Tagungsbericht: Podiumsdiskussion „Kollaboration. Interaktion. Die Zukunft geisteswissenschaftlichen Bibliographierens“, München: Bayer. Staatsbibliothek, 26.06.2015
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Geschichtswissenschaftliche Blogs auf einen Blick
[Autorin: Janina Burgmer | Studierende | Universität Duisburg-Essen]
Der Frage nach dem idealen Schulgeschichtsbuch gingen schon zahlreiche Fachleute nach. Der Historiker Jörn Rüsen beispielsweise stellte schon 1992 eine Vielzahl von Kriterien für ein gutes Schulbuch auf. So sollte es etwa formal klar aufgebaut und didaktisch strukturiert sein sowie die Multiperspektivität und historische Urteilsbildung der SuS fördern.
Ob die heutigen Schulgeschichtsbücher diese Kriterien erfüllen, ist fraglich. Doch was müsste man ändern, um dem Ideal eines Schulgeschichtsbuches näher zu kommen? Ließe sich ein „ideales Schulgeschichtsbuch“ mit Hilfe digitaler Werkzeuge besser entwickeln? Wäre ein multimediales Geschichtsbuch ein Mehrwert für historisches Lernen und Lehren? Diesen Fragen haben wir uns im didaktischen Hauptseminar „Leitmedium 2.0? Das Schulgeschichtsbuch zu Beginn des “digitalen” 21. Jahrhunderts“ an der Universität Duisburg-Essen gestellt und am Beispiel des Themas „Kalter Krieg“ digitale Schulbuchseiten erstellt. Relevant war hier vor allem, die Vorzüge der aktuellen Schulbücher zu beachten und die zusätzlichen technischen Möglichkeiten didaktisch sinnvoll zu nutzen, also nicht lediglich eine Digitalisierung bereits vorhandener Schulbücher zu erzeugen.
Mein Vorschlag einer digitalen Schulbuchseite widmet sich dem Unterkapitel „Die Auflösung des Ostblocks – Das Scheitern der Sowjetunion“. Über eine Startseite zum Thema „Kalter Krieg“, die einen ähnlichen Aufbau aufweist wie das Inhaltsverzeichnis eines normalen Schulbuches, gelangt man mit Hilfe von Links zu den Unterkapiteln. Der Vorteil der Übersichtlichkeit eines gedruckten Schulbuches wird somit aufgegriffen. Während die Möglichkeit, Themen und Materialien miteinander zu verknüpfen grundsätzlich einen Vorzug gegenüber herkömmlichen Schulbüchern darstellt, wirken zu viele Hyperlinks jedoch eher unübersichtlich und können schnell in einen Zustand des „Lost in Hyperspace“ führen. Um also eine Desorientierung der SuS aufgrund zu vieler Hyperlinks innerhalb des digitalen Schulbuches zu vermeiden, werden Hyperlinks zwar genutzt, aber auf zu komplexe Verknüpfungen verzichtet und ein einheitlicher Aufbau der Seiten als Orientierungshilfe geschaffen. Außerdem gibt es einen „Zurück-Button“, durch den die vorherige Seite aufgerufen werden kann.
Die Struktur der sich öffnenden Seiten ist für jedes Unterkapitel identisch. Mittig befindet sich ein Textblock, welcher den größten Platz des Bildschirms einnimmt und in dem ein kurzer lexikonartiger Überblick über das Unterthema gegeben wird. Dieser Überblick ist nicht mit einem Darstellungstext gleichzusetzen und soll keine wichtigen und wertenden Informationen vorweg nehmen. Er soll lediglich der „Benennung des Themas“ und zur Motivation der SuS dienen. Fährt man mit der Maus (oder dem Finger) über relevante Begriffe wie „Gorbatschow“ oder „Afghanistan“, erscheint beispielsweise ein Foto Gorbatschows oder eine Karte Süd- und Zentralasiens, um kurze Hintergrundinformationen zu den Begriffen zu vermitteln, die später zu einem besseren Verständnis führen können.
