Quelle: http://geschichtsweberei.blogspot.com/2012/11/deutsche-digitale-bibliothek-immerhin.html
Hausnummern in der Deutschen Digitalen Bibliothek
Leichenbeförderung per Rohrpost
Florian Bettel: Eroberung des Untergrunds: Das Projekt der pneumatischen Leichenbeförderung zum Wiener Zentralfriedhof von 1874. Wien: Dissertation an der Universität für Angewandte Kunst, 2010.
Abstract:
1874 erscheint die Publikation "Begräbnisshalle mit pneumatischer Förderung" in Wien. Auf fünfzehn Seiten stellen die Autoren, der Ingenieur Franz Felbinger und der Architekt Josef Hudetz, das Konzept einer Rohrpost für Leichen vor, die den neu eröffneten, peripher gelegenen Zentralfriedhof schnell und störungsfrei an die Stadt anbinden soll. Um sich von anderen, vergleichbaren Projekten abzusetzen, übernimmt die "Begräbnisshalle" mehr Funktionen als den bloßen Leichentransport. Sie soll einen "Umschwung im Systeme der Leichenbestattung" mit sich bringen. Auch 140 Jahre nach der Präsentation der "Begräbnisshalle" ist der Vorschlag, Leichen durch Luftdruck zum Zentralfriedhof zu befördern, nicht gänzlich vergessen, sondern hat sich - wie viele andere technische Utopien - in das kulturelle Gedächtnis eingeschrieben. Die vorliegende Arbeit ist eine technikgeschichtliche Untersuchung der Genese und Kontexte des 1874 von Felbinger und Hudetz vorgelegten Entwurfs.
Permalink zum Katalogeintrag: http://permalink.obvsg.at/AC07810997
Die Publikation, auf die sich Bettel bezieht, ist:
Hudetz, Joseph/Felbinger, Franz Ritter von: Begräbnishalle mit pneumatischer Förderung für den Central-Friedhof der Stadt Wien. Wien: Zamarski, 1874
http://data.onb.ac.at/rec/LZ01297937
«Lecture des sources historiennes à l’ère numérique». Ein Kommentar
Liveblog “Umkämpfte Erinnerung – wie mit Geschichte Politik gemacht wird”
Am 30. November werden wir ab 17 Uhr live von unserer Veranstaltung in Leipzig bloggen. Wer es also nicht bis in die Sächsische Akademie der Wissenschaften schafft, kann sich auf diesem Weg in die Diskussion einschalten. Sie haben geschichtspolitische Fragen an Heinz Duchardt, Norbert Frei, Ute Daniel, Günter Heydemann und die Moderatorin Hilde Weeg? Dann können sie diese auch hier direkt in den Kommentaren oder auf Twitter unter dem Hashtag #gid12 stellen. Anregungen gibt es in unserem Linkdossier und den Vorab-Statements von Ute Daniel, Heinz Duchardt und Günter Heydemann. Das Team von Geisteswissenschaft im Dialog freut sich auf Ihre Interventionen!
Quelle: http://gid.hypotheses.org/146
Mal wieder und immer noch: Digitized vs. Digital
NeDiMAH, das „Network for Digital Methods in the Arts and Humanities“ enthält unter anderen eine Arbeitsgruppe zu „Scholarly Digital Editions“. Die erste Veranstaltung (ein „Expert Meeting and Workshop“) zu diesem Themenkomplex hatte laut Call einen Schwerpunkt in der definitorischen Grundfrage: Was ist eigentlich eine „digitale Edition“?
Nachdem ich mich mit dieser Frage nun auch schon seit 15 Jahren beschäftige, sie in meiner Dissertation einigermaßen länglich ausgewalzt habe und meine eigene Definition Grundlage meines Katalogs digitaler Editionen ist, war ich froh, sie nun auch einmal im Expertenkreis zur Diskussion stellen zu können.
