Dieser Artikel ist ein Beitrag zur Blogparade #wbhyp von de.hypotheses.org.
In den letzten Monaten hatte ich das eher diffuse Gefühl, meine Masterarbeit sei der Stein des Sisyphos: Kaum kam ich ein Stück vorwärts, gab es schon wieder Rückschläge. Ich sah mich in einer Art von intellektuellem Stau: Wie strukturiere ich sinnvoll? Was lässt sich wegkürzen? Wie verhindere ich repetitive Episoden? Hinzu kam die bedrückende Erkenntnis, dass ich nicht vorwärtskomme, obwohl ich (gefühlt) Ewigkeiten am Schreibtisch sitze.
Diese Stagnation in einem Blogbeitrag zu beschreiben und zu reflektieren war verführerisch, zumal ich diesen Blog als eine Art Zerrspiegel meines Schreibtisches, bzw. meiner Masterarbeit betrachte. - Kein „wissenschaftliches Tagebuch“, sondern vielmehr ein flüchtiger Blick in meine (zugegeben: unordentliche) Werkstatt. Insofern schwankt natürlich die Qualität meiner Beiträge, manche sind mit „heißer Nadel“ gestrickt, andere enthalten lose Gedankenfetzen. Aber gerade das „Missglückte und das Unvollendete“, wie Klaus Graf sich ausdrückt, ist für mich reizvoll. – Weil es Ansatzpunkte zur Reflektion und damit zur Verbesserung liefert.
Da Charlotte Jahnz mich via Twitter aufgefordert hat, dem Ruf der Blogparade #wbhyp zu folgen erscheint es mir nur recht und billig, ihren Beitrag als Einstieg zu nutzen: Ihr fehlte ein Vorbild, um (früher) mit dem wissenschaftlichen Bloggen anzufangen. Meine Vorbilder sind mir in der Sektion der digitalen Geschichtswissenschaft auf dem letzten Historikertag begegnet, während ich mich von dem bevorstehenden HistorySlam ablenken wollte. In Steve Jobesker Performance setzte Sascha Foerster dort innerhalb kürzester Zeit einen Blog auf, was mich ein Stück weit mitgerissen und auch euphorisiert hat. Fast gleichzeitig begann meine vorsichtig tastende Expansion auf Twitter, unterstützt von der Liste Twittern vom #HisTag14 von Charlotte Jahnz. (Erst viel später durch den Leitfaden von Mareike König.)
Die Dynamik und die potenziellen Möglichkeiten der Vernetzung und des Austausches beider Medien ziehen mich an, weil sie mir im universitären Alltag schlicht fehlen. Die Geschwindigkeit, mit der man sich über spannende und vor allem innovative Projekte informieren und austauschen kann, ist unvergleichbar, die Hürden minimal.
Wie sich austauschen? Zombiekommilitonen oder #Grottenolme
In Einzelgesprächen mit Doktoranden oder anderen Masterstudenten kam immer wieder zum Vorschein, dass wenig über die eigene Arbeit gesprochen oder diskutiert wird. Meistens muss man Freunde oder Partner mit seinen fachlichen Sorgen quälen. Im universitären Kontext ist das nicht möglich, meine Kommilitonen sind Zombies. Aus der Masse stechen natürlich ein paar hervor, die sich aktiv beteiligen, der Rest verfällt in ein eher komatöses Dasein, beschränkt auf die wichtigsten Vitalfunktionen. In den mit 30 anwesenden oder mehr befüllten Kolloquien(!) sah ich keine Möglichkeit, meine Masterarbeit in irgendeiner Form zu diskutieren oder mich mit anderen auszutauschen. Doch dieser ist für meine wissenschaftliche Arbeit essenziell. Meine Denkprozesse scheinen oftmals wie eine Art Katalysator zu funktionieren: Verschiedene Ideen, die ich aufgreife, werden vermengt und produzieren etwas, dass ich für meine Zwecke nutzen kann.
Während meiner Bachelorphase an der Universität Bonn wurde ich während eines obligatorischen Mittelalter-Proseminares mit A.v. Brandt malträtiert. (Heraldik, Sphragistik, Numismatik …) Sicherlich höchst spannende Gebiete, nur nicht für mich. Die Fragen, die sich für mich, der sich mit der finsteren Neuzeit auseinandersetzen muss, ergeben, sind gänzlich andere: Wie bewältigt man eigentlich die enormen Aktenmengen, die auf einen zukommen? Wie geht man mit Datenbanken um? Was sind eigentlich boolesche Operatoren? Was ist mit Bildrechten? Wie zitiert man aus online verfügbaren Quellenbeständen? (Wo gibt es diese?) – Zugegeben es gibt natürlich auch übergreifende Themen, aber diese waren nie Thema in einem der Seminare, die ich besucht habe.
