ReManage Thinking. Wissenschaft und Anwendbarkeit

HumanitiesManagementDie Wege der Wissenschaft sind unergründlich. Diese theologisch anmutende Aussage kommt mir manchmal in den Sinn, wenn Wissenschaftler eine abwehrende Haltung dagegen zeigen, die Relevanz ihres Faches aufzuzeigen. Natürlich mag es niemand, wenn sein Tun, seine Leidenschaft grundsätzlich in Frage gestellt wird. Außerdem ist es keine leichte Forderung. Sie bedeutet über Methoden und Disziplingrenzen hinweg gänzlich neue Blickwinkel einzunehmen. Genau das tat die Tagung „ReThinking Management“, die im Oktober an der Karlshochschule International University stattfand. Hier wurde die Anwendung von geisteswissenschaftlichen Theorien auf den Bereich des Managements thematisiert und dabei indirekt auch die Anwendung von Managementtheorien auf die Struktur, Organisation und das Selbstverständnis der Geisteswissenschaften.

Kulturelle Wissenschaften und das Selbstverständnis von Management

Modernes Management bedeutet eine Brücke zu bauen zwischen den auf Effizienz und Ertrag ausgerichteten Wirtschaftswissenschaften und Ansätzen aus anderen Wissenschaftsbereichen und sich selbst in Hinblick auf neue Kontexte und Herausforderungen kritisch zu reflektieren. Ein hehres Ziel, das auch für Bereiche Vielversprechendes zu bieten hat, die nicht Kapital, sondern Wissen und Werte generieren. Auch an sie werden Erwartungen gestellt, die sich neben qualitativem Output auf weitere Eigenheiten konzentrieren: transparent zu sein, digital, nachhaltig. Dahinter stehen vieldimensionale Veränderungen, die alle Bereiche der Gesellschaft gleichermaßen betreffen. Die Ausrichtung des klassischen Managements – auch von Kultur und Wissenschaft – auf Funktionalität entstammt dem historisch-kulturellen Kontext der westlichen Welt, sie ist nicht allgemeingültig und nicht vor aktuellen Veränderungen gefeit.

Ein Mangel klassischen Managements besteht darin, dass man sich aus einem vorgefertigten Werkzeugkasten bedient, um messbare Funktionen zu erfüllen. Dafür erschafft Management, ebenso wie Wissenschaft, eine Subsystem, eine künstliche Welt von Verhalten und Kontrolle. Diese ist abstrakt, reduziert Komplexität bis hin zur Mystifizierung, so fasste Ulrich Gehmann es in seinem Vortrag bei ReThinking Management zusammen, und übersieht dabei wichtige Details und Veränderungsprozesse. Wie Johan Kolsteeg von der Utrecht University of the Arts in seiner Präsentation aufzeigte, kann man Ziele besser erreichen, wenn man sich dem individuellen Kontext, dessen Akteuren und deren Bedürfnisse öffnet. Es bedarf dafür einer Gedankenkultur, einer Struktur und eines Managements, das grundlegendes Kontextwissen über Zielgruppen, Gesellschaft und Politik einbezieht. Deshalb braucht es die Geistes- und Sozialwissenschaften. Ihre Erkenntnisse werden nur in einem kleinen Teil der Management-Forschung und einem noch kleineren der Praxis miteinander verknüpft – ebenso, wie die Kultur und die (Geistes-)Wissenschaften sich kaum mit Theorien von Projektmanagement, Organisation und Führung für ihr Funktionieren beschäftigen. Beide verspielen damit die Möglichkeiten, das implizite Wissen ihrer Inhalte auf ihre explizite Ausführung zu übertragen.

Die Anwendung der Kulturwissenschaften

Aufgrund des Trends zu Individualisierung, Transparenz, einer erfüllenden Tätigkeit sowie zunehmender Interkulturalität auch bei Mitarbeitern ist das nicht nur für externe, sondern vor allem für die internen Beziehungen wichtig. Hier gewinnen neue Kommunikations- und Interaktionsformen an Bedeutung. Diese Idee geht aus den genannten Veränderungen und neuen Werten hervor. Mit der Erforschung der cultural turns haben die Geisteswissenschaften in den letzten Jahren viele Grundlagen gelegt. Wie sich dies anwenden lässt, zeigte Doris Bachmann-Medick in ihrem Vortrag bei ReThinking Management auf. Sie machte deutlich, dass Management alle Bereiche umfasst, die von kulturellen und kommunikativen Eigenheiten beeinflusst werden, sodass die Rücksichtnahme auf diese Eigenheiten mithilfe der cultural turns den Output einer Organisation positiv beeinflusst. Dabei sind diese mehr als ein situativ anwendbarer Werkzeugkasten und können kaum getrennt voneinander betrachtet oder angewandt werden:

  • Der translational turn befasst sich mit den Eigenarten und Möglichkeiten von Sprache und Rhetorik. Grundkenntnisse in diesem Bereich sind wichtig für den Umgang mit Partnern und Mitarbeitern mit verschiedenstem Background, also für das gesamte Organisationsgefüge.
  • Das Studium gesellschaftlich-ritualisierten und individuellen Verhaltens, der performative turn, kann das Funktionieren des Beziehungsgeflechts innerhalb und außerhalb einer Organisation verbessern. Eng daran gebunden ist das embodiement, also die Körpersprache.
  • Der interpretive und der pictorial turn erweitern dies auf den Bereich der Kommunikation über Versinnbildlichung, Sinngebung und Bildverständnis. Silke Schmidt zeigte anhand des Beispiels Storytelling auf, wie Metaphern und Geschichten dazu beitragen können, Kollegen wie Geschäftspartner positiv auf gemeinsame Werte und Ziele zu eichen und damit Zusammengehörigkeit und Verständnis zu schaffen. Storytelling wie auch Bildsprachen sind historisches Kulturgut und eignen sich besser als rationale Sprache dazu, Gedanken auf den Punkt zu bringen und Ideen anschaulich zu machen.
  • Der spatial turn greift das Thema Raum auf und beschäftigt sich damit, wie Arbeitsplätze und –umgebungen die Arbeit selbst beeinflussen, sei es in Hinblick auf Lautstärke, Kommunikation oder Kreativität. Entsprechend präsentierte Tobias Klingenmayer Vorstellungen vom Raum als Objekt der Erkenntnis, als Metapher und als Werkzeug für organisationale Veränderungen.

Die cultural turns sind also nicht nur geisteswissenschaftliche Forschungsthemen. Sie greifen gesellschaftliche Trends hin zu besserer Kommunikation, einem veränderten Selbstverständnis als Organisation oder Disziplin sowie die neuen Werte der Gesellschaft auf und wollen sie durch entsprechende Fragestellungen verstehen und darauf reagieren.

ReManage Thinking

Die Erkenntnisse der Wissenschaft zu aktuelle Themen in die Gesellschaft zu transferieren liegt in beiderseitiger Verantwortung. Auch bei Fachtagungen wie ReThinking Management fehlen aber beim intensivem Austausch und der Entwicklung neuer Ansätze die Praktiker, seien es Manager, Wissenschaftskommunikatoren oder Politiker. Auch ihr Anliegen sollte es sein, sich neue Modelle anzueignen, um die oft beklagte Hilflosigkeit abzubauen, gegebenes Wissen zu hinterfragen, Zusammenhänge zu verstehen, Verständnis zu lernen.

Es ist ein Manko – auch das machte ReThinking Management deutlich – dass Wirkungsweisen fernab von Zahlen schlecht fassbar sind. Potentielle Unterstützer lassen sich nur auf Basis gefühlter Verbesserungen schlecht überzeugen. Es ist also auch eine Aufgabe der Forschung, auf Basis eines Design-Thinking-Labcharakters entsprechende Tools und Möglichkeiten des Transfers und der Kommunikation zu entwickeln und in einer Testphase zu prüfen. Dabei ist auch die Dokumentation von Misserfolgen wichtig, um die übermäßige Produktion von hausinternem „Bullshit“ zu vermeiden, wie es Andre Spicer in Karlsruhe formulierte: je größer die Organisation desto mehr basiert sie auf Fassadenhaftigkeit nach außen wie innen. Dies bringt weder die gewünschte Aufmerksamkeit noch die Bindung von Mitarbeitern, Interessierten, Entscheidern oder  Geldgebern. Das eigene Selbstverständnis zu überdenken ist der erste Schritt. Anders zu handeln, ein „bullshit replacement management“, ist für Spicer der entscheidende zweite – die Überwindung der Kluft zwischen Theorie und Praxis, zwischen Forschung und Anwendung.

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1494

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Einladung zum 3. Berliner DH-Rundgang

Der Interdisziplinäre Forschungsverbund Digital Humanities in Berlin (ifDHb) lädt zum 3. Berliner DH-Rundgang ein. Gastgeber ist das Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik Berlin (ZIB). Besonderer Schwerpunkt dieses DH-Rundgangs wird die digitale Langzeitarchivierung sein.

Termin: Dienstag, 18.11.2014, 09:30-11:00 Uhr
Ort: Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik Berlin (Seminarraum Rundbau), Takustr. 7, 14195 Berlin

Das Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik Berlin (ZIB) ist ein außeruniversitäres Forschungsinstitut des Landes Berlin mit dem Schwerpunkt anwendungsorientierte Mathematik und Informatik. Neben dem Forschungsauftrag bietet das ZIB seit vielen Jahren Dienstleistungen für Gedächtnisinstitutionen an – unter anderem sind am ZIB die Serviceeinrichtungen Kooperativer Bibliotheksverbund Berlin-Brandenburg (KOBV), Servicestelle Digitalisierung Berlin (digiS) und AG Museumssoftware angesiedelt. Neben Beratung ist das Ziel die Bereitstellung von Infrastruktur und Lösungen für die Datenanalyse und Datenerschließung, für die Online-Präsentation und die technische und semantische Langzeitverfügbarkeit digitaler Objekte. 2014 wurde der neue Forschungsfokus “Digital Humanities” eingerichtet, der das zunehmende Engagement des ZIB in diesem Themenfeld widerspiegelt.

