölkerung erfasste[9]. Daher ließ Bischof Urban in Passau als Neubürger nur Personen zu, die einen Beichtzettel vorweisen konnten und verpflichtete weiters alle Bürger dazu, der städtischen Verwaltung jährlich Beichtzettel vorzulegen. Der Hofrat überwachte die städtische Listenführung genau und wer über längere Zeit säumig war, gegen den wurde vorgegangen. Bis weit ins 17. Jahrhundert dauerte diese Praxis[10] an, mit dem Ergebnis, dass das Bürgertum der Stadt Passau geschlossen katholisch (wurde und) blieb. Wichtige Neuerungen der aufgeklärten Verwaltungspraxis wie Kontrolle, Vereinheitlichung, Normierung durch routinemäßiges Verwaltungshandeln wurden damals also in Passau bereits praktiziert und waren schon Thema der Verwaltungsorganisation.
Im späteren 17. Jahrhundert wurde dieser Prozess weiter vorangetrieben, nun aber in dem im engeren Sinne religiösen und kirchlichen Bereich: Bei den Pfarreien, hinsichtlich der Verfügungsrechte des Bischofs, wurden die traditionellen, historisch gewachsenen und daher sehr unterschiedlichen Rechtsformen vereinheitlicht[11], um eine gleichförmige Steuerung zu ermöglichen. Symptomatischen Ausdruck fand dies in der ersten Diözesankarte von 1692[12]. Die Einführung des Katechismus im Jahre 1674 normierte den Religionsunterricht; die Pastoralinstruktion von 1675 umriss Seelsorge und die Spendung der Sakramente[13], wofür die „Agenda Seu Rituale Passaviense“ von 1665 die Grundlage lieferte; sie wurde nun in Übereinstimmung mit dem „Rituale Romanum“ gebracht, während der Vorläufer der Agende, der „Actus Sacerdotalis“ von 1587, noch vom überlieferten diözesanen Eigengebrauch geprägt gewesen war[14]. Fürstbischof Johann Philipp Kardinal Graf von Lamberg veröffentlichte 1689 erstmals das „Proprium Sanctorum“ und vereinheitlichte so auch die Heiligenverehrung in der Diözese[15].
Es wurden damals somit nachweislich die normativen Grundlagen für das religiöse Leben der Diözese Passau neu fundiert. Schließlich vollzog Fürstbischof Johann Philipp im Hochstift damals schon einen umfangreichen, verwaltungstechnischen Modernisierungsschub, den – zum Vergleich – Bayern erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts, nach der Säkularisation und der Revolution von 1848 vollziehen konnte und vollzogen hat. Johann Philipp verdichtete nämlich die Landesherrschaft durch Aufkauf adeliger Güter und Rechte, wodurch eine geschlossenere fürstbischöfliche Landesherrschaft mit einheitlichem Untertanenverband und direkten Durchgriffsmöglichkeiten der landesfürstlichen Regierung entstanden[16].
Diese Regelungsdichte blieb nicht ohne Erfolge. Ein ästhetisch herausragendes Beispiel dafür ist das Stadtbild von Passau, weil die Fürstbischöfe für deren Wiederaufbau nach den Stadtbränden von 1662 und 1680 eine Bauvorschrift erließen, die einen einheitlichen Aufbau der Stadt anordnete und damit für die Stadt Passau ein einheitliches, modernes Stadtbild ermöglichten. Es ist von einem italienischen Einschlag geprägt, der selbstverständlich mit den damaligen Kunsteinflüssen von jenseits der Alpen zusammenhing, tatsächlich aber vor allem aus diesen Vorschriften herausgewachsen ist und offenkundig macht, dass die damals vorgegebenen Bauprinzipien für die frühneuzeitlichen Inn-Salzach-Stadt beim Neubauprozess geschlossen und umfassend verwirklicht wurden[17].
So war also schon im frühen 18. Jahrhundert im Fürstbistum Passau eine effektive Verwaltung aufgebaut worden, die die weltliche wie religiöse Lebensführung der Untertanen im Hochstift wie aller Christen im Bistum kontrollieren, bewerten und erfolgreich lenken wollte und oft auch konnte. Dominante Werte und Prinzipien im Ordinariat waren Rationalität, Effektivität, Sittlichkeit und Moral, Bildungsbeflissenheit sowie Einheitlichkeit (Vereinheitlichung der Verwaltungspraxis)[18]. Diese Werte wird man als aufklärerisch bezeichnen dürfen. Sie wurden im Verlauf des Jahrhunderts in ihrer verwaltungstechnischen Umsetzung noch gesteigert.
