Die Generalstaaten als Kriegstreiber? Eine Flugschrift aus dem Jahr 1640

Im Jahr 1640 dauerte der Krieg schon mehr als zwanzig Jahre. Immer häufiger und stärker wurde in der Publizistik eine Friedenssehnsucht artikuliert. Aber auch die Frage, wie es zu diesem langwierigen Krieg kam, wurde immer öfter gestellt. Diesem Aspekt wandte sich auch die in diesem Jahr gedruckte „Trewhertzige vnd wolgemeynte Ermahnung / Eines Alten Teutschen Landsknechts“ zu.  Über die Debatte zu den Kriegsursachen hinaus wollte die Flugschrift vor allem die vielen Söldner aufklären, die bei den Feindes des Heiligen Römischen Reiches in Kriegsdiensten standen. Letztlich appellierte der Text an den Patriotismus der aus den deutschen Landen stammenden Söldner und forderte sie auf, die Dienst für fremde Kriegsherren zu quittieren, den kaiserlichen Pardon anzunehmen und am besten gleich in des Kaisers Kriegsdienste einzutreten (S. 19 f.).

Wer oder was hatte also den Krieg gegen das Heiligen Römische Reich, gegen das geliebte Vaterland deutscher Nation (siehe S. 1) befördert? Die Antwort in der Flugschrift war durchaus weitschweifig, berührte moralische Kategorien wie Geiz, Regier- und Ruhmsucht, aber auch die konfessionelle Problematik und die Frage der „Teutsche[n] Freyheit“ (S. 3), fand dann aber vor allem und wenig überraschend in Frankreich und Schweden die Hauptverantwortlichen. Interessant ist, daß ebenso die Generalstaaten als kriegstreibende Kraft genannt wurden.

So wurde festgehalten, daß die Generalstaaten den „Evangelischen Churfürsten vnnd Ständen directè oder indirectè etwas behülfflich gewesen … vnd von anfänge dieser Kriege vnd Zerrüttung allen guten Vorschub gethan“ (S. 6). Verdächtig erschien im weiteren, daß die „Holländer keinen Fürsten / sondern nur eines Fürsten Schatten vnnd Bilde sucheten“ (S. 10 f.) – die ständestaatliche Option erschien an sich schon als ein Skandalon, ja kurz darauf wurde der „Haß der Fürstlichen Regierung [d.h.gegen die fürstliche Regierungsform] vnnd die Liebe zur Democratischen Policey“ geradezu als Leitmotiv generalstaatischer Politik identifiziert (S. 13). Dies habe sich schon beim generalstaatischen Engagement für die Städte Braunschweig (1615) und auch Magdeburg gezeigt; später wurde der schädliche Einfluß auf die Hansestädte erwähnt (S. 14 f.). An anderer Stelle behauptete der Text, daß die Generalstaaten sogar das Erzstift Köln „vom Reich abziehen vnnd jhrem Stat einvorleiben woll[t]en“; hier sei es ihnen darum gegangen, eine „Stim“ zu bekommen (offenbar also die Kurstimme), um damit im Reich „ordnen vnd beschliessen“ zu können (S. 13, diese Episode wurde allerdings auf 1596 datiert).

Nein, es ist keine gezielt anti-niederländische Publizistik, vielmehr habe ich mich hier bewußt auf die Passagen konzentriert, in denen die Generalstaaten angeklagt werden. Gleichwohl erscheint mir bemerkenswert, daß in einer Phase des Kriegs, in der Frankreich und Schweden eindeutig und offen die politischen wie militärischen Hauptgegner des Kaisers und seiner Verbündeten waren, eben auch die Generalstaaten als politischer Faktor in diesem Konflikt nicht übersehen wurden.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/309

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Kriegserfahrungen am Rhein

Am 16. und 17. September fand an der Bonner Universität die Herbsttagung der Abteilung für Rheinische Landesgeschichte statt. Unter dem Thema „Krieg und Kriegserfahrung am Rhein. Der Westen des Reiches im langen 17. Jahrhundert, 1568-1714“ kamen ganz unterschiedliche Aspekte zur Sprache, die sich nicht nur auf der Zeitschiene vom Achtzigjährigen Krieg bis zum Spanischen Erbfolgekrieg bewegten, sondern auch regional fast den gesamten Verlauf des Rheins abdeckten. Selbstverständlich wurden immer wieder auch Beispiele aus der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs angesprochen; einige wenige Beobachtungen möchte ich hier vorstellen.