Bei diesem 3. DH-Rundgang liegt der Schwerpunkt auf dem Thema digitale Langzeitarchivierung. Neben einem Überblick zu grundlegenden Konzepten der Langzeitarchivierung werden aktuelle Entwicklungen am ZIB und potentielle Services vorgestellt. Den Abschluss bildet ein Rundgang zum Supercomputer und zum Bandroboter im Untergeschoss des ZIB.

Die Teilnahme ist kostenlos, wir bitten um eine verbindliche Anmeldung über das Formular am Ende dieser Seite.

Programm
09:30 Uhr Begrüßung
09:40 Uhr Der neue Forschungsfokus Digital Humanities am ZIB (Wolfgang Peters-Kottig)
10:00 Uhr Digitale Langzeitarchivierung – grundlegende Konzepte und Strategien (Tim Hasler)
10:20 Uhr Ausblick: Services für die Digital Humanities in Berlin (Elias Oltmanns & Wolfgang Peters-Kottig)
10:40 Uhr Rundgang Bandroboter und HLRN

Die nächsten Berliner DH-Rundgang-Termine:

  • 9. Dezember 2014: Computerspielemuseum
  • 28. Januar 2015: Universitätsbibliothek und Mediathek im Grimm-Zentrum der Humboldt-Universität zu Berlin
  • 20. Februar 2015: Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) / Fachbereich Gestaltung
  • März 2015: Koordinierungsstelle für wissenschaftliche Universitätssammlungen in Deutschland
  • April 2015: Deutsches Archäologisches Institut (DAI)
  • Mai 2015: Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG)
  • Juni 2015: Freie Universität Berlin / Institut für Informatik / AG Netzbasierte Informationssysteme

Sie wollen auch zu einem Berliner DH-Rundgang einladen? Dann schreiben Sie uns bitte eine kurze E-Mail an info@ifdhberlin.de oder nehmen Sie telefonisch Kontakt zu uns auf.

Weitere Informationen finden Sie auf der Website: http://www.ifdhberlin.de/arbeitsfelder/dh-rundgang/

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4226

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Grafschaft Sponheim um 1620

Nachdem Gräfin Elisabeth von Sponheim-Kreuznach 1417 kinderlos starb, erlosch die Linie Kreuznach und damit die so genannte “Vordere Grafschaft” Sponheims, die die Städte und Ämter Kirchberg, Koppenstein, Kreuznach und Naumburg umfasst hatte. Ein Fünftel des Besitzes ging als “kurpfälzisches Erbfünftel” … Weiterlesen

Quelle: http://ockenheim.hypotheses.org/553

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The science of history turns – even in school?

 

In the science of history, one turn is followed by another: from the rather old linguistic turn to the postcolonial or global turn, the visual or iconic turn to the spatial, acoustic and material turn. But how do history lessons respond? …

 


English

 

In the historical sciences, one turn follows another: from the rather old linguistic turn to the postcolonial or global turn, the visual or iconic turn to the spatial, acoustic, and material turn. But how does history teaching respond to these turns? At first glance, hardly at all. But, we may ask, does history teaching need to respond at all? And if so, how might it respond? Or are there good reasons not to respond?

 

When is a turn a turn?

The historical sciences have often ridiculed for their “turneritis”. One may indeed ask whether the trendiness of certain research approaches and raising their distinctiveness to generate third-party funds are linked. Does such linkage always imply a paradigm shift in research, or should one much rather speak about new, additional perspectives?
The aforementioned turns do not coexist in isolation. Instead, they are part of a major, secular process. They are all cultural turns, sharing a shift of interest from particular research subjects to the methods for acquiring and consolidating knowledge (which then put a new complexion on the subjects researched). It is, then, a matter of more closely considering both the processes involved in the construction of history and the conceptual foundations for generating specialist knowledge.