Das barocke Glaubenserleben, vor allem auch außerhalb der jeweils zuständigen Pfarrkirchen, – nämlich das Gemeinschaftserlebnis der Wallfahrt, das sinnenfrohe geistliche Spiel, die Vielfalt der überlieferten Bruderschaftsformen, das greifbare Brauchtum und Sakramentale – alles musste in den Augen der Diözesanleitung zurücktreten hinter den verstandesmäßigen Aspekten des Glaubenswissens, der Belehrung durch die sonntägliche Pfarrpredigt, den streng gelenkten Andachten und Gebetsformen[19].
Man wird dies nicht nur negativ sehen dürfen – die dauernde Kontrolle hat eben doch auch mögliche Auswüchse des volkstümlichen Glaubenslebens verhindert. Denn das Engagement der Menschen, nicht zuletzt selbst der staatlichen Verwaltungen, der bürgerlichen Obrigkeiten in den Städten und Märkten, und auch die meist von der Haltung des Ordinariats abweichende Ausrichtung der Klöster haben die Blüte des Barock getragen.
Die Blüte des Barock erwuchs wohl doch aus der Vereinigung der Vernunft mit den Sinnen. Daher kann uns heute Fürstbischof Joseph Dominikus Kardinal Graf von Lamberg (1723-1761) sowohl als religiöser Skrupulant als auch als entschiedener Gegenreformator wie als Vertreter der Aufklärung erscheinen[20]. Im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit dem sogenannten Kryptoprotestantismus in den österreichischen Diözesangebieten setzte er auf die Mission, die Belehrung der Menschen, griff aber auch bei den Transmigrationen auf die staatliche Gewalt zurück[21] – und dies galt sicher nicht als „Bruch“ in der eigenen, von ihm vertretenen Haltung, sondern war die letzte Konsequenz gegenüber Verstockten, denen die richtige Einsicht fehlte. Die rationale Haltung der Diözesanleitung und -verwaltung manifestierte sich in Berichten, Visitationsniederschriften, Protokollen, Auftragsschreiben und einem geregelten bürokratischen Betrieb. Verwaltungs- und archivtechnisch nahmen die Belegbarkeit der Aussagen, die bürokratische Kontrollierbarkeit des Procedere daher immer mehr Gewicht an und brauchten auch mehr Platz im Archiv. So wurde das Archiv zu einem unübersehbaren Komplex innerhalb der fürstbischöflichen Verwaltung; hierfür wurden die „ersten Männer des Fürstbistums“ bzw. hochrangige Spezialisten von außerhalb herangezogen. Ich nenne beispielsweise hier nur Philipp Wilhelm von Hörnigk, den bedeutenden Wirtschaftstheoretiker, der unter Kardinal Johann Philipp von Lamberg zum Archivar wie auch zum Geschichtsschreiber Passaus werden sollte[22]. Weiters ist zu nennen Ludovico Antonio Muratori, der italienische Universalgelehrte, mit dem Kardinal Joseph Dominikus von Lamberg seit 1737 in näherer Beziehung stand; auch wenn er dessen kirchliche Reformvorschläge nicht übernahm, wurde er doch mit den modernen, wissenschaftlichen Bestrebungen von Muratori vertraut[23], für die der Kardinal offensichtlich sehr offen war. Denn das zeigt sich bei dem nächsten hier anzuführenden Namen, nämlich Anselm Desing (1699-1772)[24], der spätere Abt des Benediktinerklosters Ensdorf in der Oberpfalz, der wohl der bedeutendste Gelehrte Bayerns zur damaligen Zeit gewesen sein dürfte. Er arbeitete wie Hörnigk am Archiv, hat wohl auch seine Formierung beeinflusst, wurde dann allerdings aufgrund der aktuellen politischen Umstände nicht zum Geschichtsschreiber der Diözese, weil nämlich seine Forschungsergebnisse in die staatspolitische Auseinandersetzung mit dem habsburgisch-lothringischen Kaiserhaus einflossen und Passau damals den Rückfall der habsburgischen Passauer Lehen einforderte. – In den folgenden Jahrzehnten bis zur Säkularisation wurde die Erschließung der Passauer historischen Quellen wie des aktuellen Schriftguts im so bezeichneten „Staatsarchiv“ beständig vorangetrieben[25]; die ebenso einfache wie funktionale Tektonik ist bis heute gültig[26].
