Hörbilder Spezial zur Eisler-Familie

Kann man jetzt auf Ö1 nachhören:

Der Karl Marx der Musik, die Denunzianten-Lady und der gefährlichste Terrorist der Welt. Die Eislers - eine Ausnahmefamilie. Wie politische Gesinnung die Geschwister Gerhart Eisler, Hanns Eisler und Ruth Fischer entzweit. Feature von Henry Bernhard

"In der Familie Eisler herrschen verwandtschaftliche Beziehungen wie in den Shakespeare'schen Königsdramen", hatte Charlie Chaplin über die Geschwister Eisler gesagt. Er hatte allen Grund dazu. Stand der ältere Gerhart Eisler 1947 in New York als Angeklagter vor Gericht, so traten sein jüngerer Bruder Hanns als Zeuge der Verteidigung und die Schwester Ruth Fischer als Zeugin der Anklage auf.

Gerhart gilt zeitweise als "Staatsfeind Nr. 1" in den USA; der Kommunist soll ein Aufwiegler, Terrorist und Agent der Komintern gewesen sein - dies meinte auch und gerade seine Schwester. Und wenn sich die Geschwister auch nicht gegenseitig umbrachten, so kamen ihre Verleumdungen doch Rufmorden gleich.
Glühende Kommunistin

Wie hatte es so weit kommen können? Die drei sind sich in ihrer Jugend in Wien durchaus ähnlich: antibürgerlich, antichristlich, kommunistisch gesinnt, aufrührerisch, von hoher Intelligenz und blitzender Geistesschärfe. Ihr Vater ist der Philosoph Rudolf Eisler.

Ruth ist im November 1918 dabei, als in Wien die Kommunistische Partei Deutsch-Österreich gegründet wird, sie trägt das Mitgliedsbuch Nr. 1; auch ihr Bruder Gerhart tritt bald der Partei bei. Hanns studiert Musik, wird ein Schüler Arnold Schönbergs.

Die beiden Älteren hält es nicht lange in Österreich: Umsturz, Aufruhr und Revolution erhoffen sie sich eher in Berlin. Ruth heiratet einen Deutschen, um die deutsche Staatsbürgerschaft zu erwerben, und wird bald Vorsitzende der ungleich größeren Kommunistischen Partei Deutschlands. Eine Intrige Stalins und des KP-Funktionärs Ernst Thälmann jedoch entfernt sie 1925 von der Parteispitze; auch ihr Bruder Gerhart stellt sich politisch gegen sie. Die innerparteilichen Auseinandersetzungen stehen jenen gegen den äußeren "Feind" in nichts nach.
Unkittbares Zerwürfnis

Auch Hanns Eisler widmet seine Musik bald dem Kampf für den Sozialismus, als Dirigent von Arbeiterchören in Wien, als Komponist revolutionärer Film- und Marschmusik in Berlin. Als sie alle drei 1933 auf unterschiedlichen Wegen aus Deutschland fliehen müssen - Ruth Fischer flieht nach dem Reichstagsbrand mit ihrem Lebensgefährten Arkadij Maslow auf einer Harley Davidson -, kommen sie ein letztes Mal zu dritt zusammen, in einem schäbigen Hotelzimmer in Paris.

Aber auch die äußere Gefahr kann den Bruch nicht kitten. Der entscheidende Punkt ist das Verhältnis zur Sowjetunion. Fischer ist inzwischen eine Gegnerin des Stalin-Regimes; Gerhart und Hanns sind Kommunisten, der eine mit Partei-Mitgliedsbuch, der andere ohne. Der Hass und die Angst vor Stalins Häschern gehen so weit, dass Gerhart seine Schwester bei der nächsten Begegnung verleugnen wird.
Verratene Hoffnungen

In Paris trennen sich ihre Wege - um nach Umwegen 1941 in New York wieder zusammenzufinden. Die Geschwister führen sehr unterschiedliche Leben in Amerika: Hanns lehrt an der New School for Social Research, hat ein Forschungsprojekt zur Filmmusik, komponiert Ambitioniertes und vertont elegische Texte seines Freundes Bertolt Brecht. Gerhart schreibt unter Pseudonym für linke amerikanische Zeitungen. Ruth bemüht sich monatelang um ein Einreisevisum für ihren russischen Lebensgefährten, der in Kuba festsitzt.