Es wird bewusst darauf verzichtet, die Titelseite des Unterthemas mit einem Darstellungstext beginnen zu lassen und diesen mit anderen Materialien lediglich zu erweitern. Der leider zumeist praktizierte Themeneinstieg mit Hilfe eines Darstellungstextes, der häufig eigene Ideen, kritische Ansätze und Fragestellungen vorweg nimmt und bei den meisten SuS zu einer reinen Wissensansammlung führt, soll hier verhindert werden und der Lehrperson die Möglichkeit gegeben werden, sich das geeignete Medium zum Einstieg in die verschiedenen Vertiefungsbereiche selbst auszusuchen.
Im unteren Bereich des Displays befindet sich permanent ein Zeitstrahl, auf dem wichtige Daten zu dem Unterkapitel, welche später als Vertiefungen behandelt werden können, eingezeichnet sind. Mit Klick auf diesen Zeitstrahl gelangt man immer zurück zu der Titelseite des Unterthemas, in diesem Fall „Die Auflösung des Ostblocks – Das Scheitern der Sowjetunion“.
Rechts neben dem Textfenster befinden sich zwei Icons, welche als Links fungieren. Während der untere Link zu einem Glossar führt, in dem alle wichtigen Begriffe aufgeführt sind und bei Bedarf von jeder Seite aus eingesehen werden kann, führt der obere Link zu den einzelnen Vertiefungen des Unterthemas. Fährt man mit der Maus (oder dem Finger) über das Feld „Vertiefungen“, erscheinen die einzelnen Themen aufgelistet. Durch Anklicken eines Themas öffnet sich eine neue Maske. Der Aufbau der neuen Seite ist gleich dem der Titelseite. So wird in dem Textfenster der Vertiefungsbereich mit Hilfe wichtiger Punkte kurz benannt, ohne weiter auf das Thema einzugehen. Zum Thema „Probleme der Sowjetunion“ können beispielsweise die problematischen Punkte stichwortartig aufgezählt werden. Diese sind mit einer Linkstruktur versehen, so dass sich durch Klicken ein Fenster mit mehreren Icons auf der freien rechten Seite öffnet unter welchen die Materialien abgelegt sind. Ist es bei einzelnen Themen nur schwer möglich, den Text wie eben beschrieben mit Links zu versehen, kann das Display auf der rechten Seite auch direkt mit einem Button „Materialien“ versehen werden. Nun kann der Lehrer wählen zwischen einem kurzen Informationstext zu dem Begriff, einem Darstellungstext, Graphiken und Diagrammen, Audiodateien und Videos, Bildern und Fotos sowie schriftlichen Quellen. Die dazu vorhandenen Materialien werden unten im Textfenster durch einen Klick auf das entsprechende Icon aufgeführt und können anschließend ausgewählt werden. Benötigen die SuS eine Erinnerung zum Arbeiten mit den verschiedenen Medien, können sie einen Link unten im Textfenster anwählen, der Hilfestellungen bietet. Ist ein Medium zu einem Thema nicht vorhanden, wird das entsprechende Icon nicht mit aufgeführt. Durch die Quantität an Materialien sind abwechslungsreiche Arbeitsmöglichkeiten gewährleistet und die arbeitstechnischen Kompetenzen der SuS werden geschult. Der Vorteil des digitalen Schulbuches, eine Vielzahl verschiedener Materialien inklusive Audio- und Videodateien anbieten zu können, kann so ideal genutzt werden. Für die verschiedenen Medien könnten zusätzliche Werkzeuge wie ein Textmarker oder Positionierungshelfer (Kreis, Zielscheibe, Pfeile etc.) zum Markieren relevanter Ausschnitte eines Bildes angeboten werden. Durch das Beibehalten der Layoutstruktur und der Navigationssteuerung, welche Hilfsmaterialien auf der aktuell betrachteten Maske einbindet, kann eine Unübersichtlichkeit vermieden werden. Die Icons „Vertiefungen“ und „Glossar“, die bereits auf der Titelseite des Unterthemas aufgeführt wurde, sind auch in dieser Maske vorhanden. So kann sofort von der aktuellen Maske aus eine andere Vertiefung gewählt werden. Auch von dieser Maske aus kann über die Zeitleiste wie bereits erwähnt zur Titelseite zurückgekehrt werden. Ein weiterer neuer Button ist der Link für die „Aufgaben“. Hier finden sich Aufgabenblätter für die jeweilige Vertiefung, die sowohl direkt auf dem Display bearbeitet als auch ausgedruckt werden können.