Die Präsentation zum Vortrag findet man als und bei prezi, ich fasse sie hier nicht noch einmal zusammen. Nur ein Punkt, der eigentlich ein Nebenaspekt ist, soll hier aufgegriffen werden, weil ich mich frage, ob diese Diskussion nicht auch in anderen Bereichen der Digital Humanities produktiv geführt wird oder werden kann – und insofern keine Digitale-Editionen-Spezialdiskussion ist:
Offensichtlich wird die Digitale Edition sinnvollerweise im Aufgreifen der traditionellen Editorik definiert. Und dann in Abgrenzung zu ihr. Hier entsteht aber ein Problem: wenn eine gedruckte Edition einfach digitalisiert wird, müsste man dann nicht von einer digitalen Edition sprechen? Der normale Gebrauch der deutschen Sprache legt dies zunächst nahe. Es ist geradezu schwierig, dem folgenden Satz wiedersprechen zu wollen: „Eine digitalisierte Edition ist eine digitale Edition“. Trotzdem muss es getan werden und müssen wir akademischen Klugscheißer der allgemeinen Sprachlogik wohl ein wenig Gewalt antun Widerstand leisten. Denn wie ich andernorts schon ausgeführt habe, liegt der Kern der Wandlungen in der Editorik (und den Geisteswissenschaften insgesamt?) nicht in einem Wandel der Werkzeuge und Medien – sondern in einer Bewegung hin zur Transmedialisierung. Dies führt dazu, dass die mediale Präsentation – ob im Buchdruck oder digital – nicht „wesentlich“ ist. Das wiederum bedeutet, dass eine „digitale Edition“ nicht einfach dadurch definiert ist, dass sie digital vorliegt. Das Digitale ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung. Es entsteht das quasi-definitorische Statement:
„Eine digitalisierte Edition ist (noch lange) keine digitale Edition.“
Dies ist das Gegenstück zu dem positiven Definitionsbaustein aus der gegensätzlichen Richtung:
„Eine digitale Edition kann nicht ohne substanzielle Verluste an Inhalten oder Funktionalitäten gedruckt werden.“
Diese Definition ist zunächst gut, weil sie die Spezifika der digitalen Edition in den Vordergrund stellt. Leider ist sie nicht besonders scharf, weil man sich lange darüber wird streiten können, was „substanziell“ ist. Der Ansatz wurde in der Diskussion dann auch an genau diesem Punkt hinterfragt: Bieten nicht schon digitalisierte Editionen einen funktionalen Mehrwert, wenn man sie z.B. per Knopfdruck durchsuchen kann? Hm, ja, offensichtlich muss es eine Schwelle geben, die überschritten werden muss, um davon reden zu können, dass es sich bei digitalen Editionen um „andere“ Editionen handelt, als die gedruckten Editionen wie wir sie kennen. Diese Schwelle brauchen wir auch deshalb, weil digitale Editionen aus digitalisierten Editionen sehr wohl „herauswachsen“ können. Viele digitale Editionen beginnen mit der Digitalisierung bereits gedruckt vorliegender Editionen. Ab einer bestimmten Ausbau- und Umbaustufe wird man sie dann aber doch als „digitale Editionen“ bezeichnen wollen. Diese Schwelle ist zunächst – wie oben angedeutet – durch Inhalte und Funktionen bestimmt. Hinter dem begrifflichen Wechsel und hinter der Beschreibung von Eigenschaften muss aber letztlich ein konzeptioneller Unterschied stehen. Die digitale Edition ist durch ein eigenes Theoriegebäude und durch eine eigene Methodik bestimmt. Sie folgt einem „digitalen Paradigma“, zu dem eben Konzepte wie Transmedialisierung, abstrakte Modellierung, Daten-Orientierung, Multitext, Prozesshaftigkeit, Transparenz, besere Zugänglichkeit oder vielleicht auch Soziabilität gehören. Wenn ich die Stimmung in der Diskussion richtig gedeutet habe, scheint das auch weitgehend unterstützt zu werden. Zum einen wurde (von, ich glaube, Roberto Rosselli del Turco) einmal mehr darauf hingewiesen, dass ja heute alle Editionen mit digitalen Werkzeugen erstellt würden, man deshalb auch von „digital born printed editions“ sprechen könne, dies aber eben auch noch lange keine digitalen Editionen ausmachen würde. Zum anderen betonte die gewohnt klarsichtige Elena Pierazzo, dass wir digitale Editionen deshalb machen, weil wir andere Gegenstände erschließen und andere Zielstellungen (z.B. in der Repräsentation der Textgenetik) verfolgen wollen. Deshalb könne es nicht darum gehen, bessere Editionen in der Tradition des Buchdrucks zu machen – selbst dann nicht, wenn man dazu die besten digitalen Mittel einsetzen würde. Man sei schließlich an Dingen interessiert, die im Druck nicht nur nicht möglich sind, sondern in der Druckkultur noch nicht einmal denkbar waren.
Das ist eine klare, aber radikale Position, die wohl nicht von allen geteilt werden würde. Schließlich gibt es daneben auch viele, die betonen würden, dass es sehr wohl auch um die (bessere) Edition von Materalien geht, die man immer schon edieren wollte und um die dabei jetzt anzuwendenden besseren Methoden und Werkzeuge. Aus dieser Perspektive bleibt es schwierig, ein klares Kriterium zu finden, an dem sich die digitalisierte oder bloß irgendwie in digitaler Form vorliegende Edition von der „wirklich“ digitalen Edition unterscheidet.