Innovations in history teaching

Neither the topics of nor the trends in the historical sciences can be transferred one-to-one to the history classroom. Straight “copycat didactics” are obsolete. Generating and rendering distinct topics for history lessons are discrete processes based on specific criteria: the social relevance of historical knowledge and the insights to be gained by students; the personal relevance of such insights for the students themselves; and the opportunity to learn, apply, and practise specialist skills. That aside, it is also self-evident that research must hold the – referring to Koselleck – “right of veto”. In history lessons, nothing should be presented that conflicts with the current state of research – although in some cases, this may be rather difficult to determine.
“History teaching” (the term here comprises various aspects, ranging from the curriculum to everyday teaching) should acknowledge innovations in research. Whereas it should not be obliged to adopt such insights without hesitation, it ought to question their relevance. After all, it is by no means the case that history lessons have not incorporated various new approaches since the gradual implementation of the resource paradigm began (at academic high schools). As opposed to the former dominance of political history, contemporary history lessons now deal with social history and consider different emphases depending on the topic under discussion. Approaches such as everyday history, environmental history or – at the time – “women’s history” were adopted comparatively early in the didactic literature and in textbooks. But the example of “women’s history” also reveals implementation problems and limitations: textbooks still regard “women’s history” as a form of compensatory supplementary history; the implementation of gender history is by far more difficult and, as I see it, has so far not been implemented convincingly.

Is it all a question of the medium?

But what about the reception of recent historical science turns? The linguistic turn plays a major role in these developments, as the bedrock of the narrative paradigm of history didactics. Furthermore, global history has received intense attention, although the current concepts prove elusive. However, the diagnosis of most turns is ambivalent: on the one hand, there is a long, successfully applied practice in history lessons; on the other, however, from the perspective of the turn theories, this practice takes place rather subconceptually. This applies equally to the iconic turn, acoustic turn, material turn, and spatial turn. From a narrow point of view, these turns can be applied to the media used in history teaching – pictorial, audio, and material sources (including maps). These turns have therefore occupied a traditional place in the classroom or have at least been present there for some time. However, once again, in practice history teaching is conceptually less elaborated and pragmatically limited: educational work with pictorial sources lags behind Bredekamp’s concept of a “pictorial act”; moreover, a history of listening or of sounds and noises using material resources to generate scientific findings is not much help in school – where we need demonstrable sounds.

The general direction

If one looks not at individual turns but at the general tendency, a connection with the development of history teaching can of course be identified. Already during the broad implementation of source work, it was a matter of orienting teaching toward the building of specialist knowledge. Over time, the sources available have broadened and diversified (pictorial resources, segmentation of the major resource categories). Since the 1990s, moreover, the learning of methods has become a compulsory element of textbooks. Several new research approaches have been embraced over time. Since the 1980s, for instance, the central concept of “historical consciousness” has been established in didactic literature and curricula; subsequently, the concept of “historical culture” was added – mind you, the concept is being engaged with only hesistantly in the history classroom. The current competence orientation can be regarded as a grouping of all these steps toward fostering a conscious, reflected, and critical way of dealing with the meaning of one’s own history and that of other cultures – whatever the respective skills terminology. Thus, it is on this meta-level that the various turns in the historical sciences and the interests of good modern history teaching meet.

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 Literature

  • Doris Bachmann-Medick, Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, (Reinbek 4th. Ed. 2010).
  • Ute Daniel, Kompendium Kulturgeschichte. Theorien, Praxis, Schlüsselwörter, (Frankfurt a. M. 2001, 5th., rev. a. add. Ed. 2006).
  • Silvia Serena Tschopp / Wolfgang E.J. Weber, Grundfragen der Kulturgeschichte, (Darmstadt 2007).

External Link

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Image Credits

© Guenter Hamich / pixelio.de.

Recommended Citation
Sauer, Michael: The science of history turns – even in school? In: Public History Weekly 2 (2014) 38, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2014-2836.

Copyright (c) 2014 by De Gruyter Oldenbourg and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact: julia.schreiner (at) degruyter.com.

Deutsch

 

In der Geschichtswissenschaft jagt ein Turn den anderen: vom schon älteren Linguistic Turn über den Postcolonial oder Global Turn, den Visual oder Iconic Turn bis hin zum Spatial, Acoustic und Material Turn. Wie reagiert der Geschichtsunterricht darauf? Auf den ersten Blick so gut wie gar nicht. Müsste er reagieren? Wie könnte er reagieren? Oder gibt es gute Gründe, nicht zu reagieren?

 

Wann ist ein Turn ein Turn?

Die “Turneritis” in der Geschichtswissenschaft ist schon des Öfteren bespöttelt worden. Man mag in der Tat kritisch fragen, ob eine gewisse Modenhaftigkeit der Forschungsansätze nicht auch etwas mit Profilierung zwecks Drittmittelgewinnung zu tun hat. Ist damit immer gleich ein Paradigmawechsel der Forschung verbunden, oder sollte man nicht vielleicht bescheidener von neuen, ergänzenden Perspektiven sprechen?
Freilich stehen die genannten Turns ja nicht isoliert nebeneinander. Sie sind Teil eines größeren, gleichsam säkularen Prozesses, sie alle sind Cultural Turns: Ihre Gemeinsamkeit liegt in einer Verlagerung des Interesses von den Forschungsgegenständen hin zu den Erkenntnismethoden (die dann die Forschungsgegenstände in einem neuen Licht erscheinen lassen). Es geht um eine verstärkte Reflexion über Prozesse der Konstruktion von Geschichte und konzeptionelle Grundlagen fachspezifischer Wissensgenerierung.