Ganz allgemein erwies sich der zeitliche Zuschnitt der Tagungskonzeption als sehr reizvoll, als sich bestimmte Phänomene im Kriegsalltag über die gesamte Epoche hinweg verfolgen ließen. Gerade was das Verhältnis zwischen den Soldaten und der Bevölkerung angeht, blieben die Erfahrungshorizonte über die Jahrzehnte hinweg sehr konstant – vielleicht keine große Überraschung, wenn man davon ausgeht, daß auch die militärischen Organisationsformen und besonders ihre Mängel (konkret das nie zu bewältigende Problem der Logistik) in dieser Zeitspanne weitgehend identisch blieben.

Auf das Fortwirken der Hochzeitsmetapher, die vor allem durch den Untergang Magdeburgs 1631 traurige Berühmtheit erlangt hatte, wies Astrid Ackermann hin. So sei in der Publizistik, die die Einnahme Breisachs durch Bernhard von Weimar im Jahr 1638 kommentierte, eine ähnliche Begrifflichkeit verwandt worden. Daß dieses Bild fortlebte, verwundert nicht; allerdings macht das Beispiel Breisach deutlich, daß der Hochzeitsbegriff keineswegs nur auf die Fälle angewandt wurde, in denen eine Stadt oder eine Festung im Sturm genommen wurde.

In der Wahrnehmung der Konflikte, die zwischen dem Militär und der Bevölkerung aufbrachen, erscheinen beide oftmals als festgefügte Gruppen. Wie wenig stimmig dieses Bild ist, zeigte René Hanke, als er einen Fall referierte, der einen heftigen Streit unter einer Dorfgemeinschaft offenbarte. Denn wie die vom Militär geforderten Kontributionen auf die einzelnen Höfe umzulegen waren, löste große Kontroversen aus. Die Bauern warfen einander eine ungleiche und vor allem ungerechte Lastenverteilung vor. Solidarität in Krisenzeiten aufrechtzuerhalten, war offenbar schwierig.

Ein schönes Beispiel dafür, daß die territorialen Obrigkeiten ihre ganz eigenen Konsequenzen aus einer militärischen Okkupation zogen, zeigte Jutta Nowosadtko. Nachdem im Münsterland spanische, niederländische und auch schwedische Truppen sog. Lizenten eingeführt hatten, dachte der Kurfürst von Köln (der damals auch Bischof im Hochstift Münster war) gar nicht daran, diese Steuern nach Abzug der fremden Truppen abzuschaffen, und erhob sie nun selbst. Hier lernte also die Landesobrigkeit von einer fremden militärischen Obrigkeit, wie man im eigenen Territorium das Steueraufkommen optimieren konnte. Oder anders ausgedrückt: Was der Historiker zunächst als Kriegsbedrückung identifiziert, deklariert er im Weiteren als einen Schritt im Staatsbildungsprozeß.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/304

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Wie lautet die korrekte Anrede Wallensteins?

