In der Frühen Neuzeit gehörte der Unterhalt von Orangerien vor allem in den Klöstern der „Prälatenorden“ zu einem allgemein verbreiteten Kulturphänomen nördlich der Alpen. Das ist heute nur noch wenig bekannt, abgesehen von Einzelbeispielen wie etwa Fulda, Bronnbach oder Neuzelle. In vielen Fällen gingen die Glashäuser infolge der Säkularisationen des Josephinismus, der Französischen Revolution und des Reichsdeputationshauptschlusses verloren, in manchen fortbestehenden Klöstern dürfte der Einfluss der „englischen“ Gartenkultur in den Jahrzehnten um 1800 das Ende der Einrichtungen bedeutet haben. Der Bestand an erhaltenen klösterlichen […]
DiXiT schreibt 17 Fellowships aus
Das von der Europäischen Kommission geförderte internationale Forschungsnetzwerk DiXiT (Digital Scholarly Editions Initial Training Network) hat soeben zwölf Marie-Curie-Fellowhips für Nachwuchswissenschaftler (drei Jahre) sowie weitere fünf für Post Docs (experienced researchers, 12-20 Monate) ausgeschrieben.
DiXiT ist ein vom Cologne Center for eHumanities (CCeH) an der Uni Köln unter Leitung von Prof. Andreas Speer koordinierter Zusammenschluss von zehn europäischen Universitäten sowie 16 weiteren assoziierten Partnern, darunter DARIAH-EU, das King’s College London, die TU Würzburg und Darmstadt, das IDE, NeDiMAH, TEI und die Open Book Publishers. DiXiT hat sich die Entwicklung von Standards und Nachhaltigkeit im Gebiet der digitalen Geisteswissenschaften zum Ziel gesetzt; im Fokus stehen dabei digitale Editionen.
Bewerbungsschluss ist der 10. Dezember 2013, Start im April 2014 und später.
Weitere Informationen und Online-Bewerbung: http://dixit.uni-koeln.de/fellows.html
Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2535
Computerlinguistik und Digital Humanities
In einem Kommentar zu meinem Kurzbericht von der GSCL 2013 hat Patrick Sahle folgendes geschrieben:
Das finde ich spannend: Computerlinguistik/Sprachtechnologie ist
nach diesem Beitrag KEIN “Teil” von DH, sondern macht (auch) Sachen,
die für DH relevant sind.Michael, könntest Du ein paar Hinweise dazu geben,
a) wieso CL/ST nicht als Teil der DH aufzufassen sind und
b) wie Du DH definierst, so dass man daraus ableiten kann, welche
CL/ST-Themen für die DH einschlägig/relevant/interessant sind
?
Das würde bei mir vermutlich vieles erhellen.
Ich möchte hier zunächst Frage (a) beantworten, also die Frage, ob Computerlinguistik (CL) und Sprachtechnologie (NLP) ein »Teil« der Digital Humanities sind. Diese Frage führt natürlich direkt zur Frage, was die Digital Humanities sind. In meinem Buch definiere ich sie wie folgt:
The emerging field of digital humanities aims to exploit the possibilities offered by digital data for humanities research. The digital humanities combine traditional qualitative methods with quantitative, computer-based methods and tools, such as information retrieval, text analytics, data mining, visualization, and geographic information systems (GIS).
Nach meiner Definition ist DH also die Ergänzung traditioneller geisteswissenschaftlicher Methoden durch rechnergestützte quantitative Methoden und Werkzeuge zur Beantwortung geisteswissenschaftlicher Forschungsfragen.
Was ist unter CL und NLP zu verstehen? CL und NLP hängen eng zusammen, im üblichen Sprachgebrauch wird CL meist für stärker linguistisch und theoretisch orientierte Forschung verwendet, während NLP nicht umsonst oft auch als »language engineering« bezeichnet wird: Hier geht es nicht um linguistische Forschungsfragen, sondern primär darum, effektive und effiziente Algorithmen, Datenstrukturen usw. für die Verarbeitung natürlicher Sprachen zu erforschen und für praktische Anwendungen nutzbar zu machen. Ein gutes Beispiel dafür ist die aktuelle Forschung im Bereich der maschinellen Übersetzung (MÜ).