Innovationen im Geschichtsunterricht

Dass Themen und Trends der Geschichtswissenschaft nicht einfach eins zu eins in den Geschichtsunterricht übernommen werden, versteht sich von selbst. Wir betreiben keine “Abbilddidaktik” mehr. Die Generierung und Profilierung von Themen für den Geschichtsunterricht ist ein eigenständiger Akt, Grundlage dafür sind spezifische Kriterien: die gesellschaftliche Relevanz von historischen Kenntnissen und Erkenntnissen, die SchülerInnen gewinnen sollen; die persönliche Relevanz für sie selbst; und die Gelegenheit zum Lernen, Anwenden und Üben fachspezifischer Kompetenzen. Genauso selbstverständlich ist es allerdings, dass es – in Anlehnung an Koselleck – ein “Vetorecht der Forschung” geben muss. Im Geschichtsunterricht sollte nichts dargeboten werden, was ausdrücklich dem Forschungsstand widerspricht, was freilich im Einzelfall nicht gerade leicht zu bestimmen ist.
“Geschichtsunterricht” (das meint hier Unterschiedliches vom Curriculum bis zum Unterrichtsalltag) sollte also Innovationen der Forschung zur Kenntnis nehmen, muss sie aber nicht unbesehen übernehmen, sondern im Hinblick auf seine Belange kritisch mustern. Es ist ja auch keineswegs so, dass der Geschichtsunterricht seit der allmählichen Durchsetzung des Quellenparadigmas (im Gymnasium) nicht diverse neue Ansätze aufgegriffen hätte. Statt der ehemaligen Dominanz der Politikgeschichte betreiben wir heute im Unterricht eine Gesellschaftsgeschichte mit je nach Thema unterschiedlichen Akzentsetzungen. Ansätze wie Alltagsgeschichte, Umweltgeschichte oder – damals – “Frauengeschichte” sind in der didaktischen Literatur und in Schulbüchern vergleichsweise früh aufgegriffen worden. Das Beispiel “Frauengeschichte” zeigt aber auch die Umsetzungsprobleme und Begrenzungen: Noch immer finden wir im Schulbuch “Frauengeschichte” als eine Art kompensatorische Ergänzungsgeschichte; die Realisierung von “Geschlechter-” oder gar “Gendergeschichte” ist weitaus schwieriger und bislang, so weit ich sehe, nicht überzeugend realisiert worden.

Alles eine Frage des Mediums?

Wie steht es aber nun mit der Rezeption der neueren geschichtswissenschaftlichen Turns? Eine große Rolle spielt der Linguistic Turn als Grundlage für das Narrativitätsparadigma der Geschichtsdidaktik. Eine intensive Beschäftigung mit Globalgeschichte hat stattgefunden, wenngleich die vorliegenden Konzepte nur schwer realisierbar sind. Bei den meisten Turns ist die Diagnose ambivalent: Einerseits gibt es eine lang geübte Praxis im Geschichtsunterricht, andererseits findet diese aus der Sicht der Turn-Theorien gewissermaßen subkonzeptionell statt. Dies gilt für den Iconic Turn, Acoustic Turn, Material Turn, Spatial Turn. Sie lassen sich, eng betrachtet, auf Medien des Geschichtsunterrichts – Bild-, Ton-, Sachquellen und Karten – beziehen und sind insofern dort traditionell oder jedenfalls schon länger präsent. Allerdings ist die Praxis des Geschichtsunterrichts auch hier wieder konzeptionell weniger elaboriert und pragmatisch begrenzt: Unterrichtliche Bildquellenarbeit etwa bleibt zurück hinter dem von Bredekamp propagierten Konzept des „Bildakts“; und eine Geschichte des Hörens oder der Töne und Geräusche, die ihre wissenschaftlichen Befunde zu früheren Zeiten im Wesentlichen wieder aus Textquellen gewinnt, hilft in der Schule wenig – hier braucht man vorführbare Töne.