Die terminologische Trennung scheint übrigens auch auf der internationalen Ebene zu funktionieren: Digitized is not digital. Es gibt zwar auch noch das Wort „digitalized“, aber das scheint (wenn es nicht nur ein furchtbarer Germanismus oder ein einfaches Synonym zu „digitized“ ist) etwas (und zwar verschiedenes) Anderes zu bedeuten. Nämlich u.a. eine allgemeinere Durchdringung von Wissenschaft und Welt durch die Prinzipien des Digitalen und nicht so sehr das Digital-Werden von bestimmten „Dingen“ oder Informationen. Zuletzt ist „digitalized“ auch in den Digital Humanities auf einem Buchtitel aufgetaucht, nicht aber in dem betreffenden Buch selbst – so dass auch hier weiterhin unklar bleibt, was es denn genau für unseren Fragenkreis bedeuten und beitragen könnte.
Was das Phänomen „eine digitalisierte Edition ist keine digitale Edition“ in seiner sprachlogischen Problematik betrifft, so hätte ich gerne Analogien aus bisherigen Wortentwicklungen. Es müsste so etwas sein wie „ein befreiter Mensch ist kein freier Mensch“ (nur mit mehr Sinn!). Hat jemand ein besseres Beispiel?
Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1122
Ein neues Logo und neue Themen für Hypotheses
Wie den meisten hier sicherlich schon aufgefallen ist, verändert sich im Moment einiges auf unserer Plattform. Wenn wir noch in den 1990ern wären, würden wir jetzt nette kleine “under construction”-Animationen im guten alten GIF-Format einbinden. Das neue Logo hat auch die Redaktion von de.hypotheses in seinem plötzlichen Erscheinen überrascht [sic!].
Man versteht es besser, wenn man das Team und die Anwendungen von Open Edition kennt — schließlich ist hypotheses jüngstes Kind einer Familie von Websites, die auch revues.org und calenda.org umfasst. Sie alle werden in Zukunft das schöne Blumenlogo in verschiedenen Farbschattierungen tragen. Die Idee orientiert sich an der Wikipedia, die ja überall auf dem gleichen Logo basiert. Zugleich spricht man in Marseille lieber einfach von “hypotheses”, wo wir im Moment noch gerne “de.hypotheses” zum deutschsprachigen Teil der Plattform sagen.
Für die Umstellungszeit wird es freilich auch für de.hypotheses etwas ruckelig werden. In den sozialen Medien werden wir peu à peu die rote Blume einbinden. Auf der Plattform selbst ist im Redaktionsblog zwar schon das neue Logo zu sehen (oben rechts in einem Widget). Aber es bleibt auch der alte blaue Schriftzug links oben zu sehen. Leider lässt sich dieser nach den Angaben des Teams von Open Edition nicht entfernen, da er in den alten Designs fest eingebaut ist. Auch das Favicon in den Tabs ist vorerst noch im alten Blau gehalten, bevor es dann hoffentlich in Rot erstrahlen kann.
An dieser Stelle werden demnächst die neuen Designs ins Spiel kommen. Auch hier war man in Marseille schon im Hintergrund fleißig. Demnächst werden also drei neue Themen auf der Plattform zur Verfügung stehen. Das Bloghaus und die Maison des Carnets tragen übrigens schon neue Kleider … Wir halten Euch über alles, was man dazu wissen muss, auf dem Laufenden.
SdK 48: Robert Pfundner über archivierte Tonaufzeichnungen
Quelle: http://feedproxy.google.com/~r/kulturwissenschaften/~3/pPy-le9X7Sc/sdk48
Nationalenzyklopädie versus Wikipedia – Norwegens Store Norske Leksikon: SNL.no

The Library: Encyclopedias, 1964
Flickr Commons, LSE Library (public domain)
Spätestens seit Anfang des neuen Jahrtausends kämpfen viele Verlage mit einbrechenden Verkaufszahlen ihrer Enzyklopädien und Lexika, wie zuletzt der Verlag Encyclopaedia Britannica, der 2010 aufgrund niedriger Nachfrage die letzte 32-bändige Ausgabe seines prestigeträchtigen Nachschlagewerks herausgegeben hat.