Hanns, der Jüngste, hält Kontakt zu beiden Geschwistern. Zwischen Ruth und Gerhart gibt es nur Hass. Als Ruths Lebensgefährte in Kuba tot aufgefunden wird, ist für sie klar, dass Stalins langer Arm ihn ermordet hat. Sie überzieht ihre Brüder, die sie für mitschuldig hält, mit Verdächtigungen, Halbwahrheiten und Lügen, auch in der Öffentlichkeit und vor dem "Komitee für unamerikanische Aktivitäten".

Gerhart wird wegen Passvergehens zu drei Jahren Haft verurteilt. Hanns wird zum "Karl Marx der Musik" und zum "Red composer-in-chief" stilisiert und ausgewiesen. Sein Bruder folgt ihm illegal. Sie landen im Osten Deutschlands, der eine als Partei- und Medienfunktionär, der andere als Komponist (der DDR-Nationalhymne), dessen Werke kaum aufgeführt werden, weil sie als "entartet" gelten. Auch Gerhart fällt 1950 für Jahre in Ungnade.

Glücklich wurden sie nicht, auch nicht ihre Schwester, die von New York und später Paris aus publizistisch den Kommunismus bekämpfte. Sie sollte ihre Brüder nie wiedersehen. Die Revolution hat ihre Kinder gefressen - außerordentlich begabte Kinder, die an ihren verratenen Hoffnungen zerbrochen sind.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/97023622/

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Ö1 zu geisteswissenschaftlichen Weblogs

Für die Ö1-Dimensionen hat Nicole Dietrich eine Sendung über geisteswissenschaftliche Weblogs gestaltet, die Montag 21.5.2012, 19:05-19:30 ausgestrahlt wird; Anlass dafür ist der Start von de.hypotheses.org, ein paar der Wortspenden sollten auch von mir stammen:

Wissenschaftskommunikation in Echtzeit.
Weblogs in den Geisteswissenschaften.
Gestaltung: Nicole Dietrich

Wissenschaftliches Recherchieren, Publizieren und Kommunizieren haben sich durch das Internet beschleunigt und vereinfacht. Man fragt sich manchmal, wie man je ohne vernetzte Datenbanken, den Druck auf die Eingabetasten oder das Zitierprogramm Texte fertig stellen konnte.
Wissenschafts-Weblogs sind ein Teil dieser neuen Forschungskultur. Blogs dokumentieren und kommentieren Forschungsfortschritte, dienen als Notizblock und Selbstvermarktungswerkzeug, zeugen für Mut zum Fragment. Wer sich in Diskussionen einmengen will oder Anregungen sucht, kann viele Bücher beiseite legen und in wissenschaftliche "Blogosphären" eintauchen. Darin effizient zu navigieren, bedarf eigener Kompetenz und mit zunehmender Akzeptanz der Blogs stellt sich auch die Frage der Qualitätssicherung: Stabilität, Resistenz, Überprüfbarkeit wissenschaftlicher Publikation müssen gewährleistet bleiben.

Ein im März 2012 eröffnetes deutschsprachiges Blogportal für die Geisteswissenschaften - http://de.hypotheses.org - war Anlass für eine Tagung über diese neue Art des Publizierens.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/97022609/

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Orientierung in Amman

Die Fotografin Regina Mamou hat sich mit der Navigation in der jordanischen Hauptstadt Amman beschäftigt, bei der nicht immer Hausnummern angegeben werden; Atlantic Cities berichtet darüber.

Fotos von Hausnummern in Amman gab's ja bereits im Adresscomptoir:
http://adresscomptoir.twoday.net/stories/6342205/
http://adresscomptoir.twoday.net/stories/6322852/
http://adresscomptoir.twoday.net/stories/6331958/

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/97021195/

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Die Akademie der Wissenschaften als Sturmgeschütz der Reaktion – eine Debatte um…

Die Austritte von Renée Schröder und Gunther Tichy aus der Österreichischen Akademie der Wissenschaften haben eine Debatte um die politische Ausrichtung dieser Forschungseinrichtung entfacht, nachzulesen u. a. im Standard (1, 2, 3, 4) und in Science ORF.

