#gld13 | Reaktionen und Feedback zum Format “interaktive Netztagung”


Bild: L.I.S.A. | Das Wissenschaftsportal der Gerda-Henkel-Stiftung
 

Das Format von #gld13 | Geschichte Lernen digital als interaktive Netztagung – also eine wissenschaftliche Konferenz mit zwanzig Teilnehmern via Stream live ins Netz zu übertragen und die Reaktionen aus dem Netz via Twitter in Echtzeit einzubeziehen – war für alle Teilnehmer und Kooperationspartner ein Experiment. Auf der Seite von L.I.S.A. berichten die Veranstalter Marko Demantowsky und Christoph Pallaske von ihren Eindrücken. Übrigens: Einzelne Video-Mitschnitte der Vorträge werden ab dem 26. April 2013 wöchentlich auf L.I.S.A. veröffentlicht. Auch die Teilnehmer der Tagung wurden gebeten, zu einigen Punkten Ihr Feedback zu geben. Der folgende Überblick ist eine (anonymisierte) Auswahl verschiedener Kommentare zu vier Punkten:

1 | Konzept und Anspruch einer interaktiven Netztagung 
2 | Livestream und Video-Mitschnitt
3 | Twitterwall und Zuschauer-Beteiligung
4 | Diskussionen
 

1 | Konzept und Anspruch einer interaktiven Netztagung

  • Ist eingelöst worden. Mehr Zuschauer als meinerseits erwartet haben sich über Twitter und Forum auf LISA-Seite eingeschaltet mit Fragen und Kommentaren.
  • Der Anspruch, durch eine entsprechend strukturierte Moderation der Gesamttagung eine wirkliche online-Teilnahme zu ermöglichen, scheint nach den Reaktionen und vorläufigen Zugriffszahlen „von außen“ aufgegangen zu sein. Die Möglichkeiten, einen von der Fachzunft ja zumeist interne Diskussion durch die Öffnung nach außen zu Interessierten und ‚professionelle Laien‘ und Praktikern weniger hierarchisch zu führen, ist ebenfalls erkennbar gewesen. Das Internet hat demokratisierende Effekte.
  • Ich fand es toll, dass mit Livestream und Twitterwall die Möglichkeit genutzt wurde, sich an einer Tagung zu beteiligen, an der man als Lehrer irgendwo in der deutschsprachigen Pampa sonst hätte gar nicht teilnehmen können.
  • Überaus sinnvoll: Eindämmung des „Tagungstourismus“, gezielte & zeitsparende Teilnahme an einzelnen Vorträgen möglich, Veranstaltung vor Ort bleibt „schlank“.

2 | Livestream und Video-Mitschnitt

  • Videomitschnitte sind inzwischen schon Normalität geworden im wissenschaftlichen Tagungsalltag, und das zu Recht. Allein schon die Langzeitverfügbarkeit der Vorträge und der damit verbundene „long tail“ der Wahrnehmung rechtfertigt den Aufwand für Veranstalter und Redner.
  • Klappte toll, sicherlich an und zu sinnvoll, aber nicht immer, weil die starke Disziplinierung durch Zeit und Sicherung für die Ewigkeit doch einiges hemmte.
  • Ungewohnt, aber reizvoll. Wo der eine die unbekannte „Masse“ vor den Bildschirmen als bedrohlich empfindet, fand ich die Sache eher spannend.
  • Strikte Zeitdisziplin hatte wohltuende Auswirkungen auf den Ablauf, Kameras waren ungewohnt, aber nicht allzu irritierend (zumindest für Nicht-Referenten).
  • Als Referent fand ich das nicht beeinträchtigend. Die Kommentare der Teilnehmer außerhalb des Raums sprechen dafür. Es haben einige Interessierte, die nicht vor Ort waren, davon profitieren können.
  • Spannendes Experiment mit Interaktivität, aber nicht eingeschränkt immer zu wiederholen.

3 |  Twitterwall und Beteiligung der Zuschauer

  • Must-have bei jeder Konferenz. Wie schon gesagt wurde: Getwittert wird ohnehin, es gibt eben heutzutage zwei Ebenen bei Konferenzen. Offene Sichtbarkeit der Tweets für alle, auch den Redner, ist ein unbedingter Vorteil.
  • Halte ich nicht für erstrebenswert, weil es ablenkt und doch kaum auf die Tweets eingegangen wird; zudem sollte überprüft werden, ob wirkliche alle Tweets auf der Wall erscheinen; wenn es Auswahl ist, zählt Argumentation der Transparenz nicht.
  • Moderatoren und Referenten willens und in der Lage, online-Kommentare an passender Stelle aufzugreifen und zu beantworten.
  • Viele Fragen, die man nicht in 140 Zeichen packen kann – gerade zu diesem Thema. Ob Twitter für wissenschaftliche Kommentare und Fragen das richtige Format ist, bleibt fraglich.
  • Die Partizipation hat nicht zuletzt wegen kluger Moderation prima funktioniert und war sogar als Re-Entry äußerst lehrreich für die Akteure in der „ersten Reihe“ vor Ort. Von „Akteuren“ einerseits und „Zuschauern“ andererseits kann man dabei inzwischen ebensowenig mehr sprechen, wie von „Empfangsgeräten“. Ich denke da an die Radiotheorie von Brecht, der sich einen interaktiven Rundfunk gewünscht hatte. Jetzt haben wir ihn, und nicht nur als Rundfunk.