Diese Definition nimmt bereits einen Teil der Antwort vorweg: NLP ist meines Erachtens kein Teil der DH, da sich NLP nicht mit geisteswissenschaftlichen Forschungsfragen beschäftigt. Die Situation ist vergleichbar mit der Rolle von NLP in der Pharmaforschung: Biomedizinisches Textmining spielt ein wichtige Rolle, dennoch ist Sprachtechnologie kein Teil der Pharmazie.
Auch wenn NLP kein Teil der DH ist, ist NLP aber eine wichtige Grundlage, oder, wie ich es in meinem Buch (S. 10) ausgedrückt habe: »NLP—and NLP for historical texts in particular—should be considered a foundation for the emerging discipline of digital humanities.«
Wenn Computerlinguistik und Sprachtechnologie nicht das selbe sind, wie sieht es dann mit der Computerlinguistik aus? Die Linguistik wird ja üblicherweise zu den Geisteswissenschaften gerechnet.
Zunächst ist hier zu beachten, dass die Linguistik eine der »naturwissenschaftlichsten« geisteswissenschaftlichen Disziplinen ist; ihre Methoden unterscheiden sich deutlich von – zum Beispiel – der Geschichtswissenschaft oder der Literaturwissenschaft.
Dazu kommt, dass sich die Computerlinguistik in den letzten 50 Jahren weitgehend von der Linguistik emanzipiert hat. Natürlich gibt es noch Forscher in der Computerlinguistik, die linguistische Fragestellungen bearbeiten, der Mainstream hat sich aber stark in Richtung NLP entwickelt. Wissensfreie statistische Verfahren haben sich etabliert, und angesichts der schnellen Erfolge, die man mit ihnen insbesondere in der MÜ erreicht hat, muss man sich heutzutage für regelbasierte, linguistisch motivierte Ansätze oft rechtfertigen. Die geringe Rolle der Linguistik in der Computerlinguistik wird andererseits aber auch seit einiger Zeit innerhalb der CL diskutiert (siehe etwa die Proceedings des EACL 2009 Workshop on the Interaction between Linguistics and Computational Linguistics oder die Artikel Computational Linguistics: What About the Linguistics? von Karen Spärck Jones und What Science Underlies Natural Language Engineering? von Shuly Wintner).
Ich würde daher auch die heutige CL nicht – jedenfalls nicht als Ganzes – als Teil der DH betrachten. Da die CL aber eine der Grundlagen für NLP sind, sind sie auch eine Grundlage für DH.
CL-Forschung mit einer stärkeren linguistischen Ausrichtung – also quasi die »klassische« CL, bei der es um die rechnergestützte Modellierung sprachlicher Phänomene geht, um ein besseres Verständnis von natürlicher Sprache zu erreichen – könnte man durchaus als Teil der DH betrachten, diese Forschung ist aber heute eher in der Korpuslinguistik angesiedelt.
Die Antwort auf die Frage (a) ist jetzt schon recht lang geraten, daher werde ich mich mit (b) in einem weiteren Beitrag beschäftigen.
Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2532
Heute vor 75 Jahren – Ein Mikroblog über den 9. November 1938
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 eskalierte die Gewalt gegen die jüdische Bevölkerung im gesamten “Deutschen Rech”. Die sogenannte “Reichspogromnacht” oder auch “Kristallnacht” hatte die Zerstörung von 267 Synagogen sowie von fast 7.000 jüdischen Gemeindehäusern, Geschäften und Wohnhäusern zur Folge. In den Folgetagen setzten sich gewalttätige Übergriffe gegenüber Juden fort; knapp 30.000 jüdische Bürger wurden in Zusammenhang mit den Novemberpogromen verhaftet und in die Konzentrationslager Dachau, Sachsenhausen und Buchenwald inhaftiert. Im Jahr 2013 jähren sich die Novemberpogrome nun zum 75. […]
Objekt des Monats / object of the month: October 2013
Gefäß in Form einer sitzenden weiblichen Figur Iran, vermutlich aus der Stadt Kaschan, um 1200 Höhe: 35,4 cm / Breite: 23,2 cm / Tiefe: 12,4 cm Museum für Islamische Kunst, Inv. Nr. I. 2622 Das im monumentalen Stil bemalte Gefäß ist … Continue reading →
Quelle: http://jameel.hypotheses.org/233
DARIAH-AT Workshop „Digitale Geisteswissenschaften in Österreich“, 20.11. 2013, Graz
Das Zentrum für Informationsmodellierung – Austrian Centre for Digital Humanities an der Universität Graz lädt zum ersten DARIAH-AT Workshop:
„Digitale Geisteswissenschaften in Österreich: Nationale Kooperationen und europäische Perspektiven“
am Mittwoch, 20. November 2013 im Sitzungszimmer des Senats, Universitätsplatz 3/1, 8010 Graz
Die europäische Forschungsinitiative DARIAH (Digital Research Infrastructure for the Arts and Humanities) widmet sich dem Aufbau eines Netzwerks zur Förderung einer nachhaltigen, digitalen Forschungsinfrastruktur für Daten aus den Kultur- und den Geisteswissenschaften in Europa.
Dieser Workshop richtet sich an österreichische ProtagonistInnen der „Digitalen Geisteswissenschaften“. Neben einer Verortung der Digitalen Geisteswissenschaften als Disziplin und der Vorstellung der Zielrichtung des DARIAH Projektes, werden österreichische Initiativen und Projekte aus dem Bereich der Digitalen Geisteswissenschaften vorgestellt. Ein Project Slam bietet Ihnen die Gelegenheit zur Vorstellung und Diskussion von Projekten und Forschungsvorhaben. Die abschließende Diskussion soll zur Entwicklung gemeinsamer Perspektiven für mögliche Formen der österreichweiten Zusammenarbeit im Bereich der Digitalen Geisteswissenschaften in Österreich beitragen.
Nähere Informationen zu Teilnahme und Programm finden Sie unter: http://informationsmodellierung.uni-graz.at/de/aktuelles/dariah-at-workshop/
Anmeldungen und Rückfragen an zim@uni-graz.at
Einladung als PDF: DARIAH-AT_Workshop
Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2457
(3) “Abweichung von Normen kann innovativ sein und letztlich auch konstitutiv für eine Gesellschaft” – Im Interview Dirk Baier
Anknüpfend an das Interview mit den Wissenschaftlern in unserer aktuellen Ausgabe „Kriminalität und soziale Normen” werden in einer Blogreihe in wöchentlichen Abständen weitere Kriminalsoziolog_innen auf gleiche Fragen zum Teil zu ähnlichen, zu einem größeren Teil aber auch zu sehr unterschiedlichen Antworten … Continue reading
Gerhard Richters Tafelwerk – Der Atlas im Lenbachhaus
Vollendet! Nein! Gerhard Richters Schubladen sind noch voller Ideen und Projekte. Und so wird in München “nur” der vorläufig endgültige ATLAS von Richter ausgestellt.
Für Helmut Friedel ist es die letzte Ausstellung als Leiter des Münchner Lenbachhauses. Dabei ist ihm noch einmal Großes gelungen. Es ist die 100. Richter-Ausstellung im Lenbachhaus und damit auch ein persönlicher Dank des Kurators und zugleich eine Hommage an Gerhard Richter und seinen Bilderkosmos, der in seiner Einzigartigkeit und Vielfalt seines Gleichen sucht.
Der ATLAS besteht aus tausenden von Fotos, Skizzen und Zeitungsausschnitten die Richter seit 1962 sammelt und seit 1965 auf Kartons aufklebt. Während die ersten Tafeln ein Sammelsorium verschiedener Zeitungsbilder sind, die von einander unabhängig nebeneinander zum Stehen kommen, beginnt Richter später seine Tafeln nach Motiven und Projektskizzen zu sortieren.