Der Kryptoprotestantismus führt thematisch unweigerlich zur Geschichte des Archivs des Bistums Passau, von dieser religiösen Konfrontation gelangt man auch zum zweiten Schlagwort des Titels meiner Ausführungen, nämlich zum Zwang. – Erst der zweite Nachfolger Kardinal Lambergs, Leopold Ernst Kardinal Graf von Firmian (1763-1783)[27], setzte den von seinem kurzzeitigen Vorgänger eingeleiteten, tiefgehenden Wandel in der Seelsorge in die Wirklichkeit um. In der Tradition seines Vorvorgängers verstand sich Firmian als ein Seelsorgebischof, der durch viele Visitationen den wahren Zustand der Diözese erkennen wollte. Hatte Kardinal Joseph Dominikus Lamberg noch auf den Einsatz der Staatsgewalt vertraut, um Andersgläubige zur katholischen Kirche zurückzuführen, wollte Firmian, dass sein Wahlspruch, “Non vi, sed amore” (“Durch liebende Zuwendung, nicht mit Zwang”), nun zur Richtschnur für die Seelsorge werden sollte. Daher galt Firmians erste große Reformmaßnahme dem Seelsorgeklerus. Mit dem Hirtenbrief vom 17.06.1764 bestimmte er das Pastoralhandbuch des Löwener Pastoraltheologen Johannes Opstraet (1651-1720), mit dem Titel „Pastor bonus“, zum Leitbild des Passauer Klerus. Mit einem gebildeten, von persönlicher Frömmigkeit und untadeligem Lebenswandel geprägten Klerus wollte der Bischof dem Laienvolk, Frauen und Männern, einen besseren Platz in der Kirche schaffen und einen national-sprachlichen Zugang zur Heiligen Schrift und zur Liturgie eröffnen; dadurch sollten Irrlehren ausgetrocknet und die christliche Sittlichkeit auf einen höheren Stand gehoben werden. Mit der Einführung des „Pastor bonus“ bezog der Bischof entschieden Stellung hinsichtlich des von der Kirche künftig einzuschlagenden Wegs. Er war also einer der Exponenten des Jansenistenstreits, durch welchen die wissenschaftlich, didaktisch wie pastoralpraktisch überholte jesuitische Priesterbildung auf eine neue Grundlagen gestellt werden sollte. Firmian führte dies in Passau auch durch; ich nenne hierzu nur, dass Passau statt des Jesuitenkollegs eine fürstbischöfliche Akademie für Philosophie und Theologie erhielt und ein Alumnat. Die Devise von Kardinal Firmian, “Non vi, sed amore”, ist also als eine subtile Form der Antwort auf die Politik seines Onkels, des Salzburger Fürsterzbischofs Leopold Anton von Firmian (1727-1744)[28], zu sehen, der ja die konfessionelle Auseinandersetzung mit den Salzburger Protestanten auf gewalttätige Weise durch deren Vertreibung gelöst hatte[29]. Die konfessionelle Frage ging also im Bistum Passau im Zeitalter der Aufklärung einer friedlichen Lösung entgegen[30].
Einige Aspekte sollen im Folgenden ganz knapp noch skizziert werden: Seit Bischof Joseph Maria Graf von Thun-Hohenstein (1761-1763) strebten alle Passauer Fürstbischöfe danach, aus dem Hochstift einen ‘Musterstaat’ der Aufklärung zu machen[31]. Die Aufklärung sollte nicht nur in die Religion einziehen, sondern genauso in die Verwaltung – in den Staat – und in die Lebensführung der Menschen. Regierung zum Wohl der Untertanen, verstanden als deren Hinführung zu zeitgemäßen Anschauungen, Lebens- und Wirtschaftsformen, prägten daher das landesherrliche Wirken auf neue, vielfältige Weise. Bildung und Ausbildung, die Sorge für die Armen und Kranken, die Rechtspflege und die Hebung der Wirtschaft wurden zu Mittelpunkten fürstlichen Handelns. Der bedeutendste Aufklärer auf dem Passauer Bischofsthron war Fürstbischof Joseph Franz Anton Kardinal Graf von Auersperg (1783-1795)[32], einer der bedeutendsten Aufklärer, der bereits als Domherr in drei Streitschriften gegen den Hexenglauben auftrat und damit an der Beendigung dieses Irrwegs der christlichen Geschichte mitbeteiligt war. Mit ihm endete allerdings auch die Epoche der Aufklärung im Fürstbistum Passau. Viele Aufklärer wendeten sich ja gegen die Kirche und mit dem Voranschreiten der Französischen Revolution wurde das Gefährdungspotential der Richtung der radikalen Aufklärung, vor allem aus den verschworenen Illuminatenkreisen, immer spürbarer. Um diese Tendenz im Bistum Passau einzuschränken, verwies Auersperg 1794 die entschiedensten Vertreter der Passauer Aufklärung des Landes[33].