4 |  Diskussionen

  • Sind mir zu kurz gekommen. Die Bindung an das Mikrofon war hier sehr spontanitätshemmend. Kombination von live-gestreamten Vorträgen mit Fragerunde direkt zu den Vorträgen und Offline-Diskussionsrunde der Teilnehmer vor Ort wäre vielleicht eine Alternative.
  •  „Schere im Kopf“ bei manchen Teilnehmern?
  • Es wurde auch in formellem Design viel mehr diskutiert als auf klassischen Tagungen, und die Diskussionen hatten sofort Öffentlichkeit in die Fachcommunity hinein. Das hat Zukunft, denn: „It’s not the isolated brain, it‘s the community, stupid!“ (Stephen Downes).
  • Gehemmte Gruppendynamik im Tagungssaal wg. Warten aufs Mikro.
  • Gut gelaufen, lebendig, anregend.
  • Die Art der Diskussion mit dem Mikro reichen hat mich sehr gestört, unspontan, zu steif, zu wenig diskursiv; unbedingt mit Raum-Mikro arbeiten, wenn überhaupt; allerdings könnte ich mir auch Format mit Livestream ohne Aufnahme der Diskussion vorstellen, also manche Beiträge der Tagung öffnen, andere nicht.

Quelle: http://gelerndig.hypotheses.org/425

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Colloque Sacrée science : Amiens (6-7 juin)/ Aubechies (8 juin) 2013

Colloque SACREE SCIENCE reduit_1

 

Contact :

Tél. 0 (033) 3 60 01 53 50
S.geru@somme.fr

Présentation générale du sujet
Le colloque portera sur l’application des études environnementales
et de laboratoire aux sanctuaires celtiques et gallo-romains. Une
telle méthodologie est souvent essentielle pour argumenter des
interprétations liées aux pratiques et contextes cultuels. Elle
permet aussi d’en reconstituer le cadre environnemental proche
et plus lointain.
La thématique des recherches environnementales couplée aux
études menées sur les sanctuaires celto-romains est un domaine
particulièrement novateur et inédit. L’étude complexe des vestiges
cultuels antiques ne peut souvent être abordée sans avoir recours
à des méthodes d’investigations pluridisciplinaires : carpologie,
pédologie, palynologie, archéozoologie, analyses de laboratoires
diverses … De fait, les traces et témoignages ténus d’actes rituels
(offrandes alimentaires, rites de sacrifice, dépôts divers, ex-votos …)
révèlent fréquemment un univers religieux difficilement abordable
par l’acteur de terrain. De même, la conception et l’organisation
de ces établissements spécifiques démontrent le plus souvent une
adéquation complète avec l’environnement (relief, ressources
naturelles, bois sacrés …).
Ces dernières années, des efforts considérables ont été consentis
sur certains sites cultuels exceptionnels du territoire de la Gaule
et seront enfin présentés, en observant un protocole spécifique.
Le colloque permettra la comparaison de ces données à échelle
nationale et internationale. La valorisation de ces résultats par
l’édition des actes offrira une première synthèse thématique
complètement inédite. Partant des résultats acquis ces dernières
années, cette rencontre permettra d’évaluer les apports prioritaires
de ce type de méthode pour d’autres régions où ces études ne sont
pas ou très peu menées.

En pratique
Le colloque « Sacrée science ! Apports des études environnementales
à la connaissance des sanctuaires celtes et romains du nord-ouest.
Le colloque « Sacrée science ! Apports des études environnementales
à la connaissance des sanctuaires celtes et romains du nord-ouest
européen » est co-organisé par le Centre départemental de Ribemont-sur-
Ancre (Conseil général de la Somme) et l’Inrap, avec l’aide
du Service régional de l’Archéologie de Picardie, de l’Archéosite
d’Aubechies et du Cravo.

Il aura lieu à Amiens les 6 et 7 juin
2013 à la Direction Régionale des Affaires Culturelles (DRAC),
5 rue Henri Daussy (salle Robida) et sera suivi d’une excursion à
l’Archéosite d’Aubechies (Belgique) le 8 juin 2013.

 

 

Quelle: http://afeaf.hypotheses.org/380

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Dossier zu Wikipedia der Bundeszentrale für Politische Bildung

Seit kurzem online (mir seit gestern bekannt): das Online-Dossier zur Wikipedia der Bundeszentrale für Politische Bildung. Mit Beiträgen von bekannten Grössen wie Daniela Pscheida, Wolfgang Ernst, Christian Stegbauer, Christian Pentzold, Johann Niesyto und René König – um nur einige aus der illustren Autorenschar zu nennen. Ach ja, von mir ist auch eine Kleinigkeit mit dabei… […]

Quelle: http://weblog.hist.net/archives/6659

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Fachzeitschriftenartikel zum Fall “Stadtarchiv Stralsund”

 

Sehr geehrte Leser_Innen,

ein Fachzeitschriftenartikel zum Fall “Stadtarchiv Stralsund”.

Der Ausverkauf der Gymnasialbibliothek im Stadtarchiv Stralsund

Von Philipp Maaß unter Mitarbeit von Klaus Graf

Erschienen in: BuB : Forum Bibliothek und Information ; Fachzeitschrift des BIB, Berufsverband Information Bibliothek e.V Vol. 65, No. 2 (2013), p. 84-86

 

Am 5. Juni 2012 hat die Hansestadt Stralsund per Beschluss im nichtöffentlichen Teil des Hauptausschusses 5926 Bände der historischen Bibliothek des Stadtarchivs, nämlich den Teilbestand Gymnasialbibliothek, an den Antiquar Peter Hassold aus Dinkelscherben verkauft. Wir wollen in diesem Artikel eine kurze Chronologie der Ereignisse (Stand: 20. Dezember 2012) zeichnen und auch aufzeigen, wie derlei Kulturgutverlusten in Zukunft begegnet werden kann. Noch kann von einer umfassenden Aufklärung des Geschehens keine Rede sein. Das folgende ist also eher eine Zwischenbilanz als eine abschließende Bewertung der Affäre.