Im Jahr 1625 trat der Dreißigjährige Krieg in eine neue Phase, als der Konflikt mit König Christian IV. eskalierte. In dieser Situation beschloß der Kaiser, eine neue Armee aufzustellen; der Auftrag dafür ging an Wallenstein, der schon zu dem Zeitpunkt der größte Kriegsgewinnler und Aufsteiger par excellence war. Bekanntermaßen überraschte der neue Feldherr des Kaisers vor allem mit der Größe des Heeres. Entsprechend groß gestalteten sich auch die Probleme, die Truppen einzuquartieren – und ebenso die Klagen über die Quartierlasten. Im Herbst suchten Wallensteinische Regimenter unter anderem im Erzstift Magdeburg Winterquartiere. Um sich davor zu schützen, baten betroffene Städte und landsässige Adlige in zahlreichen Bittschreiben um Verschonung. Noch besser war es, wenn man einen prominenten Reichsstand gewinnen konnte, Fürsprache einzulegen. Genau dies tat Johann Georg, Kurfürst von Sachsen, als er Wallenstein am 5. November 1625 darum bat, die im Magdeburgischen gelegenen Güter Ludwigs von der Asseburg d.Ä. zu Wallhausen nicht mit Soldaten zu belegen.

Ein Vorgang, der so üblich war, daß man kein weiteres Wort darüber zu verlieren bräuchte. In dem Fall fällt jedoch auf, daß der Brief eben nicht in der Registratur des kaiserlichen Heeres auftaucht, sondern in der kurbrandenburgischen Überlieferung – und dies auch nicht in Abschrift, sondern in der Ausfertigung, die aus Dresden an Wallenstein geschickt wurde. Die Erklärung für diese kuriose Provenienz findet sich in einer Notiz am oberen Rand des Schreibens. Derzufolge reichte Wallenstein diesen Brief an den Kurfürsten von Brandenburg weiter, damit dieser den „gleichen stylum wie der Churfurst zue Sachßen an Jhme [=Wallenstein] fuhren möchte.“ Der frisch gebackene Feldherr schickte also beispielhafte Schreiben, damit andere Reichsfürsten entsprechende Muster für korrekte Anschreiben an ihn hatten. Der kursächsische Brief an Wallenstein begann mit der Anrede: „Vnser freundlich dienst zuuor, Hochgeborner, insonders lieber Herr vnd Freund“. Und die Adresse lautete: „Dem Hochgebornen, vnserm insonders lieben herrn vnd freund, herrn Albrechten, Regirern des Hauses Wallstein, Herzogen zu Fridland, Röm:Key:Maith: KrigsRath, Cämmerern, Obersten zu Prag, vnd Generaln über dero Armée.“ (GStA PK I. HA GR, Rep. 41 Nr. 735)

Das alles hat Wallenstein gefallen, ja er fand diese Version der Anrede offenbar nachahmenswert. Ob die kurbrandenburgische Kanzlei einer solchen Form der Nachhilfe bedurfte, weil sie womöglich Wallenstein gegenüber bereits eine andere, weniger ehrenvolle Adresse verwendet hatte, wissen wir nicht. Deutlich wird aber daran, wie sehr Wallenstein auch schon zu diesem frühen Zeitpunkt in Fragen der Titulatur unnachgiebig auf die Wahrung des ihm gebührenden Rangs und aller ihm zustehenden Ehrenbezeugungen Wert legte. Sein Stern sollte bekanntermaßen noch weiter aufsteigen und ihn zum Herzog von Mecklenburg und damit zum Reichsfürsten machen – was dann bei einigen Reichsständen erst recht für Unmut sorgte. Der Zank um die korrekte Titulatur sollte also noch größer werden. Nun war die Streitlust in diesem Punkt sicher auch das Gebaren eines Aufsteigers. Doch deutlich wird schon an dieser Episode das unerbittliche Rangsystem der ständischen Gesellschaft, in der man den sozialen Aufstieg eben auch dadurch manifestierte, daß einem die neu zustehende Ehrbezeugung tatsächlich zuteil wurde.

Und was geschah mit den Gütern Ludwigs von der Asseburg? Wir erfahren in diesem Zusammenhang nicht, ob die kursächsische Interzession die Einquartierung dort hat verhindern können. Aber nach dem, was wir über das Gebaren der Wallensteinschen Regimenter auch schon in ihrem ersten Kriegsjahr wissen, dürften die Chancen nur gering gewesen sein, der Belegung mit Soldaten zu entkommen. So viel bewirkte die korrekte Anrede des Herzogs von Friedland dann auch nicht.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/87

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