Ähnliche Diskussionen um die politische Notwendigkeit einer wissenschaftlichen Akademie lassen sich schon lange vor deren Gründung 1847(1) feststellen; nachdem Leibniz um 1700 mit seinen Akademieplänen gescheitert war und auch die Bemühungen zur Zeit Maria Theresias und Josephs II. nicht verwirklicht wurden, sollte zu Beginn des 19. Jahrhunderts, in der Zeit der Kriege gegen das (post)revolutionäre Frankreich diese Debatte in eine neue Phase treten; folgende Erzählung war es, die zur Begründung einer solchen Einrichtung in Wien - dem Zentrum der Reaktion - bemüht wurde:

Im Gefolge der Französischen Revolution wären viele deutsche und französische Schriftsteller "als Vertheidiger und Lobredner wilder Schwärmerey" aufgetreten; diese "heimlichen und öffentlichen Feinde" hätten es sich zum Zweck gemacht, "den stets guten und patriotischen Sinn der österreichischen Völker zu verderben".(2) Die Monarchie wurde als bedroht gesehen von diesen Schriften, von diesen "ephemere[n] Ausgeburten des Zeitgeistes, eines muthwilligen Aberwitzes, einer kränklichen Phantasie"(3); genau dagegen richtete sich die Zensur, doch dies allein wäre unbefriedigend. Im Vergleich zur Zensur würde es ein effizienteres Mittel gegen die Feinde Österreichs geben, nämlich eine Akademie, deren Mitglieder "die Irrthümer und Verleumdungen" durch jene Schriften aufdecken und die öffentliche Meinung würden leiten können.(4)

Im Jahr 1811 wird es als möglich gesehen, das Versäumte nachzuholen: Nun, da die Zeiten vorbei wären, wo die Gelehrten als "unruhiges Volk" betrachtet werden konnten, wo die Revolution in Europa sich "ausgebraust" hätte, Besonnenheit und Ruhe zurückgekehrt wären, würde die Regierung in der Gelehrsamkeit eine "natürliche Stütze" finden; eine Akademie könnte den Arbeiten der Gelehrten "eine nützliche Richtung geben", was "die Hauptzwecke des Staats und der Regierung" sehr befördern würde, denn Wissenschaft ist ein Dienst an der Menschheit und am Staat, ganz genauso wie der Dienst im Feld, im Bureau oder am Altar.(5) Der zugereiste Konvertit Friedrich Schlegel war in dieser Angelegenheit der gleichen Auffassung. Nicht nur, dass einer der hier genannten Artikel in einer von ihm redigierten Zeitschrift – dem "Österreichischen Beobachter"(6) – erschienen war, stellte er in den für seinen persönlichen Gebrauch niedergeschriebenen "Fragmenten zur Geschichte", verfasst im Oktober 1809, als er sich gerade auf der Flucht vor den Armeen Napoleons in Ungarn befand, folgende Überlegungen zur Zensur an: Demnach sollten zwar "[w]issenschaftliche Werke [...] in einem Staat wo Toleranz eingeführt ist, ganz frei sein", aber sie sollten "durch die indirecte Censur der Kritik in Aufsicht genommen" werden, um "gefährlichen Systemen und d[em] Sectengeist" vorzubeugen; diese "Kritik als Censur" sollte "von der Nationalakademie und von der Universität" nicht nur "besorgt", sondern "ihnen" geradezu "zur Pflicht gemacht" werden.(7)

In den folgenden Jahren wurden derlei Akademiepläne immer wieder ventiliert; so sollten 1817 und 1818 bei Metternich drei Akademieprojekte einlangen, die von Friedrich Christian Münter, Bischof von Seland, Friedrich Tiburtius und Friedrich Schlegel verfasst waren und sich darin einig waren, dass sie "den Fluch der Barbarei von Europa abwenden", Literatur und Kunst von Auswüchsen säubern und die "vaterländischen Gesinnungen und rechtlichen Grundsätze" aufrecht erhalten sollten.(8)

-Aufgabe einer Akademie der Wissenschaften ist demnach die Eindämmung des die Französische Revolution vorangetrieben habenden "Exzeß der Wörter" (Jacques Rancière); eine Akademie braucht es, um die gefährlichen, demokratischen, noch dazu oft ausländischen (!) Schriften zu bekämpfen.