“Kulturgut ist unveräußerlich” (Satzung des Stadtarchivs Stralsund 2002)

“1984 – 2009 [...] war ich hier beschäftigt und kann mit ganz großer Ruhe sagen, in dieser Zeit ist kein Buch ein einziges Mal einem Benutzer vorgelegt worden, weil kein Benutzer danach verlangt hat. Hans-Joachim Hacker” (Ehemaliger Leiter des Stadtarchivs)

Eigentlich weiß man gar nicht so genau ,wo man anfangen soll: Bei den befremdlichen Äußerungen eines langjährigen Archivchefs einer Weltkulturerbe-Stadt zur mangelnden Nachfrage nach Büchern der Gymnasialbibliothek Stralsund? Beim Oberbürgermeister der Stadt Stralsund, der sich 2004 von seinem Stadtarchivar Hacker für sein Empfangszimmer 1090 historische Bände, unter anderem eine in plattdeutsch gedruckte Bibel von 1588, als dekorativen Raumschmuck bereitstellen ließ? Oder vielleicht beim Antiquar Peter Hassold, der einerseits ständig in den Medien die Rechtmäßigkeit seiner Geschäfte betont, andererseits bereit war, dem Stadtarchiv eine Honorarkraft zu finanzieren, um sich dann aus den Sammlungen bedienen zu dürfen?

Für die Fachwelt begann alles mit einem Kommentar von Falk Eisermann, Leiter des “Gesamtkatalogs der Wiegendrucke” an der Staatsbibliothek Berlin,  in dem Blog “Archivalia” am 22. Oktober 2012. Er war in einer Pressemeldung der Stadt Stralsund auf die Erwähnung der “Veräußerung eines Teilbestandes der ehemaligen Gymnasialbibliothek” aufmerksam geworden.  Eigentlich ging es im Beitrag nur um die Schließung des Archivs wegen Schimmelbefalls. Klaus Graf, der das Blog Archivalia betreibt und sich seit vielen Jahren mit Kulturgutverlusten beschäftigt, ging daraufhin der Sache auf den Grund und hakte bei der Stadt Stralsund nach. Der Pressesprecher der Stadt bestätigte am 30. Oktober den Verkauf der gesamten Gymnasialbibliothek an “einen Antiquar”. Mehr dürfe  er nicht preisgeben, da es sich um “schutzwürdige Interessen” handele.

Mittlerweile tauchten auch in den einschlägigen Portalen (Abebooks, ZVAB, Ebay usw.) erstaunlich viele Bände mit dem Besitzstempel des Stralsunder Stadtarchivs auf. Dabei handelte es sich teilweise um Pomeranica mit keinerlei (zumindest elektronischem) Nachweis in Deutschland und sogar um Bücher aus der bedeutenden Löwen’schen Sammlung. In der bibliothekarischen Mailingliste “Inetbib” machte Graf auf die unglaublichen Vorgänge aufmerksam. Ich kontaktierte ihn daraufhin, um eine Petition zu verfassen, die den Protest bündeln sollte. Es folgten eine Reihe von Protestnoten anerkannter Wissenschaftler und Pressemitteilungen von Berufsverbänden (u.a. VdA , VDB – BIB äußerte sich leider nicht) sowie nicht zuletzt zahlreiche Unterschriften unter die Petition. In den nächsten Tagen war in  überregionalen Tageszeitungen (u.a. FAZ, Süddeutsche Zeitung: “Vergessen, Verschimmelt, Verscherbelt”) vom “Stralsunder Bücherausverkauf” zu lesen. Die Stadt versprach daraufhin Aufklärung und setzte zwei renommierte Germanisten, Nigel Palmer und Jürgen Wolf, als externe Gutachterkommission ein, die zu dem Ergebnis kam, dass es sich bei dem Buchverkauf wohl doch nicht um einen “wertlosen Bestand” (Hacker) handele. Gerade als Ensemble, als geschlossenes Ganzes sei sie von großer Bedeutung für die Stadt- und Regionalgeschichte und eine wichtige Quelle der Bildungsgeschichte.

Die Stadt legte den Rückwärtsgang ein und versprach, den Verkauf umgehend rückgängig zu machen. Hassold zeigte sich generös und gab die noch nicht verkauften 5.278 Bände an die Stadt Stralsund zurück, wo sie momentan in “Thermo-Containern” aufbewahrt werden. Einen Teil hat der Antiquar als unverkäuflich vernichtet.

Ein von uns vermitteltes Angebot der Universitätsbibliothek Greifswald, den Rückkauf treuhänderisch zu verwalten und die Bände elektronisch zu erfassen sowie eine Erstrestaurierung durchzuführen, wurde aus uns nicht bekannten Gründen von der Stadt abgelehnt.

Die Archivleiterin Frau Nehmzow, die den Verkauf fachlich verantwortet hatte, wurde  fristlos entlassen. Man erfuhr, der Verkauf von angeblichen “Dubletten” sei seit den 1990er Jahren gängige Praxis gewesen, um damit die “historischen Buchsammlungen erhalten zu können” da von der Stadt keine finanziellen Mittel zu bekommen waren. Auch Förderanträge  an das Land seien mit der Begründung, es seien keine Bestände mit landesweiter Bedeutung, abgelehnt worden.