Die Generalrichtung

Blickt man jenseits der einzelnen Turns auf den generellen Trend, lassen sich freilich sehr wohl Verbindungen mit der Entwicklung des Geschichtsunterrichts ausmachen. Schon bei der breiten Durchsetzung der Quellenarbeit ging es um die Orientierung an den Verfahren fachspezifischer Erkenntnisgewinnung. Die Quellenbasis dafür hat sich im Laufe der Zeit verbreitert und differenziert (Bildquellen, Untergliederung der Quellengroßgattungen). Seit den 90er Jahren ist das Methodenlernen in den Schulbüchern obligatorisch geworden. Einzelne neue Forschungsansätze sind aufgegriffen worden. Seit den 80er Jahren schon hat sich der Leitbegriff “Geschichtsbewusstsein” in der didaktischen Literatur und in den Curricula etabliert, später hinzugekommen ist der Begriff “Geschichtskultur” – erst zögerlich beginnt die tatsächliche Beschäftigung mit ihr im Unterricht. Die aktuelle Kompetenzorientierung kann man als Bündelung aller dieser Entwicklungsschritte auffassen: Es geht um die Generalrichtung hin zu einem bewussten, reflektierten und kritischen Umgang mit eigener und fremder historischer Sinnbildung – wie auch immer die jeweiligen Kompetenzbegrifflichkeiten dafür lauten mögen. Und auf dieser Metaebene treffen sich nun doch geschichtswissenschaftliche Turns und die Belange eines modernen, guten Geschichtsunterrichts.

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Literatur

  • Bachmann-Medick, Doris: Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Reinbek 4. Aufl. 2010.
  • Daniel, Ute: Kompendium Kulturgeschichte. Theorien, Praxis, Schlüsselwörter, Frankfurt a. M. 2001, 5., durchges. u. erg. Aufl. 2006.
  • Tschopp, Silvia Serena / Weber, Wolfgang E.J.: Grundfragen der Kulturgeschichte, Darmstadt 2007.

Externe Links

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Abbildungsnachweis
© Guenter Hamich / pixelio.de

Empfohlene Zitierweise
Sauer, Michael: Die Geschichtswissenschaft “turned” – auch in der Schule? In: Public History Weekly 2 (2014) 38, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2014-2836.

Copyright (c) 2014 by De Gruyter Oldenbourg and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact: julia.schreiner (at) degruyter.com.


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Quelle: http://public-history-weekly.oldenbourg-verlag.de/2-2014-38/science-history-turns-even-school/

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Nürnberg Hauptbahnhof, Richtung Dokuzentrum

Seit meine Kollegin Angelika Schoder vor zwei Wochen hier bei MusErMeKu über Blogparaden geschrieben hat, habe ich mit dem Gedanken gespielt, an so einer virtuellen Veranstaltung teilzunehmen. Ich folge ihrem Tipp und schreibe einen Beitrag zur Blogparade von @kurzundknapp zum Thema “Zeigt mir eure Gegend”. Die Entscheidung, mich an der Blogparade #ZeigtEureGegend zu beteiligen, fiel mir ziemlich leicht, denn nun habe ich die Möglichkeit, einmal einen Beitrag auf Deutsch zu schreiben und ganz subjektiv zu sein. Ich möchte hier im Blog eine andere Seite von Nürnberg zeigen. […]

Quelle: http://musermeku.hypotheses.org/1985

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Forschungsprojekt: Corpus der barocken Deckenmalerei in Deutschland

BAYERISCHE AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
Presse-Info Nr. 29/14
30. Oktober 2014

Corpus der barocken Deckenmalerei in Deutschland – ein neues Akademieprojekt

Zwischen 1550 und 1800 entstanden auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland tausende Wand- und Deckenmalereien, die großartige kulturelle und historische Zeugnisse darstellen. Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern (GWK) hat heute beschlossen, die Dokumentation und kunsthistorische Analyse der Malereien ab 2015 mit rund 16 Mio. Euro im Akademienprogramm zu fördern. Das Projekt wird von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften betreut und unter der Leitung von Stephan Hoppe (LMU München) durchgeführt.

Die Deckenmalerei ist ein entscheidendes Element der frühneuzeitlichen Kunst in Europa, besonders bekannt sind die Leistungen der Maler des Barock. Dazu gehören weltbekannte Raumschöpfungen wie die Treppenhäuser der Würzburger Residenz und des Schlosses Pommersfelden, die Kuppeln der Wieskirche und Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen, aber auch barocke Bibliotheksdekoration oder Deckengestaltungen in zahlreichen Rathäusern und Adelspalais. Erstmals wird mit dem Corpus der barocken Deckenmalerei in Deutschland dieser Bestand flächendeckend in Deutschland digital dokumentiert, erforscht und über das Internet allgemein zugänglich gemacht. Das Verhalten knüpft inhaltlich an ein früheres Corpuswerk an, das von den Münchener Kunsthistorikern Hermann Bauer, Bernhard Rupprecht und Frank Büttner herausgegeben wurde und in 15 Druckbänden von 1976 bis 2010 die Deckenmalerei der Region Oberbayern dokumentiert. Die digitale Komponente spielt nun eine entscheidende Rolle für die Aktualität und Sichtbarkeit der Ergebnisse. In dem Projekt werden sowohl erhaltene als auch zerstörte, durch historisches Quellenmaterial rekonstruierbare Werkkomplexe wie z.B. im ehemaligen Berliner Stadtschloss, dem Schloss Herrenhausen oder der Dresdner Frauenkirche behandelt. „Mit dem neuen Forschungsvorhaben baut die Akademie ihre kunsthistorische Kompetenz weiter aus. Ich freue mich, dass damit ein weiteres Mal ein innovatives Forschungsprojekt an der Akademie angesiedelt wurde, das sich mit modernsten Forschung- und Publikationsmethoden der Sicherung des kulturellen Erbes widmet“, so Akademiepräsident Karl-Heinz Hoffmann.