Manche dieser Motive arbeitet Richter zeitnah und manche später zu Gemälden aus. Andere Motive nimmt der Künstler immer wieder auf, experimentiert mit ihnen und verwirft sie am Ende doch. Dazu gehören zum Beispiel die Holocaust-Bilder. Bilder von Konzentrationslagern, die die Opfer des Nationalsozialismus zeigen. Ihr Überleben bei vollkommenen Verlust ihrer menschlichen Würde, hat den Künstler zusehends bewegt. Erste Überlegungen, den Bilder habhaft zu werden und in Kunstwerke zu überführen, gehen auf die 60er Jahre zurück. Damals verwirft der Künstler die Bilder und die daran gebundene Ausstellungsidee. Als Richter ein Kunstwerk für den Deutschen Reichstag in Berlin entwerfen soll, denkt er zuerst die Installation jener Bilder des Holocaust. Er projiziert sie auf die Fläche, tausende Bilder von unbeschreibaren Schicksalen, die die Geschichte Deutschlands und damit verbundene Verantwortung für die Zukunft anzeigen. Erst nach langem Hin- und Her entscheidet sich Richter gegen die Fotoinstallation, zu kleinteilig und unübersichtlich wirkt das Werk. Die Fotos machen der Farbfeldmalerei Platz, die wenig später dem endgültigen Entwurf der deutschen Flagge weicht.
Anhand dieser Werkgruppe wird die Bedeutung des “Atlas” deutlich. Er ist das Bildgedächtnis des Künstlers. Dabei handelt es sich um Motive und Ideen, die den Künstler oft aus einem unbenennbaren Grund faszinieren. Darunter befinden sich Motive und Ereignisse, die nicht in Worte gefasst werden können und denen Richter versucht mit dem Pinsel gerecht zu werden: formal, inhaltlich, moralisch sowie ästhetisch.
Bis zum 9. Februar ist der Bilderkosmos Richters in München zu sehen. Einen Einblick in die Ausstellung geben diverse TV-Beiträge:
- 3sat Kulturzeit (29.10.2013) Richters Riesenessay
- Bayerischer Rundschau (21.10.2013) “Atlas. Mikromega” im Lenbach-Haus
- Bayerisches Fernsehen (25.10.2013) Der vollendete Atlas
Gerhard Richter. Atlas – Mikromega
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau
23. Oktober 2013 bis 9. Februar 2014
Quelle: http://gra.hypotheses.org/1091
Projekt Lehrplan 21 – die Politik und die Geschichte
Er bewegt die Gemüter einer breiten Öffentlichkeit landauf und landab. Derzeit steckt er in der Konsultation. Der vieldiskutierte und heiß erwartete Lehrplan 21 dient der Umsetzung des Auftrags der Schweizer Bundesverfassung zur Harmonisierung der Ziele der Bildungsstufen.
Kantonaler Neubeginn
In der Schweiz liegt die Bildungshoheit in den Kantonen und nicht auf nationaler Ebene. 21 Deutschschweizer Kantone haben sich zusammengerauft und eine sinnmachende Koordination im Bildungswesen gemeinsam angepackt. Der Lehrplan 21 integriert die nationalen Bildungsziele (Bildungsstandards). Er gewährt damit Anschlussfähigkeit unter den Kantonen und reagiert auf die reale Mobilität der Familien innerhalb des Landes. Das ist erfreulich und bemerkenswert und in dieser Dimension auch erstmalig! Der Lehrplan 21 ist kein Reformprojekt und schließt nahtlos an die bereits bestehenden Lehrpläne an. Es soll ein alltagstaugliches Werkzeug für die Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen schaffen, das die Arbeit erleichtert und Verlässlichkeit und Klarheit in den pädagogischen Alltag bringt.
