Wenn Sie sich entscheiden, nicht nur theoretisch zu arbeiten, sondern auch etwas Praktisches zu machen, dann lassen Sie sich eins sagen: Fassen Sie am Ende des Arbeitstages keinen Platon-Dialog mehr an. Der macht Ihnen ‘mal sowas von einen Strich durch die Rechnung, dass Sie bald daran zweifeln werden, ob oben oben oder unten unten ist. Ich habe den Fehler begangen und einen kurzen Blick in Platons Parmenides geworfen. Das Resultat ist, dass ich mir jetzt mein Erlebnis von der Seele schreibe, wie so viele andere Verrückte (μανία [mania] wäre das griechische Wort für diese Verrücktheit, die ich meine).
Wenn etwas widersprüchlich ist, dann zweifeln wir meist daran und versuchen durch einen Perspektiven- und Tiefenwechsel ein passendes Konstrukt zu liefern, das uns den vordergründigen Widerspruch aufklärt. – Nicht so im Parmenides. Dieser Dialog Platons hindert uns dadurch daran, dass er uns einen Gordischen Knoten ins Hirn treibt.
Sehen Sie mal um sich. Schön? Da sind jede Menge Dinge, oder? Ein Bildschirm, vielleicht ein Schreibtisch oder ein Fenster, eine Liane, Buchstaben, ein beunruhigender Fußabdruck, Zahlen, Menschen, 100000€, Gedanken. Viele Dinge sind das. Klar. Wenn wir aber viele Dinge haben, dann müssen wir annehmen, dass es auch jeweils ein Ding gibt. Die Vielheit ist eben aus Einheiten zusammengesetzt, ne? Wenn Sie jetzt versuchen, diese Einheit zu fassen, passiert Ihnen das, was mir passiert ist: “Knoten also blog ich”.
Wenn wir von einer Einheit reden, dann darf diese Einheit keine Teile haben. Denn dann wäre sie ja zusammengesetzt und eine Vielheit. Aber über die Vielheit sind wir ja schon hinweg. Wir suchen das, was die Einheit ist. Also Teile darf diese Einheit nicht haben. Deshalb kann eine Einheit weder Anfang, noch Mitte, noch Ende haben. Was aber kein Ende hat, hat keine Grenze und ist deshalb unbegrenzt also unendlich. Zur selben Zeit ist es aber natürlich nicht ausgedehnt, weil es eben keine Teile haben kann. Und jetzt einige Worte des Erzählers Kephalos:
„Es ist also nicht einmal in der Weise, daß es Eins ist, denn dann wäre es immer noch seiend und des Seins teilhaftig. Vielmehr ist das Eins weder noch ist es Eins, wenn anders man diesem Schlüsse trauen darf.
So scheint es.
Wenn aber etwas nicht ist, kann da wohl diesem Nichtseienden überhaupt etwas zukommen oder ihm angehören?
Wie wäre das möglich?
Dann aber kommt ihm auch gar kein Name zu und keine Aussage über dasselbe und keine Erkenntnis noch Wahrnehmung noch Vorstellung von ihm.
Offenbar.
Man kann es also weder benennen noch von ihm reden und etwas aussagen noch es sich vorstellen noch es erkennen noch auch etwas, was es an sich hätte, wahrnehmen.” (142 Aff. Übers von Franz Susemihl online unter: http://www.zeno.org/Philosophie/M/Platon/Parmenides auffindbar)
Das habe ich jetzt davon. Ich kann das einfachste weder erkennen noch herleiten noch sagen, dass es sei, obwohl ich so vieles sehe, das aus Einheiten besteht. Platons Dialog zeigt so viele Probleme bezüglich der Einheit auf (die der alte Parmenides dem jungen Sokrates erzählt) wie ich jetzt schlaflose Stunden haben werde. Wenn wir Eins nicht erkennen können. Und wenn Eins nicht ist, was ist denn dann überhaupt noch? Thx Platon. Nehmen Sie sich den Dialog doch mal selbst zur Hand. Vielleicht sind Sie schlauer als ich. Wo ist Alexander, wenn man ihn braucht?