Abschließend ist Folgendes festzuhalten: Rationales, effektives, transparentes Handeln, Verwissenschaftlichung der Verwaltung und Leitung von Staat und Kirche, das was man dann „Policey-Wissenschaft“ nennt, führte im Bistum Passau seit dem 16. Jahrhundert zu einer stärkeren Leitungsfähigkeit durch die Obrigkeit. Auf dieser Basis hatten die rationalen Ansätze, die eine wesentliche Triebfeder der Bewegung der Aufklärung waren, in Passau einen guten Boden. Selbst ein so barocker Fürstbischof wie Kardinal Joseph Dominikus Lamberg weist im Gesamtbild Züge der Aufklärung auf. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist Passau ein Zentrum der Aufklärung, ein Mittler, vielleicht sogar eine Drehscheibe der Aufklärung zwischen den Ländern Bayern und Österreich. Das bedeutendste bauliche Erbe dieser Epoche ist Schloß Freudenhain[34], erbaut von Kardinal Auersperg. Es ist der Rokoko-Palast eines absolutistischen Fürsten, der im „Hain der Freunde“, so die eigentliche Bedeutung dieses Namens, der die das Schloß umgebende, künstliche Dorflandschaft meint, in einer exklusiven Gesellschaft Natur und Gemeinschaft suchte. Dieses bezeichnende Paradoxon drückt viel von der Zwiespältigkeit der Epoche aus, die dennoch die wesentlichen Grundlagen der modernen Gesellschaft und auch für Passau gelegt hat.
Bildhinweis “Beichtzettel”: Wurster Herbert W.: Das Bistum Passau und seine Geschichte (Strasbourg:Editions du Signe 2010) 105, Abb. 16 (Vorlage: BHStA München, HP, BlK 35, Nr. 4, Fasz. 19)
Literatur:
[1] Der Text enthält ein Exposé meines Vortrags, den ich auf dem 56. Colloquium der Germania Sacra, Katholizismus zwischen Konfessonalisierung und Aufklärung, Passau, 26.-27.04.2013, gehalten habe.
[2] Baumgartner: Seelsorge 17.
[3] Hartinger: Aufklärung 185.
[4] Hartinger: Frühaufklärung.
[5] Wurster: Bistum Passau 60f.; 67f.; 73.
[6] Knorring: Hochstiftspolitik 42-48; HA Passau 365-372.
[7] HA Passau bes. 106-108.
[8] Zinnhobler: Bistumsmatrikeln IV/1, bes. 53-64; 107-109.
[9] Zur evangelischen Bewegung im Bistum immer noch gültig Eder: Studien.
[10] Dazu s. Eichhorn: Beichtzettel.
[11] Wurster: Bistum Passau 120.
[12] Wurster: Bistum Passau 118.
[13] Wurster: Bistum Passau 120f.
[14] Wurster: Bistum Passau 108.
[15] Wurster: Bistum 200, Nr. 4.33.
[16] Wurster: Implevit.
[17] Wurster: Phönix.
[18] Dazu s. Schäfer: Aufklärung; Hartinger: Aufklärung.
[19] Hartinger: Aufklärung; Wurster: Implevit bei Anm. 46.
[20] Weiß: Joseph Dominikus 444f.; 252; die aufklärerischen Züge arbeiten heraus: Hartinger: Aufklärung; Schäfer: Aufklärung; Baumgartner: Seelsorge sieht bei Kardinal Joseph Dominikus keine aufklärerischen Züge.
[21] Weiß: Joseph Dominikus 421-423.
[22] Wurster: Implevit; Amann: Hörnigk.
[23] Weiß: Joseph Dominikus 233.
[24] Anselm Desing 16f.; 62; 448ff.; Weiß: Joseph Dominikus 199-203; 213; 226; 445.
[25] Erhard: Geschichte II, 79.
[26] Soweit sie nicht durch die Ordnungsarbeiten der 1930-1960er Jahre zerstört wurde. Schön sichtbar ist das noch heute an den Teilbeständen „ABP, OA, Pfarrakten“ bzw. „ABP, OA, Klosterakten“.
[27] Leidl: Firmian.
[28] Dazu s. Gatz: Bischöfe 1648-1803, p. 111-113.
[29] Grundlegend Mack: Salzburger.
[30] Zinnhobler: Kardinal.
[31] Wurster: Bistum Passau bes. 134-137.
[32] Gatz: Bischöfe 1648-1803, p. 19-21.
[33] Eggersdorfer: Hochschule 225-227; Wurster: Bistum Passau 129.
[34] Hübner: Schloss.