Das von Stephan Hoppe und Frank Büttner (LMU München) zusammen mit Hubert Locher und Christian Bracht (Philipps-Universität Marburg) beantragte Projekt hat eine Laufzeit von 25 Jahren und ein Gesamtbudget von rund 16 Millionen Euro. Das Projekt wird von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften betreut und ist am Institut für Kunstgeschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München und am Deutschen Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte der Philipps-Universität Marburg angesiedelt. Projektleiter ist Stephan Hoppe, Professor für Kunstgeschichte mit Schwerpunkt Bayerische Kunstgeschichte (LMU München). An beiden Institutionen wird als integraler Bestandteil des Projektkonzeptes wissenschaftlicher Nachwuchs an das Forschungsgebiet herangeführt und bei eigenen Arbeiten gefördert. Ein besonderes Merkmal des Forschungsprojektes ist seine integrale Zusammenarbeit mit Forschungsvorhaben außerhalb des klassischen geisteswissenschaftlichen Fächerkanons. „Auf diese Weise wird die kunsthistorische Barockforschung, die ja auf der objektbezogenen Arbeit mit Bildern und Bauten, Texten, Plänen oder Archivalien beruht, mit der neuen Methodologie der digitalen Geisteswissenschaften verknüpft“, erläutert Projektleiter Stephan Hoppe. „Beispielsweise spielen im Bereich des Semantic Web für unsere Forschungsdatenbank Konzepte der künstlichen Intelligenz eine grundlegende Rolle. Unsere bildliche Dokumentation wiederum profitiert von Entwicklungen der nichtterrestrischen Fotografie und digitalen Visualisierung von 3D-Phänomenen. Hier werden besonders aktuelle Synergiepotentiale des Wissenschafts- und Technikstandortes München zum Tragen kommen.“

Das Projekt ist heute im Rahmen des von Bund und Ländern finanzierten Akademienprogramms bewilligt worden. Dieses Programm dient der Erschließung, Sicherung und Vergegenwärtigung des kulturellen Erbes. Es ist eines der größten geisteswissenschaftlichen Forschungsprogramme der Bundesrepublik Deutschland und wird von der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften koordiniert.

Kontakt:
Prof. Dr. Stephan Hoppe
Institut für Kunstgeschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München
Zentnerstraße 31, 80798 München
email@stephan-hoppe.de

Die Bayerische Akademie der Wissenschaften, gegründet 1759, ist die größte und eine der ältesten Akademien in Deutschland. Sie ist zugleich Gelehrtengesellschaft und Forschungseinrichtung von internationalem Rang. Mit rund 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern betreibt sie Grundlagenforschung in den Geistes- und Naturwissenschaften. Der Schwerpunkt liegt auf langfristigen Vorhaben, die die Basis für weiterführende Forschungen liefern und die kulturelle Überlieferung sichern. Sie ist ferner Trägerin des Leibniz-Rechenzentrums, eines der größten Supercomputing-Zentren Deutschlands, und des Walther-Meißner-Instituts für Tieftemperaturforschung. Seit 2010 betreibt sie ein Junges Kolleg für den exzellenten wissenschaftlichen Nachwuchs in Bayern.

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Dr. Ellen Latzin

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Bayerische Akademie der Wissenschaften
Alfons-Goppel-Str. 11 (in der Residenz)
80539 München

Tel.: +49-89-23031-1141
Fax: +49-89-23031-1285
presse@badw.de
http://www.badw.de

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E-Mail-Forum “Geschichte Bayerns”
Redakteur vom Dienst: Dr. Stephan Deutinger
redaktion@geschichte-bayerns.de
http://www.geschichte-bayerns.de/
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Quelle: http://histbav.hypotheses.org/3080

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Historische Fettecke?

Am letzten Wochenende habe ich ein Weiterbildungsangebot des NS-Dokumentationszentrums Köln wahrgenommen, in dem ich als Begleiter arbeite. Das Angebot firmiert unter dem Titel “Verunsichernde Orte” und hat in Münster in der Villa ten Hompel stattgefunden.
Zielsetzung war die „Reflexion pädagogischer Praxis an Erinnerungsorten für feste und freie Mitarbeiter_innen, Lehrer_innen sowie andere Engagierte“, so sollten nach der Zielsetzung beispielsweise das „eigene Selbst- und Rollenverständnis, der Kontakt zu Teilnehmenden und Gruppen sowie der Umgang mit Vermittlungsmedien“ thematisiert werden. Die Seminarleitung hatten Barbara Thimm und Christian Geißler inne.

