Vom 4. bis 6. März fand in Dresden die Tagung „In guter Gesellschaft? Die Rolle der Denkmalpflege in Stadtmarketing und Tourismus“ statt. Dort durfte ich etwas über Apps als Vermittlungs- und Vermarktungsinstrument für die Boden- und Baudenkmalpflege berichten – leider der einzige Vortrag zu einem rein digitalen Thema während einer sonst sehr analogen, aber spannenden Tagung und mit wunderbarem Feedback.
Die Vielfalt der sozialen Medien zur Vermittlung von Fachinhalten nutzen bisher im Kulturbereich vor allem Museen. Für sie reicht diese Aufgabe über Ausstellungen, Kataloge oder Pressearbeit hinaus auch in den digitalen Raum, sie betreiben spannendes Content-Marketing und wollen auch den digitalen Besuchern ein Erlebnis schaffen. Bei den denkmalpflegerischen Fachbesuchern der Tagung, die sich seltener mit diesen Aufgabenbereichen beschäftigen, sorgten die Zahlen der Social Media-Nutzung bei verschiedenen Nutzergruppen für – wortwörtlich – offene Münder. Demnach nutzen 70% der Besucher von Kultureinrichtungen mobile Endgeräte vor, während und nach ihrem Besuch. Damit können sie können nicht nur Informationen immer dann abrufen, wenn sie gebraucht werden, sondern umgekehrt auch auf spannende Dinge in ihrer Umgebung hingewiesen werden – etwa gerade außerhalb eines Museums mittels Apps, die Thema des Vortrages waren.
Social Media und Apps sind zwar nicht dasselbe, hängen, wenn es um Fachkommunikation geht, aber eng zusammen. Sie ermöglichen es der Denkmalpflege, ihren – inhaltlichen, touristischen, politischen – Wert und zeitübergreifende Zusammenhänge anhand greifbarer Orte aufzuzeigen. Dabei können und sollten Denkmalpfleger aktiver Teil der Erstellung und Aufbereitung der Inhalte werden, denn Denkmäler sprechen nicht von selbst, sondern werden über ihre Geschichten lebendig und lebensnah. Storytelling ist auch ein aktueller Tourismus- und Kommunikationstrend. Touristen reisen immer stärker individuell und eventorientiert, wollen Wissen mit Spaß entdecken (Denkmalschilder suchen zählt nicht dazu..) und teilen – beste Voraussetzung für die Nutzung von digitalen Endgeräten, um auf Informationen zuzugreifen und sich Zusammenhänge zu erschließen. Bilder sind dabei eine große Hilfe und zugleich fester Teil der denkmalpflegerischen Arbeit mit materiellen Hinterlassenschaften. Da Fotos zu den wichtigsten Elementen im Web gehören, um Erlebnisse und besuchte Orte zu teilen, lässt sich Denkmalpflege wunderbar auf diese Weise vermitteln.
Trotzdem werden Apps für die Vermittlung von Geschichte außerhalb von Museen oder auch im Stadtmarketing bisher eher selten genutzt. Zwar können gut aufbereitete Anwendungen für Besucher und Vermittler einen großen Mehrwert haben, brauchen aber auch entsprechende finanzielle Mittel. Dennoch erschließt sich hier ein neues Feld, dem technologische Trends und gesellschaftliche Interessensverschiebungen wie das Histotainment entgegen kommen. Denkmal-Apps können auf Ortsreferenzierungen und Gamification-Aspekten aufbauen und sie mit multimedialen Inhalten, Augmented Reality oder Rekonstruktionen anreichern. Mit den entstehenden Touren lässt sich Geschichte mit Bezug zum Standort und damit der Zusammenhang von historischen Überresten, räumlichen Veränderungen und modernen Themen aufzeigen.
Für diese Ideen gibt es schon einige Beispiele mit jeweils eigenen spannenden Ansätzen. Für das Stadtlabor Wallanlagen des Historischen Museum Frankfurt etwa wurde das Wissen der Menschen vor Ort über unbekanntere historische Orte genutzt. Ähnlich verknüpft auch Moor Stories die Museumssammlungen von Dartmoor mit Fundorten, modernem Kontext und persönlichen Geschichten. Sie werden von Bewohnern und Besuchern auf der Website eingereicht, in der App geteilt und via GPS vor Ort erzählt. Die App Colonia Mysteria, die u.a. vom Cologne Game Lab mitentwickelt wurde, lässt das römische und das moderne Köln zwischen realer und virtueller Welt verschmelzen. Die Nutzer begeben sich hier auf eine Suche nach historischen Spuren, die nur mit der App sichtbar werden. Ähnliches macht auch der “REXplorer” des Regensburg Experience Museum. Hier erhalten die Nutzer eigens dafür gemachte Guides und erkunden historische Phänomene in der Innenstadt. Die Spielergebnisse, Bilder und Inhalte werden mit einer URL gespeichert und können dann individuell geteilt werden.
Diese Beispiele zeigen, wie Forschung zu Gamification, Pädagogik, digitalen Bildern und Kulturerbe verknüpft und mit historischen Entdeckungs-Routen die Vergangenheit einer Stadt erlebbar gemacht werden kann. Wichtig für die Beteiligten Denkmalpfleger: das muss keinesfalls Einbußen an Qualität bedeuten. Dieser Aspekt war es denn auch, der die auf der Tagung anwesenden Fachleute überzeugte. In den vielen positiven Gesprächen nach dem Vortrag bestätigten sie mir meine eigene Erfahrung bei den ersten intensiven Auseinandersetzungen mit digitalen Technologien: Es öffnet sich eine bunte, facettenreiche Welt im Kopf mit vielen Ideen, wie man die neuen Möglichkeiten auf den eigenen Bereich anwenden kann. Dabei kamen während der Tagung verschiedenste Themen auf: dass sich die Diskussion um das Für und Wider der Rekonstruktion eines Denkmales damit aufheben könnte, dass auch unbekannte und „unbequeme“ Denkmäler im Gesamtkontext neue Würdigung erfahren könnten, dass die aktive Fachkommunikation gestärkt und die Zusammenarbeit von den Marketing- und Tourismusexperten auf neue Beine gestellt werden könne, um gemeinsam die Geschichte eines Ortes zu erzählen.
Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1576