Mittlerweile hat die Stadt Strafannzeige gegen Frau Nehmzow gestellt: Im März diesen Jahres verkaufte sie für 20.000 € rund 1000 Bücher aus dem Stadtarchiv ohne Genehmigung. Der Vize-Oberbürgermeister der Stadt, Holger Albrecht, wurde von Frau Nehmzow beschuldigt, von den Verkäufen gewusst zu haben. Er wies die Vorwurfe zurück, was von Teilen der Stralsunder Bürgerschaft bezweifelt wird. Am 13. Dezember 2012 wurde laut Ostsee-Zeitung bekannt, dass der Antiquar Hassold eine Honorarkraft im Archiv bezahlte, ohne dass die Stelle von der Stadt genehmigt worden sei. Hassold habe sich dafür im März diesen Jahres 151 Bände aus dem wertvollen Pomeranica-Bestand des Stadtarchivs aussuchen dürfen.

Die maßgebliche Initiative der “Kampagne” zum Erhalt der Gymnasialbibliothek kam von Klaus Graf. Eine sehr heterogene kleine Gruppe Interessierter fand sich zuerst in einem Mail-Verteiler  zusammen. Es entstand eine Facebookseite, die zusammen mit anderen Social Media den Druck auf die Stadt erhöhten und als Austausch- und Kommunikationsplattform diente. Die Presseartikel zur Thematik wurden von uns gesammelt, und die Angebote der Antiquare zur späteren Identifizierung der Bände systematisch abgespeichert. Zwei Wikipedianer legten Artikel in der Wikipedia an, z.B. zum Stralsunder Gymnasium. Es war eine Kulturgutschutz-Kampagne, die nicht zuletzt mit Hilfe der Social Media erfolgreich war.

Damit die so geschaffene Infrastruktur auch bei künftigen Aktionen, mit denen man im Kulturgutbereich ja rechnen muss, zur Verfügung steht, haben wir beschlossen, uns als “Arbeitsgemeinschaft Kulturgut bewahren” zu organisieren.

Auch wenn der Ausgang der “Causa Stralsund” ein deutliches Warnsignal an alle Stadtkämmerer aussendet, die mit dem Gedanken spielen, kommunale Kulturgüter zu verkaufen, bleibt noch viel zu tun.

Bei allen, auch den kleinen Altbestands-Sammlungen muss sich die Überzeugung durchsetzen, dass es vor 1850 eigentlich keine “Dubletten” gibt, weil durch individuelle Provenienzmerkmale oder Druckvarianten keine Doppelstücke vorliegen. Hier muss die Position der “Schriftliches Kulturgut erhalten” in ihrer Denkschrift von 2009 immer wieder in Erinnerung gerufen werden. Wie wenig man auf die Durchsetzung buchhistorischer Binsenweisenheiten in der bibliothekarischen Praxis vertrauen darf, zeigt die Rechtfertigung der skandalösen Eichstätter Verkäufe frühneuzeitlicher Drucke aus Kapuzinerbibliotheken durch die Bayerische Staatsbibliothek in einem Untersuchungsbericht. Im November 2006 fand das Salzburger Benediktinerstift St. Peter nichts dabei, sogenannte Dubletten von Drucken seit dem 16. Jahrhundert zu versteigern.

In die Stralsunder Petition haben wir bewusst auch allgemeine Forderungen aufgenommen:

“Wir rufen die politischen Entscheidungsträger in Mecklenburg-Vorpommern, Landtag und Verwaltung, dazu auf, dringend rechtliche Regelungen in Kraft zu setzen, die solche Veräußerungen beweglicher Kulturgüter in Archiven, Bibliotheken und Museen wirksam verhindern können.

Alle schützenswerten Sammlungen im Land sind in das Verzeichnis national wertvollen Kulturguts (bzw. national wertvoller Archive), das derzeit noch leer ist, aufzunehmen und in die Denkmalliste als bewegliche Denkmäler einzutragen.

Das Denkmalschutzgesetz, das Archive vom Denkmalschutz ausschließt, ist zu ändern, damit denkmalschutzrechtliche Rettungsmaßnahmen (§ 20 Abs. 2 DSchG M-V) auch bei Archiven greifen können.

Die im Land Mecklenburg-Vorpommern bestehenden Archivbibliotheken sind als wichtige wissenschaftliche Spezialbibliotheken stärker zu fördern und besser für die Nutzung zu erschließen (insbesondere durch elektronische Bibliothekskataloge).”

Die Ziele unserer Arbeitsgemeinschaft haben wir so formuliert: “Was in den amtlichen Denkmal- und Kulturgutverzeichnissen steht, ist leider nur ein Teil des schützenswerten Bestandes an Geschichtsquellen und kulturellen Zeugnissen, an deren Erhalt ein öffentliches Interesse besteht. Adelsbibliotheken wie die Donaueschinger Hofbibliothek, Kirchenbibliotheken wie die in Eichstätt zusammengetragenen Kapuzinerbibliotheken oder 2012 die im Stadtarchiv Stralsund verwahrte (und nur mit schmerzlichen Verlusten dank unseres Einsatzes zurückgeholte) Gymnasialbibliothek samt weiteren wertvollen Büchern wurden in den letzten Jahren in den Handel gegeben und zerstreut. Immer wieder werden bemerkenswerte Schlossausstattungen auf Auktionen angeboten. Solche historischen Provenienzen (Herkunftsgemeinschaften) verdienen Schutz und Respekt, haben aber bisher – anders als archäologische und Baudenkmale – keine organisierte Lobby.”