Insofern erwarte ich vom Bloggen nichts weniger als die „Rettung“ aus meinem (dunklen!) Elfenbeinturmzimmer, - eine Diskussion über meine Arbeit loszutreten, auch wenn ich dem Beitrag: "Im Dilemma" von Monika Lehner in vielen Punkten zustimmen muss. Außerdem scheint die Diagnose von Vladislav Melnik über das Verhalten von Bloggern für die geisteswissenschaftlichen Blogs verstärkt zuzutreffen. Ich beziehe das nicht einmal auf meinen Blog, weil ich (aus meiner Wahrnehmung) kaum high quality liefere, frage mich aber bei anderen, wieso deren Beiträge kaum oder gar nicht kommentiert werden? (Ob hier Sascha Foersters Antwort repräsentativ ist?) Bisher scheint mein Blog (anders als Twitter) über die Masterarbeit nicht das richtige Medium zu sein, um sich über Instrumente und Gedanken austauschen zu können. Es liefert höchstens Anreize, die dann zur Kommunikation auf anderen (auch privateren) Kanälen führen können. Welchen Nutzen Twitter (hier für die Masterarbeit) haben kann, will ich an zwei Beispielen deutlich machen:
#followerpower Kann irgend jemand diesen Kommentar aus einer Gestapoakte entziffern? (Ich weiß, schrecklich Quali) pic.twitter.com/py0Q5aszKv
— Christian Günther (@DerGuenther) July 9, 2014
@DerGuenther @dehypotheses Ich lese schlicht: "Warum denn?"
— Anton Tantner (@adresscomptoir) July 9, 2014
@DerGuenther @dehypotheses "Warum denn?"
— Markus Würz (@MrWuerz) July 9, 2014
@DerGuenther Sieht aus wie Sütterlin: "Warum denn?" ?
— W. Brebeck (@WBrebeck) July 9, 2014
@DerGuenther "Warum denn?" würde ich da lesen...
— TanjaW (@Steinwoelfin) July 9, 2014
#Einzelbiografien (~20-30, 500-1000 Zeichen) oder Fließtext in der #Masterarbeit? Mal gucken obs ne originellere Lösung gibt...
— Christian Günther (@DerGuenther) December 15, 2014
@DerGuenther Ich würde ja sagen: Bei Erstnennung ab in die FN damit. Das erleichtert dem Leser den Zugriff und sprengt nicht den Textfluss.
— Jan Kleinmanns (@kleinmonth) December 15, 2014
„Herausfinden, warum es sich trotzdem lohnt“
Eine wirkliche Schlussfolgerung habe ich aus diesen Überlegungen noch nicht ziehen können. Ich werde wahrscheinlich weiterhin mit diesem Format "spielen" und auch versuchen, kontinuierlich die Qualität der Beiträge zu steigern, auch in der Hoffnung, damit die Hauptursache für die fehlenden Kommentare zu beseitigen. Außerdem werde ich mich wohl stärker auf Hypotheses umsehen, andere Blogs wahrnehmen und diese kommentieren, um näher an der „Community“ zu sein und mich zu vernetzen. Ich werde dazu jede Gelegenheit ergreifen, die sich bietet.
Ob ich anderen Masterstudenten raten kann, über ihr Thema zu bloggen? Aus meiner jetzigen Situation kann ich das wohl bejahen, obwohl ich wohl ein Blogger-WG-Zimmer beziehen würde...Ich habe noch nicht festgestellt, dass sich mein Schreibstil wirklich gravierend verbessert hätte, oder meine Gedanken sich nach Blogbeiträgen geordnet hätten, aber ich bin optimistisch.
Trotzdem reicht allein das Potenzial, dass ich im Format sehe, für eine Empfehlung zu bloggen. (Ein Beispiel: Ich will auch die Geistesgeschichte, die ideologischen Hintergründe meiner Widerstandsgruppe verorten und hatte dazu verschiedene Personen um Rat gefragt. Eine von diesen war nur aufgrund dieses Blogs dazu bereit, fast eine Stunde mit mir zu telefonieren und mir weitere Hilfe anzubieten.) Ob die Veröffentlichung meiner Ideen und Konzepte sich als zielführend erweisen (müssen?), vermag ich noch nicht zu beurteilen. Darum geht es mir aber letzten Endes auch nicht. Es ist vielmehr das Erkunden einer universitär unberührten Landschaft, die mich reizt. Dass dies mit einem gewissen Risiko (Prüfungsamt – Vorveröffentlichung, „das Netz vergisst nicht“, …) verbunden ist, nehme ich in Kauf. Ob es sich gelohnt hat? - Darüber schreibe ich, wenn die Masterarbeit fertig und benotet ist... oder Konsequenzen aus diesem Blog folgen.
Quelle: http://winzen.hypotheses.org/161