Druckausgabe des Store Norske Leksikon
Auch in Norwegen kämpfte der durch die beiden größten Verlage des Landes, Aschehoug und Gyldendal, gegründete Kunnskapsforlaget mit sinkenden Umsätzen. 1978–1981 gab er die erste Ausgabe des Store Norske Leksikon [Großes Norwegisches Lexikon] heraus, das die beiden vorherigen großen Standardenzyklopädien Aschehougs konversasjonsleksikon und Gyldendals Store Konversasjonsleksikon vereinte. Die vierte Ausgabe von Store Norske Leksikon, die von 2005–2007 herausgegeben wurde, war bereits die letzte Printausgabe des Lexikons und wurde von einer kostenpflichtigen Online-Ausgabe abgelöst. Doch auch die Online-Ausgabe erbrachte nicht die erhofften Gewinne, da sie in direkter Konkurrenz zum Enzyklopädiegiganten Wikipedia stand. 2010 kündigte Kunnskapsforlaget an, dass der Betrieb der Online-Version des Lexikons eingestellt werde, worauf eine Debatte über die Zukunft der ›norwegischen Nationalenzyklopädie‹ folgte. Ausgelöst wurde diese vor allem durch die Aussage der norwegischen Kulturministerin Anniken Huitfeldt, die sagte, sie halte es nicht für die Aufgabe des Staates, die Verantwortung für die Netzausgabe des Store Norske Leksikon zu übernehmen. In einem Interview mit dem norwegischen Fachblatt der Buchbranche Bok & Samfunn äußerte sie ferner: »Es braucht starke Argumente, damit der Staat sich an der Finanzierung eines nationalen Lexikons beteiligt. Eine solche Anfrage ist durch den Kunnskapsforlaget gekommen, und wir werden sie selbstverständlich genau abwägen, aber ich habe meine Zweifel daran, wie richtig das ist. Es wird um viel Geld gehen, und Netzlexika wie Wikipedia sind eine interessante Alternative. Ich bemerke, dass viele negativ gegenüber Wikipedia eingestellt sind, aber ich teile diese Auffassung nicht.«

Onlineversion des Store Norske Leksikon
Die humanistische Bildungsorganisation Fritt Ord [Freies Wort] und die Sparebankstiftelse DnB Nor übernahmen daraufhin das Lexikon und geben es seitdem in Zusammenarbeit mit den Universitäten, der norwegischen fachliterarischen Autorenvereinigung und der norwegischen Wissenschaftsakademie unter dem Projektnamen Norsk nettleksikon [Norwegisches Netzlexikon] heraus. SNL.no beinhaltet sowohl das Store Norske Leksikon als auch das Store Medisinske [Große Medizinische] und das Norsk Biografisk Leksikon [Norwegische Biografische Lexikon], alles drei fachliterarische Standardwerke. Die Zielsetzung des Projekts formuliert seine Redakteurin Ida Jackson wie folgt: »Das norwegische Netzlexikon arbeitet für Wissen für alle, ein freies Internet, digitale Bildung und Forschungsvermittlung auf gut Norwegisch.« Im Redaktionsblog des Lexikons, Lille Norske [Kleines Norwegisches], schreibt sie ferner: »Ein Lexikon ist kein Buch. Ein Lexikon ist keine Internetseite. Ein Lexikon ist Inhalt. Das Wichtige ist nicht schönes Papier oder ein Goldrücken. Das Wichtige sind nicht Teilen-Knöpfe zu Facebook und Twitter. Das Wichtige sind die Artikel, die Links zwischen den Kapiteln und die Metadaten zu den Artikeln. Es sind die Texte.«
An der hier nur kurz skizzierten Debatte um Store Norske Leksikon zeigen sich grundlegende Legitimationsprobleme der traditionsreichen Lexika und Enzyklopädien im Zeitalter von Wikipedia und Google. Gerade für eine solch kleine Nation wie Norwegen scheint der sich anbahnende Verlust der Nationalenzyklopädie so schmerzhaft zu sein, dass sogar nicht-staatliche Organisationen enorme Summen in die Hand nehmen – laut Aftenposten investierten Fritt Ord und Sparebankstiftelsen DnB Nor je 15 Millionen Kronen ins Lexikon –, um nicht vollkommen von einer ›Weltenzyklopädie‹ wie Wikipedia überschattet zu werden.