Dieser Entwurf des multimedialen Schulgeschichtsbuches vereinbart die Vorzüge des gedruckten Schulbuches und die erweiterten technischen Möglichkeiten einer Digitalisierung. Er schafft eine klare und sich wiederholende formale Struktur und bietet eine Vielzahl an Materialien an, so dass er das historische Lernen und Lehren bestmöglich unterstützt.
[Autor: Moritz Herzog | Studierender | Universität Duisburg-Essen]
Es ist beschlossene Sache: Die neue Bundesregierung möchte mehr digitale Schulbücher in deutschen Schulen, so steht es im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD. Doch wie soll ein digitales Schulbuch aussehen, sodass es aus dem Digitalen Nutzen ziehen kann?
Die bisher von den führenden Schulbuchverlagen vorgestellten digitalen Schulbücher orientieren sich in ihrem Aufbau in erster Linie an der Struktur gedruckter Bücher, insbesondere der Doppelseitenstruktur. Dadurch wird das digitale Schulbuch jedoch zur lediglich digitalisierten Form des bisherigen Schulbuchs – mit all seinen Stärken und Schwächen. Wichtiger jedoch ist, dass so das Potential des Digitalen nur sehr begrenzt ausgenutzt werden kann und damit die Berechtigung für digitale Schulbücher fehlt.
Eine neuartige Struktur für ein digitales Schulbuch könnte sich an der Linkstruktur orientieren, wie sie auf vielen Webseiten, Apps sowie Smartphones verwendet wird – und die manchen Schülerinnen und Schülern daher vertrauter sein könnte als die eindimensionale Blätterstruktur eines „herkömmlichen“ Buches. In dem hier vorgestellten Konzept ist jedes Kapitel, dass sich jeweils mit einem Themenkomplex befasst, in diverse Unterkapitel unterteilt, welche wiederum Teilaspekte behandeln und Vertiefungen bieten. Jedes Kapitel besitzt eine Startseite, die in einer kurzen zusammenfassenden Überblicksdarstellung das Thema des Kapitels umreißt. Unter dem Text befinden sich Icons, die auf die Unterkapitel führen, auf die aber auch durch Links im Überblickstext zugegriffen werden kann. Dies orientiert sich an den Icons, die viele Schüler durch den Umgang mit Smartphones und Tablet-PCs gewohnt sind. Die Unterkapitel und Icons variieren je nach Thema, jedoch gibt es immer einen Verweis zum Glossar.
Öffnet man ein Unterkapitel, so erscheint die einheitliche Arbeits- und Benutzeroberfläche (ABO). Diese besteht aus einem Arbeitsbereich, der den größten Teil des Displays ausmacht und der Medienleiste, die standardmäßig am linken Bildschirmrand zu finden ist. In der Medienleiste befinden sich nach Art des Mediums sortiert die Medien, die der Lehrer im Unterricht einzusetzen gedenkt. Dies können zum Beispiel Animationen, Bilder, Videos, (animierte) Karten, Quellen- und Darstellungstexte oder Tonaufnahmen sein. So kann das Potential digitaler Schulbücher, viele verschiedene Medien nebeneinander benutzen zu können für den Unterricht nutzbar gemacht werden. Um ein Medium anzusehen, zieht man es aus der Medienleiste durch Antippen und Halten heraus auf den Arbeitsbereich, wo sich das Medium dann öffnet. Der Arbeitsbereich kann vertikal oder horizontal einmal geteilt werden, sodass zwei verschiedene Medien gleichzeitig betrachtet werden können. Mehrfaches Teilen dürfte aufgrund der Bildschirmgröße eines Tablet-PCs nicht sinnvoll sein. Die Teilung des Arbeitsbereiches kann auch genutzt werden, um ein Medium zu öffnen und dabei gleichzeitig das in der ABO integrierte Schreibprogramm zu nutzen. Dadurch können sich die Schülerinnen und Schüler selbstständig Notizen machen und natürlich auch schriftliche Aufgaben bearbeiten, die sie dann auch direkt an die Lehrperson schicken können. Die Arbeits- und Benutzeroberfläche bietet zudem die Möglichkeit, die angeschauten Materialien zu bearbeiten, etwa mittels eines virtuellen Textmarkers wichtige Textstellen markieren oder bestimmte Details in Bildern hervorzuheben. Übrigens kann die Medienleiste auch unterschiedlich sortiert werden, etwa nach Quelle und Darstellung – vielleicht auch von den Schülerinnen und Schülern zur Übung dieser Unterscheidung, die ihnen nicht immer leicht fällt.