Auch künftig wollen wir uns stark auf Social Media stützen und in einem Weblog kulturgut.hypotheses.org unsere Positionen zum Kulturgutschutz vertreten.

Internetquellen:

http://www.stralsund.de/hst01/content1.nsf/docname/Webseite_B8D598E4238E4E09C1257ABF00448714?OpenDocument Chronologie der Ereignisse (Stadt Stralsund)

https://abuveliki.wordpress.com/2012/12/08/causa-stralsund-sellout-of-an-archive/ (Chronologie, englisch)

http://archiv.twoday.net/search?q=stralsund (Berichterstattung im Weblog Archivalia)

Klaus Graf: Causa Stralsund. Darf eine Stadt ihr Kulturerbe in den Handel geben?

http://www.lisa.gerda-henkel-stiftung.de/content.php?nav_id=4101

 

 

 

 

Quelle: http://kulturgut.hypotheses.org/126

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CfP: Making and Breaking the Rules: Discussions, Implementation and Consequences of Dominican Legislation

Recent scholarship has started to address underexplored questions concerning the regulative and organisational structures of religious orders in the Middle Ages. Volumes have been dedicated, for instance, to the orders’ economic thought and organisation as well as questions of obedience. While a great amount of research has been dedicated to the Franciscans, the Cistercians and the Cluniacs, the Order of Preachers has been sidelined, despite the wealth of material that is available. This conference will focus exclusively on the Order of Preachers and seeks [...]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/3351

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Kaiser Barbarossas Freibrief an Hamburg

Wir befinden uns im Hamburg des Jahres 1265 und begleiten einen Händler auf seinem Weg zu einem Treffen mit den Ratsherren. Wieder einmal gilt es, eine schlechte Nachricht zu überbringen. Doch noch bevor er ihnen sein Leid klagen kann, ahnen die Ratsherren bereits, um was es geht.Schon wieder einmal, wie so häufig in den letzten fünf Jahren, haben Elbanwohner ein gestrandetes hamburgisches Handelsschiff mit wertvollen Gütern geplündert. Jedoch auf die Unterstützung oder gar eine Entschädigung von deren Herrn, dem in Bremen residierenden Erzbischof Hildebold, können die Hamburger nicht hoffen.

Überhaupt ist ihm die florierende, immer mächtiger werdende Stadt ein Dorn im Auge. Denn die Stadt befindet sich seit siebzig Jahren in einem Wirtschaftsboom und hat allmählich den Platz Stades, Hildeboldts bedeutendste Handelsstadt, als wichtigster Warenumschlagplatz an der Unterelbe übernommen. Um dem entgegenzuwirken, verfügte Hildebold am 29. September 1259, dass alle Händler auf der Elbe in Stade Zoll bezahlen und 36 Stunden Halt machen sollen. Dies soll die Händler veranlassen, ihre Ware in Stade und nicht in Hamburg zu verkaufen. Die Hamburger, für die der Elbhandel der wesentliche Wachstumsmotor ist, konnten das nicht akzeptieren. Sie versuchten 1260 zwar, Stades Zugang zur Elbe mit ihrer Flotte zu blockieren, aber dies endete mit einer katastrophalen Niederlage.

Die Ratsherren wissen also, dass eine militärische Lösung des Konflikts zugunsten Hamburgs wenig Erfolg verspricht Daher müssen sie andere Mittel und Wege finden, um ihren Anspruch auf freie Elbschifffahrt und zollfreien Handel durchzusetzen. Da gibt es jedoch ein Problem: Hamburg besitzt zwar seit der Gründung der Neustadt diese Privilegien, aber es existiert keine Urkunde, um das beweisen zu können.

1188: Gründung der Hamburger Neustadt

Das Jahr 1188 markierte einen Wendepunkt in der hamburgischen Geschichte. In diesem Jahr nämlich gründete Graf Adolf III. von Holstein aus dem Geschlecht der Schaumburger die Hamburger Neustadt.  Mit der neuen Siedlung wollte er den Verlust Lübecks ausgleichen, das sein Vater Adolf II. an den sächsischen Herzog Heinrich den Löwen verloren hatte. Zwar konnte Adolf III.  ihn mithilfe des Kaisers Friedrich Barbarossa, der ebenfalls mit Heinrich in Konflikt stand, aus Lübeck vertreiben, jedoch stellte Friedrich Lübeck daraufhin unter kaiserlichen Schutz. Lübeck war eine freie Stadt geworden und Adolf hatte daher keine Chance, es zurück unter seine Herrschaft zu bekommen. Lübeck wurde die wichtigste Handelsstadt im Ostseeraum, aber an der Nordsee fehlte noch ein ebenso bedeutender Hafen. Hamburg stellte wegen der kürzesten Landverbindung nach Lübeck die ideale Lösung dafür dar.