… ein großes Leintuch, an dessen Ecken unglaublich viele Leute ziehen
Dass nun beim neuen Lehrplan die Kompetenzorientierung im Vordergrund steht, ist ein großer Gewinn. Der Lehrplan 21 beschreibt Kompetenzen, die am Ende der obligatorischen Schulzeit erreicht werden sollen. Der Aufbau wird über 3 Zyklen beschrieben, und für jeden Zyklus gibt es einen Mindestanspruch, den alle Schülerinnen und Schüler erreichen sollen. Mit der konsequenten Kompetenzformulierung zeigen wir, dass der Lehrplan nicht bereits erfüllt ist, wenn der im Lehrplan aufgelistete Stoff im Unterricht einfach „durchgenommen“ wurde, sondern erst dann, wenn die Kinder und Jugendlichen in einem umfassenden Sinne kompetent sind. Kompetent sein heißt, über das nötige Wissen zu verfügen und dieses Wissen in einer entsprechenden Situation auch anwenden können. Eines war mir von Anfang an klar: Der Lehrplan 21 ist ein großes Leintuch, an dessen Ecken unglaublich viele Leute in alle möglichen Richtungen ziehen. Dass sich Lobbyisten jeglicher Richtungen und Couleur mit Freude auf dieses gemeinsame Werk der 21 Deutschschweizer Kantone stürzen würden, konnte vorausgesagt werden. Ich gehe im folgenden nur kurz auf zwei Teilbereiche ein, nämlich ‘Politische Bildung und Geschichte’ sowie ‘ICT und Medien’.
„Geschichte wird abgeschafft“?
Aussagen zu den Themen Politische Bildung und Geschichte sind an folgenden Stellen im Lehrplan 21 zu finden:
- Im Kapitel Fächerübergreifende Themen unter der Leitidee Nachhaltiger Entwicklung, dort insbesondere unter der Marginalie ‘Politik, Demokratie und Menschenrechte’.
- Im Fachbereichslehrplan Räume, Zeiten, Gesellschaften (3. Zyklus) befassen sich die Kompetenzbereiche 5-8 mit Geschichte. Der Kompetenzbereich 8 enthält in einem Schwerpunkt Kompetenzen zur Politischen Bildung.
- Im Fachbereichslehrplan Natur, Mensch, Gesellschaft (1. und 2. Zyklus) haben die Kompetenzbereiche 9, 10 und 11 einen Schwerpunkt bei den Geschichtskompetenzen.
Kritik am Lehrplanprojekt vonseiten der Interessensgruppen Geschichte gab es bereits im Grundlagenprojekt. Die Kritik dauert bis heute an. Besonderen Unmut haben folgende drei Punkte ausgelöst: Zum einen die Zusammenfassung der Unterrichtsfächer Geografie und Geschichte zu einem Fachbereich ‘Räume, Zeiten, Gesellschaften’ auf der Sekundarstufe I, zum zweiten die Fachbereichs-Bezeichnung ‘Räume, Zeiten, Gesellschaften’, weil der Begriff Geschichte verschwinde, und zum dritten schließlich die Befürchtung, der Lehrplan 21 und dessen Planungsrahmen könnten die Kürzungen von Geschichtslektionen, die einzelne Kantone in der Vergangenheit vorgenommen haben, zementieren. Diese Kritikpunkte wurden auch von den Medien aufgenommen. Schlagwort bei den Artikeln war oft: Das Fach oder der Unterricht in Geschichte wird abgeschafft! Gerne übersehen wird allerdings, dass der Lehrplanentwurf dem historischen Lernen im Kindergarten und auf der Primarstufe (1. und 2. Zyklus) einen deutlich höheren Stellenwert einräumt, als es in aktuellen Lehrplänen der Kantone bisher der Fall ist. So können Kinder bereits in diesem Alter die Fähigkeit entwickeln, historisch zu denken. Damit reagiert der Lehrplan 21 auf die Erkenntnisse der empirisch forschenden Geschichtsdidaktik der letzten Jahre. Insgesamt wird das historische Lernen im Fachbereich ‘Natur, Mensch, Gesellschaft’ in den ersten beiden Zyklen deutlich aufgewertet.