Funktionen von snl.no
Neben der symbolischen Bedeutung des Lexikons ist es jedoch vor allem die Frage nach inhaltlicher Qualität, die die norwegische Debatte anfeuerte und die ähnliche Debatten außerhalb Norwegens bereits leitete und leiten wird; wie auch in Deutschland, wo die Brockhaus-Enzyklopädie vor ähnlichen Schwierigkeiten steht. Store Norske Leksikon und damit auch SNL.no ist im Gegensatz zu Wikipedia eine Primärquelle, aus der mit Angabe eines Autors zitiert werden kann und die durchweg ›echte‹ Literaturangaben enthält. Wikipedia hingegen wird kontinuierlich – und kostenlos – aktualisiert. Hierin liegt der wohl größte Vorsprung von Wikipedia vor SNL.no, den die norwegische Redaktion jedoch in zweierlei Hinsicht einholen will. Zum Einen sollen viele neue Akademiker für die Online-Publikationen des Store Norske Leksikon gewonnen werden: »Akademiker, Forscher und Fachautoren sollen lernen, dass das Netz ein Teil der Öffentlichkeit ist, kein Schimmelpilz hinter dem Sofa«, wirbt Ida Jackson. Zum Anderen bietet SNL.no die Möglichkeit, nach einer Registrierung Änderungsvorschläge und Aktualisierungen abzugeben – ähnlich wie bei Wikipedia –, die jedoch von einem der 300 Fachexperten und nicht nur per ›Schwarmintelligenz‹ redigiert werden. Genau in diesem Punkt liegt die eigentliche Innovation des internetbasierten Lexikons SNL.no. Es stellt nicht nur eine fundierte und qualitätsgesicherte Quelle für u.a. Schüler, Studenten und Wissenschaftler dar, es versucht zudem das Renommee eines traditionsreichen Nachschlagewerkes auf eine moderne Publikationsform zu übertragen und rüttelt an alten, behäbigen Verhaltensweisen einer Wissenschaftswelt ›von gestern‹. Die Hauptredakteurin von Store Norske Leksikon kündigt deshalb in einem Interview mit Aftenposten an: »Du wirst sehen können, ob ein emeritierter Professor wirklich an der Diskussion teilnimmt. Früher konnte man sich hinter einer lebenslaufbasierten Autorität verstecken. Aber das, was im Netz Legitimität verleiht, ist Handlung. Fachverantwortliche, die nicht antworten oder mehr als drei Tage brauchen, um zu antworten oder Anwesenheit zu zeigen, wollen wir immer los werden. Diejenigen, die sich so aufführen, wollen wir einfach nicht haben.«
Letztendlich ist der Fortbestand des kostenlosen SNL.no jedoch weiterhin von der Finanzierung abhängig und es bleibt zu hoffen, dass die derzeitige Kulturministerin Hadia Tajik sich mehr für das norwegische Online-Nachschlagewerk einsetzt als es ihre Vorgängerin getan hat und die Verantwortung für die Unterstützung eines so löblichen Bildungsprojekts auch beim Staat sieht.
DRadio Kultur: Feuerfest und Donauwalzer – Eine Lange Nacht in Alt-Wien, 1.12.2012
Ankündigung:
Feuerfest und Donauwalzer
Eine Lange Nacht in Alt-Wien
Von Andreas Kloner
Der Begriff "Alt-Wien" ist Schimäre. Ein "guter Schmäh", würde man in Wien sagen. Mit dem Abbruch der Wiener Stadtmauern ab 1858, an deren Stelle in den Folgejahren die Wiener Ringstraße entstand, blickten die Bewohner recht bald auf ein Wien zurück, das es in dieser romantischen Gestalt und Unbeschwertheit nie gegeben hat.
Im Mittelpunkt dieser Verklärung stand die unmittelbare Vergangenheit, die sogenannte Biedermeierzeit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Hier war es möglich, dass Ewigkeitskünstler wie Ludwig van Beethoven sowie die Altersgenossen Franz Schubert, Josef Lanner und Johann Strauß Vater sich über den Weg laufen und mit ihrer Musik zur Romantisierung dieser Zeit das Ihrige dazu beitragen konnten.
In Wirklichkeit diente diese zum Teil vordergründig fröhliche Musik lediglich als Sedativum, um einer tristen und lebensbedrohenden Realität innerhalb und außerhalb der Stadtmauern Wiens entkommen zu können: Das Wien der Biedermeierzeit war beherrscht vom Spitzelwesen unter der Ägide eines Fürsten Metternich, von tödlichen Krankheiten wie der Cholera, der Lungenschwindsucht und der Syphilis, vom unsäglichen Gestank der offenen Fleischerläden und jener Exkremente, den Tausende von Pferden tagtäglich in den engen Gassen und Straßen innerhalb der Stadt zurückließen. Soweit es die Zensur zuließ, waren es Theaterleute wie Johann Nestroy oder Ferdinand Raimund, die in ihren Dramen der Stadt und deren Einwohnern einen ironischen Spiegel der herrschenden Zustände vorgehalten haben.