Aus diesem Grunde beauftragte Adolf III. Händler unter der Leitung von Wirad von Boizenburg mit dem Bau einer neuen Siedlung neben der erzbischöflichen hamburgischen Altstadt. Er verlieh ihnen folgende Privilegien:

-          Marktrecht

-          Das Grundstück war ihr Eigentum und sie durften es weiter vererben

-          Sie mussten keinen Grundzins an den Adolf entrichten

-          Sie durften das Marschland um Hamburg herum als Weideland nutzen

-          Zollfreiheit in der Grafschaft Holstein

-          Sie durften in Hamburg Wochenmärkte und zwei Jahrmärkte abhalten

-          Bei Strafen galt das lübische Recht

Die Händler errichteten ihre Siedlung auf dem Gelände der zerstörten Neuen Burg an der Alster. Dazu teilten sie es in drei Teile. Im Osten errichteten sie auf dem ehemaligen Wall der Burg ihre Häuser, um sie gegen Hochwasser zu schützen. Im Westen entstanden ein Rathaus, eine Kapelle und ein Markplatz. Der dritte Teil blieb unbebaut. Zusätzlich bauten die Kaufleute am Alsterufer noch befestigte Anlegestellen und legten einen Alsterstausee an, mit dessen Wasser sie eine Mühle betrieben. Der Stausee entspricht jedoch nicht der heutigen Alster und befand sich weiter südlich.

Die Wachstumsbedingungen der Stadt waren ideal. Im Gegensatz zu den Jahrhunderten zuvor war Hamburg keine Grenzstadt mehr, die Überfälle durch Wikinger oder Slawen zu fürchten hatte. Seit dem Beginn der Herrschaft der Schaumburger über die Grafschaft Holstein und der Vertreibung slawischer Stämme hatte es immer mehr deutsche Siedler nach Holstein gezogen, wodurch die Bevölkerung und die Wirtschaft wuchsen.

1189: Kaiser Friedrich Barbarossa verleiht der neugegründeten Hamburger Neustadt Privilegien

Im Jahr 1189 sollte es sich für Adolf III. auszahlen, dass er zusammen mit Kaiser Friedrich Barbarossa gegen Heinrich den Löwen gekämpft hatte. Zu dieser Zeit befand sich Friedrich in Neuburg an der Donau und bereitete sein Heer auf den Dritten Kreuzzug vor. Adolf III. begleitete ihn; zudem hatte er auch ein Anliegen. Er wollte nämlich für seine neugegründete Siedlung weitreichende Privilegien erwirken, die Friedrich ihr am 7. Mai 1189 auch gewährte. Darunter befanden sich:

-          Das freie Befahren der Unterelbe

-          Das Recht, Fische auf der Elbe und der Bille innerhalb von zwei Meilen um Hamburg herum zu fangen

-          Weide-, Holzschlag- und Waldmastrechte in Hamburgs Umgebung

-          Befreiung von Zoll und freier Warenverkehr in der Grafschaft Holstein

-          Befreiung von Heerdienst

-          In einem Radius von zwei Meilen durfte niemand eine weitere Burg bauen.

Friedrich und seine Begleiter brachen jedoch bereits vier Tage danach zum Kreuzzug auf, weshalb die Privilegien nicht schriftlich in einer rechtsgültigen Urkunde festgehalten wurden. Es besteht die Möglichkeit, dass es zumindest eine Vorlage für eine solche gab, auf die Adolf III. sich berief, nachdem er aus Palästina zurückgekehrt war.

Hamburger lassen sich ihre Rechte im Nachhinein beglaubigen

Doch nur eine mündliche Zusage nützt den hamburgischen Ratsherren 1265 auch nicht bei der Lösung ihres Problems. Schließlich kommt ihnen eine Idee: um ihren Anspruch auf ihre Rechte durchzusetzen, lassen sie die Urkunde fälschen. Wie wichtig die Rechtssicherheit für die Stadt ist, sieht man an den Kosten von rund 10400 Mark, die die Hamburger dafür auf sich nehmen. Dies entspräche heute ungefähr 1 bis 1,5 Millionen Euro.

Allerdings geben die Kaufleute den größten Teil dieser Summe für ihr leibliches Wohlergehen aus. Nur ein Teil davon geht an den Kalligrafen, der die Urkunde schreibt. Möglicherweise kaufen die Ratsherren einem Schreiber des amtierenden Kaisers Friedrich II. (der 1189 aber noch nicht mal geboren war) noch dessen Siegel ab, um es an die Urkunde zu hängen und den Freibrief für gültig zu erklären.

Wie uns heute bekannt ist, lassen die Ratsherren die Urkunde nicht einfach nur fälschen, sondern sie erweitern sie noch um zusätzliche Privilegien, die Hamburg im Elbhandel bevorteilen. Unter anderem schreiben sie, dass hamburgische Schiffe fremde Ladung in Stade verzollen, aber nicht 36  Stunden dort vor Anker liegen  müssen. Und für die eigenen Waren soll Zollfreiheit auf der gesamten Unterelbe gelten.

Am 4. Januar 1266 überbringen Boten des hamburgischen Rates diese Urkunde dem Kardinallegaten Guido. Er bestätigt die Urkunde und leitet sie an den Erzbischof von Magdeburg weiter, der sie beglaubigt. Damit besitzen die Hamburger nun endlich ein Mittel, mit dem sie sich gegen den Bremer Erzbischof Hildebold zur Wehr setzen können. Beide Seiten treffen sich im September desselben Jahres zu einem Schiedsgericht. Die Abgesandten aus Hamburg präsentieren dort die Urkunde und das Gericht entscheidet zu ihren Gunsten. Hildeboldt akzeptiert schließlich die Bedingungen und muss die Hamburger auf der Elbe gewähren lassen.

Obwohl auch die folgenden Jahrhunderte nicht frei von Konflikten blieben, hatte Hamburg damit einen wichtigen Sieg eingefahren und die Grundlage für seinen späteren Aufstieg zu einer der mächtigsten Hansestädte geschaffen.