Medienkompetenz entscheidend
Heute sind der Umgang mit der Informationstechnologie und die Medienkompetenz von entscheidender Bedeutung. Darum erhält bspw. ICT und Medien einen eigenen Lehrplanteil und wird in die Lehrpläne der einzelnen Fachbereiche eingearbeitet. Es ist die Zielsetzung von ICT und Medien im Lehrplan 21, dass die Schülerinnen und Schüler an der Mediengesellschaft selbstbestimmt, kreativ und mündig teilhaben können und sich sachgerecht und sozial verantwortlich verhalten. In diesem Bereich sind aber noch Fragen betreffend Rahmenbedingungen, Zuständigkeiten, Aus- und Weiterbildung der Lehrpersonen offen, die über den Lehrplan hinausführen. Diese Fragen werden ab Herbst 2013 von einer Arbeitsgruppe geklärt, damit die Überarbeitung des Lehrplans ICT und Medien nach Vorliegen der Ergebnisse der Konsultation zügig an die Hand genommen werden kann. Die Fachgruppe soll klären, welche Kompetenzen sinnvollerweise integriert in andere Fachbereiche erworben werden und für welche Kompetenzen und auf welchen Schulstufen allenfalls eigene Zeitgefäße nötig sind. Außerdem sollen die für die Umsetzung nötigen Rahmenbedingungen in Bezug auf die Aus- und Weiterbildung der Lehrpersonen, die Anpassungen an den Lehrmitteln sowie die technische Infrastruktur bearbeitet werden. Das Konzept muss sich für eine flächendeckende Umsetzung im Schulsystem eignen. Es muss daher auch mit begrenzten personellen und finanziellen Ressourcen umsetzbar sein!
Ich freue mich auf Ihre Reaktionen und Meinungen zum Lehrplan 21!
Literatur
- Meyer, Hilbert: Kompetenzorientierung allein macht noch keinen guten Unterricht! Die “ganze Aufgabe” muss bewältigt werden. In: Lernende Schule 15 (2012) 58, S. 7-12.
- Feindt, Andreas / Meyer, Hilbert: Kompetenzorientierter Unterricht. In: Die Grundschulzeitschrift 24 (2010) 237, S. 29-33.
- Labbude, Peter / Adamina, Marco: Kompetenzen fördern – Standards setzen. Naturwissenschaftliche Bildung in der Primarstufe, Kiel 2012.
- Schröder, Christa / Wirth, Ingo: 99 Tipps – kompetenzorientiert unterrichten. Für die Sekundarstufe 1, Berlin 2012.
Externe Links
- Website der Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz
- Website des Projekts Lehrplan 21
- Lersch, Rainer: Wie unterrichtet man Kompetenzen? Didaktik und Praxis kompetenzfördernden Unterrichts, Wiesbaden 2010 (Hessisches Kultusministerium, Institut für Qualitätsentwicklung).
Abbildungsnachweis
(c) KHH 043: Foto Karin Habegger-Heiniger
Empfohlene Zitierweise
Amsler, Christian: Projekt Lehrplan 21 – die Politik und die Geschichte. In: Public History Weekly 1 (2013) 9, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2013-368.
Copyright (c) 2013 by Oldenbourg Verlag and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact: julia.schreiner (at) degruyter.com.
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Projekt Lehrplan 21 – die Politik und die Geschichte
Er bewegt die Gemüter einer breiten Öffentlichkeit landauf und landab. Derzeit steckt er in der Konsultation. Der vieldiskutierte und heiß erwartete Lehrplan 21 dient der Umsetzung des Auftrags der Schweizer Bundesverfassung zur Harmonisierung der Ziele der Bildungsstufen.