Grundlage des Beitrags: Aspalter, Christian/Tantner, Anton: Ironieverlust und verleugnete Rezeption: Kontroversen um Romantik in Wiener Zeitschriften, in: Aspalter, Christian / Müller-Funk, Wolfgang / Saurer, Edith / Schmidt-Dengler, Wendelin / Tantner, Anton (Hg.): Paradoxien der Romantik. Gesellschaft, Kultur und Wissenschaft in Wien im frühen 19. Jahrhundert. Wien: Wiener Universitätsverlag, 2006, S. 47–120, hier 83 - 89. PDF: http://tantner.net/publikationen/AspalterTantner_Ironieverlust_ParadoxienRomantik.pdf

Anmerkungen:

(1) Meister, Richard: Geschichte der Akademie der Wissenschaften in Wien 1847 – 1947. Wien: Holzhausen, 1947; Hittmair, Otto/Hunger, Herbert: Akademie der Wissenschaften. Entwicklung einer österreichischen Forschungsinstitution. Wien 1997.

(2) Ridler, J. W.: Nekrolog auf Anton Simon. In: Österreichischer Beobachter, 1810, Beilage Nr. 28/29 (unpaginiert).

(3) Sartori, Franz: Übersicht über die literarische Thätigkeit in Oesterreich während der Jahre 1808 und 1809. In: Vaterländische Blätter, 23. November 1810/29. November 1810, Nr.58/59, S. 413.

(4) Ridler, Nekrolog

(5) Gedanken über eine Österreichisch-kaiserliche Akademie der Wissenschaften. In: Vaterländische Blätter, 2. Jänner 1811, Nr.1, S. 1–8, hier 2 f.

(6) Korpus, Klara: Friedrich Schlegel als Geschichtsphilosoph und Geschichtsschreiber, Politiker und Journalist. Dissertation Universität Wien 1916, S. 70–75; Mühlhauser, Josef: Die Geschichte des "Österreichischen Beobachter" von der Gründung bis zum Tode von Friedrich von Gentz. Dissertation Universität Wien 1948; Foit, Johann: Die publizistische Tätigkeit Friedrich Schlegels in Wien. Dissertation Universität Wien 1956, S. 84–109.

(7) Schlegel, Friedrich: Zur Geschichte. 1809. October; in: Ders.: Fragmente zur Geschichte und Politik. Erster Teil. Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe (KFSA), Hrsg. von Ernst Behler. Bd.20, S. 219–260, hier 234, F 8.

(8) Schlitter, Hanns: Gründung der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. (Ein Beitrag zur Geschichte des vormärzlichen Österreichs). In: Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-historische Klasse. Sitzungsberichte, 197, 5. Abhandlung. Wien 1921; zu Münter: S. 19–26 ("Fluch": S. 25), zu Tiburtius: S. 26; Schlegel, Friedrich: Über die litterarisch politische Wirksamkeit und den dadurch auf die öffentliche Meinung zu erhaltenden Einfluss (20.11.1816); KFSA. Bd.21, S. 406–412 ("Gesinnungen": S. 411).

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/97018501/

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Interview mit Peter Hein im Standard

Die Udo Lindenbergs und BAPs und der ganze Deutschrock sollen natürlich downgeloadet werden, bis sie verhungern. Ich lasse mir die Existenz oder Nichtexistenz meiner Band nicht vom Geschmack des Publikums oder irgendwelchen Märkten vorschreiben. Wenn uns niemand will, soll es uns immer noch geben - solange ich es selbst ertrage. - Peter Hein von den Fehlfarben im Interview mit dem Standard.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/97018455/

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