Literatur:
  • Gerrit Aust (u.a.): Hamburg – Hafen – Hanse. Ein Streifzug durch die Geschichte der Hansestadt mit Hamburger Gästeführern. Hamburg 1989.
  • Eckhart Kleßmann: Geschichte der Stadt Hamburg. Hamburg 1981.
  • Ernst Christian Schütt (Hg.): Die Chronik Hamburgs. Dortmund 1991.

Quelle: http://www.hh-geschichten.uni-hamburg.de/?p=788

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Macht Großstadtluft die besseren Wissenschaftler? Eine Standpunkt

Der Streit ist alt und bis heute nicht gelöst. Welches Umfeld eignet sich besser zur geistigen Arbeit und ermöglicht in der Folge die interessanteren, innovativeren und nützlicheren Textprodukte? Die Auseinandersetzung geht zurück bis in das frühe Christentum, die Antworten waren unterschiedlich und zeigen dennoch einen Trend in der longue durée. Meine These: Stadtluft macht frei. Aber Großstadtluft macht heute die besseren sozial- und geisteswissenschaftlichen Arbeiter bzw. Arbeiten. Um es gleich vorwegzunehmen: natürlich ist das Folgende verallgemeinernd. Natürlich ist es kontinentaleuropäisch. Und natürlich ist alles auch eine Frage der Persönlichkeit. Das sollte jedoch nicht von einigen Überlegungen abhalten. Ein historischer Abriss zeigt die allmähliche Verstädterung der Geistesarbeit. Während in der Spätantike Wissen vor allem in den großen Städten des Mittelmeerraums stattfindet, endet die Urbanität und der Glanz von Bildung mit dem Zusammenbruch des Imperium Romanum. Im christlichen Frühmittelalter verlagern sich Wissen und Nachdenken meist in Klöster – und die befinden sich vielfach auf dem Land. Der Raum des intellektuell Möglichen wird zudem eingeengt auf christliche Elementarien. Der gedankliche Horizont endet am Klosterzaun. Dahinter wird Wissen vor allem bewahrt, aber nur selten produziert und mit der Außenwelt geteilt. Im engen Kloster, in einer kleinen Gruppe und in ländlichen Regionen wird das Eigene [...]

Quelle: http://catholiccultures.hypotheses.org/711

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Kulturgeschichtliches zu den Himmelsrichtungen (V): die Mitte

Die Himmelsrichtungen hatten in der Kulturgeschichte Chinas ihren festen Platz in den – in ihren einzelnen Zuschreibungen zum Teil höchst unterschiedlichen – kosmologischen Systemen. (vgl. auch (I) der Norden, (II) der Osten, (III) der Süden und (IV) der Westen.

Zum Abschluss dieser Serie folgt die letzte der “fünf Himmelsrichtungen” (wu fang 五方) , nämlich die Mitte (zhong 中). Das Schriftzeichen “stellt eine von einem Pfeil in die Mitte getroffene Zielscheibe dar und bedeutet als Verb ‘in die Mitte treffen’.” [1]

Im Westen hat die Bezeichnung Chinas als “Reich der Mitte” das Ende des Kaiserreiches (1911/1912) überdauert (vgl. “Middle Kingdom”, “Empire du Milieu”, “Regno di Mezzo”, etc.) – so unrichtig diese Übersetzungen – historisch betrachtet – auch sein mögen: Ursprünglich stand der Begriff (Zhongguo 中國) für die “mittleren Staaten”, die Region entlang des Gelben Flusses (Huanghe 黃河),die von den vier Barbaren – den di 狄 im Norden, den yi 夷 im Osten, den man 蠻 im Süden und den rong 戎 im Westen umgeben war. [2] Seine Herausbildung im modernen Sinne erlebte der Begriff Zhongguo mit der Qing-Dynastie (1644-1912), die ihn auf das gesamte unter ihrer Herrschaft stehende Gebiet bezog. Neben dem chinesischen Kernland (Zhongguo benbu 中國本部, im Deutschen meist als “das eigentliche China” oder das “China der 18 Provinzen” und im Englischen als “China proper” bezeichnet) fielen auch das Herkunftsgebiet der ethnisch mandschurischen Dynastie sowie die Gebiete der Mongolen darunter. Chinesische Gelehrte des 19. Jahrhunderte beschränkten den Begriff auf die oben erwähnten 18 Provinzen. [3]

Derartige Zentrumsvorstellungen fanden sich jedoch keineswegs ausschließlich in China. Von Kulturen, die das Zentrum der Welt in ihrem Bereich vermuteten und bisweilen auch durch eine entsprechende Symbolik repräsentierten, sind neben den altorientalischen Reichen (Babylonier, Perser) und den Kulturen des klassischen Altertums auch indische und präkolumbische Kulturen zu erwähnen [4]. Allein in China dürfte dieses Konzept schließlich auch für den Landesnamen gebraucht worden sein. [5]  Der Umstand dass man in China entsprechende Vorstellungen hatte, hatte spätestens im 18. Jahrhundert Eingang ins europäische Allgemeinwissen gefunden. Im Zusammenhang mit den verschiedenen Vorstellungen über die Gestalt der Erde liest man in der Deutschen Encyclopädie:

“Aus diesen irrigen Vorstellungen folgten andere, z. B. daß man sich eine Stadt, eine Gegend, als die Mitte der Oberfläche der Erde dachte, dergleichen sich die Griechen von Delphi, welches daher ὀμφαλός, orbis umbilicus hies, die Juden von Jerusalem und noch heutzutage die Chinesen von Peking einbilden.” [6]