Kantonaler Neubeginn
In der Schweiz liegt die Bildungshoheit in den Kantonen und nicht auf nationaler Ebene. 21 Deutschschweizer Kantone haben sich zusammengerauft und eine sinnmachende Koordination im Bildungswesen gemeinsam angepackt. Der Lehrplan 21 integriert die nationalen Bildungsziele (Bildungsstandards). Er gewährt damit Anschlussfähigkeit unter den Kantonen und reagiert auf die reale Mobilität der Familien innerhalb des Landes. Das ist erfreulich und bemerkenswert und in dieser Dimension auch erstmalig! Der Lehrplan 21 ist kein Reformprojekt und schließt nahtlos an die bereits bestehenden Lehrpläne an. Es soll ein alltagstaugliches Werkzeug für die Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen schaffen, das die Arbeit erleichtert und Verlässlichkeit und Klarheit in den pädagogischen Alltag bringt.
… ein großes Leintuch, an dessen Ecken unglaublich viele Leute ziehen
Dass nun beim neuen Lehrplan die Kompetenzorientierung im Vordergrund steht, ist ein großer Gewinn. Der Lehrplan 21 beschreibt Kompetenzen, die am Ende der obligatorischen Schulzeit erreicht werden sollen. Der Aufbau wird über 3 Zyklen beschrieben, und für jeden Zyklus gibt es einen Mindestanspruch, den alle Schülerinnen und Schüler erreichen sollen. Mit der konsequenten Kompetenzformulierung zeigen wir, dass der Lehrplan nicht bereits erfüllt ist, wenn der im Lehrplan aufgelistete Stoff im Unterricht einfach „durchgenommen“ wurde, sondern erst dann, wenn die Kinder und Jugendlichen in einem umfassenden Sinne kompetent sind. Kompetent sein heißt, über das nötige Wissen zu verfügen und dieses Wissen in einer entsprechenden Situation auch anwenden können. Eines war mir von Anfang an klar: Der Lehrplan 21 ist ein großes Leintuch, an dessen Ecken unglaublich viele Leute in alle möglichen Richtungen ziehen. Dass sich Lobbyisten jeglicher Richtungen und Couleur mit Freude auf dieses gemeinsame Werk der 21 Deutschschweizer Kantone stürzen würden, konnte vorausgesagt werden. Ich gehe im folgenden nur kurz auf zwei Teilbereiche ein, nämlich ‘Politische Bildung und Geschichte’ sowie ‘ICT und Medien’.
„Geschichte wird abgeschafft“?
Aussagen zu den Themen Politische Bildung und Geschichte sind an folgenden Stellen im Lehrplan 21 zu finden:
- Im Kapitel Fächerübergreifende Themen unter der Leitidee Nachhaltiger Entwicklung, dort insbesondere unter der Marginalie ‘Politik, Demokratie und Menschenrechte’.
- Im Fachbereichslehrplan Räume, Zeiten, Gesellschaften (3. Zyklus) befassen sich die Kompetenzbereiche 5-8 mit Geschichte. Der Kompetenzbereich 8 enthält in einem Schwerpunkt Kompetenzen zur Politischen Bildung.
- Im Fachbereichslehrplan Natur, Mensch, Gesellschaft (1. und 2. Zyklus) haben die Kompetenzbereiche 9, 10 und 11 einen Schwerpunkt bei den Geschichtskompetenzen.
Kritik am Lehrplanprojekt vonseiten der Interessensgruppen Geschichte gab es bereits im Grundlagenprojekt. Die Kritik dauert bis heute an. Besonderen Unmut haben folgende drei Punkte ausgelöst: Zum einen die Zusammenfassung der Unterrichtsfächer Geografie und Geschichte zu einem Fachbereich ‘Räume, Zeiten, Gesellschaften’ auf der Sekundarstufe I, zum zweiten die Fachbereichs-Bezeichnung ‘Räume, Zeiten, Gesellschaften’, weil der Begriff Geschichte verschwinde, und zum dritten schließlich die Befürchtung, der Lehrplan 21 und dessen Planungsrahmen könnten die Kürzungen von Geschichtslektionen, die einzelne Kantone in der Vergangenheit vorgenommen haben, zementieren. Diese Kritikpunkte wurden auch von den Medien aufgenommen. Schlagwort bei den Artikeln war oft: Das Fach oder der Unterricht in Geschichte wird abgeschafft! Gerne übersehen wird allerdings, dass der Lehrplanentwurf dem historischen Lernen im Kindergarten und auf der Primarstufe (1. und 2. Zyklus) einen deutlich höheren Stellenwert einräumt, als es in aktuellen Lehrplänen der Kantone bisher der Fall ist. So können Kinder bereits in diesem Alter die Fähigkeit entwickeln, historisch zu denken. Damit reagiert der Lehrplan 21 auf die Erkenntnisse der empirisch forschenden Geschichtsdidaktik der letzten Jahre. Insgesamt wird das historische Lernen im Fachbereich ‘Natur, Mensch, Gesellschaft’ in den ersten beiden Zyklen deutlich aufgewertet.