Die Medien in der Medienleiste sind grundsätzlich komplett für alle Lernenden frei zugänglich, sodass die Schülerinnen und Schüler beim Erarbeiten von Inhalten frei und selbstständig wählen können, auf welches Material sie zurückgreifen; diese Art der Fähigkeit zur zielgerichteten Auswahl von Material wird durch bestehende Lehrbücher nur wenig gefördert. Die Lehrperson kann im Vorfeld das Material in der Medienleiste auswählen. Seine ABO besitzt noch eine weitere Spalte, die zum Archiv führt. Dort finden sich alle verfügbaren Materialien. Im Idealfall würde das Archiv einen umfassenden Fundus beinhalten, der den Umfang eines gedruckten Schulbuchs sprengen würde. Neben dem mitgelieferten Material kann die Lehrperson selbstverständlich auch eigenes Material zum Archiv hinzufügen.
Die Fülle des Materials im Archiv kann für Schülerinnen und Schüler ein Hindernis beim Arbeiten sein, da sie von ihr regelrecht „erschlagen“ werden. Aus diesem Grund ist es für die Lernenden in der Regel nicht zugänglich. Die Lehrperson wählt im Vorfeld bei ihrer Vorbereitung die Materialien, die sie einsetzen möchte aus, indem sie diese aus dem Archiv in die Medienleiste zieht. Bei Bedarf kann er sie sich dabei natürlich noch einmal anschauen. Seine Auswahl wird dann bei Unterrichtsbeginn auf die Tablets der Schüler geladen. Falls der Lehrer einmal Material vergessen hat oder es sich im Unterrichtsverlauf anbietet, weiteres Material freizuschalten, kann er dies jederzeit von seinem Tablet aus tun. Eine bestimmte Auswahl zu einem Thema lässt sich für den weiteren Gebrauch auch speichern. Als Beispiel und zur ersten Orientierung könnten zu jedem Kapitel ein oder zwei bereits vorgefertigte Medienleisten mitgeliefert werden, die bestimmte Zugänge zum Thema ermöglichen. Falls der Lehrer es möchte, kann er zudem das Archiv für die Schülerinnen und Schüler freischalten und sie auf eigene Faust recherchieren lassen. Insgesamt ermöglicht die ABO also drei Modi zur Materialauswahl: Die freie Suche im Archiv, die Vorauswahl der Lehrperson und die vorgefertigten Entwürfe zum Thema.
Dieser Entwurf ist bewusst nicht an bisherigen Strukturen in Schulbüchern angelehnt. Die dort unvermeidliche Beschränkung, nur vor- und zurückblättern zu können, kann beim digitalen Schulbuch umgangen werden. Der durch „konventionelle“ induzierte Vorher-Nachher-Eindruck in der Themenabfolge wird damit zum Teil aufgebrochen und die Buchstruktur kann so das Gespür der Schüler für die Gleichzeitigkeit und Wechselwirkung der Ereignisse untereinander verstärken. Der hier dargestellte Entwurf einer Struktur für ein digitales Schulbuch nutzt den digitalen Vorteil also indem er viel Material bietet, ohne zu überfrachten; indem er die Eigenschaften von Schulbuch und Arbeitsheft in der ABO vereint; indem er durch die Materialauswahl der Lehrkraft mehr und einfachere Gestaltungsmöglichkeiten bietet; und schließlich indem er durch seine Struktur Anreize zu einem mehr als nur chronologisch aneinanderreihendem Geschichtsverständnis schafft.
[Dieser Text entstand im Rahmen des geschichtsdidaktischen Hauptseminars "Leitmedium 2.0? Das Schulgeschichtsbuch zu Beginn des "digitalen" 21. Jahrhunderts" von Prof. Dr. Markus Bernhardt und Christian Bunnenberg in der Abteilung für Didaktik der Geschichte an der Universität Duisburg-Essen im Wintersemester 2013/2014.]