Die Weiterbildung war höchst spannend, weil ziemlich viele Einrichtungen vertreten waren, u.a. das Jüdische Museum Dorsten, die Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal, die Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf. Ich habe viele Impulse und Anregungen mitgenommen, aber im Zusammenhang mit der MA steht eine Übung im Vordergrund.

„Mein Bild vom Nationalsozialismus“

Aus welchen Versatzstücken, Ereignissen, Erfahrungen, Orten, Gegenständen, Theorien, etc. setzt sich mein Bild vom Nationalsozialismus in 10 Begriffen zusammen?

_Mein_Bild_vom_Nationalsozialismus_

1

An diese Überlegung stellte sich die Frage an, wie man überhaupt auf diese Versatzstücke gekommen ist, wo Verbindungen und Schnittstellen existieren, die bei der Vermittlung genutzt werden könnten.

Letzten Endes verformt und erweitert die Beschäftigung mit der „Winzengruppe“ ohne Frage mein eigenes Geschichtsbild. Es kommen neue Aspekte und Informationen hinzu, die zu neuen Fragen und Themengebieten führen.
Weitergehend, über dieses bruchstückhafte Mosaikbildchen hinaus, kann man sich natürlich die Frage stellen, welche tiefere Motivation, welcher „Urtrieb“ hinter der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus steckt.
Ob man diesen eventuell gezielt füttern kann, um die eigene Produktivität zu erhöhen? (Zu diesem Thema hatte ich mal eine interessante Unterhaltung mit zwei Psychologen während der Tagung der Forschungsgemeinschaft 20. Juli 1944). Ich halte diese Überlegungen für wichtig, weil meine Masterarbeit eigentlich schon zu überambitioniert ist. Die Motivation, die ich beim Schreiben nämlich ohne Weiteres identifizieren kann, ist der Drang, die gesamte Geschichte dieser Gruppe darzustellen.

Der Bestand an Quellen, den ich bisher entdeckt habe, reicht wahrscheinlich mindestens schon für eine Dissertation. Die Überlegungen, die ich zur Struktur der Arbeit anstellen muss, übertreffen alles bisher da gewesene in meiner universitären Ausbildung, stellen aber zugleich einen enormen Lernprozess dar, den ich so wahrscheinlich erst während der Dissertation durchgemacht hätte. Während ich im Bundesarchiv von der Menge der Akten schlicht überfordert war und dann aus Zeitgründen mir alles habe digitalisieren lassen, habe ich im Staatsarchiv Münster fast dieselbe Menge an Akten durchgesehen und sehr zielgerichtet aussortieren können.

Der eigentliche Schreibprozess meiner Arbeit zieht sich unglaublich in die Länge. Nicht nur, weil ich arbeiten muss und versuche Tagungen und Weiterbildungsangebote wahrzunehmen, sondern, weil es mir an manchen Tagen auch einfach schwerfällt, einen Anfang zu finden. Ich habe mir neulich den Spaß bereitet, all meine Exzerpte in ein Dokument zu ziehen, um daraus einen ungefähren Umfang ableiten zu können. Das Ergebnis waren 381 Seiten eines wunderschönen Word-Dokumentes. Allein meine Exzerpte sprengen schon den Rahmen einer gewöhnlichen Arbeit. Die Reaktion, die aus dieser Erkenntnis unweigerlich folgen muss, ist die erneute Reduktion. [Die schon am Anfang der Arbeit eine wichtige Rolle spielte.]

Ist das Geschichte oder kann das weg?

  • Spielt es [im Rahmen der MA] eine Rolle, dass die Charité in Berlin die Körper der Hingerichteten als ‚Versuchsobjekte‘ erhielten?
  • Ist es für meine Arbeit relevant, dass einem Mitglied der Gruppe in der BRD aufgrund seiner Zugehörigkeit zur KPD Entschädigungszahlungen abgesprochen wurden?
  • Ist ein Gutachtenkrieg, den einige Mitglieder in der BRD mit Entschädigungsstellen ausgefochten haben wichtig?
  • Was passierte eigentlich mit dem Gestapomann, der der Hauptverantwortliche in den Vernehmungen war?
  • Welche Mitglieder der Gruppe sind „wichtig“ oder „unwichtig“?

Tendenziell bin ich in Versuchung, überall Anmerkungen zu hinterlassen, die in die Richtung gehen: „Leider konnte folgender Frage nicht nachgegangen werden, weil diese den Umfang der Arbeit gesprengt hätten“. Doch erscheint dies nicht wirklich als gangbarer Weg…

 

1 Farblegende: Blau: privates Umfeld; Grün: berufliche Tätigkeit; Rot: Familie; Gelb: Schule/Ausbildung; Grau: Literatur/Filme

Quelle: http://winzen.hypotheses.org/92

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