Medienkompetenz entscheidend
Heute sind der Umgang mit der Informationstechnologie und die Medienkompetenz von entscheidender Bedeutung. Darum erhält bspw. ICT und Medien einen eigenen Lehrplanteil und wird in die Lehrpläne der einzelnen Fachbereiche eingearbeitet. Es ist die Zielsetzung von ICT und Medien im Lehrplan 21, dass die Schülerinnen und Schüler an der Mediengesellschaft selbstbestimmt, kreativ und mündig teilhaben können und sich sachgerecht und sozial verantwortlich verhalten. In diesem Bereich sind aber noch Fragen betreffend Rahmenbedingungen, Zuständigkeiten, Aus- und Weiterbildung der Lehrpersonen offen, die über den Lehrplan hinausführen. Diese Fragen werden ab Herbst 2013 von einer Arbeitsgruppe geklärt, damit die Überarbeitung des Lehrplans ICT und Medien nach Vorliegen der Ergebnisse der Konsultation zügig an die Hand genommen werden kann. Die Fachgruppe soll klären, welche Kompetenzen sinnvollerweise integriert in andere Fachbereiche erworben werden und für welche Kompetenzen und auf welchen Schulstufen allenfalls eigene Zeitgefäße nötig sind. Außerdem sollen die für die Umsetzung nötigen Rahmenbedingungen in Bezug auf die Aus- und Weiterbildung der Lehrpersonen, die Anpassungen an den Lehrmitteln sowie die technische Infrastruktur bearbeitet werden. Das Konzept muss sich für eine flächendeckende Umsetzung im Schulsystem eignen. Es muss daher auch mit begrenzten personellen und finanziellen Ressourcen umsetzbar sein!
Ich freue mich auf Ihre Reaktionen und Meinungen zum Lehrplan 21!
Literatur
- Meyer, Hilbert: Kompetenzorientierung allein macht noch keinen guten Unterricht! Die “ganze Aufgabe” muss bewältigt werden. In: Lernende Schule 15 (2012) 58, S. 7-12.
- Feindt, Andreas / Meyer, Hilbert: Kompetenzorientierter Unterricht. In: Die Grundschulzeitschrift 24 (2010) 237, S. 29-33.
- Labbude, Peter / Adamina, Marco: Kompetenzen fördern – Standards setzen. Naturwissenschaftliche Bildung in der Primarstufe, Kiel 2012.
- Schröder, Christa / Wirth, Ingo: 99 Tipps – kompetenzorientiert unterrichten. Für die Sekundarstufe 1, Berlin 2012.
Externe Links
- Website der Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz
- Website des Projekts Lehrplan 21
- Lersch, Rainer: Wie unterrichtet man Kompetenzen? Didaktik und Praxis kompetenzfördernden Unterrichts, Wiesbaden 2010 (Hessisches Kultusministerium, Institut für Qualitätsentwicklung).
Abbildungsnachweis
(c) KHH 043: Foto Karin Habegger-Heiniger
Empfohlene Zitierweise
Amsler, Christian: Projekt Lehrplan 21 – die Politik und die Geschichte. In: Public History Weekly 1 (2013) 9, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2013-368.
Copyright (c) 2013 by Oldenbourg Verlag and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact: julia.schreiner (at) degruyter.com.
The post Projekt Lehrplan 21 – die Politik und die Geschichte appeared first on Public History Weekly.