Nachdem Beijing erst im 15. Jahrhundert zur Hauptstadt des Reiches wurde, hatte man in der chinesischen Antike – zur Zeit der Han-Dynastie (3. Jh. v.- 3. Jh. n. Chr.) oder auch schon früher – das “Zentrum der Welt” (dizhong 地中) weiter südlich – etwa 80 Kilometer nordwestlich der damaligen Hauptstadt Luoyang 洛陽 (in der heutigen Provinz Henan) lokalisiert. Dieses “Zentrum der Welt” lag beim Songshan 嵩山, der traditionell als “heiliger Berg der Mitte” bezeichnet wurde.  [7] Die dortigen historischen Stätten wurden im Jahr 2010 auf die Weltkulturerbe-Liste der UNESCO gesetzt. [8]

[1] Wolfram Eberhard: Lexikon chinesischer Symbole. Die Bildsprache der Chinesen (München, 5. Aufl., 1996) 195 (“Mitte”). [nach oben]

[2] Grand Dictionnaire Ricci de la langue chinoise, Bd. 2, S. 248 (Nr. 2719, ‘中國’). [nach oben]

[3] Vgl. dazu Kai Vogelsang: Geschichte Chinas (Stuttgart 2012) 421 f. [nach oben]

[4] Manfred Lurker: Wörterbuch der Symbolik (Stuttgart, 5. Aufl. 1991) 852 f. (“Zentrumssymbolik”). Vgl. auch Alvin P. Cohen: Introduction to Research in Chinese Source Materials (New Haven: Yale University Press, 2000) 537. Endymion Wilkinson: Chinese History. A Manual. Revised and enlarged (Cambridge, Mass. 2000) 132 (Box 2: Zhongguo 中國). – Zur Zentrumssymbolik im alten Orient vgl. die Hinweise bei Friedhelm Hartenstein: “Kosmologische Implikationen des biblischen Monotheismus” In: Christoph Markschies, Johannes Zachhuber (Hg.): Die Welt als Bild. Interdisziplinäre Beiträge zur Visualität von Weltbildern  (Berlin 2008) 22 Anm. 22. [nach oben]

[5] Wilkinson: Chinese History, 132. [nach oben]

[6] Deutsche Encyclopädie, Bd. 8 (Frankfurt 1782) S. 691 (“Erde”). [nach oben]

[7] Cohen: Introduction, 537. [nach oben]

[8] “Historic Monuments of Dengfeng in “The Centre of Heaven and Earth” (http://whc.unesco.org/en/list/1305). [nach oben]

 

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/323

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Google Books-Dokumentation auf Arte, 2.4.2013

Kommenden Dienstag, 2.4.2013 20:15 zeigt Arte die Dokumentation "Google und die Macht des Wissens". Die von Ben Lewis erstellte Dokumentation trägt im Original den Titel "Google and the World Brain" und hat auch eine eigene Homepage: http://www.worldbrainthefilm.com/

Die Ankündigung lautet:

"H.G. Wells Utopie des Weltgehirns soll nach dem Willen von Google keine Fiktion bleiben. Es will alle Bücher digitalisieren, Wissen zentral vereinen. Was steckt dahinter? Welche Motive bewegen Befürworter und Gegner? Ben Lewis sucht Antworten und gibt überraschende Einblicke in ein komplexes Thema.

Im Jahr 2002 fing Google an, Weltliteratur einzuscannen. Man schloss Verträge ab mit den größten Universitätsbibliotheken wie Michigan, Harvard und Stanford in den USA, der Bodleian Bibliothek in England und der Katalanischen Bibliothek in Spanien. Das Ziel war nicht nur eine riesige globale Bibliothek aufzubauen, sondern all dieses Wissen sollte noch einem verschwiegenen Zusatzzweck zugutekommen: Man wollte eine neue Form von "Artificial Intelligence", von künstlicher Intelligenz entwickeln. Google bekam aber Probleme bei der Realisierung des Projekts: Mehr als die Hälfte - rund sechs Millionen - dieser Bücher waren urheberrechtlich geschützt. Autoren auf der ganzen Welt begannen, einen Feldzug gegen Google zu starten. Im Herbst 2005 reichten sowohl die amerikanische Autorengilde "The Authors Guild of America" als auch die amerikanische Verlegervereinigung "The Association of American Publishers" Klage ein. Drei Jahre später kam dabei die Google-Buch-Regelung, das "Google Book Settlement" heraus. Diese Vereinbarung umfasste 350 Seiten und wurde im Oktober 2008 veröffentlicht. Dieses Abkommen hätte Google unglaubliche neue Macht verschaffen können. Die Google-Buch-Webseite war drauf und dran, nicht nur die weltgrößte Buchhandlung zu werden, sondern auch eine gebührenpflichtige Bücherei. Google hätte das Monopol auf die Mehrheit der im 20. Jahrhundert veröffentlichten Bücher gehabt. Im März 2011 entschied dann Richter Denny Chin nach Anhörungen gegen die Rechtsgültigkeit der Google-Buch-Regelung. Am Ende hatte eine bunte kleine Armee von Autoren und Buchhändlern eines der weltweit mächtigsten Unternehmen besiegt. In dieser Dokumentation werden in die zentrale Geschichte um die Google-Buch-Affäre andere problematische Aspekte des Themas "Internet" eingewoben, wie Datenraub und Datenschutz, Download und Urheberrecht, Freiheit und Überwachung."

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/326526477/

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